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Autor Thema: Erste Rückforderungsklage am AG Gelnhausen  (Gelesen 7188 mal)

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Offline Kettner

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Erste Rückforderungsklage am AG Gelnhausen
« am: 09. Juni 2010, 12:53:17 »
Bisher sind rund 30 Zahlungsklagen gegen Main-Kinzig-Gas (MKG) sind am Amtsgericht Gelnhausen anhängig. Darin fordern die Verbraucher von den Energieversorgern in Rechnung gestellte Beträge zurück, für die das Oberlandesgericht Frankfurt das Fehlen einer Rechtsgrundlage festgestellt hat.

Es geht nun nicht mehr nur darum, ob die Kunden in der Vergangenheit die Rechtsgrundlage der Zahlungsforderungen infrage gestellt oder ihr widersprochen hatten, sondern auch darum, in welcher Höhe letztlich die Rückzahlung an die Kunden zu erfolgen hat. Gleichzeitig wird auch geklärt, ob MKG einigen tausend Kunden diese Rückzahlungen rechtswidrig kassierter Preiserhöhungen verweigern darf. Feststeht, daß es kein kurzes juristisches Verfahren geben wird, sondern daß zu erwarten steht, daß die unterlegene Partei die Berufungsinstanz anrufen wird.

Der erste Verhandlungstermin ist Mittwoch, der 9. Juni, 13.00 Uhr in Raum 11 im Amtsgericht Gelnhausen. Hier fordert ein Gaskunde die zuviel bezahlten Entgelte auf der Grundlage seines zu Vertragsbeginn vereinbarten Gaspreises zurück. MKG hat diesem Kunden ursprünglich lediglich eine Rückzahlung auf der Grundlage des Urteils des OLG Frankfurt angeboten – unter der Bedingung, daß der Kunde seinen alten Sondervertrag zugunsten des MaxiSpar2009 aufgibt.

Um das allgemeine Interesse der Gaskunden zum Ausdruck zu bringen, sollten - wie bei den Verfahren vor dem LG und OLG Frankfurt - möglichst viele diesen Verhandlungstermin zur Beobachtung wahrnehmen.
Dr. Carsten Kettner
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Erste Rückforderungsklage am AG Gelnhausen
« Antwort #1 am: 09. Juni 2010, 13:00:16 »
Habe leider zu spät (sieben Minuten vor dem Termin) von diesem Termin erfahren und konnte deshalb nicht dabei sein.  Wir haben zwar einen Helikopter- Landeplatz in unmittelbarer Kanzleinähe, aber so schnell sind wir denn doch nicht. ;)

Ich wünsche viel Erfolg!!!

Offline Kettner

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Erste Rückforderungsklage am AG Gelnhausen
« Antwort #2 am: 10. Juni 2010, 10:56:18 »
Zitat
Habe leider zu spät (sieben Minuten vor dem Termin) von diesem Termin erfahren und konnte deshalb nicht dabei sein.

Wenn Sie, Herr Fricke, unseren Newsletter (auf http://www.energieverbraucher-mkk.de) abonnieren, bekommen Sie diese Infos - zumindest aus Gelnhausen - kostenlos und rechtzeitig vorab. ;-) Aber danke für Ihr Interesse.

Die mündliche Verhandlung, deren Verlauf ich nur aus zweiter Hand vom Klägervertreter kenne, war aus Sicht des klagenden Sondervertrags-Kunden recht erfolgreich. Das Gericht stellte fest, daß die Unwirksamkeit der Preisgleitklausel, wie es vom OLG Frankfurt (11 U 61/07 (Kart) am 05. Mai 2009) festgestellt wurde, dazu führt, daß sämtliche darauf fußende Preiserhöhungen seit Vertragsschluß unwirksam sind.
In den laufenden Diskussionen nicht weiter überraschend, aber wichtig ist eben, daß dies auch ein Gericht feststellt.

Damit würde sich ein Rückforderungsanspruch ergeben, dessen Basis auf dem Arbeitspreis von - in diesem Falle - 1990 liegt. Jedoch gab das Gericht zu bedenken, ob dies für den Gasversorger zumutbar sei. Allerdings gibt es keine objektiven Zumutbarkeitskriterien, daher hat man sich zunächst vertragt, um prinzipiell die Höhe des Rückforderungsbetrages zu ermitteln. Für das Gericht wäre es leichter zu entscheiden gewesen, wenn der Vertragsschluß Anfang des neuen Jahrtausends stattgefunden hätte. Warum auch immer.
Denn: Aufgrund der Verjährung können ja ohnehin nur die zuviel gezahlten Entgelte für 2005 bis 2009 zurückgefordert werden, allerdings mit dem AP von 1990. Für die Zeit bis 2005 hat der Gasversorger ja immer noch kräftig zugelangt und hat sich möglicherweise unberechtigt bereichert. Diese Zeit vor 2005 steht jedoch nicht mehr zur Disposition.

Ein entsprechender Hinweisbeschluß zur Thematik der Rückzahlungsbeträge soll noch folgen.

Aus meiner Sicht ist damit eine der größten Hürden genommen, da bestätigt wurde, daß der Preis von Vertragsbeginn gilt, wenn die Preisgleitklausel unwirksam ist. Was folgte, hat eher den Charakter eines Basars, denn einer objektiven und rechtswirksamen Beurteilung. Dies kann sich jedoch noch ändern.
Dr. Carsten Kettner
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Erste Rückforderungsklage am AG Gelnhausen
« Antwort #3 am: 10. Juni 2010, 12:16:35 »
@Kettner

Danke für die Information.

Rückforderungsansprüche gem. § 812 BGB konnten wegen § 199 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BGB wohl bis zehn Jahre nach ihrer Entstehung unverjährt sein, abhängig davon, wann die Kläger die entsprechende Kenntnis hatten bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen mussten.

Offline Kettner

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Erste Rückforderungsklage am AG Gelnhausen
« Antwort #4 am: 10. Juni 2010, 13:38:21 »
@ Fricke

Zitat
Rückforderungsansprüche gem. § 812 BGB konnten wegen § 199 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BGB wohl bis zehn Jahre nach ihrer Entstehung unverjährt sein, abhängig davon, wann die Kläger die entsprechende Kenntnis hatten bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen mussten.

Vielen Dank für diesen Hinweis, das ist doch sehr erhellend.

Verstehe ich das nun richtig, daß die Höhe der Rückzahlungen dann im Grunde nicht mehr aufgrund der Zumutbarkeit bemessen wird, sondern einzig und allein als Rechenbeispiel gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 4 BGB bis 1999 zurückgeht? 1999 deshalb, weil ja 2009 das OLG Frankfurt die Unwirksamkeit der Preisgleitklausel in den Sonderverträgen festgestellt hat. Damit hatten die Kläger 2009 Kenntnis von den Gründen, auf denen die Rückforderungsansprüche basieren.

Wozu dann noch die Herumeierei in Bezug auf die Zumutbarkeit?
Dr. Carsten Kettner
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Erste Rückforderungsklage am AG Gelnhausen
« Antwort #5 am: 10. Juni 2010, 14:18:14 »
Also entscheidend ist, was die Kläger beantragt haben.

Für die maßgebliche Kenntnis kann man womöglich auf das Bekanntwerden der Entscheidung des BGH vom 29.04.2008 KZR 2/07 bzw. der Veröffentlichung desssen Urteilsbegründung abstellen.

Wenn die Kläger nur Überzahlungen der Jahre 2004 ff. zurückverlangten, können ihnen auf die Klage keine weiteren Ansprüche zugesprochen werden (§ 308 ZPO).

Egal, für welche Zeiträume die Rückforderunegn beansprucht werden , unterliegt wohl jeweils die Differenz aus den Rechnungsbeträgen, die sich bei Zugrundelegung der bei Vertragsabschluss vereinbarten Preise ergeben hätten und den tatsächlich zur Abrechnung gestellten und bezahlten Entgelte der Rückforderung.

Welche Zumutbarkeitserwägungen dabei einzustellen sein sollten, ist nicht ersichtlich. Es ist schon nicht ersichtlich, dass solche überhaupt anzustellen wären. Aus § 812 BGB ergibt sich entsprechendes jedenfalls nicht.

Die eingeklagten Beträge werden das Unternehmen sicher nicht in der Existenz gefährden. Seit 2005 wurden bei den Gasversorgeren mit Rücksicht auf Risiken im Zusammenhang mit etwaige Rückforderungen wegen unwirksamer Preiserhöhungen flächendeckend Rückstellungen gebildet.

Selbst wenn es anders wäre, könnte man einen Rückforderungsanspruch, der über zehn Jahre angewachsen wäre, möglicherweise in Form einer Rente, zahlbar über fünf oder zehn Jahre zusprechen, um den beiderseitigen berechtigten Interessen Rechnung zu tragen.

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Erste Rückforderungsklage am AG Gelnhausen
« Antwort #6 am: 15. Juni 2010, 11:37:29 »
@ Fricke

Zitat
Also entscheidend ist, was die Kläger beantragt haben.

Beantragt haben die Kläger die Rückzahlung der zuviel bezahlten Entgelte auf der Basis des wirksam vereinbarten Arbeitspreises von Oktober 1990. Der Kläger ist zwar bereits schon seit längerem Kunde bei MKG, jedoch wurden im Oktober 1990 die Lieferverträge auf Sonderverträge mit der beanstandeten Preisgleitklausel umgestellt. Die neuen Verträge wurden sogar als Sondervertrag bezeichnet und erfüllten nach dem Urteil des OLG Frankfurt auch alle maßgeblichen Kriterien für einen Sondervertrag.

Auf der Basis des Antrags hat der Kläger seinen Rückforderungsbetrag errechnet (Differenz aus tatsächlich geleisteten Zahlungen 2005 bis 2009 und Preis auf Basis des AP von Oktober 1990 für den Verbrauchszeitraum 2005 bis 2009).

Zitat
Die eingeklagten Beträge werden das Unternehmen sicher nicht in der Existenz gefährden. Seit 2005 wurden bei den Gasversorgeren mit Rücksicht auf Risiken im Zusammenhang mit etwaige Rückforderungen wegen unwirksamer Preiserhöhungen flächendeckend Rückstellungen gebildet.

Offensichtlich war die Rückstellung nicht hoch genug. Diese betrug nämlich nur runde 2 Mio EUR, und davon dürfte die große Anwaltskanzlei aus Düsseldorf bereits einen großen Anteil verfrühstückt haben.

Wie auch immer; es darf nicht zu basarähnlichen Verhältnissen kommen, wo das Wohl eines halbprivaten Unternehmens gegen Recht und Gesetz abgewogen wird.
Jedoch werden die Gerichte immer bemüht sein, im Auge zu behalten, daß Präzedenzfälle geschaffen werden. Das heißt, ein Urteil vollständig zugunsten des Klägers (volle Rückzahlung überzahlter Entgelte) würde einen Dammbruch bedeuten, vorausgesetzt, alle Kunden der MKG würden nun den Klageweg gehen. Wie hoch ist die tatsächliche Klagebereitschaft des Durchschnittskunden? Ich würde schätzen, ca. 50%. Sollten also die rund 12500 Kunden (50% der Gesamtkundschaft) ihre Rückforderungsansprüche einklagen, wäre das Unternehmen immer noch nicht ruiniert. Alleine, der Ruf ist es schon.
Dr. Carsten Kettner
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« Antwort #7 am: 15. Juni 2010, 12:08:28 »
Siehe auch hier:

OLG Köln, Urt. v. 19.02.10 Az. 19 U 143/09 Rückforderungsanspruch eines Sondervertragskunden

Die Tatsache der Bildung von Rückstellungen sollte im Prozess vorgetragen werden.

 

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