Original von Lothar Gutsche
Vor dem Hintergrund glaube ich, dass es gar kein gesetzliches Recht zur Bestimmung und Änderung von Gaspreisen gibt, sondern dass es sich vielmehr um ein Gewohnheitsrecht handelt. Die gesetzlichen Regelungen aus dem EnWG und der AVBGasV beschäftigen sich nur mit der Form und der Gültigkeit von Preisbekanntmachungen und Preisänderungen, aber nicht mit der eigentlichen Preisbestimmung.
Viele Grüße
Lothar Gutsche
Die Glaubensfreiheit ist im Grundgesetz verankert.
Ein Blick ins Gesetz möge uns die Rechtsfindung erleichtern.
§ 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG
Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.
§ 2 Abs. 1 EnWG
Energieversorgungsunternehmen sind im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Versorgung im Sinne des § 1 verpflichtet.
§ 1 Abs. 1 EnWG
Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.
Hier ist klar eine gesetzliche Verpflichtung, Allgemeine Preise zu bilden, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu beliefern, geregelt.
Schon aus § 1 EnWG folgt, dass sich Allgemeinen Preise mit den Kosten einer effizienten Betriebsführung ändern müssen, was das Recht zu Preiserhöhungen im Umfange von Kostensteigerungen bei effizienter Betriebsführung ebenso einschließt wie die Verpflichtung zu Preissenkungen, wenn die Kostenentwicklung bei effizienter Betriebsführung solche zulässt.
Es handelt sich folglich um das
gesetzliche Recht und die Pflicht, Allgemeine Preise zu bilden, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu versorgen.
Die gesetzliche Tarifbestimmungsrechtspflicht unter Berücksichtigung von § 1 EnWG durch öffentliche Bekanntgabe ist von Anbeginn an Teil der gestzlichen Versorgungspflicht gem. § 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG (BGH KZR 29/06 Rn. 19, 20).
Der Versorger hat durch öffentliche Bekanntgabe die vom Kunden für Energielieferungen innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht geschuldete Gegenleistung zu bestimmen. Es handelt sich deshalb um ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB, auf welches die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle unmittelbare Anwendung findet.
Dass der Grundversorger die Allgemeinen Preise der Grundversorgung durch öffentliche Bekanntgabe zu bestimmen hat, ist keinesfalls Ausfluss eines Gewohnheitsrechts, sondern - wie aufgezeigt - von Anfang an Teil der gesetzlichen Versorgungspflicht nach dem EnWG.
Wenn der Versorger gesetzlich verpflichtet ist, Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben, dann muss er doch (denknotwendig) zunächst einmal die öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Preise zuvor bestimmen.
Es besteht ein gesetzliches
Tarifbestimmungsrecht, wie jedes einseitige Leistungsbestimmungsrecht verbunden mit einer entsprechenden Verpflichtung, vorliegend der gesetzlichen Verpflichtung, die Allgemeinen Preise unter Berücksichtigung der Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG zu bestimmen, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu beliefern.
Wie man darauf kommen wollte, Preisänderungen bei einer Belieferung im Rahmen einer gesetzlichen Versorgungspflicht, seien lediglich eine (lässliche) Angewohnheit der Versorger, die sich durch hinreichend lange Übung zu einem
Gewohnheitsrecht verdichtet habe, ist nicht nachvollziehbar. Seit Inkrafttreten einer gesetzlichen Versorgungspflicht mit § 6 Abs. 1 EnWG 1935 sind die Allgemeinen Tarife gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, was die Verpflichtung des Versorgers zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten mit einschließt.
Es sollte eigentlich selbst auffallen, dass es eine gesetzliche Versorgungspflicht zu unveränderlichen Preisen bei Kosten der Belieferung, die naturgemäß Änderungen unterworfen sind, nicht geben kann. So krumm hat auch der Gesetzgeber des EnWG von Anfang an nicht gedacht.
Wenn es Vertreter geben sollte, die tatsächlich glauben, die gesetzliche Versorgungspflicht nach EnWG beinhaltete oder beinhaltet, einmalig Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben und fortan Kunden zu diesen einmal öffentlich bekannt gegeben Allgemeinen Preisen allezeit zu beliefern, ist es vielleicht doch ganz gut, dass § 4 Abs. 1 AVBV, § 5 Abs. 1 GVV eine (eigentlich nicht erforderliche) Klarstellung enthält, dass die Belieferung zu den \"
jeweiligen\" Allgemeinen Tarifen bzw. Allgemeinen Preisen erfolgt.
(Preisstopp- VO vom 26. November 1936 (RGBl. I, S. 955) bleibt außen vor)Ich glaube an den Menschenverstand, der weder durch akademische Weihen noch das Überstreifen einer Robe verloren geht.