Energiepreis-Protest > EWE
Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
RR-E-ft:
Es gab im Strombereich bis 01.06.07 eine behördliche Tarfgenehmigungspflicht gem. § 12 BTOElt.
Diese staatlichen Preisgenehmigungsverfahren wurden deshalb eingestellt, weil sie ineffiezient und nicht geeignet waren, eine möglichst preisgünstige Versorgung für die Kunden zu bewerkstelligen. Die Margen der Stromversorger durch Preiserhöhungen stiegen auch in der Zeit von 1998 bis 2007.
Immer anerkannt war, dass auch das staatliche Tarifgenehmigungsverfahren die gerichtliche Billigkeitskontrolle nicht ausschließt (BGH X ZR 60/04 unter II. 1, BGH VIII ZR 240/90 unter III.).
Die Rechtsprechung gründet darauf, dass selbst im Falle der behördlichen Tarifgenehmigung eine gerichtliche Billigkeitskontrolle eine Unbilligkeit im konkreten betroffenen Fall erbringen kann. Mit anderen Worten:
Die gerichtliche Billigkeitskontrolle ist aus Sicht des Kunden effektiver.
Bei einer gestzlichen Preisbestimmungspflicht sind Preisvereinbarungen mit Einzelkunden unzulässig und deshalb können solche Preisvereinbarungen auch nicht ein zu wahrendes Äquivalenzverhältnis bilden (a.A. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25, bisher st.Rspr).
Aufgabe der Billigkeitskontrolle bei bestehender Preisbestimmungspflicht einer Partei ist es gerade, dass vertragsgemäße Äquivalenzverhältnis erst zu ermitteln.
Sie kann deshalb nicht dazu dienen, ein bereits (durch Preisvereinbarung) bestehendes Äquivalenzverhältnis zu wahren.
Die Billigkeitskontrolle war den Kunden bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht nach EnWG schon immer eröffnet.
Sie war insbesondere auch nicht durch § 30 AVBV ausgeschlossen.
Durch die GVV sollte sich hieran nichts verändern.
Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV wurde nur deshalb angepasst, um für die Rechtsanwender unmissverständlich klarzustellen, dass sich an der bis dahin schon geltenden Rechtslage nichts ändern sollte.
RR-E-ft:
Der Versorger hat bei einem Billigkeitsprozess die Kosten nur dann zu tragen, wenn er im Prozess die Billigkeit nicht nachweist (§ 91 ZPO) oder wenn im Falle eines \"sofortigen\" Anerkenntnisses des Kunden im Zahlungsprozess (§ 93 ZPO), der Versorger vorprozessual trotz Aufforderung des Kunden die Billigkeit nicht nachvollziehbar und prüffähig dargelegt hatte.
Beides hat der Versorger selbst zu verantworten.
In beiden Fällen können die dem Versorger hierdurch entstehenden Kosten nicht über die Preise auf die Kunden umgelegt werden, weil nur die Kosten einer effizienten Bettriebsführung umgelegt werden dürfen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).
Unabhängigkeit von der Unzulässigkeit wird die Möglichkeit dazu faktisch auch dadurch begrenzt, dass die grundversorgten Kunden die Möglichkeit haben, den Lieferanten zu wechseln.
Das dagegen gerichtete Argument überzeugt nicht, weil sonst auch Rückzahlungansprüche der Sondervertragkunden dann mit dem Argument abgebügelt werden könnten, der Lieferant würde die dadaurch enststehenden Kosten schließlich wohl über die Preise auf die übrigen Kunden weiterwälzen.....
RR-E-ft:
Wo in Europa gibt es ein effektiveres Verfahren bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht als die Billigkeitskontrolle nach deutschem Recht?
Der Kunde kann sich bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht gegen die Preisbestimmung des Versorgers einfach auf die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen, seine Zahlungen hiernach kürzen und einen Billigkeitsnachweis vom Versorger verlangen.
Im Zahlungsprozess des Versorgers hierauf verbleibt dem Kunden nach Unbilligkeitseinrede die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO, wenn der Versorger im Prozess erstmals die Billigkeit nachvollziehbar und prüffähig darlegt.
Effektiver kann es für den von der einseitigen Preisbestimmung des Versorgers betroffenen Kunden wohl gar nicht gehen.
Der deutsche Gesetzgeber hat für betroffene Kunden eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit geschaffen. Die Umsetzung dieser objektiven Rechtslage durch nationale Gerichte bereitet zuweilen Probleme.
PLUS:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Es gab im Strombereich bis 01.06.07 eine behördliche Tarfgenehmigungspflicht gem. § 12 BTOElt.
--- Ende Zitat ---
@RR-E-ft, darum geht es nicht. Keine Tarifgenehmigung oder gar eine gesetzliche Preisbestimmung! Es geht um eine geregelte kontrollierte verbindlich festgestellte Billigkeit.
Was heute alles von vereidigten Wirtschaftsprüfern geprüft und zur Beurteilung an Behörden weitergeben werden muss können Sie beispielsweise im Kreditbereich sehen: Wirtschaftsprüfer Publizitätspflichten Beispiel aus der PBV Kreditinstitute
So weit wie im Kreditsektor muss man nicht gehen, aber es gibt Prüfungsberichtsverordnungen nicht nur für KI, sonder auch für kommunale Unternehmen oder generell für EVU. Warum sollte dort eine Prüfung und verbindliche Feststellung der Billigkeit der Preise aus der Grundversorgung von Strom, Gas und Wasser nicht eingebunden werden können?
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
...
In beiden Fällen können die dem Versorger hierdurch entstehenden Kosten nicht über die Preise auf die Kunden umgelegt werden, weil nur die Kosten einer effizienten Bettriebsführung umgelegt werden dürfen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).
Unabhängigkeit von der Unzulässigkeit wird die Möglichkeit dazu faktisch auch dadurch begrenzt, dass die grundversorgten Kunden die Möglichkeit haben, den Lieferanten zu wechseln.
Das dagegen gerichtete Argument überzeugt nicht, weil sonst auch Rückzahlungansprüche der Sondervertragkunden dann mit dem Argument abgebügelt werden könnten, der Lieferant würde die dadaurch enststehenden Kosten schließlich wohl über die Preise auf die übrigen Kunden weiterwälzen.....
--- Ende Zitat ---
Ja der BGH hat festgestellt, dass die genannten Kosten nicht umgelegt werden dürfen (allein es fehlt der Glaube). Ob Gutachterkosten oder Rückzahlungen an Sondervertragskunden unberechtigt \"abgebügelt\" werden, bleibt ungeregelt ohne Kontrolle. Das geht für die Verbraucher wieder ins Leere. Dann wieder Billigkeit bestreiten - mit Gerichtsverfahren bis zum BGH?! ... und von vorne?
Dass die grundversorgten Kunden heute die Möglichkeit haben, den Lieferanten zu wechseln ist gut und sollte genutzt werden, ist aber kein Argument. Man könnte mit diesem Argument auch gleich auf die Billigkeitsprüfung verzichten. Wem der Preis nicht passt kann ja wechseln. :(
Es gibt außerdem nicht wenige Verbraucher, die an die Grundversorgung gebunden sind, da wegen mangelnder Bonität kein Sondervertrag in Aussicht ist.
RR-E-ft:
Mit § 36 Abs. 1 EnWG besteht eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers, die der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]
Wo in Europa gibt es eine gesetzliche Regelung, die den Kunden bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht des Versorgers effektiver schützt und die der deutsche Gesetzgeber deshalb ggf. abkupfern könnte?
Die Billigkeitskontrolle erfordert eine Einzelfallentscheidung (BGH III ZR 277/06 Rn. 20). Es ist gerade der Vorteil des § 315 BGB, dass er Einzelfallgerechtigkeit ermöglicht.
Deshalb lässt sich \"die Billigkeit\" generell-abstrakt (wie für eine Gesetzesnorm erforderlich) wohl nicht konkreter fassen.
Gäbe es hingegen eine konkretere gesetzliche Regelung, so wäre § 315 BGB neben dieser schon gar nicht mehr anwendbar.
Es wäre die Quadratur des Kreises.
Die Tatsachen, die für die Billigkeit sprechen sollen, müssen spätestens in der ersten Instanz nachvollziehbar und prüffähig auf den Tisch.
Erst in der Berufung, wenn eine Berufung überhaupt zulässig ist, ist ein entsprechender Tatsachenvortrag regelmäßig verspätet, § 531 ZPO.
Das Ergebnis der Billigkeitskontrolle ist revisionsrechtlich, wenn eine Revision überhaupt zugelassen wird, nur eingeschränkt überprüfbar.
In der Regel stellen sich deshalb die Weichen in der ersten Instanz.
Mit der Rechtskraft der Entscheidung ist der Einzelfall abschließend entschieden.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln