Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Verjährungsbeginn der Rückforderung: Abrechnung oder Abschlagszahlungen maßgeblich?

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RR-E-ft:
Dafür, was ein Kontokorrentvereinbarung ist, schaue man ggf. noch einmal in seinen Girovertrag mit einer Bank oder einem sonstigen Kreditinstitut. Dort sind die Folgen eines unterlassenen Widerspruches innerhalb vertraglich bestimmter Frist regelmäßig explizit vertraglich geregelt. Eine solche vertragliche Abrede, die an einen unterlassenen Widerspruch innerhalb vertraglich bestimmter Frist eindeutige Rechtsfolgen knüpft, ist in Energielieferungsverträgen, jedenfalls solchen mit Haushaltskunden, wohl eher selten zu finden.


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die Abrechnung wurde einseitig vom Versorger erstellt und der Kunde hat an dieser nicht mitgewirkt. Worin dabei ein Anerkenntnis zu sehen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Ebenso ist nicht ersichtlich, was ein enstsprechendes Anerkenntnis wohl bewirken sollte.
--- Ende Zitat ---

Welchen Vorteil sollte ein Anerkenntnis überhaupt für den Kunden gebieren?

Während der Einwendungsausschluss gem. § 17 GVV den Kunden regelmäßig (nur) auf einen Rückforderungsprozess verweist, schließt ein Anerkenntnis einen Rückforderungsanspruch regelmäßig aus, so dass der Kunde gegenüber der gesetzlichen Regelung sogar schlechter gestellt wäre. Das ist gerade dann der Fall, wenn man annimmt, dass durch ein Anerkenntnis erst ein - zuvor überhaupt nicht vorhandener - Rechtsgrund geschaffen wird.

reblaus:
Ein Anerkenntnis schließt nur solche Einwendungen aus, die den Parteien zum Zeitpunkt der Abgabe bekannt waren, oder mit deren Vorliegen sie rechneten. § 17 GasGVV zählt die Einwendungen mit denen der Verbraucher bei Zahlung ausgeschlossen ist, abschließend auf. Bei allen anderen denkbaren Einwendungen ist er zur Zahlung gezwungen, so dass das Anerkenntnis nur unter diesem Vorbehalt abgegeben wird.

Das ist der einzige Grund, warum die Regelung des § 17 GasGVV überhaupt besteht. In den §§ 433 BGB finden Sie nichts vergleichbares. Der Gesetzgeber trifft keine Regelungen, um ein wenig Abwechslung in die Gesetzessystematik zu bringen.

Das Kontokorrent vereinfacht die Abrechnung von Dauerschuldverhältnissen erheblich. Der Kunde muss nicht monatlich die Zählerstände mitteilen, oder monatliche Kosten der Ablesung tragen. Der Versorger braucht dem Kunden wegen der Abschlagszahlungen keinen langlaufenden Lieferantenkredit einräumen.

Die Vereinbarung von Abschlagszahlungen, die zu vertraglich hingenommenen Überzahlungen der Kaufpreisschuld führen können, beinhaltet notwendigerweise eine Zahlung im Kontokorrent. Anderenfalls hätte der Kunde keinen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung zu hoher Vorauszahlungen.

RR-E-ft:
Ich kann Ihre Argumentation nicht nachvollziehen.

§ 17 GVV stellt lediglich einen Einwendungsausschluss für den Zahlungsprozess des Versorgers dar, gerade ohne auf ein Anerkenntnis angewiesen zu sein und verweist den Kunden mit bestimmten Einwendungen zunächst auf einen Rückforderungsprozess ohne den Rückforderungsanspruch des Kunden dabei jedoch wiederum auf solche Einwendungen zu beschränken, wegen derer der Kunde zunächst im Zahlungsprozess des Versorgers ausgeschlossen ist.

Selbst wenn der Versorger - wie behauptet - einen Anspruch auf ein Saldoanerkenntnis hätte, läge ein solches nicht vor, wenn die entsprechende Erklärung des Kunden nicht abgegeben wurde, zumal wenn er noch nicht einmal unter Fristsetzung zur Abgabe einer solchen Erklärung aufgefordert wurde. Eine Anerkenntniserklärung lässt sich nun mal nicht aus der Luft greifen. Selbst am Berg Sinai kommen Erklärungen aus einer Wolke äußerst selten vor.

Welchen Vorteil ein angebliches Anerkenntnis für Sondervertragskunden in Bezug auf bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche wegen unwirksamer einseitiger Preiserhöhungen  gebieren soll, bleibt vollkommen unerfindlich.  

Ich  verweise deshalb auch auf das mir demgegenüber durchaus  nachvollziehbare Urteil des LG Hannover vom 01.12.2009, S. 29 ff.


--- Zitat ---Die einseitigen Gaspreiserhöhungen der Beklagten sind mangels einer vertraglichen Grundlage unwirksam, unabhängig davon, ob bzw. wann die Kläger den Erhöhungen im Einzelnen widersprochen haben.

a) Zwar nimmt der Bundesgerichtshof bei Vertragsverhältnissen mit Tarifkunden eine konkludente Einigung auf erhöhte Tarife an, wenn die auf öffentlich bekannt gegebenen Preiserhöhungen basierenden Tarife in den Jahresabrechnungen unbeanstandet hingenommen werden und die Kunden weiter Gas bezogen haben, ohne in angemessener Zeit eine Prüfung der Billigkeit — gem. § 315 BGB — zu verlangen (vgl. BGHZ 172, 315; BGH NJW 2009, 502). Diese Rechtsprechung des BGH bezieht sich auf Tarifkundenverträge, bei denen ein gesetzliches einseitiges Preiserhöhungsrecht des Gasversorgers besteht, welches nur der Billigkeitskontrolle unterliegt.
 
Die Kläger dieses Verfahrens werden jedoch - wie ausgeführt - auf der Grundlage von Sonderverträgen, für die ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Beklagten nicht wirksam vereinbart wurde, mit Gas beliefert. Eine Erhöhung der Gaspreise würde daher eine vertragliche Einigung der Vertragsparteien voraussetzen. Hierfür gilt wie für andere Vertragsverhältnisse der Grundsatz, dass dem Schweigen oder der widerspruchslosen Hinnahme und sogar Begleichung von Rechnungen kein darüber hinausgehender Erklärungswille zu entnehmen ist (so ausdrücklich für Gasbezugsverträge OLG Hamm, RdE 2009 S. 261,262; dagegen OLG Frankfurt/M, RdE 2009 S. 258 ff).

Ein Verhalten der Kläger, dem ein Erklärungswille oder eine Akzeptanz der Erhöhungen zu entnehmen wäre, ist nicht ersichtlich. Die bloße Hinnahme von Lastschriften aufgrund einer Einzugsermächtigung können jedenfalls nicht als Zustimmung oder Erklärung gewertet werden (vgl. BGH NJW 2000, S. 2667), ebenso wenig wie die Entgegennahme von Jahresabrechnungen, die dem widerspruchslosen Empfang von Rechnungen entspricht, Erklärungswert besitzt. Darüber hinaus ist bei der Würdigung des Verhaltens der Kläger zu berücksichtigen, dass ihnen — vor Verkündung der o.g. Urteile des BGH vom 15.07.2009 — nicht bekannt gewesen ist, dass ein einseitiges Preiserhöhungsrecht der Beklagten — anders als von den Beklagten in ihren Erhöhungsschreiben suggeriert — schon dem Grunde nach nicht besteht. Da die Kläger von dem Fehlen des Preiserhöhungsrechts keine Kenntnis hatten, könnte auch ein etwaiges „Verhalten\" keinesfalls dahin verstanden werden, dass sie einseitige Preiserhöhungen der Beklagten trotz fehlender Berechtigung akzeptieren wollten.


b) Darüber hinaus verspräche nach Einschätzung der Kammer bei der vorliegenden Konstellation die Annahme einer konkludenten Zustimmung durch Schweigen dem Regelungsgehalt des § 308 Nr. 5 BGB.

Nach dieser Regelung dürfen (Zustimmmungs-) Erklärungen eines Verbrauchers nicht als abgegeben gelten, sofern diesem nicht zuvor eine Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt und er auf die Rechtsfolge etwaigen Schweigens hingewiesen worden ist.

Zwar findet bei Sonderverträgen der Gasversorgung gern. § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach § 308 und 309 BGB nicht statt, soweit die Versorgungs bedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV) abweichen, an deren Stelle die Grundversorgungsverordnung getreten ist (vgl. BGH, Urteil vorn 15.07.2009 - VIII ZR 56/08, Tz. 17). Eine Regelung, der zufolge das Schweigen eines Kunden auf vertraglich nicht vorgesehene Vertragsänderungen als Zustimmung gelten soll, findet sich in der AVBGasV bzw. der GasGVV nicht. Eine Geschäftsbedingung der Beklagten nach der Schweigen als Annahmeerklärung zu Vertragsänderungen zu werten wäre, würde vom Regelungsgehalt der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden AVBGasV zum Nachteil der Verbraucher abweichen und wäre daher an § 308 Nr. 5 BGB zu messen. Zwar liegt eine entsprechende Regelung nicht vor. Der Rechtsgedanke der Vorschrift ist aber - erst recht - zu berücksichtigen, wenn an das Verhalten von Verbrauchern Rechtsfolgen geknüpft werden sollen, die selbst bei einer entsprechenden Regelung nicht zulässig wären. Daher hätte es hier einer den Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB genügenden information der Kunden bedurft, wenn ihrem Schweigen Erklärungswert beigemessen werden soll.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Widerspruchserfordernis bei Tarifkunden ist auf die hier vorliegende Konstellation nicht übertragbar, da bei diesen lediglich eine auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Preiserhöhungen bezogene Kontrolle gemäß § 315 BGB zu erfolgen hat, während grundsätzlich die rechtlichen Voraussetzungen einseitiger Preiserhöhungen vorliegen. Daher bewegen sich die Versorger bei den Tarifkunden mit den einseitigen Erhöhungen im Rahmen der ihnen grundsätzlich eingeräumten Rechte.

Wenn aber - wie hier - einseitige Preiserhöhungen nicht möglich sind, sondern es zur Erhöhung einer beiderseitigen Vereinbarung bedarf, wäre die Annahme, dass das Schweigen auf vom Vertrag schlechthin nicht gedeckte Erklärungen als Annahme zu verstehen sind, eine über die AVBGasV und GasGW hinausgehende Rechtsfolge, die aus den o.g. Gründen am Regelungsgehalt des § 308 Nr. 5 BGB zu messen ist. Diesem entspräche eine solche Wertung des Schweigens nicht.
--- Ende Zitat ---

reblaus:
Die Vereinbarung von Abschlagszahlungen wird nicht mit Blick auf mögliche bereicherungsrechtliche Vorteile vorgenommen werden. Es ergibt sich durch das Anerkenntnis allerdings die Rechtsfolge, dass die Abrechnung für den Verjährungsbeginn maßgeblich ist und gegebenenfalls die Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung.

Bereits an anderer Stelle habe ich Sie gefragt, warum der Gesetzgeber beim Gasversorgungsvertrag einen Einwendungsauschluss formuliert haben soll, ein solcher bei anderen Vertragstypen aber nicht existiert. Glauben Sie, dass das Parlament damit ein wenig Abwechslung in die ansonsten als eintönig empfundene Rechtslage bringen wollte? Welcher sachliche Grund soll für diese untypische Regelung denn Ihrer Ansicht nach vorliegen, wenn die Regelung nicht wegen des Kontokorrents getroffen wurde. Genauso würde mich interessieren, warum der Gesetzgeber beim Energieliefervertrag auf die Zusendung der Abrechnung für die Fälligkeit abstellt, wohingegen beim Kauf- und Werkvertrag die Zahlung nach Erbringung der Gegenleistung fällig wird.

Soll diese Maßnahme eine Arbeitsbeschaffung für Anwälte und unterbeschäftigte Richter darstellen? Erst klagt der Versorger auf Zahlung, damit der Kunde anschließend einen Rückforderungsprozess anstrengen kann?


--- Zitat ---LG Hannover Urt. v. 1.12.2009
b) Darüber hinaus verspräche nach Einschätzung der Kammer bei der vorliegenden Konstellation die Annahme einer konkludenten Zustimmung durch Schweigen dem Regelungsgehalt des § 308 Nr. 5 BGB.

Nach dieser Regelung dürfen (Zustimmmungs-) Erklärungen eines Verbrauchers nicht als abgegeben gelten, sofern diesem nicht zuvor eine Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt und er auf die Rechtsfolge etwaigen Schweigens hingewiesen worden ist.

--- Ende Zitat ---

Bei diesem Zitat übersehen Sie, dass dem Verbraucher in § 17 GasGVV sehr wohl eine Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wird und er auf die Rechtsfolgen einer Zahlung wenn auch indirekt hingewiesen wird. Die Fälligkeit der Abrechnung tritt nämlich frühestens 14 Tage nach Zusendung ein, so dass dem Verbraucher Zeit zur Prüfung und ausdrücklichen Erklärung bleibt.

Welchen Sinn diese 14 Tagesfrist ansonsten haben sollte, müssten Sie ebenfalls erklären.

Fakt ist, der gesamte § 17 GasGVV ist für die Erfordernisse eines Kontokorrents maßgeschneidert. Jedes einzelne Wort wäre hingegen überflüssig, wenn man Ihrer Auffassung folgen würde.

RR-E-ft:
Mit Ihrer Theorie kann da irgendetwas nicht stimmen.

§ 17 GVV räumt dem Kunden keine Erklärungsfrist ein.

Der Gesetzgeber hat die zuvor bestehende  Einwendungsfrist des § 30 Nr. 2 AVBV von zwei Jahren insbesondere nicht etwa deshalb abgeschafft, um eine solche auf zwei Wochen zu verkürzen.  :rolleyes:

Die Gründe für den Einwendungsausschluss gem. § 17 GVV sind in den Gesetzmaterialien nachzulesen. Man kann auch schon zu den Vorgängerregelungen umfangreiche Gesetzesmaterialien sichten, ohne wohl an irgendeiner Stelle einen Hinweis auf ein Kontokorrentverhältnis oder einen Anspruch auf ein Saldoanerkenntnis, geschweige denn auf die konkludente Abgabe eines solchen zu finden. § 17 GVV beschränkt insbesondere keine Rückforderungsansprüche des Kunden. Für eine solche Beschränkung von Rückforderungsansprüchen besteht schon keinerlei gesetzgeberische Veranlassung.


--- Zitat ---Hartmann in: Danner/ Theobald, Energierecht- Komm., § 17 StromGVV Rn. 10:

Wie nach der Vorgängerregelung in § 30 AVBEltV darf der Kunde zunächst die Zahlung nur aufschieben oder verweigern, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers vorliegt. Das ist etwa bei eindeutigen Rechen- und Ablesefehlern, nicht aber dann der Fall, wenn vertiefte rechtliche Überlegungen über die Berechtigung der Forderung angestellt werden müssen. Diese relativ restriktive Regelung erklärt sich aus dem allgemeinen Interesse an einer möglichst kostengünstigen Versorgung. Es soll von vornherein die Gefahr vermieden werden, dass es zu einer Verzögerung des Inkassos wegen Kundeneinwänden kommt, die sich möglicherweise als unberechtigt erweisen.
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---aaO. Rn. 12

Das Geltendmachen des Zahlungsaufschubes oder der Zahlungsverweigerung ist nicht mehr an eine Zweijahresfrist geknüpft. Die entsprechende Regelung der AVBEltV ist ersatzlos weggefallen. Es gelten die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB.
--- Ende Zitat ---

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