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Autor Thema: Strompreise sind keine Marktpreise !!  (Gelesen 3298 mal)

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Offline RR-E-ft

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Strompreise sind keine Marktpreise !!
« am: 24. August 2005, 13:11:32 »
Strompreise sind keine Marktpreise


Entgegen dem vom bestehenden Oligopol selbst kreierten Dogma sind Strompreise keine Marktpreise:

Das neue Energiewirtschaftsgesetz schreibt in § 2 Abs. 1 ausdrücklich die Verpflichtung zu einer preisgünstigen Versorgung vor.

Zum Kriterium der Preiswürdigkeit hat die BGH- Rechtsprechung in BGH NJW-RR 1992, 183, 186 eindeutige Kriterien herausgearbeitet.

Die BTOElt ist weiter in Kraft. Gem. § 12 BTOElt haben sich die Strompreise an der Kosten- und Erlöslage des EVU bei energiewirtschaftlich-rationeller Betriebsführung zu orientieren.

Über die Kostenlagen schweigt man sich aus. Auf diese will man ganz bewusst nicht mehr abstellen. Die Erlöslagen sind hinlänglich bekannt. Es ist deshalb schon im Ansatz nicht nachvollziehbar, was nach den gesetzlich eindeutigen Kriterien, die weiter zwingendes Recht sind, die derzeitigen Strompreise erfordern könnte.

Strompreise sind deshalb weiterhin eindeutig Kostenpreise. Denn nur über Kostenpreise ist das Kriterium der Preiswürdigkeit bei nicht bestehendem oder nur rudimentär ausgeprägtem Wettbewerb überhaupt zu erfüllen. Die EVU stehen weiter unter einem gesetzlichen Kontrahierungszwang. Dieser droht durch das Fordern prohibitiv hoher Strompreise vollkommen ausgehöhlt, ja in sein Gegenteil verkehrt zu werden.  

Die altbekannte Rechtsprechung ist deshalb keinesfalls überkommen.

Prof. Schwintowski hatte in BB 1996, 1673, 1676 bereits herausgearbeitet, dass auch Vorlieferantenpreise sich an diesem Kriterium messen lassen müssen, weil die Endverbraucher- EVU anders ihren gesetzlichen Auftrag nicht erfüllen können.

Wo jedoch jeder meint, er könne jedwede Kosten beim Stromkunden abladen, hat schon niemand Interesse daran, sich einen günstigeren Vorlieferanten zu suchen. Oft mag die Suche auch wegen mittelbarer Preisabsprachen wie dem Verweis auf die EEX- Preise scheitern.

Jedoch wäre auch noch nicht bekannt geworden, dass sich jemand wegen dieser Praktiken beim Bundeskartellamt beschwert hätte.

Die Konzerne verknappen künstlich das Angebot - eine typische Monopolstrategie, um die Preise nach oben zu treiben, und behaupten sogar, die Politik habe sie mit der Liberalisierung zu einer entsprechenden Verknappung des Angebotes aufgefordert.

Dem Stromkunden steht kein wirksamer Wettbewerb zur Verfügung.

Durch prohibitiv hohe Netznutzungsentgelte wird ein solcher vielmehr verhindert.

Die Netznutzungsentgelte als entscheidender Strompreisbestandteil ob beim etablierten Versorger oder dessen Wettbewerber (diskriminierungsfreier Netzzugang) bilden sich als klassische Monopolpreise unter Kontrahierungszwang und schon keinesfalls in einem Wettbewerb.

Wo es schon keinen Wettbewerb gibt, können sich auch keine wirksamen Marktpreise herausbilden.

Die EEX ist keinerlei Maßstab, weil dort nur geringe, verknappte Mengen gehandelt werden.


Das Oligopol kann dort selbst entscheidend über das möglicherweise geplante Zusammentreffen von verknapptem Angebot und größerer Nachfrage den Marktpreis bestimmen.

Immerhin verfügt man über 80 Prozent der gesamten Erzeugungskapazität.

Wenn man sich dabei als Anbieter/ Nachfrager abwechseln würde, wäre der in Bezug auf die einzelnen Transaktionen für den jeweiligen Nachfrager nachteilige/ für den jeweiligen Anbieter vorteilhafte Handel an der Börse für alle ausgeglichen und zudem für alle Beteiligten vorteilhaft, wenn man nur alle anderen Marktteilnehmer auf dem deutschen Elektrizitätsmarkt  davon überzeugt, dass sich die Strompreise als Marktpreise an der EEX herausbilden.

Die entsprechenden übereinstimmenden Aussagen von VDEW, E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW wären dabei nur Teil der Strategie, welche diese selbst bestätigen.

Allein diese übereinstimmenden Aussagen weisen dann bereits auf ein möglicherweise bestehendes Kartell hin.    

Im Übrigen werden die entscheidenden Strommengen zur Belieferung der REVU und Stadtwerke nicht an der EEX gehandelt, treffen dort nicht aufeinander. Vielmehr erfolgen diese Stromlieferungen aufgrund langfristiger Lieferverträge.

Die wie oben dargestellt potentiell manipulierbaren Börsenpreise werden vom Oligopol selbst als Maßstab für alle anderen Strompreisangebote an Großkunden gewählt. Mithin könnte es sich dabei wiederum um eine Preisabsprache marktbeherrschender Unternehmen handeln, die einer kartellrechtlichen Prüfung bedarf.

Immerhin tritt man der Marktgegenseite, den Kunden, ohne sachlich gerechtfertigten Grund nur mit Preisangeboten gegenüber, die sich an der EEX orientieren.

Was bei der Gaspreisbildung als sog. Ölpreisbindung scharf kritisiert wird, soll bei den Strompreisen fortgesetzt werden: „anlegbarer“ Preis an die EEX- Notierungen.

Wollte man etwa von einer Marktpreisbildung an der EEX sprechen, müssten alle Erzeuger und Stromhändler gesetzlich verpflichtet werden, die gesamten Strommengen ausschließlich an der EEX zu handeln.

Stromlieferungen von Erzeugern an Vertriebsgesellschaften des eigenen Konzerns außerhalb der Börse dürften nicht mehr erfolgen.

Erst dann würden entsprechend große Strommengen an der Börse gehandelt, die es allenfalls rechtfertigen könnten, von einer Marktpreisbildung zu sprechen.

Es steht zu erwarten, dass dann die Preise ein ganz anderes Niveau zeichnen werden.

Der Wahrheitsgehalt von Aussagen wird nicht davon bestimmt, dass man sie gebetsmühlenartig wiederholt:

„Strompreise sind Marktpreise. Der Wettbewerb auf dem Strommarkt funktioniert. Strompreise beeinflussen die Kosten der Unternehmen, deren Wettbewerbssituation und die Beschäftigungssituation wie auch die Erzeugerpreise nur wenig.“

Man mag es nicht mehr hören. Ebenso, dass die Preiserhöhungen des letzten Herbstes bzw. vom Jahresanfang mit der derzeitigen Trockenheit in Südwesteuropa und der Wasserknappheit in Nordeuropa zu tun haben.

Nächstens sind Strompreise eigentlich nur Wetterderivate. Bei Hitze hohe Strompreise wegen der Nachfrage für Klimaanlagen, im Winter hohe Strompreise wegen hoher Nachfrage nach Heizstrom....

Trotzdem der Braunkohlepreis seit 2000 stabil ist, Kohle durch die eigenen Konzerntöchter gefördert wird, Atomstrom sich nicht verteuert hat, Öl und Erdgas nur einen geringen Anteil am Strom- Mix haben, die Ölpreisbindung in Frage steht, werden Stromkunden mit Belehrungen über die gestiegene Energienachfrage in China und Indien traktiert, obschon man dorthin auch keine nennenswerten Strommengen exportiert.

Die offensichtlich dabei zu Tage tretende Fabulierlust der Protagonisten gemahnt an einen Karl Mey.

Entscheidend ist jetzt, die bestehende Strompreisaufsicht nach der BTOElt effektiv umzusetzen, ohne sich weiter mit oberflächlichen K- Bögen zu begnügen. Es bedarf vielmehr einer gründlichen Tiefenprüfung, weshalb es zu den stetig drastisch steigenden Gewinnen kommen kann, wenn doch nur Kosten abzudecken sind, die Gewinne aus Gründen des Allgemeinwohls sich nach wie vor auf ein erforderliches Maß zu beschränken haben.

Möglicherweise bedarf es eines nochmaligen Nachdenkens, ob die staatliche Strompreisaufsicht anstatt zum Auslaufmodell deklariert zu werden, nicht einer Renaissance mit geschärftem Instrumentarium bedarf.

Wenn Strompreise tatsächlich Marktpreise wären, dann hingen die Strompreise davon ab, was die Verbraucher zu zahlen gern bereit sind.

Eine solche Situation ist nicht in Sicht.


Vgl. auch hier:

http://www.rbi-aktuell.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=29&idart=1682


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
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Strompreise sind keine Marktpreise !!
« Antwort #1 am: 24. August 2005, 15:53:52 »
Interessant sind die Preise in GB:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=10839

Auf deren 1998er Preise bei 11,70 Cent würde man in Deutschland drauflegen:

Konzessionsabgabe  1,32  Cent (seit 1998 stabil)
KWK- Gesetz           0,336 Cent
EEG                        0,61   Cent
Stromsteuer            2,05   Cent (seit 2003 stabil)

und käme dann auf 16,01 Cent.

Beachtlich, dass der Strompreis in GB im letzten Jahr sank.

Woraus die Preiserhöhung in Deutschland binnen Jahresfrist um 1,3 Cent resultieren soll, weiß kein Mensch. Es sei denn, man wirft einen Blick in die Konzernkassen.

Der VDEW begründet die Preiserhöhungen damit, dass Deutschland keine Insel sei.

Mit dem Blick nach GB wird deutlich, warum man wiederholt so eindringlich darauf hinweist.

Vgl. auch hier:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=10833

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=10835


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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