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Autor Thema: Widerspruch zurückziehen ... wie am besten?  (Gelesen 9232 mal)

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Offline Gulliver08

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Widerspruch zurückziehen ... wie am besten?
« am: 25. Januar 2010, 23:12:27 »
Hallo,

seit zwei Jahren kürze ich die Jahresabrechnungen meines Versorgers (GASUF), da dieser dabei immer wieder zwischenzeitliche Preiserhöhungen (denen ich ebenfalls widersprochen habe) berücksichtigt hatte, zu denen er m.E. auf Grund des Sondervertrages nicht berechtigt war. Bis dato hat es außer etwas Standardschriftverkehr, in dem das Dinslaken-Urteil und das Gutachten der WIBERA zitiert worden sind, wenig Substantielles von GASUF  gegeben.

Allerdings scheint sich die Situation mit meinem jüngsten Einspruch zur Jahresabrechnung etwas geändert zu haben, als GASUF jetzt nämlich ein Urteil des LG Nürnberg-Fürth (AZ: 4HK O 9057/08) anzieht, bei dem das LG -trotz der Bestätigung eines existierenden Sondervertrages- entschieden hat, dass GASUF ein einseitiges Preisanpassungsrecht zustehe und die Preisänderungen der Billigkeit entsprächen.

Da der Widerspruch i.W. auf einer m.E. unwirksamen Preisanpassungsklausel beruht (kein Standhalten gem. §§ 305 ff. BGB) und weniger auf die Billigkeit der Preisanpassungen abzielt, kommen mir jetzt ziemliche Zweifel, ob angesichts dieses LG-Urteils der Widerspruch aufrechterhalten werden sollte. Auf die Billigkeitsprüfung würde ich mich nicht einlassen (da wollen ja selbst die Gerichte nicht einmal richtig rangehen), deswegen auch der m.E. tragfähige Ansatz über die Klausel zur Preisanpassung.

Da ich ziemlich unsicher bin, wie es weitergehen soll, möchte ich mal die Frage loswerden, wie ein Widerspruch formuliert sein sollte, um auch zukünftig sich die eine oder andere Option offen zu halten (es wird sicherlich noch zweifelhafte und unterschiedliche Urteile hierzu geben und da wäre es praktisch, wenn trotz Anerkenntnis einer Jahresabrechnung nicht alle Türen zugeschlagen wären ... meine eigene Einschätzung geht aber eher dahin, dass ein konkludentes Handeln später immer zum eigenen Nachteil ausgelegt wird \"er hat es ja einmal akzeptiert\").

Danke schon mal vorab.

Offline RR-E-ft

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Widerspruch zurückziehen ... wie am besten?
« Antwort #1 am: 26. Januar 2010, 00:08:32 »
@Gulliver08

Wenn der Vertrag ein Sondervertrag ist, muss geprüft werden, ob in den konkreten Vertrag überhaupt gem. § 305 Abs. 2 BGB eine Preisänderungsklausel einbezogen wurde.

Diese Frage entscheidet sich danach, ob der Kunde vor Vertragsabschluss entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen kannte und bei Vertragsabschluss mit deren Einbeziehung einverstanden war.

Eine Frage, die in jedem Einzelfall neu zu beurteilen ist (siehe AG Starnberg, Urt. v. 22.10.09).

Erst danach - nur im Falle einer wirksamen Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und einer Preisänderungsklausel - stellt sich die Frage, ob eine einbezogene Preisänderungsklausel ggf. der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhält und - wo dies der Fall sein sollte- ggf., ob die einseitigen Leistungsneubestimmungen jeweils der Billigkeit entsprachen.

Wie bereits ausgeführt, ist das genannte Urteil des LG Nurnberg- Fürth rechtsfehlerhaft. Eine ergänzende Vertragsauslegung lässt der BGH bei nicht einbezogener/ unwirksamer Preisänderungsklausel - entgegen jener Gasuf- Entscheidung des Landgerichts - regelmäßig ausdrücklich nicht zu (zuletzt BGH, Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08, zuvor Urt. v. 28.10.09 VIII ZR 320/07).

Wie hier bereits weiter ausgeführt wurde, lassen sich Billigkeitsentscheidungen zudem nicht ohne weiteres übertragen.

Beim OLG München war in mündlicher Verhandlung am 21.01.10 zudem zu erfahren, dass es auf eine Billigkeitskontrolle auch dann nicht ankommt, wenn es an der öffentlichen Bekanntgabe einseitiger Gaspreisneufestsetzungen fehlte.- Auch so ein Umstand, der in jedem Einzelfall geprüft werden muss.  

Wer jedoch kleinmütig seinen Widerspruch zurücknimmt, ist raus.

Was nach wie vor nicht funktioniert, ist eine Kuh schlachten und sie zugleich weiter melken zu wollen.

Offline bolli

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Widerspruch zurückziehen ... wie am besten?
« Antwort #2 am: 26. Januar 2010, 08:28:24 »
@Gulliver08
Leider ist es in unserer Demokratie so, dass wir die Richter mit SEHR viel Macht ausgestattet haben, die nur schwer zu kontrollieren ist. Daher kommt es oft zu Urteilen, die nicht nur fehlerhaft sondern oft sogar geradezu abstrus sind. Gerade der Süden Deutschland tut sich im Energie(preis)sektor oft negativ hervor. Da meint man oft, hier gelten andere Gesetze. Auch untere Gerichte (vorzugsweise Amtsgerichte) haben hier oft \'eigene Gesetze\'.
Nicht umsonst gibt es den Spruch \"Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand\".

Man sollte seine Situation gründlich überprüfen, was aufgrund der umfangreichen Informationen, vor allem hier im Forum, in großen Teilen möglich sein sollte, sollte auch sehen, dass man sich möglichst Rechtsschutz sichert, sofern dieses noch möglich ist (also z.B. wenn man keine Rechtsschutzversicherung hat durch eine BdEV-Mitgliedschaft und Einzahlen in den Prozesskostenfond) und dann sollte man sich vor allem nicht vom Versorger verängstigen lassen. Die machen (und müssen sie ja auch aus ihrer Sicht) viel Wind um alles mögliche, aber längst noch nicht alles stellt sich bei genauer Betrachtung als wahr oder zutreffend heraus.

Offline Gulliver08

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Widerspruch zurückziehen ... wie am besten?
« Antwort #3 am: 26. Januar 2010, 20:45:12 »
Vielen Dank für die Rückmeldungen.

H.Fricke, wie Sie sagen

Zitat
... Wenn der Vertrag ein Sondervertrag ist, muss geprüft werden, ob in den konkreten Vertrag überhaupt gem. § 305 Abs. 2 BGB eine Preisänderungsklausel einbezogen wurde.  Diese Frage entscheidet sich danach, ob der Kunde vor Vertragsabschluss entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen kannte und bei Vertragsabschluss mit deren Einbeziehung einverstanden war. ...

Genau an diesem Punkt scheint mir die Schwierigkeit zu liegen.

Mein Gasversorgungsvertrag (Sondervertrag) wurde von den AVBGasV auf die GasGVV umgestellt. Danach wurde ein neues Preissystem angeboten, das auch angenommen wurde. Damit sollten die GasGVV zumindest bekannt gewesen sein, was aber noch nichts über die wirksame Einbeziehung derselben aussagt.

Bleiben die Fragen, inwieweit die GasGVV zuallererst eine wirksame Preisänderungsklausel enthalten und erst danach ob diese auch einer Inhaltskontrolle standhalten.

Aus meiner Sicht enthalten weder die GasGVV noch die von GASUF nachgeschobenen Ergänzenden Bedingungen zu GasGVV (Erdgaslieferbedingungen für die Versorgung mit Erdgas zu den Preisrichtlinien für Sondervertragskunden) eine wirksame Preisanpassungsklausel (berechtigt  die Preise anzupassen, glaubt GASUF wohl zu sein (in Anlehnung an und Anführung des §5 Abs. 2 GasGVV, angeführt im Sondervertrag), aber das geschieht m.E. ausschliesslich nach deren Ermessen, Umfang und Zeitpunkt bleiben unberücksichtigt).

Damit meine ich eine Lücke im Vertrag zu haben (unwirksame Preisanpassungsklausel), die auch nicht über das Nachschieben des §5 Abs. 2 GasGVV geschlossen werden kann (quasi als Ersatz-AGB). Inwieweit das ein Gericht evtl. anders sieht, kann ich nicht beurteilen, aber zumindest gab es in diese Richtung in der Vergangenheit einige bestätigende Urteile.

Interpretiere ich das so richtig, oder übersehe ich da grundsätzlich etwas (die richterliche Entscheidungsgewalt soll hier mal außen vor bleiben)?

Danke & besten Gruß

PS: Meine Rechtsschutzversicherung ist selbstredend involviert und unterstützt auch eine evtl. Klage; eine Aussicht auf Erfolg sollte (trotz Kostendeckung) aber mit einer größeren Wahrscheinlichkeit gegeben sein.

Offline RR-E-ft

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Widerspruch zurückziehen ... wie am besten?
« Antwort #4 am: 26. Januar 2010, 21:15:35 »
@Gulliver08

Ob in einen Sondervertrag die Bedingungen der AVBGasV wirksam einbezogen waren ist ebenso nicht ersichtlich wie die Frage, ob die Bedingungen der GasGVV als Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam einbezogen wurden (vgl. hierzu OLG Dresden, Urt. v. 22.01.10; OLG Hamm, Urt. v. 29.05.09; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09; LG Hamburg, Urt. v. 27.10.09; LG Hannover, Urt. v. 01.12.09).

Für die wirksame (nachträgliche) Einbeziehung bedurfte es zum einen einer Übersendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, des (versorgerseitigen)  Antrages, diese in den Vertrag (nachträglich) einzubeziehen, und einer Annahme bzw. Einverständniserklärung des Kunden, wohl ausdrücklich bei Nichtkaufleuten, weil im nichtkaufmännischen Verkehr Schweigen grundsätzlich kein Erklärungsgehalt zukommt. Die entsprechenden wechselseitigen Erklärungen mussten jeweils beim Vertragspartner zugehen, so dass es zu einer vertraglichen Neuvereinbarung gem. §§ 145 ff. BGB kommen konnte.

Ihr konkreter Einzelfall soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

Offline Gulliver08

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Widerspruch zurückziehen ... wie am besten?
« Antwort #5 am: 26. Januar 2010, 21:35:30 »
Zitat
Original von RR-E-ft
...

Für die wirksame (nachträgliche) Einbeziehung bedurfte es zum einen einer Übersendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, des (versorgerseitigen)  Antrages, diese in den Vertrag (nachträglich) einzubeziehen, und einer Annahme bzw. Einverständniserklärung des Kunden, wohl ausdrücklich bei Nichtkaufleuten, weil im nichtkaufmännischen Verkehr Schweigen grundsätzlich kein Erklärungsgehalt zukommt. Die entsprechenden wechselseitigen Erklärungen mussten jeweils beim Vertragspartner zugehen, so dass es zu einer vertraglichen Neuvereinbarung gem. §§ 145 ff. BGB kommen konnte.
...

In den allermeisten Fällen dürfte es doch so laufen, dass der Versorger dem Kunden ein Schreiben zuschickt (dem liegen die GasGVV bei), mit dem er eine Vertragsanpassung mit der Bitte um Unterzeichnung vorlegt. Hntergrund ist das Inkrafttreten der GasGVV, die die AVBGasV ablösen soll. Das Ganze noch garniert mit einem beiläufigen Satz, wonach sich keinerlei Nachteile durch die Vertragsanpassung ergeben, weder preislich noch laufzeit-seitig.

Der Kunde liest genau das und wird in der Mehrzahl der Fälle die Anpassung  unterschreiben. Die Versorger werden doch meistens genau so unterwegs sein und damit das Erforderliche für eine gültige Vertragsanpassung vornehmen, oder?  :rolleyes:

Offline RR-E-ft

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Widerspruch zurückziehen ... wie am besten?
« Antwort #6 am: 26. Januar 2010, 21:48:07 »
Zitat
In den allermeisten Fällen dürfte es doch so laufen, dass der Versorger dem Kunden ein Schreiben zuschickt (dem liegen die GasGVV bei), mit dem er eine Vertragsanpassung mit der Bitte um Unterzeichnung vorlegt. Hntergrund ist das Inkrafttreten der GasGVV, die die AVBGasV ablösen soll. Das Ganze noch garniert mit einem beiläufigen Satz, wonach sich keinerlei Nachteile durch die Vertragsanpassung ergeben, weder preislich noch laufzeit-seitig.  Der Kunde liest genau das und wird in der Mehrzahl der Fälle die Anpassung unterschreiben. Die Versorger werden doch meistens genau so unterwegs sein und damit das Erforderliche für eine gültige Vertragsanpassung vornehmen, oder? Augen rollen

Vollkommen unerheblich. Wie es wohl regelmäßig laufen wird/ gelaufen ist, kommt es nicht an. Es kommt darauf an, wie es im konkreten Vertragsverhältnis gelaufen ist und ob es dort ggf. zu einer wirksamen Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen kam.

Bei einer wirksamen einbezogenen Preisänderungsklausel kommt es wiederum darauf an, was diese überhaupt inhaltlich tatbestandlich und rechtsfolgenseitig konkret regelt, ob sie überhaupt etwas zur Änderung eines vertraglich vereinbarten Erdgas- Sonderpreises regelt oder sich etwaig nur zur Änderung ganz anderer Preise verhält, die überhaupt nicht vertragsgegenständlich sind (z.B. Benzinpreis an der Tankstelle/ Preis für Gewürzgurken/ allgemeine Preise der Grundversorgung usw usf.).

 

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