LG Stuttgart, Urt. v. 16.06.2010 Az. 4 S 247/09Das Urteil gründet darauf, die Tarifkundeneigenschaft sei im Verfahren I. Instanz nicht bestritten gewesen und es seien auch keine Umstände dargetan worden, die gegen eine Tarifkundenbelieferung sprächen.
Die Frage, ob es sich um einen Tarifkundenvertrag oder aber um einen Sondervertrag handelt, ist keine geständnisfähige Tatsachenfrage, sondern eine kompliziert zu beurteilende Rechtsfrage (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09).
Im Übrigen soll das Urteil auf unzureichendem Bestreiten hinsichtlich behaupteter Kostenentwicklungen und (Gegen-) Beweisantritte in der I.Instanz und in der Berufung gem. § 531 ZPO verspätetes Vorbringen gründen. Es könnte vor dem Amtsgericht an Vortrag zur Entwicklung der Großhandelspreise für Erdgas anhand der amtlichen Feststellungen des BAFA und der BNetzA sowie dazu gefehlt haben, dass spätestens seit 2005 für Regionalversorger die Möglichkeit zum Bezug ohne Ölpreisbindung bestand, und weiteres Bestreiten zu den Kosten des konkreten Preissockels bei energiewirtschaftlich-effizienter Betriebsführung gefehlt haben (vgl. LG Dortmund, Urt. v. 20.08.2009). Aber: Nichts genaues weiß man nicht in Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze.
Es handelt sich deshalb um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, weshalb auch die Revision nicht zugelassen wurde.
Hätte der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren anderen Vortrag gehalten, sein Bestreiten anders ausgerichtet und auch Beweisangebote gebracht, hätte dieses Verfahren anders ausgehen können.
Das Urteil des AG Stuttgart.Einige Dinge, die vom Gericht wohl nicht berücksichtigt wurden:
BGH, Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Rn. 25 f., juris:
Die folglich zu Recht auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen vorgenommene tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts verstößt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Das Berufungsgericht hat bei der Ermittlung der Bezugspreiserhöhung insbesondere auch die von weiterverteilenden Unternehmen, Fernheizwerken und Formel-Sondervertragskunden abgenommenen Gasmengen berücksichtigt. Es hat auf der Grundlage der in der Kalkulation für das Gaswirtschaftsjahr 2004/2005 enthaltenen Bezugsmengen und quartalsweisen Bezugspreiserhöhungen für Tarifkunden und Sondervertragskunden ohne Formelpreise eine durchschnittliche jährliche Kostenerhöhung von 0,3455 Cent/kWh errechnet. Von der Revision unangegriffen hat es ferner zusätzlich eine Kostenerhöhung des von der Beklagten an die G. zu zahlenden lohngebundenen Leistungspreises von 0,0109 Cent/kWh berücksichtigt, so dass sich insgesamt eine Kostenerhöhung von 0,3564 Cent/kWh ergibt. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Erhöhung des Gastarifs des Klägers um 0,37 Cent/kwh im Wesentlichen auf einer Bezugskostenerhöhung beruht, ist daher nicht zu beanstanden. Eine auf eine Bezugskostenerhöhung gestützte Preiserhöhung kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (vgl. auch Senatsurteil vom 13. Dezember 2006, aaO, unter II 3 a). Ein solcher Fall ist hier indessen nicht gegeben. Wie sich aus dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und in seiner inhaltlichen Richtigkeit vom Kläger nicht bestrittenen Gutachten der Wirtschaftsprüfer E. GmbH (Anlage BK 22) ergibt, sind die weiteren allgemeinen Kosten der Beklagten nicht gesunken, sondern gestiegen.
BGH, Urt. v. 18.10.2009 VIII ZR 320/07 Rn. 29, juris:
Denn aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28 m.w.N.).
BGH, Urt. v. 19.11.2008 VIII ZR 138/07 Rn. 39, juris:
Eine auf eine Bezugskostensteigerung gestützte Preiserhöhung kann allerdings - wie die Revisionserwiderung zu Recht einwendet - unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (BGHZ 172, 315, Tz. 26). Unter diesem Gesichtspunkt müssen jedenfalls die Kostenbestandteile des Preissockels in die Beurteilung der Billigkeit der Preiserhöhung einbezogen werden, auch wenn dieser in seiner Gesamtheit, wie ausgeführt (oben unter 1), einer Billigkeitskontrolle entzogen ist (vgl. Dreher, ZNER 2007, 103, 107).
Es kommt nicht auf die Kosten der Gassparte an, wenn auch Weiterverteiler, Industriekunden und Kraftwerke beliefert werden und Haushaltskunden zu anderen Preisen beliefert werden, sondern auf die
dem konkreten Preissockel (bestehend aus Grund- und Arbeitspreis) zuordenbaren bzw. zugeordneten weiteren Kostenbestandteile.
BGH, Urt. v. 19.11.2008 VIII ZR 138/07 Rn. 43, juris:
Das schließt allerdings nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe solcher Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte. Das Recht zur Preiserhöhung nach § 4 AVBGasV kann, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, angesichts der sich aus § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 EnWG ergebenden Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas nicht dazu dienen, dass es zu beliebigen Preisen einkauft, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen (Markert, RdE 2007, 263, 265; Säcker, ZNER 2007, 114, 115), und im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und -steigerungen akzeptiert, die über das hinausgehen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist.
Zwischenzeitlich hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit den Entscheidungen vom 24.03.2010 VIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08 festgestellt, dass es derer HEL- Klauseln vielfältige gibt, die jedoch allesamt nicht zur Anpassung an die Marktverhältnisse taugen, vielmehr dem Gaslieferanten eine Erhöhung des Gewinnanteils am Gasverkaufspreis ermöglichen und deshalb in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind.
BGH, Urt. v. 24.03.2010 VIII ZR 304/08 Rn. 39, juris:
Bezogen auf leitungsgebundenes Gas scheitert die erforderliche Prognose indes bereits daran, dass ein - durch die Spannungsklausel zu wahrender - Marktpreis für Gas nicht feststellbar ist, weil es auf dem Markt für die Lieferung von leitungsgebundenem Gas an Endverbraucher nach wie vor an einem wirk-samen Wettbewerb fehlt. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend. Dass sich faktisch der Gaspreis vielfach parallel zum Preis für leichtes Heizöl entwickelt, beruht nicht auf Markteinflüssen, sondern darauf, dass die Ölpreisbindung der Gaspreise einer gefestigten Praxis entspricht (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 178/08]. Eine Spannungsklausel, die allein an die Entwicklung der örtlichen Heizölpreise anknüpft, würde daher dazu dienen, überhaupt erst einen Preis für leitungsgebundenes Gas herauszubilden. Dieser wäre aber gerade nicht durch Angebot und Nachfrage auf dem Gassektor bestimmt. Daher kann die verwendete Klausel das möglicherweise mit ihr verfolgte Ziel, die Anpassung an einen für leitungsgebundenes Gas bestehenden Marktpreis zu gewährleisten, von vorneherein nicht erreichen.
BGH, Urt. v. 08.07.2009 VIII ZR 314/07 Rn. 20, juris:
Die Beklagte hat dazu behauptet, die Steigerungen ihrer eigenen Bezugskosten nicht in vollem Umfang an ihre Kunden weitergegeben zu haben. Sie sei aufgrund einer langjährigen Bezugsverpflichtung an die Vorlieferantin s. AG gebunden; der an die Vorlieferantin zu zahlende Gaspreis sei an die Preisentwicklung des Ölpreises gekoppelt. Aufgrund dessen sei ihr Bezugspreis wie folgt gestiegen (jeweils bezogen auf den Bezugspreis vom 1. Januar 2004): Am 1. April 2004 um 0,06 Cent/kWh, am 1. Oktober 2004 um 0,14 Cent/kWh, am 1. Januar 2005 um 0,41 Cent/kWh, am 1. April 2005 um 0,71 Cent/kWh, am 1. Juli 2005 um 0,79 Cent/kWh, am 1. Oktober 2005 um 0,90 Cent/kWh und am 1. Januar 2006 um 1,33 Cent/kWh.
BGH, aaO., Rn. 21, juris:
Ob die Preisänderungsklausel im Vorlieferantenverhältnis richtig angewandt, das heißt, die Bezugskostensteigerung danach zutreffend berechnet wurde, ist keine Rechtsfrage, für deren Beantwortung der Tatrichter die Ausgangspreise kennen und die Preisänderungsklausel selbst auslegen und anwenden müsste, sondern eine tatsächliche Frage, die er im Wege der Beweisaufnahme klären kann (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 36).
BGH, aaO., Rn. 28, juris:
Ob die Ölpreisbindung in dem Vorlieferantenverhältnis korrekt umgesetzt worden ist, die Beklagte die von ihr geltende gemachte Preiserhöhung durch den Vorlieferanten nach den Bezugsverträgen also tatsächlich schuldete, wird im Rahmen der Beweisaufnahme über die von der Beklagten behauptete Bezugskostensteigerung zu klären sein (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 44).
Nach alldem hätten sich wohl bei Auswertung der Rechtsprechung des BGH auch dem Landgericht Stuttgart als Berufungsgericht weitere Fragen stellen müssen. Sie hätten sich jedenfalls dem Erstgericht stellen müssen und bei deren Nichtberücksichtigung vom Berufungsgicht aufgeklärt werden müssen, weil sie
bei der Beurteilung der Billigkeit jedenfalls Berücksichtigung finden müssen.