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Autor Thema: Zukünftig auch Konzessionsabgaben für Fernwärme in Jena?  (Gelesen 5587 mal)

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Offline RR-E-ft

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In der Stadtradtssitzung vor der Sommerpause ging es darum, den Oberbürgermeister zu beauftragen, in Verhandlungen mit den eigenen Stadtwerken erstmals  die Zahlung von Konzessionsabgaben in einem Fernwärme- Konzessionsvertrag durchzusetzen.

Jenaer Stadtratssitzung kollidiert mit Fußball-WM

Mehrheitlich beschlossen TOP 20: Beschlussvorlage Oberbürgermeister - Gestattungsentgelt Fernwärme


Zitat
Der Stadtrat beschließt:  

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, im Rahmen der Verhandlungen um den Neuabschluss des Gestattungsvertrages Fernwärme von der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH die Zahlung eines Gestattungsentgeltes in Anlehnung an die Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände (KAE) bis zu folgenden Höchstbeträgen zu fordern:  • bis zu 6 % der Roheinnahmen für die Lieferung von Fernwärme an „Tarifkunden“ • bis zu 1,5 % der Roheinnahmen für die Lieferung von Fernwärme an „Sondervertragskunden“


Die Stadt erhofft sich durch den Abschluss eines entsprechenden Konzessionsvertrages, wie er für die Wegenutzung für Strom-, Gas- und Wasserleitungen schon besteht, auch für die Fernwärme, einen jährlichen Zusatzbetrag für den kommunalen Haushalt in Höhe von 1 Mio. EUR.


Zitat

Danach würde sich unter Zugrundelegung der Geschäftszahlen der Stadtwerke aus dem Jahre 2009 folgende Gestattungsentgelte ergeben:  
• Tarifkunden: 730.860,00 €
• Sondervertragskunden: 226.545,00 €
• Gesamt: 957.405,00 €  

Der Fortgang der Verhandlungen wird zeigen, ob eine Einigung mit den Stadtwerken auf dieser Basis möglich ist.  

Hinzuweisen ist darauf, dass auf Seiten der Stadtwerke die Entscheidung über die Höhe des Gestattungsentgeltes nicht von der Geschäftsführung, sondern vom Aufsichtsrat getroffen wird.


Hinzu tritt, dass die Konzessionsabgabenhöhe nicht einen festen Betrag ausmachen soll (bei Gaslieferungen an Sondervertragskunden 0,03 Ct/ kWh), sondern an das Rohergebnis gekoppelt werden soll, welches wiederum unter anderem (witterungsbedingte Absatzmengen) direkt abhängig ist von der Höhe der den Kunden abverlangten Fernwärmepreise.

Dezernent Frank Jauch (SPD) meinte, dieser Betrag ginge allein zu Lasten des Gewinns der Fernwärmesparte der Stadtwerke und wer dagegen rede, führe das Wort der privaten Minderheitsgesellschafter, die dadurch betroffen wären, dass ihr Gewinnanteil zukünftig entsprechend geringer ausfalle.

Dagegen spricht, dass die Stadt Jena per Satzung einen Anschluss- und Benutzungszwang zur Fernwärme eingeführt hat, den man sich nun wohl noch zusätzlich vergolden würde.

Dass die Zusatzkosten durch eine solche Konzessionsabgabe zukünftig in die Fernwärme- Preisklakulation Eingang findet, die Kunden also zusätzlich belastetet werden und der Gewinn gerade nicht geschmälert wird, daran dürften wenig Zweifel bestehen. Eine Nichtumlage der durch die Konzessionsabgaben entstehenden  Zusatzkosten der Fernwärmelieferung zu Lasten des Gewinns und damit der privaten Minderheitsgesellschafter dürfte gesellschaftsrechtlich nicht haltbar sein. Denn damit würden die Geschäftsanteile der privaten Minderheitsgesellschafter entwertet.

Wäre die Konzessionsabgabe tatsächlich gewinnschmälernd, könnten sich Probleme bei der steuerlichen Anerkennung als Betriebsausgabe ergeben, weil die gezahlte Konzessionsabgabe unter Umständen steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet werden kann.


Zuständig bei den Stadtwerken ist der Aufsichtsrat.
Dessen Vorsitzender ist der Jenaer Oberbürgermeister, ein gelernter Theologe.
Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzendender ist derzeit der Vorstandsvorsitzende der E.ON Thüringer Energie AG Herr Raimund Gotzel, ein gelernter Diplomkaufmann.  

Wohl verräterischen näheren Aufschluss geben die Bedingungen der Stadt zur Auswahl eines Partners der Konzessionsverträge im Amtsblatt Nr. 45/09 S. 425

Ein Kriterium:

\"Erhaltung bzw. Erhöhung der Gewinnabführung durch Beteiligung am Netzbetreiber\", gewichtet mit 10 Prozent.

Hat man Worte? Eigentlich sollten solche Unternehmen als Netzbetreiber zum Zuge kommen, die die Aufgabe so zuverlässig, effizient und preisgünstig wie möglich erledigen.

Wenn die Stadt der Meinung ist, der Gewinnn der Fernwärmesparte falle derzeit um eine Million Euro pro Jahr zu hoch aus und ein solch hoher Gewinn sei nicht notwendig für Rückstellungen und die Verzinsung des Eigenkapitals der Gesellschafter, dann könnte sie auch darauf drängen, die Fernwärmepreise abzusenken.

Es erscheint jedenfalls bedenklich, den Zwangskunden nun auch noch mittelbar eine Abgabe abzunötigen, ohne die die Stadt bisher in den letzten 20 Jahren augescheinlich auch ausgekommen ist.

Offline Cremer

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Zukünftig auch Konzessionsabgaben für Fernwärme in Jena?
« Antwort #1 am: 07. Juli 2010, 22:49:54 »
Zitat
Dagegen spricht, dass die Stadt Jena per Satzung einen Anschluss- und Benutzungszwang zur Fernwärme eingeführt hat, den man sich nun wohl noch zusätzlich vergolden würde

Welche Bürger sind denn vom Anschlusszwang betroffen? Das kann ja nur für bestimmte Wohngebiete in Jena gelten?

Bestimmt nicht für Neubaugebiete am Rande der Stadt, wohl aber im Zentrum.
MFG
Gerd Cremer
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Offline RR-E-ft

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Zukünftig auch Konzessionsabgaben für Fernwärme in Jena?
« Antwort #2 am: 07. Juli 2010, 22:57:08 »
Zitat
Original von Cremer
Welche Bürger sind denn vom Anschlusszwang betroffen?

Wenn die Frage dahin gehen sollte, wie die betroffenen Bürger alle heißen, lässt sich diese hier nicht beantworten.

Zitat
Original von Cremer
Das kann ja nur für bestimmte Wohngebiete in Jena gelten?
Bestimmt nicht für Neubaugebiete am Rande der Stadt, wohl aber im Zentrum.

Jena ist insbesondere durch Eingemeindung umliegender Gmeinden (Cospeda, Closewitz, Isserstedt, Maua, Oßmaritz...) gewachsen.

Logisch gilt der Anschluss- und Benutzungszwang nicht in allen Gemeindegebieten (schon gar nicht in den weit außerhalb liegenden wie Isserstädt oder Oßmaritz) sondern nur in bestimmten Gebieten, jedoch genau in denen, in denen auch die meisten Einwohner leben. An die Fernwärme angeschlossen sind insbesondere das Jenaer Stadtzentrum, die Wohngebiete Jena- Nord I und II, Winzerla, Lobeda- Ost und Lobeda- West. Die meisten Wohnungen in Jena werden mit Fernwärme beheizt.

Wer es (a la Cremer) ganz genau wissen will, schaut am besten in den Anhang zur Satzung und gleicht die dort angegebenen Straßen und Plätze mit dem Stadtplan ab, um zu sehen, dass insbesondere auch die Neubaugebiete im Süden und Norden der Stadt betroffen sind. Wobei Google Earth den besten Überblick dazu vermittelt. Auch benutze man die Überblickskarte Fernwärmenetz zum ca. 90 km langen Jenaer Fernwärmenetz. Viel Spaß dabei.  ;)

 

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