Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: §4 AVBGasV  (Gelesen 17785 mal)

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Offline Opa Ete

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§4 AVBGasV
« am: 11. März 2010, 13:57:27 »
Moin zusammen,

kann mir jemand die höchsrrichterliche Begründung nennen (Urteil), warum aus diesen beiden Absätzen

§ 4 Art der Versorgung
(1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Der Brennwert mit der sich aus den Erzeugungs- oder Bezugsverhältnissen des Unternehmens
ergebenden Schwankungsbreite sowie der für die Versorgung des Kunden maßgebende Ruhedruck des Gases bestimmen sich nach den allgemeinen Tarifen.
(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam

das Recht zur Preisanpassung für den Versorger hervorgehen soll?

Wortwörtlich kann ich da nichts lesen und mit viel Fantasie kann ich da jede Menge rauslesen.

Gruß Opa Ete

Offline RR-E-ft

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§4 AVBGasV
« Antwort #1 am: 11. März 2010, 14:34:30 »
Aus Absatz 1 geht hervor, dass die Lieferung nicht zu einem feststehenden Preis, sondern zu den jeweiligen Tarifen erfolgt. Jeweilige Tarife sind veränderlich (BGH KZR 2/07 Rn. 29).

Aus Abs. 2 geht hervor, dass die Tarife durch öffentliche Bekanntgabe des Versorgers geändert werden können.

Aus der Zusammenschau ergibt sich, dass der Versorger die jeweiligen Tarife, zu denen der Kunde Gas bezieht und die als Gegenleistung für die Gaslieferungen vom Kunden geschuldet sind, vom Versorger durch öffentliche Bekanntgaben neu festgesetzt werden können. Es handelt sich um ein (gesetzliches) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Der Versorger ist berechtigt und verpflichtet, die Tarife durch öffentliche Bekanntgaben (neu) zu bestimmen. Die Bestimmung darf nicht willkürlich erfolgen, sondern muss nach billigem Ermessen erfolgen. Die Allgemeinen Tarife sind gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden (BGH KZR 2/07 Rn. 26).

Offline Opa Ete

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§4 AVBGasV
« Antwort #2 am: 11. März 2010, 14:53:55 »
@RR-E_FT
da interpretieren sie aber ganz schön hinein, aber darum geht es mir.
Abs 2 sagt ja nur, dass Änderungen der allg. Tarife zu veröffentlichen sind.
Daraus zu schliessen, das der Versorger sie einseitig ändern darf ist gewagt. Von Billigkeit steht da übrigens auch nichts, die gibts wohl erst
seit (BGH KZR 2/07 Rn. 26). Worauf ich hinaus will: ich wundere mich, dass
noch nie jemand diese Interpretation hinterfragt hat und das seit 1979!
Gruß Opa Ete

Offline RR-E-ft

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§4 AVBGasV
« Antwort #3 am: 11. März 2010, 15:06:15 »
Sie müssen schon auch Absatz 1 lesen. Daraus ergibt sich, dass kein feststehender Preis vereinbart wird (BGH KZR 2/07 Rn. 29).
Es handelt sich um ein gesetzliches  Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht , dass nach dem Willen des Gesetzgebers nicht willkürlich oder nach freiem Ermessen ausgeübt werden darf (BGH KZR 2/07 Rn. 26, 29, VIII ZR 36/06 Rn. 14 ff.).

Es ist auch eine eher akademische Diskussion, ob sich das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nun aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. § 36 Abs. 1 EnWG ergibt oder aber aus § 4 AVBV bzw. § 5 GVV (für ersteres BGH KZR 29/06 Rn. 19 f.). Ich meine auch, dass sich das - mit Verpflichtungen verbundene - einseitige Leistungsbestimmungsrecht bereits aus § 6 Abs. 1 EnWG 1935, 10 Abs. 1 EnWG 1998, 36 Abs. 1 EnWG ergibt und § 4 Abs. 2 AVBV bzw. § 5 Abs. 2 GVV nur die Ausübung dieses andernorts bereits bestehenden gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts gegenüber § 315 Abs. 2 BGB spezieller ausgestaltet.

Ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht stellt insbesondere auch das OLG Oldenburg in seinen Entscheidungen vom 05.09.08 und vom 12.02.10 nicht in Abrede.

Fest steht, dass nach der gesetzlichen Regelung das gesetzlich versorgungspflichtige EVU unter Beachtung von § 1 EnWG die Allgemeinen Preise zu bestimmen, öffentlich bekannzugeben und zu diesen Preisen die (grundversorgten) Tarifkunden zu beliefern hat. Die Allgemeinen Preise der Grundversorgung sind also nach der gesetzlichen Regelung vom Versorger zu bestimmen.

Wer sollte denn auch sonst die jeweiligen Allgemeinen Preise festlegen, zu denen das gesetzlich versorgungspflichtige EVU zur Belieferung der Kunden gesetzlich verpflichtet ist?

Zweifellos darf diese Bestimmung weder willkürlich noch nach freiem Ermessen erfolgen, was sich aus § 315 Abs. 1 BGB ergibt.

Offline Opa Ete

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§4 AVBGasV
« Antwort #4 am: 11. März 2010, 15:53:22 »
na ja, selbst das OLG Oldenburg sagte mit Urteil vom 5.9.08:
\"Diesen Anforderungen genügen die Regelungen in § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV offensichtlich nicht.
Zunächst lassen sie nicht erkennen, dass hiermit überhaupt ein Preisanpassungsrecht begründet werden sollte.\"
Das ist doch schon mal was.

Offline RR-E-ft

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§4 AVBGasV
« Antwort #5 am: 11. März 2010, 15:59:30 »
Zweifeln Sie wirklich daran, dass der Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung berechtigt und verpflichtet ist, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung zu bestimmen, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grund- und ersatzversorgte Kunden zu beliefern?

Zweifeln Sie wirklich daran, dass der Grundversorger die Bestimmung unter Beachtung des § 1 EnWG zu treffen hat?

Zweifeln Sie wirklich daran, dass die Bestimmung der Allgemeinen Preise der Grund- und Ersatzversorgung durch den Grundversorger nach dem Willen des Gesetzgebers weder willkürlich noch nach freiem Ermessen erfolgen darf?

Das OLG Oldenburg hat das Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers nicht in Abrede gestellt. Es hat ausgeführt, dieses müsse sich schon andernorts ergeben, es würde sich nicht erst aus § 4 AVBV ergeben, mit jener Vorschrift begründet werden sollte. Das meine ich ja auch, siehe oben.

Den Entscheidungen des OLG Oldenburg liegen gar keine Tarifkunden- Fälle der gesetzlichen Versorgungspflicht zu Grunde, sondern Sonderverträge, bei denen Sonderpreise bei Vertragsabschluss vereinbart wurden.

Und für diese hat auch der BGH entschieden, dass das gesetzliche Tarifbestimmungsrecht nicht gilt (BGH KZR 2/07 Rn. 29).

Offline Opa Ete

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§4 AVBGasV
« Antwort #6 am: 11. März 2010, 16:06:47 »
nein, daran zweifele ich wirklich nicht. Ich finde es nur komisch, dass sich noch nie jemand an diesen Formulierungen gestört hat. Man könnte doch gleich  klar und deutlich in §4 schreiben: Der Versorger hat dass Recht und die Pflicht (nach dem Massstab der Billigkeit) die Preise zu erhöhen und zu senken.

Offline RR-E-ft

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§4 AVBGasV
« Antwort #7 am: 11. März 2010, 16:19:47 »
Zitat
Original von Opa Ete
Man könnte doch gleich  klar und deutlich in §4 schreiben: Der Versorger hat dass Recht und die Pflicht (nach dem Massstab der Billigkeit) die Preise zu erhöhen und zu senken.


Ich habe versucht, begreiflich zu machen, dass sich dies bereits aus der gesetzlichen Regelung § 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG iVm. § 1 EnWG, § 315 BGB  von selbst ergibt, selbst wenn es die AVBV und die GVV gar nicht geben würde (BGH KZR 29/06 Rn. 19 f.)

Das (mit Pflichten verbundene) gesetzliche Tarifbestimmungsrecht ergibt sich aus dem EnWG selbst (BGH KZR 29/06 Rn. 20). Bei vereinbarten Preisen gilt es nicht (BGH KZR 2/07 Rn. 29).

§ 4 AVBV und § 5 GVV regeln insoweit schließlich nur, dass es zur Ausübung des (mit Verpflichtungen verbundenen) gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts (Tarifbestimmungsrechts) keines Zugangs einer unwiderruflichen Willenserklärung gem. §§ 315 Abs. 2, 130  BGB beim Kunden bedarf, sondern statt dessen die öffentliche Bekanntgabe des Versorgers maßgeblich sein soll. Wäre nach der gesetzlichen Regelung  der Zugang einer Erklärung beim Kunden maßgeblich, müsste der Versorger diesen im Zweifel beweisen. Das wollte der Gesetzgeber nicht.

Die aufgrund des Tarifbestimmungsrechts vom Versorger gebildeten Allgemeinen Preise müssen so öffentlich bekannt gegeben sein, dass allein durch die Entnahme von Energie aus dem Netz zu diesen bestimmten Allgemeinen Preisen der Versorgungsvertrag zustande kommen kann.

Unsere Gesetze orientieren sich am Abstraktionsprinzip, weshalb in keinem Gesetz geregelt ist, wie ein Mann, Vater dreier Kinder und Großvater von zwei Enkelkindern mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Supermarkt in die Pedalen zu treten hat. Könnte man gesetzlich genauer regeln, braucht man aber nicht.  Es bestünde sogar die Gefahr, dass bei der genaueren gesetzlichen Regelung der Fall unberücksichtigt bliebe, dass der Mann etwaig einen fünf Kilo schweren Rucksack auf dem Rücken bei sich führt. Fraglich auch, was gilt, wenn ein Enkelkind hinzukäme.  Ich würde es komisch finden, wenn das gesetzlich genauer geregelt würde. :D

Im Preußischen Allgemeinen Landrecht versuchte man noch, für alles und jedes einen eigenen Paragrafen zu bilden. Blick zurück.

Warum der Verordnungsgeber gut beraten ist, die Regelung abstrakt zu halten, weil sie auf jeden Fall passen muss und passend bleiben muss, liest man hier.

Zitat
Sofern man aus § 5 Abs. 2 Strom/GasGVV noch kein materielles Preisänderungsrecht ableitet, sondern ein solches, wie oben vertreten, erst formuliert werden muss, besteht das Risiko, dass im Laufe der Zeit Kostenfaktoren entstehen, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht absehbar waren und von der Formulierung der vereinbarten Preisanpassungsklausel nicht mehr gedeckt sind. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Kostenfaktoren, die in der ursprünglichen Preisanpassungsklausel zwar Berücksichtigung gefunden haben, in einem Umfang ansteigen, der nach der ursprünglichen Klauselassung nicht mehr in einem angemessen Verhältnis umgelegt werden kann. In beiden Fällen würde sich das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis verschieben, so dass eine Preisanpassungsklausel das von ihr bezweckte Ziel der Wertsicherung nicht mehr erfüllen könnte. Zur Behebung derartiger Äquivalenzstörungen ist die Änderungskündigung ein gängiges Instrument da sie den ursprünglichen Vertrag auflöst und einen neuen Vertrag, der neue Kostenfaktoren berücksichtigt, von der Zustimmung des Kunden abhängig macht. Diese Lösung scheitert hier allerdings daran, dass gemäß § 20 Strom/GasGVV eine ordentliche Kündigung alleine dem Kunden vorbehalten ist.

Die Kostenkalkulation gestaltet sich schließlich bei jedem Versorger anders, so dass man keine für alle gültige Kostenklausel formulieren kann. hinzu tritt, dass sie auch noch hinsichtlich der Gewichtung von Kostenfaktoren Veränderungen unterliegen können, so dass der Verordnungstext dann nicht mehr passt (wie bei dem Radfahrer mit dem fünf Kilo- Rucksack).

Offline Lothar Gutsche

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§4 AVBGasV
« Antwort #8 am: 11. März 2010, 21:27:29 »
Zitat
Original von Opa Ete
Wortwörtlich kann ich da nichts lesen und mit viel Fantasie kann ich da jede Menge rauslesen.
In dem Aufsatz \"Die Anwendung des deutschen und europäischen Kartellrechts und der zivilrechtlichen Preiskontrolle nach §§ 307, 315 BGB im Strom- und Gassektor in zweiten Jahrzehnt der Marktliberalisierung\", ZNER Heft 3/2009, Seite 193 - 204 äußert sich Professor Dr. Kurt Markert wie folgt zu der Frage, die Opa Ete stellt:

\"Dass der Wortlaut des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und des § 5 Abs. 2 GasGVV für die Annahme eines Preisbestimmungsrechts des Versorgers im Grunde nichts hergibt, hat der Senat selbst eingeräumt. Aus der sehr detaillierten, bis zum EnWG von 1935 zurückreichenden Analyse der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften im Urteil des OLG Oldenburg vom 5. September 2008 ergibt sich, dass bei allen Entscheidungen des Gesetz- und Verordnungsgebers das Preisbestimmungsrecht des Versorgers immer nur als bereits bestehend und allgemein anerkannt und praktiziert vorausgesetzt wurde und der Verordnungsgeber zwar die allgemeinen Versorgungsbedingungen regeln wollte, nicht jedoch die Tarifgestaltung der Energieversorger.\"

Mit dem \"Urteil des OLG Oldenburg vom 5. September 2008\" bezieht sich Professor Markert auf die Entscheidung 12 U 49/07, die in Heft 4 der ZNER 2008 auf Seite 385 - 391 abgedruckt ist, siehe online unter http://www.ponte-press.de/pdf/U9_200804.pdf. Auf den Seiten 386 rechte Spalte - 388 linke Spalteder ZNER 2008 zeigt das OLG Oldenburg, dass das Recht des Versorgers zur Preisanpassung als \"eine sich aus der Natur der Sache ergebende Befugnis\" anzusehen ist. Auch in den gesetzlichen Regelungen, die RR-E-ft aus dem EnWG 1935, 1998 und heute zitiert, sind Aussagen zur Preisgestaltung nur implizit enthalten. Ein wörtlich, klar definiertes Recht der Versorger wird vorausgesetzt, aber nicht explizit formuliert.

Vor dem Hintergrund glaube ich, dass es gar kein gesetzliches Recht zur Bestimmung und Änderung von Gaspreisen gibt, sondern dass es sich vielmehr um ein Gewohnheitsrecht handelt. Die gesetzlichen Regelungen aus dem EnWG und der AVBGasV beschäftigen sich nur mit der Form und der Gültigkeit von Preisbekanntmachungen und Preisänderungen, aber nicht mit der eigentlichen Preisbestimmung.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

Offline RR-E-ft

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§4 AVBGasV
« Antwort #9 am: 11. März 2010, 22:15:10 »
Zitat
Original von Lothar Gutsche

Vor dem Hintergrund glaube ich, dass es gar kein gesetzliches Recht zur Bestimmung und Änderung von Gaspreisen gibt, sondern dass es sich vielmehr um ein Gewohnheitsrecht handelt. Die gesetzlichen Regelungen aus dem EnWG und der AVBGasV beschäftigen sich nur mit der Form und der Gültigkeit von Preisbekanntmachungen und Preisänderungen, aber nicht mit der eigentlichen Preisbestimmung.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

Die Glaubensfreiheit ist im Grundgesetz verankert.
Ein Blick ins Gesetz möge uns die Rechtsfindung erleichtern.

Zitat
§ 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG

Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Zitat
§ 2 Abs. 1 EnWG

Energieversorgungsunternehmen sind im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Versorgung im Sinne des § 1 verpflichtet.

Zitat
§ 1 Abs. 1 EnWG

Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.

Hier ist klar eine gesetzliche Verpflichtung, Allgemeine Preise zu bilden, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu beliefern, geregelt.

Schon aus § 1 EnWG folgt, dass sich  Allgemeinen Preise mit den Kosten einer effizienten Betriebsführung  ändern müssen, was das Recht zu Preiserhöhungen im Umfange von Kostensteigerungen bei effizienter Betriebsführung ebenso einschließt wie die Verpflichtung zu Preissenkungen, wenn die Kostenentwicklung bei effizienter Betriebsführung solche zulässt.

Es handelt sich folglich um das gesetzliche Recht und die Pflicht, Allgemeine Preise zu bilden, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu versorgen.

Die gesetzliche Tarifbestimmungsrechtspflicht unter Berücksichtigung von § 1 EnWG durch öffentliche Bekanntgabe ist von Anbeginn an Teil der gestzlichen Versorgungspflicht gem. § 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG (BGH KZR 29/06 Rn. 19, 20).

Der Versorger hat durch öffentliche Bekanntgabe die vom Kunden für Energielieferungen innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht geschuldete Gegenleistung zu bestimmen. Es handelt sich deshalb um ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB, auf welches die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle unmittelbare Anwendung findet.

Dass der Grundversorger die Allgemeinen Preise der Grundversorgung durch öffentliche Bekanntgabe zu bestimmen hat, ist keinesfalls Ausfluss eines Gewohnheitsrechts, sondern - wie aufgezeigt -  von Anfang an Teil der gesetzlichen Versorgungspflicht nach dem EnWG.

Wenn der Versorger gesetzlich verpflichtet ist, Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben, dann muss er doch (denknotwendig) zunächst einmal die öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Preise zuvor bestimmen.

Es besteht ein gesetzliches Tarifbestimmungsrecht, wie jedes einseitige Leistungsbestimmungsrecht verbunden mit einer entsprechenden Verpflichtung, vorliegend der gesetzlichen Verpflichtung, die Allgemeinen Preise unter Berücksichtigung der Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG zu bestimmen, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu beliefern.
 
Wie man darauf kommen wollte, Preisänderungen bei einer Belieferung im Rahmen einer gesetzlichen Versorgungspflicht, seien lediglich eine (lässliche) Angewohnheit der Versorger, die sich durch hinreichend  lange Übung zu einem Gewohnheitsrecht verdichtet habe, ist nicht nachvollziehbar. Seit Inkrafttreten einer gesetzlichen Versorgungspflicht mit  § 6 Abs. 1 EnWG 1935 sind die Allgemeinen Tarife gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, was die Verpflichtung des Versorgers  zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten mit einschließt.

Es sollte eigentlich selbst auffallen, dass es eine gesetzliche Versorgungspflicht zu unveränderlichen Preisen bei Kosten der Belieferung, die naturgemäß Änderungen unterworfen sind, nicht geben kann. So krumm hat auch der Gesetzgeber des EnWG von Anfang an nicht gedacht.

Wenn es Vertreter geben sollte, die tatsächlich glauben, die gesetzliche Versorgungspflicht nach EnWG beinhaltete oder beinhaltet, einmalig Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben und fortan Kunden zu diesen einmal öffentlich bekannt gegeben Allgemeinen Preisen allezeit zu beliefern, ist es vielleicht doch ganz gut, dass § 4 Abs. 1 AVBV, § 5 Abs. 1 GVV eine (eigentlich nicht erforderliche) Klarstellung enthält, dass die Belieferung zu den \"jeweiligen\" Allgemeinen Tarifen bzw. Allgemeinen Preisen erfolgt.  ;)  

(Preisstopp- VO vom 26. November 1936 (RGBl. I, S. 955) bleibt außen vor)

Ich glaube an den Menschenverstand, der weder durch akademische Weihen noch das Überstreifen einer Robe verloren geht.

Offline Lothar Gutsche

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§4 AVBGasV
« Antwort #10 am: 12. März 2010, 07:37:52 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Wenn der Versorger gesetzlich verpflichtet ist, Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben, dann muss er doch (denknotwendig) zunächst einmal die öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Preise zuvor bestimmen.
Damit bestätigt RR-E-ft meine Aussage:
Zitat
Original von Lothar Gutsche
Auch in den gesetzlichen Regelungen, die RR-E-ft aus dem EnWG 1935, 1998 und heute zitiert, sind Aussagen zur Preisgestaltung nur implizit enthalten. Ein wörtlich, klar definiertes Recht der Versorger wird vorausgesetzt, aber nicht explizit formuliert.
Ich habe nie versucht aus dem EnWG abzuleiten, dauerhaft konstante Energiepreise zu erhalten, die der Versorger unter keinen Umständen nach der erstmaligen öffentlichen Bekanntmachung ändern darf. Um auf die Ausgangsfrage von Opa Ete zurückzukommen, in §4 AVBGasV finde ich kein Recht zur einseitigen Preisbestimmung.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

Offline Opa Ete

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§4 AVBGasV
« Antwort #11 am: 12. März 2010, 09:02:58 »
@Lothar Gutsche
sie haben völlig recht, sehe ich nämlich genauso!
@RR-E-FT
dann soll man gefälligst das EnWG zitieren, daraus könnte man schon eher das Recht zur Preisanpassung ableiten, aber nicht §4 AVBGASV.

Gruß Opa Ete

Offline RR-E-ft

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§4 AVBGasV
« Antwort #12 am: 12. März 2010, 11:13:04 »
Die jeweils im EnWG geregelte gesetzliche Versorgungspflicht lässt sich doch - wie aufgezeigt -  gar nicht anders auslegen, als dass der Versorger die von den Kunden geschuldete Gegenleistung für die Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht durch öffentliche Bekanntgabe jeweils bestimmt.

Klar ist auch, dass es sich dabei um ein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB handelt, weil die Bestimmung eben weder willkürlich noch nach freiem Ermessen erfolgen darf.

Dieses besteht bereits ohne die Verordnungen. Historisch ist die gesetzliche Versorgungspflicht nach EnWG auch älter als die entsprechenden Verordnungen über Allgemeine Versorgungsbedingungen.

Das Leistungsbestimmungsrecht (Preisbestimmungsrecht/ Tarifbestimmungsrecht) des Versorgers ergibt sich für den Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht mithin bereits aus dem EnWG selbst. Damit ist es ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht. Ein solches ist immer zugleich mit Pflichten verbunden.

Um ein Gewohnheitsrecht infolge lässlicher Gewohnheit handelt es sich nicht.


Für Sonderverträge gilt das Tarifbestimmungsrecht nicht (BGH KZR 2/07 Rn. 29). Kontrovers diskutiert wird, ob sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für den Versorger ergibt, wenn die Vorschrift des § 4 AVBV, § 5 GVV als AGB in einen Sondervertrag einbezogen wird (BGH VIII ZR 225/07). Es gibt gute Gründe, die dagegen sprechen.

Offline Black

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§4 AVBGasV
« Antwort #13 am: 12. März 2010, 12:01:39 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Kontrovers diskutiert wird, ob sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für den Versorger ergibt, wenn die Vorschrift des § 4 AVBV, § 5 GVV als AGB in einen Sondervertrag einbezogen wird (BGH VIII ZR 225/07). Es gibt gute Gründe, die dagegen sprechen.

Kontovers diskutiert in diesem Forum . In der realen Welt ist dieser Streit durch die zwei Entscheidungen des BGH vom 15.07.2009 entschieden worden.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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§4 AVBGasV
« Antwort #14 am: 12. März 2010, 13:22:56 »
Es gibt mit BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07, VIII ZR 326/07, VIII ZR 81/08 mehrere Entscheidungen, bei denen es darauf nicht ankam, wo vom Senat obiter dicta eine solche Auffassung jeweils geäußert wurde, die sich jedoch schon  mit BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16 schwerlich vereinbaren lässt, wonach ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht dann nicht vertraglich vereinbart ist, wenn sich die Parteien bei Vertragsabschluss auf einen feststehenden  Preis geeinigt haben, wie dies bei Sonderverträgen gerade der Fall ist (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, KZR 2/07 Rn. 29).

Wurde hingegen bei Abschluss eines Sondervertrages im Rahmen der Vertragsfreiheit nicht ein feststehender Preis, sondern ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vertraglich vereinbart, ist die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB vollkommen unbestritten (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Wie gesagt, ich glaube an den Menschenverstand.

§§ 4 AVBV, 5 GVV enthalten weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig überhaupt eine Regelung über die Änderung vereinbarter Preise eines Sondervertrages. Sie verhalten sich ausschließlich zu dem im EnWG geregelten gesetzlichen Tarifbestimmungsrecht, das bei Sonderverträgen nicht gilt (BGH KZR 2/07 Rn. 29). Solche Klauseln laufen bei genauer Betrachtung in den AGB eines Energielieferungsvertrages deshalb nicht weniger  leer, wie eine Klausel über die Änderung der Preise für Spreewaldgurken.

Es ist auch nicht ersichtlich, warum sich Gerichte mit einer Billigkeitskontrolle in Fällen  behängen sollten, wo der Anwendungsbereich des § 315 BGB schon nicht eröffnet ist (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16). Ich meine, dass sich das Gerichten durchaus leicht vermitteln lässt.

Gerichte, die § 315 BGB in Fällen anwenden, wo der Anwendungsbereich der Norm von vornherein schon nicht eröffnet ist, handeln contra legem (BGH aaO.). Zumindest darüber herrschte doch lange Zeit Einigkeit (Kunth/ Tüngler, NJW 2005, 1313).

Insbesondere das OLG Oldenburg ist ja wohl durchaus auf der richtigen Spur.

 

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