Mut beweist das AG Zeven mit dem Urteil vom 27.5.2010
Das AG Zeven sieht in den Tarifen Classic bzw. Sondervereinbarung I der EWE mit seinen Kunden kein wirksam vereinbartes Preisänderungsrecht.
Zu Unrecht hält sich das Amtsgericht allerdings für zuständig und beruft sich auf OLG München - Beschluss vom 15.05.2009 (NJOZ 2009, 2535), denen sich auch das OLG Celle angeschlossen habe (Beschlüsse vom 08.03. und 10.03.2010, Aktenzeichen 4 AR 16/10 und 4 AR 17/10)
Trotz des Vortrages der Beklagtenseite, wonach im streitgegenständlichen Zeitraum 2004 -2006 eine Monopolstellung bestanden hatte und ein Preismissbrauch gerügt wurde, meinte das AG Zeven, zu den Voraussetzungen des § 87 GWB sei nicht ausreichend vorgetragen worden so dass auch keine Zuständigkeit der Kartellkammer beim LG Hannover bestünde.
Leider unterscheidet das Gericht nicht so ganz zwischen Tarif- von Sondervertragskunden. Das ist aber verschmerzbar, weil der Beklagte ohnehin nur die Gaspreise nicht in voller Höhe gezahlt hatte.
Die Frage, ob die AVBGasV oder die GasGVV in den Sonderkundenvertrag wirksam einbezogen worden waren (was vom Beklagten heftig bestritten wurde) überging das Gericht einfach hinweg und prüfte die Frage kurzerhand in der Weise, dass eine Einbeziehung dann jedenfalls kein wirksames Preisänderungsrecht begründe.
Jetzt kommt aber die interessante und m.E. völlig richtige und überfällige Kommentierung zur Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH.
Im Urteil heißt es ab S. 9
Zunächst ergibt sich aus § 4 Abs. 1 AVBGasV bei unbefangener Betrachtung kein einseitiges Preisanpassungsrecht des Energieversorgungsunternehmens.
Die Vorschrift lautet: \"Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung\". Abs. 2: ,,Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.\"
Für den Vertragspartner des Verwenders ist nicht erkennbar, dass der Verwender aufgrund dieser Klausel zu einer Art einseitigen Preiserhöhung berechtigt sein soll. Die weitaus überwiegende Meinung bejaht zwar bei einer unmittelbaren Anwendung der AVBGasV gegenüber Tarifkunden ein einseitiges Preisanpassungsrecht aus § 4 Abs. I , Abs. 2 AVBGasV. Dabei werden aber der Gesetzeszweck und die Gesetzesmaterialien zur Auslegung herangezogen. Das ist bei der Auslegung des § 4 AVBGasV gegenüber einem Sondervertragskunden nicht möglich. Denn in diesem Fall sind die Vorschriften der AVBGasV als AGB anzusehen und nach den üblichen AGB-Grundsätzen auszulegen, wobei der Gesetzeszweck und die -materialien keine Rolle spielen können.
Des weiteren erfüllt § 4 Abs. 1, Abs. 2 AVBGasV nicht die Anforderungen, die die Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzung und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt (so ausdrücklich BGH NJW 2009, 2662-Ziffer 23). Denn aus der Vorschrift ergibt sich nicht, dass das Energieversorgungsunternehmen in zeitlicher und preislicher Hinsicht das Äquivalenzverhältnis zu wahren hat. Auch dieser Mangel führt zur Unwirksamkeit des 4 Abs. 1 AVBGasV als Allgemeine Geschäftsbedingung.
Soweit demgegenüber unter Hinweis auf die Leitbildfunktion des § 4 Abs. 1, Abs. 2 AVBGasV die Meinung vertreten wird, eine unveränderte Übernahme der Energieverordnung im Sonderkundenbereich sei wirksam (vgl. BGH NJW 2009, 2662-Ziffer 24), folgt das Gericht dem nicht. Diese Meinung stützt sich im wesentlichen darauf, dass es dem Energieversorgungsunternehmen nach dem Willen des Gesetzgebers freistehen soll, ihre AGB mit Sondervertragskunden entsprechend der AVBGasV auszugestalten und der Schutz von Sonderabnehmern nicht weitergehen solle als der von Tarifabnehmern. Hiergegen ist auszuführen, dass bei der Auslegung einer Vorschrift, die als AGB in einen Vertrag einbezogen wird, der Wille des Gesetzgebers keine Bedeutung hat, da dieser kein maßgebliches Auslegungskriterium von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist. Denn er ist für den Vertragspartner des Verwenders in der Regel nicht erkennbar bzw. bekannt.
Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, warum es ausreichen soll, wenn sich ein Energieversorgungsunternehmen auf eine letztlich nichtssagende Vorschrift wie § 4 Abs. 1, Abs. 2 AVBGasV soll berufen können, dass aber ganz andere und strengere Anforderungen gelten sollen, wenn das Energieversorgungsunternehmen eigene Geschäftsbedingungen entwirft (so zutreffend das OLG Oldenburg NJOZ 2009, 26, 40 unter Verweis auf OLG Celle NJOZ 2008, 1466).
Mit dem OLG Oldenburg ist das Gericht somit der Auffassung, dass eine Einbeziehung der AVBGasV per AGB in einen Vertrag mit einem Sondervertragskunden unwirksam gemäß 5 307 Abs. 1 BGB ist.
Es ist folgerichtig und mutig, dass das Amtsgericht seine richterliche Unabhängigkeit dazu nutzt, um die herbe Kritik an der Auffassung des BGH, der Sonderrechte für die Vorsorgungsbranche statuiert, zum Ausdruck zu bringen.