Ärgerlich wäre, wenn uns hier jemand einen
gedanklichen Eintopf servieren wollte. Es bedarf schon einer gewissen Differenzierung.
Wir haben es rechtlich wohl mit drei Komplexen zu tun. (Etwaige Komplexe von einzelnen Diskussionsteilnehmern können weit vielschichtiger sein.)
I. Kartellrecht1.
Auf dem auf ein regionales Netzgebiet beschränkten sachlich- relevanten Markt für die
Belieferung von Haushaltskunden mit Energie kann ein Energieversorgungsunternehmen eine marktbherrschende Stellung einnehmen und diese kann Auswirkungen haben auf dessen Preisgestaltung bzw. darauf, was für dieses marktbeherrschende Unternehmen insoweit erlaubt ist und was nicht (BGH Urt. v. 23.06.09 KZR 21/08].
2.
Nicht alle Energieversorgungsunternehmen, die sich auf diesem örtlich und sachlich relevanten Markt betätigen, haben indes auf diesem auch eine marktbeherrschende Stellung inne. Andererseits folgt aus der Tatsache, dass überhaupt Wettbewerber auf einem Markt vorhanden sind, nichts für das Missbrauchspotential eines marktbeherrschenden Unternehmens auf diesem Markt.
3.
Zudem gibt es
Großhandelsmärkte für Energie, die teilweise bundesweit abzugrenzen sind und an denen die Haushaltskunden selbst nicht teilnehmen (BGH KVR 60/07).
Auf diesen Großhandelsmärkten kann es auch wiederum marktbeherrschende Energieversorgungsunternehmen geben, ohne dass dies etwas über die Beherrschungssituation auf dem Markt aussagt, an welchem die Haushaltskunden teilnehmen.
II. Vertragsfreiheit und Preisänderungsklauseln1.
Im Rahmen der Vertragsfreiheit kann man mit einem Energieversorgungsunternehmen die Belieferung zu einem bestimmten Preis frei vereinbaren, der weder bei steigenden Kosten erhöht werden darf, noch bei sinkenden Kosten abgesenkt werden muss.
2.
Aus der vertraglichen Preisvereinbarung ist der Kunde verpflichtet, den vereinbarten Preis zu bezahlen und der Lieferant verpflichtet, zu dem vereinbarten Preis die Energie zu liefern. Das ergibt sich aus § 433 BGB und ist vollkommen normal. Ein solcher vereinbarter Preis ist von den Gerichten nicht zu kontrollieren. Die staatliche Kontrolle wäre ein unzulässiger Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Privatautonomie, Art. 2 GG.
(Ausnahme: Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, siehe oben unter I.)
3.
Ein vertraglich
vereinbarter Preis kann grundsätzlich nur dann vom Lieferanten abgeändert werden, wenn eine Preisänderungsklausel vereinbart wurde. Die Preisänderungsklausel innerhalb von AGB unterliegt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB. Das ist auch vollkommen normal.
Auch dabei wird nicht der vertraglich vereinbarte Preis gerichtlich kontrolliert, sondern nur die vertragliche Befugnis, diesen einseitig abzuändern.
Zulässig sind dabei nur Preiserhöhungen im Umfange tatsächlich gestiegener Kosten seit dem Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses. Der Versorger wird durch eine wirksam vereinbarte Preisänderungsklausel vor einer Gewinnschmälerung wegen nachträglich gestiegener Kosten ebenso geschützt wie der Kunde vor der Einpreisung von Risikozuschlägen in den angebotenen Preis wegen veränderlicher Kosten.
Erweist sich die Preisänderungsklausel bei dieser Inhaltskontrolle als unwirksam, besteht für den Energieversorger auch dann kein Recht zur einseitigen Preisänderung, wenn er eine Monopolstellung inne hat (BGH KZR 2/07, VIII ZR 320/07). Er ist im Gegenzug auch nicht zu Preissenkungen bei gesunkenen Kosten verpflichtet (LG Gera, 07.11.08 Az. 2 HK O 95/08]..
Das ist auch vollkommen normal.
III. Gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht und Billigkeitskontrolle1.
§ 315 BGB findet unmittelbare Anwendung im Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht, weil diese unmittelbar mit einem gesetzlichen Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht verbunden ist (BGH KZR 2/07 Rn. 26). Dafür ist eine marktbeherrschende Stellung des Grundversorgers vollkommen belanglos (BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 56/08 Rn. 20, 26).
2.
Der VIII.Zivilsenat des BGH geht dabei von einem
gesetzlichen Preisänderungsrecht aus und wendet deshalb § 315 BGB nur auf die einseitige Preisänderung an.
Zugleich hat dieser Senat seit dem 15.07.09 aber auch wiederholt festgestellt, dass die Allgemeinen Tarife/ Preise gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und deshalb nach der gesetzlichen Regelung auch eine Verpflichtung zur Preisanpassung besteht, wenn es die Kosten zulassen und dies den Kunden günstig ist. Wortreich umschriben ist damit eine Verpflichtung des Versorgers zur Preisabsenkung. Auch eine wegen der bestehenden gesetzlichen Bindung gebotene, jedoch unterlassene Preisabsenkung kann demnach zur Unbilligkeit der Preise führen.
3.
Der Kartellsenat des BGH spricht hingegen von einem gesetzlichen
Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht (BGH KZR 2/07 Rn. 26).
Haben wir es mit einem gesetzlichen Tarif- bzw. Preisbestimmungsrecht zu, müsste die Billigkeitskontrolle umfassender erfolgen, nämlich ebenso umfassend, als hätten die Parteien ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss vertraglich vereinbart, also wenn sie vereinbart haben, der Versorger solle den Preis nach Vertragsabschluss einseitig bestimmen.
Darüber gehen die Meinungen also auseinander. Und hierzu haben einige ganz eigene Theorien entwickelt und teilweise auch veröffentlicht.
In der Grundversorgung ist vereinabrt, dass die Belieferung des Kunden nach Vertragsabschluss zu den \"jeweiligen\" Allgemeinen Preisen des Grundversorgers erfolgt, die der Grundversorger durch öffentliche Bekanntgabe einseitig zu bestimmen hat. Der einzelne grundversorgte Kunde hat auf die jeweiligen Allgemeinen Preise des Grundversorgers, die der Grundversorger einseitig zu bestimmen hat, keinerlei Einfluss. Der grundversorgte Kunde weiß weder, wie diese jeweiligen Allgemeinen Preise zustande kamen und kommen, noch wird er an deren Festsetzung beteiligt.
Mit dem gesetzlichen Tarifbestimmungsrecht geht aufgrund der gesetzlichen Bindung der Allgemeinen Preise an den Maßstab der Billigkeit auch die Verpflichtung des Grundversorgers einher, die Preise abzusenken, wenn dies bei effizienter Betriebsführung möglich für die Kunden günstig ist. Der Versorger kann sich entgegen dieser Verpflichtung nicht auf individuelle Preisvereinbarungen mit den einzelnen grundversorgten Kunden berufen. Die Verpflichtung besteht gegenüber allen grundversorgten Kunden, unabhängig vom individuellen Vertragsabschluss. Schließlich kommt es - anders als bei einem vereinbarten Preis mit Preisänderungsklausel - auch nicht auf die Kostenentwicklung seit dem konkreten Vertragsabschluss an.
Maßgeblich ist vielmehr die Kostenentwicklung aller preisbildenden Kostenfaktoren seit der letzten Tariffestsetzung durch öffentliche Bekanntgabe.
4.
Dass eine gerichtliche Preiskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB dann zu erfolgen hat, wenn die Parteien vertraglich vereinbart haben, dass der eine Teil den Preis für seine Leistung nach Vertragsabschluss einseitig bestimmen soll, ist indes auch vollkommen normal.
5.
Die Besonderheit im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung liegt allein darin, dass im Rahmen der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle das Ziel einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung besondere Bedeutung erlangen kann (BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183, 186). Weitere Besonderheiten gibt es dabei nicht.
6.
Wurde vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vereinbart (welches Voraussetzung für die Zulässigkeit einer einseitigen Leistungsbestimmung des Versorgers ist!), so ist der vom Kunden zu zahlende Preis wohl
nie das Ergebnis einer vertraglichen Vereinbarung, sondern vielmehr
immer das Ergebnis der Ermessensausübung des Versorgers nach Vertragsabschluss, zum Beispiel den Preis nicht abzusenken, obschon er aufgrund des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hierzu gerade vertraglich verpflichtet war.
Letzteres sieht
Black wohl anders, weil er eine andere Logik bemüht.
Fazit:
Wenn man diese drei Komplexe nicht gedanklich von einander trennt und dann möglicherweise innerhalb der kartellrechtlichen Beurteilung auch noch die Verhältnisse auf dem regionalen Haushaltskundenmarkt mit denen auf dem vorgelagerten Großhandelsmarkt unzulässig vermengt, liefe man Gefahr, zu palavern und nicht zu zutreffenden Ergebnissen gelangen zu können bzw. den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen.
Es ist wirklich nicht so besonders, wie mancher es sich denkt.
Und dann gibt es einige, die bemühen sich nach Kräften um eine juristische Diskussion. Wieder andere wollen eine politische Diskussion. Eine politische Diskussion ist nicht von Gerichten zu entscheiden, sondern gehört in die dafür zuständigen Parlamente. Wirtschaftliche Gegebenheiten (wirksamer Wettbewerb ja/ nein) können weder Gerichte per Urteil noch Parlamente durch Gesetze unmittelbar abändern.
Ein Gericht darf auch im Falle einer Monopolstellung des Energielieferanten unter Berücksichtigung des § 1 EnWG einen der Billigkeit entsprechenden Preis von sich aus dann nicht festlegen, wenn der Lieferant ein einseitiges Leistungsbetimmungsrech hat, die prozessualen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen, so dass es oft dabei verbleiben muss, dass die Billigkeit des gefordeten Preises nicht festgestellt werden konnte. Wer sich dies näher erschließen möchte, der lese aufmerksam BGH, Urt. v. 2.10.1991 - VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183, 186.
Was deshalb eher als reine Laberei erscheint:
Original von nomos
Tolles deutsches Energiepreisrecht!
@Black, und sind die Versorger damit glücklich?
Wie eine Preisanpassungsklausel aussehen muss, damit sie wirksam ist, hat der BGH ja weder formuliert noch entschieden. Auch Fehlanzeige was die konkrete Feststellung der Billigkeit angeht. Der Gesetz- und Verordnungsgeber war auch nicht tätig.
Lediglich Preisanpassungsklauseln im Rahmen des § 5 GasGVV sind nach dem BGH grundsätzlich möglich. Danach sind wir bei der ersten Preisänderung wieder bei der Billigkeitsfrage mit dem § 315 BGB und die Sosse ist wieder am Kochen.
Tolles deutsches Energiepreisrecht! X( - ein weiteres Armutszeugnis deutscher Politik!
@all, die Empfehlung an die Verbraucher kann da nur lauten, Wettbewerb befördern und Wechseln was das Zeug hält und Protest bei jeder Gelegenheit, inbesondere gegenüber den gewählten Bürgervertretern.
Von einem Armutszeugnis ist dabei die Rede. Gewiss. Ebensogut könnte man sich auf ein \"
Schlümmm!\" beschränken.
Die Politik hat Milliarden in die Hand genommen etwa für die Abwrackprämie. So mancher hat jetzt vielleicht - nichts ist unmöglich - so gefördert ein neues Auto, bei dem das Gaspedal klemmt. Milliarden in die Hand zu nehmen, um ein Vorkaufsrecht des Staates für Energienetze zu regeln, um diese gesichert unter staatliche Kontrolle zu bringen, dafür fehlte es. Da kann man sich auch drüber aufregen. Bringt nur nichts.