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BGH, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08 Unwirksame Gaspreiserhöhungen (Stadtwerke Essen)
RR-E-ft:
Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung dürften in zweierlei Hinsicht nicht vorliegen.
Zum einen, weil die Vertragsdurchführung aufgrund des bestehenden Rechts zur ordnungsgemäßen Kündigung für den Versorger regelmäßig schon nicht unzumutbar ist.
Zum anderen, weil nicht ersichtlich ist, mit welcher Regelung die Parteien die Lücke nach hypothetischen Parteiwillen geschlossen hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit und in deren Folge die Vertragslücke bekannt gewesen wäre, so dass es bereits an einer in bestimmte Richtung weisenden Grundsatzentscheidung der Parteien zur interessengerechten Schließung der Vertragslücke fehlt
Es ist schon fraglich, ob überhaupt von einer Vertragslücke gesprochen werden kann (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.08 - 2 HK O 95/08] Der Vertrag ist auch ohne Preisänderungsklausel vollständig.
RR-E-ft:
Wie erwartet, war die Revision erfolgreich.
RR-E-ft:
Urteilstext veröffentlicht
Nichts Neues.
Interessant ist Randnummer 29
Der Versorger meinte, es müsse zu einer ergänzenden Vertragsauslegung kommen, weil er sonst mit Rückforderungsansprüchen anderer Kunden konfronitiert werden könnte, die ihn in seiner Existenz bedrohen könnten.
--- Zitat ---Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, es sei mit Rückforderungsansprüchen von Sonderkunden der Beklagten in erheblicher Höhe zu rechnen, die zu einer Existenzbedrohung für die Beklagte führen könnten, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen nicht auf, obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem das Landgericht die Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat.
Es kann deshalb offen bleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleich lautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Individualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zulasten des Verwenders zu begründen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37).
--- Ende Zitat ---
Der Klauselverwender müsste zunächst vortragen, dass alle betroffenen Kunden, auch jene keinen Widerspruch eingelegt hatten und keinen Vorbehalt erklärt hatten, in unverjährter Zeit deshalb einen Rückforderungsanspruch haben und die daraus resultierende Rückforderungssumme ebenso beziffern wie auch die Höhe seiner wegen dieses Risikos bereits gebildeten Rücklagen benennen und nachweisen, dass kein Versicherungsschutz für entsprechende Risiken besteht, seine Aktionäre/ Gesellschafter nicht zu einem entsprechenden Nachschuss in der Lage sind.
Existenzgefährdung ist leicht behauptet, aber nur schwer nachzuweisen.
Dagegen spricht schon, dass der BGH seit dem 29.04.2008 (KZR 2/07) in Folge mehrere Entscheidungen getroffen hat, wonach die Preisänderungsklauseln in Erdgas- Sonderverträgen unwirksam waren und noch in keinem einzigen Fall deshalb eine Existenzgefährdung eingetreten ist. Selbst betroffene Aktiengesellschaften haben noch keine entsprechenden ad hoc- Meldungen publiziert.
Der Versorger kann natürlich nicht das wirtschaftliche Risiko rechtsunwirksamer Preisänderungsklauseln auf seine Vertragspartner verschieben.
Hierzu gab es schon am 18.10.2009 im Zusammenhang mit dem Verfahren VIII ZR 320/07 etwas zu hören.
--- Zitat ---Auch der Prozessvertreter der swb räumte in Karlsruhe ein, dass die Klauseln nach der Rechtsprechung des BGH unwirksam seien. Er warnte jedoch vor den finanziellen Folgen, die massenhafte Rückforderungen von gezahlten Gasgebühren für die Unternehmen haben könnten. Aus diesem Grund müsse der BGH erwägen, Rückforderungen von Kunden trotz der Unwirksamkeit der Erhöhungsklauseln auszuschließen.
Der Vorsitzende des 8. Zivilsenats des BGH, Wolfgang Ball, äußerte Zweifel an dieser Auffassung: \"Kann der Einzelne einen Nachteil davon haben, dass der Vertragspartner eine unwirksame Klausel massenhaft verwendet hat? Wir sehen das kritisch.\" Er kündigte eine Entscheidung noch für Mittwochnachmittag an.
--- Ende Zitat ---
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