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Autor Thema: Gastarif nach Gutsherrenart?  (Gelesen 12069 mal)

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Offline RR-E-ft

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Gastarif nach Gutsherrenart?
« am: 02. August 2010, 15:13:14 »
Gastarif nach Gutsherrenart?

Zitat
Um ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem Gasmarkt zu stärken, haben die Stadtwerke ein Konzept zur Anpassung der Delta-Gaspreisprodukte an die allgemeine Marktsituation erarbeitet: Zunächst wird der Arbeitspreis der \"Allgemeinen Tarife\" um 1,2 Cent pro Kilowattstunde gesenkt. Der neue Tarif gilt ab 1. September.

Nicht ersichtlich ist, welche für die Billigkeit des Allgemeinen Tarifs maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren  des Gastarifs (bestehend aus Grund- und Arbeitspreis) sich wann wie, also in welche Richtung und um welche Beträge, entwickelt haben (vgl. BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Möglicherweise gibt der Gasversorger entgegen gesetzlicher Verpflichtung zwischenzeitliche Kostensenkungen nur mit zeitlicher Verzögerung und nicht umfassend an die Kunden weiter.

Offline Pedro

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Gastarif nach Gutsherrenart?
« Antwort #1 am: 02. August 2010, 15:49:25 »
@RR-E-ft:
Zitat
Nicht ersichtlich ist, welche für die Billigkeit des Allgemeinen Tarifs maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren des Gastarif

Ob im Gemeinderat von Hockenheim jemand danach gefragt hat ??? :D
Mein Tipp: Falls es in Hockenheim Protestler gibt, sollte man das Protokoll der Gemeinderatssitzung vorsorglich zu den eigenen Akten nehmen. Eine schönere Begründung findet man selten.  ;)

Offline Black

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Gastarif nach Gutsherrenart?
« Antwort #2 am: 02. August 2010, 16:27:23 »
Das geht nun wirklich zu weit!

Die Kunden sollten Widerspruch einlegen und weiterhin die alten Preise zahlen!
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Gastarif nach Gutsherrenart?
« Antwort #3 am: 02. August 2010, 16:38:05 »
Zitat
Original von Black
Das geht nun wirklich zu weit!

Die Kunden sollten Widerspruch einlegen und weiterhin die alten Preise zahlen!

Urkomisch.


@Black

Bei der Grundversorgung zu einem Allgemeinen Tarif geht es nicht um die Frage eines \"Konzepts zur Anpassung der Preise an ein Marktniveau\".

Maßgeblich soll allein die Kostenentwicklung bei den preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Tarifpreises (bestehend aus Grund- und Arbeitspreis) sein (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Dabei muss sich also auch die Einhaltung der Verpflichtung zur zügigen wie umfassenden Weitergabe von Kostensenkungen kontrollieren lassen. Dafür muss man den zum 1.September einseitig neu bestimmten Tarif als unbillig rügen und den Nachweis über dessen Billigkeit verlangen. Entspricht dieser einseitig bestimmte Tarif nämlich nicht der Billigkeit, ist er gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich (siehe auch BGH X ZR 60/04 unter II 1 ).

Wurden zwischenzeitliche Kostensenkungen entgegen gesetzlicher Verpflichtung nicht zügig und umfassend durch Tarifabsenkung an die Kunden weitergegeben, kann der Allgemeine Tarif gerade deshalb auch schon vor dem 01.09. unbillig gewesen sein, weil der Grundversorger dem aus dem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht folgenden gesetzlichen Verpflichtung zur der Billigkeit entsprechenden Tariffestsetzung nicht nachgekommen war.

Offline Black

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Gastarif nach Gutsherrenart?
« Antwort #4 am: 02. August 2010, 18:01:47 »
Wie kommen Sie darauf, dass wenn ein Versorger ankündigt seine Preise senken zukönnen zu mutmaßen, dies sei gerade ein Indiz, dass er frühere Kostensenkungen nicht weitergegeben habe?

Gehen den Verbraucheranwälten die Mandate aus, dass jetzt gegen Kostensenkungen künstlich mobil gemacht werden muss?
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Gastarif nach Gutsherrenart?
« Antwort #5 am: 02. August 2010, 18:10:54 »
@Black

Ich sprach von der Möglichkeit, dass der einseitig zum 01.09. neu festgesetzte Tarif nicht der Billigkeit entsprechen könne.

Sie brachten darauf in die Diskussion den - wohl nicht ganz ernst gemeinten -  Vorschlag ein, Widerspruch einzulegen und den alten (also höheren) Preis weiter zu zahlen.

Insoweit war darauf hinzuweisen, dass der Tarif auch schon vor dem 01.09. unter den genannten Voraussetzungen unbillig gewesen sein  konnte.

Es entspricht wohl der Logik der Rechtsprechung des BGH (zuletzt VIII ZR 246/08] auch vorsorglich Widerspruch einzulegen, wenn nur die Möglichkeit einer unbilligen Tariffestsetzung zu besorgen steht, eine solche nicht sicher ausgeschlossen werden kann, um Rechtsnachteile für den Tarifkunden zu vermeiden. Faktisch besteht wohl immer die Möglichkeit einer unbilligen Tariffestsetzung.

Niemand maht gegen Kostensenkungen mobil.
In der Kritik stehen - nach wie vor - vielmehr unbillige einseitige Tariffestsetzungen.

Dem Versorger sollte deshalb die Möglichkeit gegeben werden, schlüssig, nachvollziehbar und ggf. nachprüfbar zu erklären, warum seine einseitige Tariffestsetzung denn überhaupt der Billigkeit entsprechen soll, diese für den Kunden überhaupt verbindlich sein soll (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Offline Black

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Gastarif nach Gutsherrenart?
« Antwort #6 am: 02. August 2010, 18:28:13 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Es entspricht wohl der Logik der Rechtsprechung des BGH (zuletzt VIII ZR 246/08] auch vorsorglich Widerspruch einzulegen, wenn nur die Möglichkeit einer unbilligen Tariffestsetzung zu besorgen steht, (...)Faktisch besteht wohl immer die Möglichkeit einer unbilligen Tariffestsetzung.

Faktisch soll der Kunde also immer Widerspruch einlegen, unabhängig davon, ob der Preis steigt, sinkt oder konstant bleibt.  :rolleyes:
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Offline RR-E-ft

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Gastarif nach Gutsherrenart?
« Antwort #7 am: 02. August 2010, 18:34:06 »
Das muss der Kunde bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht wohl tun, der die maßgebliche Kostenentwicklung der maßgeblichen preisbildenden Kostenfaktoren nicht kennt und keine Rechtsnachteile erleiden möchte.

Das folgt wohl aus der Entscheidung BGH VIII ZR 246/08. Dort wird jedenfalls dann, wenn ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht besteht, der Widerspruch des Kunden gefordert, um der Möglichkeit der Unbilligkeitseinrede nicht verlustig zu gehen.

Ebenso wie ein einseitig erhöhter Tarifpreis unbillig sein kann, kann aus genannten Gründen auch ein einseitig herabgesetzter Tarifpreis unbillig sein. Gerade auch ein stabil gehaltener Preis kann ja gerade wegen nicht zügiger und umfassender Weitergabe von Kostenvorteilen unbillig (geworden) sein, wenn zwischenzeitlich bei preisbildenden Kostenfaktoren rückläufige Kosten zu verzeichnen waren (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Beim Abschluss eines Grundversorgungsvertrages kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass bereits vor Vertragsabschluss Kostensteigerungen zu verzeichnen waren, die den Versorger nach Vertragsabschluss zu einer Tariferhöhung berechtigen.

Nur nicht zu früh applaudieren.
Auch diese Medaille hat zwei Seiten.  

Ebenso kann dann aber wohl auch nicht ausgeschlossen werden, dass bereits vor Vertragsabschluss Kostensenkungen zu verzeichnen  waren, die den Versorger nach Vertragsabschluss zu einer Tarifabsenkung nach gleichen Maßstäben verpflichten.

Anders verhält es sich freilich bei vereinbarten Sondertarifen mit Preisänderungsklausel.

Dort dürfen Preisanpassungen nur im Umfang nach Vertragsabschluss geänderter Kosten erfolgen.
Kostenänderungen vor Vertragsabschluss müssen dort jedenfalls außen vor bleiben, weil alles andere mit dem Sinn und Zweck von Preisänderungsklauseln unvereinbar wäre.

Daran sollte man erkennen, dass es sich bei Preisänderungen eines vereinbarten Preises aufgrund einer wirksamen Preisänderungsklausel rechtlich deutlich anders verhält und verhalten muss als bei einem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers gegenüber Tarifkunden.

Deshalb unterliegt die Gleichsetzungsrechtsprechung des BGH zuletzt in VIII ZR 246/08 der Kritik.
Das gesetzliche Leistungsbetimmungsrecht eines Energieversorgungsunternehmens hat offensichtlich eine andere Aufgabe zu erfüllen als eine Preisänderungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieliefervertrages.

 

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