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Autor Thema: Fernwärme: Konkludente Handlung bei kommunalem Abnahmezwang ?  (Gelesen 5346 mal)

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Offline Will Kane

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Mich würde interessieren, ob die Abnahme von Fernwärme durch die Kunden nach einer Preisänderung des Versorgers als Abschluss eines neuen Versorgungsvertrages durch sog. "konkludente Handlung" gewertet werden kann, wenn den Fernwärmekunden aufgrund eines lokalen Versorgermonopols sowie eines bestehenden kommunalen Abnahmezwangs jegliche Alternativen verwährt sind. (Es sei denn, man betrachtet ein Erfrieren in den eigenen vier Wänden oder einen Umzug in eine andere Stadt als gültige Alternativen).

Ist in einer solchen "alternativlosen" Situation überhaupt ein Zustandekommen eines neuen Versorgungsvertrags durch konkludente Handlung denkbar ?

Offline RR-E-ft

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Re: Fernwärme: Konkludente Handlung bei kommunalem Abnahmezwang ?
« Antwort #1 am: 27. Februar 2014, 23:56:40 »
Mich würde interessieren, ob die Abnahme von Fernwärme durch die Kunden nach einer Preisänderung des Versorgers als Abschluss eines neuen Versorgungsvertrages durch sog. "konkludente Handlung" gewertet werden kann, wenn den Fernwärmekunden aufgrund eines lokalen Versorgermonopols sowie eines bestehenden kommunalen Abnahmezwangs jegliche Alternativen verwährt sind. (Es sei denn, man betrachtet ein Erfrieren in den eigenen vier Wänden oder einen Umzug in eine andere Stadt als gültige Alternativen).

Ist in einer solchen "alternativlosen" Situation überhaupt ein Zustandekommen eines neuen Versorgungsvertrags durch konkludente Handlung denkbar ?


Vollkommen unabhängig von einer Monopolsituation des Versorgers oder einem Anschluss- und Benutzungszwang und unbeeinflusst von solchen gilt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Folgendes:

Durch bloße Energieentnahme kann ein Fernwärmelieferungsvertrag erstmals konkludent abgeschlossen werden (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.14 Az. VIII ZR 391/12, juris Rn. 13).

Zu einseitigen Preisänderungen im hernach laufenden Vertragsverhältnis ist der Versorger nur berechtigt, wenn überhaupt eine Preisänderungsklausel wirksam in den Vertrag einbezogen wurde.

Eine solche Preisänderungsklausel ist in der AVBFernwärmeV selbst nicht enthalten, so dass die Einbeziehung eine wirksame Einbeziehungsvereinbarung erfordert (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.14 Az. VIII ZR 111/13, juris Rnrn. 17, 20).

§ 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV enthält lediglich Anforderungen, welchen eine Preisänderungsklausel für ihre Wirksamkeit genügen muss.

Wurde eine Preisänderungsklausel nicht wirksam in den Vertrag einbezogen oder erweist sich eine einbezogene Klausel wegen Verstoß gegen § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV als unwirksam, so ist der Versorger grundsätzlich nicht zu einseitigen Preisänderungen berechtigt (vgl. BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 66/09 u. VIII ZR 273/09,juris).

Insbesondere kommt es durch den bloßen Weiterbezug nach einer solchen unzulässigen Preisänderung nicht zu einer konkludenten Vereinbarung des unzulässig geänderten Preises (vgl. BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 66/09 u. VIII ZR 273/09,juris).

Es ist in einem solchen Falle, insbesondere nach einem Widerspruch des Kunden, Sache des Versorgers, entweder den Vertrag ordentlich zu kündigen oder - wenn ihm eine ordentliche Kündigung in angemessener Frist nicht möglich ist - dem Kunden die nachträgliche Einbeziehung einer den Anforderungen genügenden Preisänderungsklausel anzutragen und wo der Kunde ein solches Angebot auf nachträgliche Vertragsänderung nicht ausdrücklich  annimmt (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11, juris Rn. 23), den Vertrag ggf. gem. § 314 BGB außerordentlich zu kündigen.

Erst wenn der durch bloße Energienentnahme konkludent abgeschlossene Vertrag durch Kündigung wirksam beendet wurde, kann durch eine weitere Energieentnahme erneut ein weiterer Vertrag durch bloße Energieentnahme konkludent  abgeschlossen werden.

   
« Letzte Änderung: 28. Februar 2014, 00:24:55 von RR-E-ft »

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Re: Fernwärme: Konkludente Handlung bei kommunalem Abnahmezwang ?
« Antwort #2 am: 28. Februar 2014, 14:45:08 »
Erst wenn der durch bloße Energienentnahme konkludent abgeschlossene Vertrag durch Kündigung wirksam beendet wurde, kann durch eine weitere Energieentnahme erneut ein weiterer Vertrag durch bloße Energieentnahme konkludent  abgeschlossen werden.
Nur was nützt dem Verbraucher bei einer solchen "alternativlosen Situation das Zustandekommen eines neuen Versorgungsvertrags durch konkludente Handlung"?

Im Ergebnis wohl wenig und damit sind wir wieder hier beim neuen Preissockel und dieser Diskussion >:(

Offline RR-E-ft

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Re: Fernwärme: Konkludente Handlung bei kommunalem Abnahmezwang ?
« Antwort #3 am: 28. Februar 2014, 15:30:39 »
Es nutzt dem Kunden zunächst insoweit, als er durch einen Vertragsabschluss (und sei dieser auch konkludent erfolgt) einen vertraglichen Lieferanspruch gegen den Versorger erwirbt, den der grundsätzlich vorleistungsverpflichtete Versorger zu erfüllen hat.

Unterliegt der Kunde einem Anschluss- und Benutzungszwang, so kann der Anfangspreis einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.12 Az. VIII ZR 292/11, juris Rn. 21). Bei einer Monopolstellung des Versorgers kommt auch eine  (zivil-)kartellrechtliche Überprüfung  des Anfangspreises in Betracht (siehe § 33 GWB). 

Zum konkludenten Vertragsabschluss siehe BGH, Urt. v. 17.10.12 Az. VIII ZR 292/11, juris: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=154816d045ee6fe13ce2fafe4b12d894&nr=62698&pos=12&anz=104

 
« Letzte Änderung: 28. Februar 2014, 15:37:15 von RR-E-ft »

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Re: Fernwärme: Konkludente Handlung bei kommunalem Abnahmezwang ?
« Antwort #4 am: 28. Februar 2014, 15:44:15 »
Unterliegt der Kunde einem Anschluss- und Benutzungszwang, so kann der Anfangspreis einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.12 Az. VIII ZR 292/11, juris Rn. 21). Bei einer Monopolstellung des Versorgers kommt auch eine  (zivil-)kartellrechtliche Überprüfung  des Anfangspreises in Betracht (siehe § 33 GWB).
Ok, mit einem sehr guten Anwalt und viel "Geduld und Spucke" könnte ein Verbraucher den Versuch wagen das mal durchzuziehen. Vielleicht will Will Kane das ja. ;)

Offline Will Kane

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Re: Fernwärme: Konkludente Handlung bei kommunalem Abnahmezwang ?
« Antwort #5 am: 01. März 2014, 21:51:29 »
Erst wenn der durch bloße Energienentnahme konkludent abgeschlossene Vertrag durch Kündigung wirksam beendet wurde, kann durch eine weitere Energieentnahme erneut ein weiterer Vertrag durch bloße Energieentnahme konkludent  abgeschlossen werden.

Herzlichen Dank für diese klaren Ausführungen.

Da weder ich noch die große Mehrzahl der ca. 50.000 Tarifkunden vor Ort jemals eine Kündigung der Fernwärmeverträge ausgesprochen oder vom Versorger erhalten haben, dürfte sich das Kapitel "Legitimierung geänderter Fernwärmepreise durch konkludente Handlung" damit (erfreulicherweise) erledigt haben.

Offline Will Kane

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Re: Fernwärme: Konkludente Handlung bei kommunalem Abnahmezwang ?
« Antwort #6 am: 01. März 2014, 22:46:42 »
Unterliegt der Kunde einem Anschluss- und Benutzungszwang, so kann der Anfangspreis einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.12 Az. VIII ZR 292/11, juris Rn. 21). Bei einer Monopolstellung des Versorgers kommt auch eine  (zivil-)kartellrechtliche Überprüfung  des Anfangspreises in Betracht (siehe § 33 GWB).
Ok, mit einem sehr guten Anwalt und viel "Geduld und Spucke" könnte ein Verbraucher den Versuch wagen das mal durchzuziehen. Vielleicht will Will Kane das ja. ;)

Für den hiesigen Fernwärmeversorger würden im Falle einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB durch ein Gericht Umsätze von mehr als 170 Mio. € auf dem Spiel stehen. Es wäre kaum zu erwarten, dass er in einem ersten Prozess schnell klein bei gibt und so den anderen 50.000 Tarifkunden die Tür für deren Rückforderungen öffnet.
Mir als Laien graut vor der Vorstellung eines extrem teuren Gutachterprozesses über mehrere Instanzen mit abschließendem Vergleich und Kosten im mittleren bis hohen vierstelligen Bereich. Zumal ich selbst auch im besten Fall angesichts meiner sehr niedrigen Fernwärmeverbräuche kaum mehr als 200-300 € erstattet bekommen würde.

Wenn es gelingt, den Bundesverband der Verbraucherzentrale für einen Musterprozess mit ins Boot zu holen, dann sieht die Sache anders aus. Allerdings liegt meine dortige Anfrage bisher noch unbearbeitet zwischen einem Stapel anderer Anfragen aus der ganzen Republik.

(Falls der Bundesverband ablehnt, bleiben mir noch zwei andere Ansätze, deren rechtliche Grundlagen jedoch fernab dieses Threads liegen.)

 

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