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BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 327/07 und VIII ZR 6/08 EWE Sondertarif
RR-E-ft:
--- Zitat ---Verhandlungstermin: 17. März 2010
VIII ZR 327/07
AG Oldenburg - Urteil vom 16. November 2006 - E1 C 1078/06
LG Oldenburg - Urteil vom 29. November 2007 – 9 S 770/06
und
VIII ZR 6/08
AG Oldenburg - Urteil vom 19. Dezember 2005 – E7 C 7289/05
LG Oldenburg - Urteil vom 29. November 2007 – 9 S 59/06
(veröffentlicht in RdE 2008, 63)
In den beiden Verfahren mit weitgehend gleich gelagertem Sachverhalt streiten die Parteien um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen. Die Kläger wurden als Endverbraucher von einem nordwestdeutschen Energieversorgungsunternehmen zum Sondertarif S I leitungsgebunden mit Erdgas beliefert. In diesem Tarif erhöhte das beklagte Versorgungsunternehmen den Arbeitspreis zum 1. September 2004 von 3,00 Cent/kWh auf 3,40 Cent/kWh, zum 1. August 2005 auf 3,88 Cent/kWh und zum 1. Februar 2006 auf 4,26 Cent/kWh (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer).
Die Kläger haben beantragt festzustellen, dass die genannten Tariferhöhungen ihnen gegenüber unwirksam sind. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die dagegen gerichteten Berufungen der Kläger zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Die von der Beklagten festgesetzten Gaspreise unterlägen in Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Ein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB hätten die Parteien der Beklagten zwar nicht ausdrücklich eingeräumt, gleichwohl ergebe sich dieses aus der Preisanpassungsregelung des § 4 AVBGasV, die auf das Lieferverhältnis der Parteien Anwendung finde. Zwar handele es sich bei den Klägern nicht um allgemeine Tarifkunden, denn sie hätten mit der Beklagten den Sondertarif S I abgeschlossen. Die Kläger würden aber im Rahmen dieses Tarifs auf der Grundlage der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht versorgt. Die nur formale Bezeichnung als Sondertarif S I könne nicht zu einer abweichenden rechtlichen Einordnung führen. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 315 Abs. 3 BGB sei anerkannt, dass jedenfalls die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an die Tarifkunden im Grundsatz der Billigkeit entspreche. Vorliegend habe die Beklagte die Bezugskostensteigerungen, die den umstrittenen Preiserhöhungen zu Grunde lagen, nachgewiesen.
Mit ihren vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
*Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV; gültig bis 7. November 2006)
§ 1 Gegenstand der Verordnung
(1) Die allgemeinen Bedingungen, zu denen Gasversorgungsunternehmen nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu allgemeinen Tarifpreisen zu versorgen haben, sind in den §§ 2 bis 34 dieser Verordnung geregelt. Sie sind Bestandteil des Versorgungsvertrages.
(2) Kunde im Sinne dieser Verordnung ist der Tarifkunde.
…
§ 4 Art der Versorgung
(1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Der Brennwert mit der sich aus den Erzeugungs- oder Bezugsverhältnissen des Unternehmens ergebenden Schwankungsbreite sowie der für die Versorgung des Kunden maßgebende Ruhedruck des Gases bestimmen sich nach den allgemeinen Tarifen.
(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.
--- Ende Zitat ---
Dass in der Pressemitteilung des BGH § 1 AVBGasV zitiert wird, lässt möglicherweise erahnen, dass es sich um einen Sondervertrag handelt und deshalb Preiserhöhungen nicht unmittelbar auf § 4 AVBGasV gestützt werden können, eine Einbeziehung entsprechender AGB wohl weder vorgetragen noch nachgewiesen war. Immerhin scheinen dem Senat aus dem Parallelverfahren die Bedingungen der Sondervereinbarung Erdgas der EWE bekannt zu sein. In diesen hieß es bereits 1996 ausdrücklich, dass diese Erdgassonderpreise keine Allgemeinen Tarife im Sinne des Energiewirtschaftsgesetztes sind, womit sich das Untermnehmen eindeutig festgelegt hatte, schon wegen der geringeren Konzessionsabagben gem. § 2 Abs. 3 Ziff. 2 KAV.
Wurden die Bedingungen der AVBGasV nicht etwa im Wege von AGB in den Vertrag einbezogen, dürfte sich die Entscheidung des LG Oldenburg wohl als rechtsfehlerhaft erweisen, ohne dass es noch auf die Frage der Billigkeit ankommen kann.
RR-E-ft:
Zum Terminsbericht
RR-E-ft:
Verkündungstermin: 16. Juni 2010 = verlegt auf 14. Juli 2010
Verhandlungstermin: 17. März 2010
Anscheinend gibt es im Senat doch größeren Beratungsbedarf. Als zuletzt Entscheidungen deshalb auf die lange Bank geschoben wurden, erwies es sich als für die Verbraucher vorteilhaft.
RR-E-ft:
BGH PM Nr. 146/2010 zu VIII ZR 327/07 und VIII ZR 6/08
Nr. 146/2010
Kein gesetzliches Preisänderungsrecht eines Gasversorgungsunternehmens bei Belieferung von Sonderkunden
Der Bundesgerichtshof hat heute zwei Urteile aufgehoben, mit denen die Klagen von Gaskunden gegen Gaspreiserhöhungen abgewiesen worden waren.
Die Kläger der beiden Verfahren mit weitgehend gleich gelagertem Sachverhalt wurden als Endverbraucher von der Beklagten, einem nordwestdeutschen Energieversorgungsunternehmen, zum \"Sondertarif S I\" leitungsgebunden mit Erdgas beliefert. In diesem Tarif erhöhte das Versorgungsunternehmen den Arbeitspreis zum 1. September 2004 von 3,00 Cent/kWh auf 3,40 Cent/kWh, zum 1. August 2005 auf 3,88 Cent/kWh und zum 1. Februar 2006 auf 4,26 Cent/kWh (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer). Die Kunden haben beantragt festzustellen, dass die genannten Tariferhöhungen ihnen gegenüber unwirksam sind. Das Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufungen der Kunden zurückgewiesen.
Die dagegen gerichteten Revisionen der Kunden hatten Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Versorgungsunternehmen - entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung - nicht unmittelbar aufgrund des gesetzlichen Preisänderungsrechts gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV* zur Preisänderung befugt war, weil es sich bei den Kunden nicht um Tarifkunden (§ 1 Abs. 2 AVBGasV*), sondern um Sonderkunden handelt. Dies hat auch das Versorgungsunternehmen inzwischen klar gestellt, nachdem es zunächst angenommen hatte, es handele sich um Tarifkunden. Für die Wirksamkeit der Preiserhöhungen kommt es deshalb darauf an, ob das Unternehmen sich wirksam vertraglich ein Preisänderungsrecht vorbehalten hat. Dazu hat das Landgericht keine rechtsfehlerfreien Feststellungen getroffen.
Die Verfahren sind an das Landgericht zurückverwiesen worden, damit die erforderlichen Feststellungen zum wirksamen Vorbehalt eines vertraglichen Preisänderungsrechts nachgeholt werden können. Sollte ein vertraglich vorbehaltenes einseitiges Preisbestimmungsrecht des Versorgungsunternehmens bestehen, muss eine Billigkeitskontrolle (§ 315 Abs. 3 BGB) der beanstandeten Preiserhöhungen erfolgen.
*Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV; gültig bis 7. November 2006)
§ 1 Gegenstand der Verordnung
(1) Die allgemeinen Bedingungen, zu denen Gasversorgungsunter-nehmen nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu allgemeinen Tarifpreisen zu versorgen haben, sind in den §§ 2 bis 34 dieser Verordnung geregelt. Sie sind Bestandteil des Versorgungsvertrages.
(2) Kunde im Sinne dieser Verordnung ist der Tarifkunde.
…
§ 4 Art der Versorgung
(1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. Der Brennwert mit der sich aus den Erzeugungs- oder Bezugsverhältnissen des Unternehmens ergebenden Schwankungsbreite sowie der für die Versorgung des Kunden maßgebende Ruhedruck des Gases bestimmen sich nach den allgemeinen Tarifen.
(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.
…
Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 327/07
AG Oldenburg - Urteil vom 16. November 2006 - E1 C 1078/06
LG Oldenburg - Urteil vom 29. November 2007 – 9 S 770/06
und
Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 6/08
AG Oldenburg - Urteil vom 19. Dezember 2005 – E7 C 7289/05
LG Oldenburg - Urteil vom 29. November 2007 – 9 S 59/06
(veröffentlicht in RdE 2008, 63)
Karlsruhe, den 14. Juli 2010
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
RR-E-ft:
Der BGH hat die zugunsten der EWE ausgegangenen Entscheidungen des LG Oldenburg aufgehoben und die Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Nach der Zurückverweisung an das LG Oldenburg kommt es dort zunächst darauf an, ob in die betroffenen Vertragsverhältnisse überhaupt gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB eine Preisänderungsklausel wirksam einbezogen wurde.
Kann eine solche wirksame Einbeziehung dabei nicht festgestellt werden, kommt es auf die Billigkeit nicht erst an. Es käme in diesem Fall nach der PM Nr. 145/2010 des BGH vom 14.07.2010 noch nicht einmal darauf an, ob den einzelnen Preisänderungen/ Jahresverbrauchsabrechnungen widersprochen worden war oder Zahlungen unter Vorbehalt erfolgten.
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