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Autor Thema: LG Erfurt, Urt. v. 05.10.2009 - 8 O 1721/08 Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel (RdE 09, S. 384)  (Gelesen 2869 mal)

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LG Erfurt, Urteil v. 05.10.2009 - 8 O 1721/08 = BeckRS 2009, 89003 = RdE 2009, 384

Die Verbraucherzentrale Thüringen e.V. hatte die in Erfurt ansässige  E.ON Thüringer Energie AG im Verbandsprozess wegen folgender Klausel auf Unterlassung in Anspruch genommen:

Zitat
Ziffer 6 „Preisberechnung und Preisanpassung“ der Allgemeinen Gaslieferbedingungen zum Vertrag ...maxivat wie zum Vertrag ...duravat und zum Vertrag ...proficom (jeweils Stand 01.05. 2007) lautet auszugsweise:

Für den Fall einer Preisanpassung gilt § 5 Abs. 2 GasGVV entsprechend. Dies bedeutet, dass die jeweilige Preisanpassung mit einer Ankündigungsfrist von sechs Wochen im Voraus dem Kunden mitgeteilt und dass sie dann am jeweils angegebenen Monatsbeginn wirksam wird. Unabhängig von der vereinbarten Laufzeit steht dem Kunden im Fall einer Preisanpassung das Recht zu, den Vertrag mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats in Textform zu kündigen. Nach fruchtlosem Ablauf der vorgenannten Sonderkündigungsfrist gilt die mitgeteilte Preisanpassung als vereinbart.

Das Landgericht Erfurt hat die Klage abgewiesen, weil es die Klausel für mit dem gesetzlichen Preisänderungsrecht in der Grundversorgung inhaltsgleich erachtet (BGH VIII ZR 225/07).


Die Klausel ist indes in mehrfacher Hinsicht nicht inhaltsgleich.

Der BGH hat herausgestellt, dass es dem grundversorgten Kunden frei stehe, den Vertrag zu kündigen oder die geänderten Preise gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren zu lassen.

Eben eine solche Alternative besteht nach der beanstandeten Klausel indes nicht, als diese vorsieht, dass im Falle einer Nichtausübung eines Sonderkündigungsrechts durch den Kunden der einseitig geänderte Preis als vereinbart gelte. Damit wird von der gesetzlichen Regelung abgewichen.


Zitat
BGH Urt. v. 15.07.09 VIII ZR 56/08 Tz. 36

Im Gesamtzusammenhang gewährleisten die Vorschriften damit, dass dem Grundversorgungskunden im Falle einer Preisänderung zwei Alternativen offen stehen. Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Preisänderung gemäß § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen. Oder er kann sich spätestens gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der Preisänderung vom Vertrag lösen und den Anbieter wechseln.


Daraus folgt, dass den Haushaltssonderkunden im Zusammenhang mit einer entsprechend den Regelungen der Gasgrundversorgungsverordnung gestalteten Preisanpassungsregelung ein § 20 Abs. 1 Satz 1 GasGVV entsprechendes Kündigungsrecht eingeräumt werden muss, um eine sachliche Gleichbehandlung von Grundversorgungskunden und Haushaltssonderkunden in jeder Hinsicht zu gewährleisten. Das ist Vor-aussetzung dafür, dass eine derartige Preisanpassungsregelung in einem Haushaltssonderkundenvertrag einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB standhält.

Dies wurde vom LG Erfurt wohl verkannt.

Ebenso wurde wohl verkannt, dass der grundversorgte Kunde wegen der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit aus der Verpflichtung des Grundversorgers zur Anpassung zu Gunsten der Kunden bei rückläufigen Kosten einen Anspruch auf eine solche - dem Kunden günstige - Anpassung hat und das eben ein solcher Anspruch durch die AGB- Klausel ebenfalls ausgeschlossen ist.

Die Klausel wurde im wahrsten Sinne für den Versorger konditioniert:

Da die Klausel beginnt mit den schönen Worten \"Für den Fall einer Preisanpassung gilt § 5 Abs. 2 GasGVV entsprechend[/I].\" ergibt sich auch, dass der Versorger entscheidet, ob überhaupt eine Preisanpassung erfolgt und ob somit überhaupt ein Fall vorliegt, in welchem § 5 Abs. 2 GasGVV entsprechende Anwendung findet. Anders in der Grundversorgung, wo § 5 Abs. 2 GasGVV jederzeit gilt und deshalb gerade auch eine Verpflichtung zur Preisabsenkung zu Gunsten der Kunden besteht, wenn rückläufige Kosten des Verorgers dies entsprechend der Billigkeit gebieten.

Zitat
BGH , Urt. v. 28.10.09 VIII ZR 320/07 Tz. 29

Denn aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28 m.w.N.).

Im Zweifel tritt bei fallenden Kosten der Fall einer Preisanpassung nach dem Willen des Versorgers und dessen Aktionären erst gar nicht ein, wie man sich wohl denken kann.

Die Marge zu Lasten der Kunden durch unvollständige Weitergabe von Kostensenkungen zu erhöhen, hat wohl immerhin Methode. Den Kunden gegenüber wird dabei  zB.  kommuniziert, es werde Preisstabilität bis zum Jahresende garantiert.... Fein. Der durchschnittliche Verbraucher kommt nicht gleich dahinter, was ihm damit womöglich eigentlich garantiert wird.

Das Thüringer OLG Jena hat im Berufungsurteil vom 08.07.2010 Az. 1 U 869/09 das Urteil des LG Erfurt abgeändert und der Klage der Verbraucherzentrale stattgegeben, die Revision nicht zugelassen.

 

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