Energiepreis-Protest > EWE

Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH

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RR-E-ft:
@_hp_

Wir scheinen in einem zentralen Punkt diametral auseinander zu liegen.

Eine Gleichbehandlung von Sondervertragkunden und grundversorgten Kunden verstößt selbst gegen Art. 3 GG.

Bei Sonderverträgen wird bei Vertragsabschluss ein Preis vereinbart.
Dies ist dort die Preishauptabrede.
Die Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel unterliegt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.
Und an dieser Stelle ist für die Anwendung des § 315 BGB keinerlei Platz (zutreffend BGH XI ZR 78/08, KZR 10/03 unter II.6).

In der Grundversorgung sind - wie andernorts von mir herausgearbeitet - Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden sogar gesetzlich unzulässig und ausgeschlossen.

Auch Grundversorgungsverträge kennen eine Preishauptabrede.
Diese besteht jedoch gerade nicht in einer (dort unzulässigen) Preisvereinbarung, sondern von Anfang an in einer Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Eine Preisnebenabrede, die überhaupt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen könnte, gibt es hingegen in der Grundversorgung  überhaupt nicht.
In der Grundversorgung ist deshalb für eine Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB keinerlei Platz.

Deshalb ist es unzutreffend, dass eine gem. § 307 BGB zulässige Preisänderungsklausel überhaupt noch Platz für eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB beließe (nochmals BGH XI ZR 78/08, KZR 10/03 unter II.6).

Eine Preisänderungsklausel muss um wirksam zu sein selbst bereits die Preiskalkulation offen legen und die Gewichtung der preisbildenden Kostenfaktoren am vereinbarten Vertragspreis wie auch Anlass und Richtlinien für nachträgliche Preisänderungen benennen und in hohem Maße konkretisieren.

Wo dies aber der Fall ist, ist gar kein Platz mehr für den weiten Spielraum der Billigkeit des § 315 BGB.

Bereits aus § 315 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Norm nicht auf sämtliche Leistungsbestimmungsrechte Anwendung findet, sondern nur auf solche, für die vertraglich keine genaueren Richtlinien vereinbart sind (\"im Zweifel\").  Ein hohes Maß an Konkretisierung hinsichtlich Anlass und Richtlienien ist jedoch gerade Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Ich halte auch dafür, dass in der Grundversorgung die Transparenz ohne weiteres erhöht werden kann und habe dazu auch eigene Vorschläge aufgezeigt.

tangocharly:

--- Zitat ---@black
Der BGH begründet diese Abweichung mit dem Hinweis auf die gleichgelagerte Transparenz in § 5 Strom/GasGVV. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung des § 307 BGB kann eine Regelung, die der Gesetzgeber selbst den Tarifkunden \"zumutet\" für Sonderkunden nicht plötzlich unzumutbar sein. Denn Sonderkunden müssen (laut BGH) hinsichtlich der Transparenz des Preisanpassungsrechtes nicht besser gestellt werden als Taifkunden.
--- Ende Zitat ---

Ein klassicher Fall von Zirkelschluss !

Es ist nur die Farbe des Wortes, welches die Scheinheiligkeit der Argumentation des BGH entlarvt:
\"Nicht besser gestellt\" kann, in einer anderen Farbe zum Ausdruck gebracht, darstellen worum es (m.E. auch @____hp___) in der Sache und im Endeffekt geht, nämlich : \"Gleich schlecht gestellt\".

Ferner haben die Überlegungen von @___hp___  zur Frage der Waffengleichheit der Prozessbeteiligten eine überaus aktuelle und greifbare Bedeutung für alle Verbraucher in der Grundversorgung.

Der Hinweis in der Entscheidung vom 19.11.2008 , VIII ZR 137/08 , wonach es für die Billigkeitsprüfung grundsätzlich nicht der Vorlage von Kalkulationsunterlagen, Bezugsverträgen, etc. bedürfe, wird in den allermeisten Fällen von den unteren Instanzen als Verbot aufgefaßt, solche Unterlagen der klagenden Partei zur Vorlage aufzugeben.

Was nützt es dem Verbraucher, wenn man seine Interessen unter Anwendung des § 315 BGB gewahrt sehen und dem Versorger die Darlegungs- und Beweislast für die Kriterien der Billigkeit auferlegt sehen will, wenn man ihm dann im Prozess hierüber \"die Türe wieder zuschlägt\".

Die verfassungsrechtlichen Brennpunkte hierbei (welche ja auch der VIII.Senat beleuchtet) sind ja hinlänglich bekannt. Wieviel Wert dabei aber dem Gebot des rechtlichen Gehörs auf Beklagtenseite beigemessen wird, läßt sich in der Regel schon daran ablesen, dass in den unteren Instanzen (gestützt auf eben das zitierte \"Grundsätzlichkeits-Postulat\" vom 19.11.2008 ) nicht einmal beanstandet wird, dass der Versorger keinen Vortrag dazu hält, welche Nachteile ihm durch die Vorlage dieser Kalkulationsunterlagen, etc. entstehen können.

Daseinsvorsorge und Verbraucherschutz, stehen sich wie Feuer und Wasser gegenüber, seit die Daseinsvorsorge in die Hände der Privatwirtschaft gelangte. Nur so konnte man auf die Idee kommen, dass der Schutz von Berufs-/Geschäftsgeheimnissen und das Recht auf Eigentum einerseits dem Recht des Verbrauchers auf rechtliches Gehör vor Gericht andererseits in die Quere gelangen soll.

Wenn es schon im Wortlaut der GVV\'s keine Transparenz gibt, dann gehört diese wenigstens in das Prozessgeschehen. Der VIII. Senat hätte genauso gut sagen können (so wie schon am 02.10.1991, VIII ZR 240/90): \"Grundsätzlich obliegt es dem Versorger seine Kalkulationsunterlagen vorzulegen; nur im vorliegend Falle, aus den Gründen x,y,z, gerade eben nicht\".

@___hp___ steht auf dem richtigen Weg, weil er sagt, was er denkt und insbesondere über die Haltung des VIII. Senats denkt, welche lautet: \"Du hast keine Chance, nutze sie !\"

RR-E-ft:
Der Weg der Inhalts- und Transparenzkontrolle einer Preisnebenabrede gem. § 307 BGB ist wie aufgezeigt ein vollkommen anderer als der Weg der Angemessenheits- und Vertragsgerechtigkeitskontrolle gem. § 315 BGB in dem Bereich, in welchem eine Preisbestimmungspflicht eines Vertragteils besteht und es deshalb gilt, den von diesem einseitig festgesetzten Preis gerichtlich zu kontrollieren.

Es war gerade der Fehler des VIII. Zivilsenats hinsichtlich dieser zwei vollständig verschiedenen Rechtsinstitute, welche vollkommen unterschiedliche Lebenssachverhalten bestreffen, zu einer vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen (unzulässigen) Chimäre verbastelt zu haben.

Wenn man daran Kritik üben will, darf man nicht den gleichen Denkfehler begehen, sondern musss seinen eigenen Weg gehen und darauf achten, dass nicht jemand auf diesem Weg rumsteht, ihn also versperrt.

RR-E-ft:
Wer nur der Allgemeinen Teil zum Schuldrecht des BGB zutreffend gelesen, gehört und verstanden hat, wird um die Feststellung nicht herumkommen, dass die Erwägung des VIII. Zivilsenats des BGH vollkommen rechtsfehlerhaft ist, wonach die gesetzliche Preisbestimmungspflicht und § 315 BGB auf den gleichen Erwägungen beruhen, wie eine Preisänderungsklausel, die ein (aus einer Preisvereinbarung folgendes) bestehendes Äquivalenzverhältnis wahren soll.

Diese Auffassung ist mit der materiellen Gesetzeslage vollkommen unvereinbar.
Sie ist falsch, falsch, falsch!

RR-E-ft:
@_hp_

Bei Ihrer Prozeskostenanalyse fällt auf, dass Sie als Streitwert den Umfang einer Preisänderung annehmen. Warum eigentlich?

Wenn jedoch die Billigkeitskontrolle aus von mir genannten Gründen den gesamten Preis betrifft, könnte man wohl für eine Feststellungsklage auch den 3,5fachen Jahresbetrag  für Energielieferungen als Streitwert annehmen.

Dann sieht die Sache schon deutlich anders aus.

Die Sache sieht ebenso anders aus, wenn jemand sich vollständig auf die Unverbindlichkeit des einseitig festgesetzten Preises beruft.

Da war mal ein Kunde, der stritt mit seinem kommunalen Versorger seit 2004 um die Angemessenheit der einseitig festgestzten Strompreise und kürzte auf anwaltlichen Rat sogar auf null. Er berief sich u.a. auf BGH X ZR 60/04 und VIII ZR 240/90.

Insgesamt waren dadurch 19.000 € \"Außenstände\" bis 2007 aufgelaufen. Der Vesrorger verlangte Zinsen, Mahnauslagen, vorgerichtliche Anwaltskosten .. Das Übliche eben und klagte sodann.

Versorger und Kunde hatten für ihren Streit ausgewiesene Spezialisten in diesem Bereich als Prozessbevollmächtigte aufgeboten, die teilweise von weither anreisten.
 
Vor Gericht einigte man sich nach Erörterung der Billigkeitsproblematik Ende 2007 recht zügig auf eine Zahlung des Beklagten in Höhe  von EUR 10.600 in zwei Raten ohne Zinsen sowie auf Kostenaufhebung.

In einen solchen Vergleich wurde durch den Kunden eingewilligt, weil nichts dafür sprach, dass nur die Hälfte des Strompreises immer noch unangemessen hoch gewesen wäre, eine gerichtliche Ersatzbestimmung zu einer niedrigeren Forderung geführt hätte. Dieser beklagte Kunde hatte durch den Vergleich also EUR 8.400 Hauptforderung, dazu geforderte Zinsen, Mahnauslagen, vorgerichtliche Anwaltskosten des Versorgers eingespart. Auf Preiserhöhungen beruhten von den EUR 19.000 Hauptforderung dabei nur etwa  EUR 2.000.

Bemerkenswert daran war, dass auch der betreffende Versorger mit dieser vergleichsweisen Regelung zufrieden war und deshalb in diese eingewilligt hatte.

Zum Ende waren deshalb sowohl der Kunde als auch  der Versorger zufrieden, die Anwälte bei RVG- Gebühren ebenso.

Hätte der betroffene Kunde also die Preisforderungen des Versorgers nur um EUR 2.000 gekürzt, hätte man sich wohl am Ende niemals auf einen alle Seiten ebenso zufrieden stellenden Vergleich einigen können. Bei einem geringen Streitwert hätte man wohl länger erbittert gerungen, weil ein Vergleich in Anbetracht der Einigungsgebühr dann keinen rechten Sinn gemacht hätte.

Auch so etwas will in der Praxis ja bedacht sein.

Unterliegt der gesamte Preis der Billigkeitskontrolle und zahlte der Kunde nach Unbilligkeitseinrede ausschließlich unter Vorbehalt, kann er mit einer Rückforderungsklage dergestalt Erfolg haben, dass er alle Zahlungen zurückerhält.

OLG Celle, Urt. v. 17.06.10 Az. 13 U 155/09 (Kart) Vollständige Rückzahlung bei Unbilligkeit

Da muss man ja auch mal dran denken.

Und wenn man so daran denkt, wird man sich wohl vorstellen können, dass die Aussicht darauf die Energieversorger bei Preisbestimmungen infolge der Preisbestimmungspflicht sehr effektiv disziplinieren könnte.

Die Erfahrung lehrt deshalb, dass die Billigkeitskontrolle einseitig festgesetzter Energiepreise durchaus zu zufrieden stellenden Ergebnissen für alle Beteiligten führen kann.

Wie jeder Prozess bieten sich die Chancen dabei nur demjenigen, der auch die damit verbundenen Risiken mutig eingeht.
Alles kann, nichts muss.

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