Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Wie weiter mit dem E.ON- Anteil an den Stadtwerken?!  (Gelesen 3699 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Wie weiter mit dem E.ON- Anteil an den Stadtwerken?!
« am: 16. Juni 2010, 00:31:13 »
Der Vorstandsvorsitzende der E.ON Thüringer Energie AG, Herr Raimund Gotzel, war in Jena und besuchte auch die Jenaer Redaktion:

http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Stadtwerke-Anteile-neu-und-mit-Buergern-Eon-will-weiter-Partner-sein-694261814

Zitat
TLZ Jena v. 15.06.2010:

Gotzel ist sich aber sicher, dass der Fortbestand der Stadtwerke-Eon-Partnerschaft in beidseitigem Interesse liegt: Würden die Stadtwerke Eon abstoßen, verlören sie den Partner mit den meisten Berührungspunkten: von der Fernwärmeversorgung via Eon-Heizkraftwerk in Winzerla bis zur Flotte von Dienstleistungen für eigenen Energiehandel der Stadtwerke und bis zum gemeinsamen Ausbildungsverbund. Gotzel setzt einen drauf: Weshalb keine Erhöhung des Eon-Anteils?

Tja, Herr Gotzel. Warum nicht, lässt sich leicht erklären. E.ON handelt mit seiner Energiepreispolitik den Interessen der Jenaer Bürgerschaft laufend zuwider, wie insbesondere das Geschäftsjahr 2009 deutlich aufzeigt.
Der Diplom- Kaufmann Gotzel sollte wohl selbst ausrechnen können, um wieviele Millionen Euro man die Energiekunden in Jena dabei unnötig geflöht hat.

Vor Jahren schlossen die Stadtwerke Jena und E.ON Thüringen- Vorgänger TEAG  einen Vertrag, wonach E.ON die Stadtwerke- Kunden mit Strom beliefert. Es handelt sich um einen Kommissionsvertrag, der gegenüber den Stromkunden nicht offen glegt wurde und wird und zum Jahresende nach zehn Jahren ausläuft. Wie die Stadtwerke in einem Gespräch mit der TLZ zu Protokoll gaben, gründete dieser Kommissionsvertrag darauf, dass sich die Stadtwerke viel zu klein für den Wettbewerb auf dem Strommarkt wähnten und deshalb das Stromgeschäft dem Erfurter Konzernableger überantworteten (TLZ Jena vom 21.08.2004, S. 1).

Im Geschäftsbericht der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH 2009 auf Seite 15 heißt es dazu:

Zitat
\"Die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck betreiben derzeit keinen eigenen Stromhandel, sondern sind im eigenen Netzgebiet als Kommissionär für die E.ON Thüringer Energie AG tätig. Es besteht das Risiko von sinkenden Kommissionsentgelten, wenn in zunehmenden Maße Stromkunden zu Wettbewerbern wechseln. Ab 2011 werden die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck wieder im Stromvertrieb tätig sein. Damit werden branchentypische Preis-, Mengen- und Prognoserisiken einhergehen. Mit der Aufnahme des Stromvertriebs besteht allerdings auch die Chance, durch eigene Stromprodukte erfolgreich regional tätig zu werden. Die Kooperation mit der Trianel-Gruppe schafft die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Gas- und Strombezug einschließlich des erforderlichen Portfoliomanagements.\"

Aufgrund der Preispolitik des E.ON- Konzerns ist der Strom in der Saalestadt derzeit nicht eben billig zu nennen.

Jahrelang, zuletzt zum 01.02.2009 wurden die Strompreise mit der Begründung gestiegener Großhandelspreise infolge weltweit gestiegener Energienachfrage erhöht. Das betrifft den Arbeitspreis.

Die verbrauchsunabhängigen Grundpreise wurden gegenüber den Preisen vom 01.04.2007 sukzessive fast verdoppelt, ohne dass es dafür eine Begründung bei der Kostenentwicklung gibt.

Mittlerweile wird somit sogar ein Grundpreis in Höhe von 90,00 EUR/ Jahr (netto) von jedem Stromkunden verlangt. Wofür dieses Geld gebraucht wird, ist nicht ersichtlich.  

Bei den benachbarten Stadtwerke Eisenberg GmbH und Stadtwerke Stadtroda GmbH fallen diese Grundpreise weit geringer aus.
Der Grund dafür ist wohl nicht darin zu suchen, dass weder Stadtroda noch Eisenberg über ein Fußballstadion mit Rasenheizung verfügen.  

Infolge der globalen Wirtschaftskrise sind die Nachfrage nach Energie und die Großhandelspreise für Gas und Elektrizität massiv gesunken.

Die Großhandelspreise für Elektrizität haben sich von Oktober 2008 auf Mai 2010 quasi halbiert:

Großhandelspreise im Otober 2008:

   http://www.zfk.de/zfkGips/Gips?Anwendung=CMSWebpage&Methode=ShowHTMLAusgabe&RessourceID=9177&SessionMandant=ZFK

Großhandelspreise im Mai 2010:

http://www.zfk.de/zfkGips/Gips?Anwendung=CMSWebpage&Methode=ShowHTMLAusgabe&RessourceID=112532&SessionMandant=ZFK


Sie sanken von 85,65 EUR/ MWh auf 41,17 EUR/ MWh, was einen Preisrückgang um 44,48 EUR/ MWh bzw. 4,45 Ct/ kWh entspricht.

Dieser Kostenrückgang hat die Stromkunden - auch in Jena - nicht erreicht. Eine entsprechende Weitergabe ist auch gar nicht beabsichtigt.
Statt dessen verspricht man den Stromkunden Preisstabilität bis zum Jahresende, als wenn das in Zeiten drastisch gefallener Großhandelspreise ein Vorteil für die Kunden wäre.
Immerhin zeigt die Vorgehensweise, dass das Unternehmen über geschulte PR- Leute (ostdeutsch: \"Agitproper\") verfügt. Indes sind die Bürger in der  Lichtstadt Jena nicht eben blöde, immerhin Stadt der Wissenschaft 2008.

Auch bei der Fernwärme liegt einiges im argen:

Die Fernwärmepreise werden immer noch an die Preise für leichtes Heizöl (HEL) gekoppelt. Das E.ON- Heizkraftwerk Jena- Süd in Winzerla wird aber gar nicht mit Heizöl, sondern mit Erdgas betrieben.

Der BGH hat mit Urteilen vom 24.03.2010 (VIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08 die ausschließliche Bindung des Gaspreises an HEL- Notierungen zutreffend für unwirksam erklärt, weil sie dem Gaslieferanten eine Erhöhung seines Gewinnanteils ermöglichen. Das ist bei Fernwärme nicht anders.

Mittlerweile wird Erdgas auch nicht mehr mit Ölpreisbindung bezogen.
An den Gasmärkten ist vielmehr derzeit eine \"Gasschwemme\" mit drastisch reduzierten Großhandelspreisen zu verzeichnen. An der Leipziger EEX sind Notierungen zwischen 15,50 und 23,15 EUR/ Mwh zu verzeichnen, was Preisen zwischen 1,55 Ct/kWh und 2,32 Ct/ kWh entspricht:  http://www.eex.com/de/content/pdf/MM_Spot_english_1_8.pdf#

Auch E.ON kann auf den Spotmärkten das Gas für das Jenaer Heizkraftwerk zu besonders günstigen Preisen beziehen. Es ist auch kein Geheimnis, dass die zum Konzern gehörende E.ON Ruhrgas seit Jahren schon für Heizkraftwerke wie das in Jena Gaslieferungen ohne Ölpreisbindung anbietet.

Aus dem Geschäftsbericht der Stadtwerke 2009 auf Seite 8 geht hervor, dass sich die Fernwärme für die Kunden ölpreisbedingt erheblich verteuert hatte:

Zitat
\"Der Fernwärmeabsatz hat sich witterungsbedingt um 15 GWh (3,4 %) auf 436 GWh erhöht. Durch diese Mengensteigerung kam es in Verbindung mit ölpreisabhängigenAbsatzpreissteigerungen zu einer Erhöhung der Umsatzerlöse aus Fernwärmelieferungen um 6,4 Mio. EUR (22,2 %) auf 35,2 Mio. EUR.\"

Im Geschäftsbericht der Stadtwerke 2009 auf Seite 16 heißt es hierzu:

Zitat
\"Der Fernwärmebezugsvertrag mit der E.ON Thüringer Energie AG läuft im Jahr 2016 aus. Bereits 2008 wurde mit den Verhandlungen zur Neuregelung des Bezugs begonnen. Noch liegen keine Ergebnisse vor, so dass nicht auszuschließen ist, dass steigende Fernwärmebezugskosten die Umsätze zu marktüblichen Preisen unverhältnismäßig übersteigen könnten.\"

Das Erdgas, mit dem die Fernwärme im Jenaer Heizkraftwerk erzeugt wird, hatte sich nicht ölpreisbedingt verteuert, sondern war einem dramatischen Preisverfall ausgesetzt:

http://www.forum-erdgas.de/Forum-Erdgas/zz_uploads/PI_FE_Jahres-PK.pdf

Zitat
Forum Erdgas Presseerklärung vom 29.10.2009:

Den Kundenwünschen entgegen kommt auch die Entwicklung der Erdgaspreise im Verlaufe des Jahres 2009. Im Durchschnitt haben die Preise das Niveau von 2007 erreicht - teilweise sogar wieder das Niveau von 2005. Grund dafür sind bis zu vier Preissenkungen, die die Gasversorger im Laufe des Jahres vorgenommen haben. Zu Beginn der Heizperiode haben erneut rund 300 Versorger im Okt-ber und November ihre Preise gesenkt. „Die häufige und schnelle Anpassung der Preise zeigt, dass die Erdgasversorger Preisvorteile umgehend an die Verbraucher weitergeben. Zusätzlich bieten Versorgungsunternehmen immer wieder Festpreisprodukte an


Entsprechende Kostenvorteile wurden jedenfalls  nicht an die Fermwärmekunden weitergegeben.

Standen jedoch somit den ölpreisbedingten Fernwärmepreissteigerungen gar keine ölpreisbedingten Fernwärmerzeugungskostensteigerungen, sondern im Gegenteil drastisch sinkende Fernwärmeerzeugungskosten  gegenüber, so war eine Profitsteigerung zu Lasten der Jenaer Fernwärmekunden in Höhe mehrerer Millionen Euro allein im Jahre 2009 zu verzeichnen.

Hätte E.ON die durch effizienten Gaseinkauf zu marktgerechten Preisen erzielten bzw. erzielbaren Kosteneinsparungen bei der kombinierten Fernwärme- und Stromerzeugung an die Jenaer weitergegeben ohne den eigenen Gewinnanteil an den Energiepreisen zu erhöhen, wären den Jenaern wohl allein Fernwärmekosten in Höhe von mindestens 6 Mio. EUR allein im Jahr 2009 erspart geblieben.

Dies wiegt in Summe auf Dauer allemal schwerer, als der unliebsame Nichtabriss der Essen, zu denen E.ON früher einmal die glorreiche Idee hatte, sie an einen Interessenten zu verkaufen, worüber die Jenaer Presse seinerzeit berichtete.

Die Jenaer Stadtwerke konnten erkennen, dass die Strom- und Fernwärmeerzeugungskosten im Jenaer Heizkraftwerke gesunken waren. Sie selbst hatten am 31.03.2009 eine Pressemitteilung rausgebracht, in welcher von thüringenweit sinkenden Gaspreisen berichtet wird.

Zitat
Pressemitteilung der Stadtwerke Jena- Pößneck GmbH vom 31.03.2009:

„Wirtschaftkrise sorgt Thüringenweit für sinkende Gaspreise:  Zum 1. April senken thüringenweit einige Gasversorger ihre Preise für Erdgas. Hintergrund ist die globale Wirtschaftskrise, die eine weltweit schwache Nachfrage nach Energie und somit sinkende Preise nach sich zieht.“

Was die Stadtwerke, die gern mit dem Slogan \"Wir für Jena\" werben, deshalb etwaig zur Kumpanei zu Lasten der Verbraucher in Jena bewogen haben mag, ist nicht ersichtlich.  

Für Jenaer Strom- und Fernwärmekunden wirkt die Tätigkeit des Konzerns bei und mit den Stadtwerken deshalb keinesfalls segensreich, im Gegenteil.

Die Preispolitik der Stadtwerke entspricht nicht dem Interesse der Bürger an einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Strom, Gas und Fernwärme zu verbraucherfreundlichen Bedingungen, sondern eher den Profitinteressen des E.ON- Konzerns.

Und auch für die Stadtwerke ist die Zusammenarbeit nicht unbedingt vorteilhaft.

Wie Herr Gotzel selbst zum Ausdruck bringt, stehen die Stadtwerke mit E.ON in potentiellem Wettbewerb, etwa um Konzessionen der Thüringer Städte uund Gemeinden, aber auch bei der Strom- und Gasversorgung.

Nur kann es einen fairen Wettbewerb dabei gar nicht geben.

Herr Gotzel ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Jenaer Stadtwerke, wie sich etwa deren Geschäftsbericht 2009 entnehmen lässt:

http://www.stadtwerke-jena.de/fileadmin/stadtwerke-jena.de/Dokumente/Allgemeines/GeBericht_2009.pdf

Somit verfügt E.ON immer über beste Informationen über beabsichtigte strategische Ausrichtungen der Stadtwerke und kann sich mit eigenen Angeboten im Wettbewerb darauf einstellen. Man hat quasi den Wettbewerber immer mit am Tisch, wenn intimste Geschäftsgeheimnisse über strategische Absichten im Wettbewerb zu besprechen sind. Über so eine \"fünfte Kolonne\" verfügen die Stadtwerke bei E.ON freilich nicht.  Und deshalb kann es gar nicht zu einem fairen Wettbewerb zwischen den Unternehmen um Konzessionen usw. kommen, den Gotzel anmahnt.

Wer will, dass nicht weiterhin in Millionenhöhe Zusatzgewinne aus Energielieferungen in Jena in die E.ON- Konzernkasse fließen, muss sich wohl dringend dafür einsetzen, dass der Konzern seinen Anteil an den Stadtwerken und seinen Einfluss auf diese verliert. Stadtwerke, die etwas auf sich halten, und im Interesse der Bürger handeln wollen, müssen den Konzern wohl in die Wüste schicken.

Alle Fraktionen des Jenaer Stadtrates haben nun die Möglichkeit, sich selbst ein Bild darüber zu machen.

Würde der E.ON- Anteil von 10 Prozent durch einen Genossenschaftsanteil der Jenaer Bürger ersetzt, stünde wohl eine  deutlich andere, maßvollere  Preispolitik zu erwarten.

Offline DieAdmin

  • Administrator
  • Forenmitglied
  • *****
  • Beiträge: 3.137
  • Karma: +9/-4
  • Geschlecht: Weiblich
Wie weiter mit dem E.ON- Anteil an den Stadtwerken?!
« Antwort #1 am: 16. Juni 2010, 07:52:14 »
Bei der Neuvergabe der Konzessionsverträge sind manche Würfel schon längst gefallen.

Ich hatte mal angefangen, die Informationen zu sammeln:

http://wiki.piraten-thueringen.de/Auslaufende_Konzessionsvertr%C3%A4ge

Da mir derzeit die Zeit (oder auch der Schwung) fehlt, ist das nicht vollständig für alle Thüringer Kreise.

Feststellen konnte ich, dass manche Kommunen einfach verlängert haben, oder auch Ausschreibungen weit vorzogen.

Die Angaben sind den elektronischen Bundesanzeiger entnommen.

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz