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Autor Thema: E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover  (Gelesen 84234 mal)

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Offline Blau Bär

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E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover
« Antwort #90 am: 15. März 2012, 14:05:23 »
Hallo RR-ft!

Soweit klar. Nur für den o. g. Erdgas Classic gilt das (BGH) Urteil ja nicht. Hier wurde ja anders (keine ersatzweise Auslegung der Preisanpassungsklausel) - rechtskräftig - entschieden (s. o.).

Zu prüfen ist ggf. auch noch, wenn man in den letzten 3 Jahren auch die (widersprochenen) Preise unter ausdrücklichem Vorbehalt und dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung gezahlt hat.

E.ON beruft sich ja auch immer darauf, daß das jeweilige Urteil nur für den Einzelfall gilt, wenn es zu ihren Ungunsten ist.

Viele Grüße
Blau Bär

Offline RR-E-ft

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E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover
« Antwort #91 am: 15. März 2012, 14:19:07 »
Sie verstehen es wohl falsch.

VIII ZR 113/11 betrifft nicht eine zeitliche Beschränkung der Rückforderungsansprüche (wie sie auch das Verjährungsrecht vorgibt), sondern die Beschränkung der Ansprüche der Höhe nach, indem unter bestimmten Umständen das Berufen auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preisstand ausgeschlosen sein soll.

Auch in den Verfahren VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/10 galten sicherlich die bekannten Grundsätze, welche noch im Urteil vom 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11 Rn. 30 ff. bekträftigt wurden.

Zitat
Ein Preisanpassungsrecht der Beklagten ergibt sich weiterhin nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 38; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 27; jeweils mwN).

Dabei steht eine Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgers regelmäßig der Annahme entgegen, das Festhalten am Vertrag führe zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2008 - VIII ZR 274/06, WM 2009, 321 Rn. 26; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 51 mwN). Das ist auch hier der Fall.

Der Kläger hat bereits im Januar 2005 gegen die vorausgegangene Preiserhöhung der Beklagten zum 1. Oktober 2004 Widerspruch erhoben. Für die Beklagte bestand deshalb Anlass, eine Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Vertrages - etwa mit dem Ziel des Übergangs in ein Tarifkundenverhältnis - in Betracht zu ziehen, um auf diese Weise einer unbefriedigenden Erlössituation zu begegnen. Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber anführt, der Kläger habe sich in seinem Widerspruchsschreiben nur gegen die Billigkeit gewandt, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. September 2011 - VIII ZR 14/11, juris Rn. 7, und 25/11, juris Rn. 6, sowie vom 27. September 2011 - VIII ZR 5/11 und VIII ZR 12/11, juris Rn. 6).

Ebenso wenig dringt die Revisionserwiderung mit ihrem Einwand durch, die Beklagte habe ein solches Kündigungsrecht nicht in Betracht ziehen müssen, weil die dem Vertrag im Jahre 1979 beigefügten Preisrichtlinien ein Kündigungsrecht nicht vorgesehen hätten. Denn fehlen bei einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis Vorschriften über ein ordentliches Kündigungsrecht und haben die Parteien die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, ein solches Dauerschuldverhältnis in entsprechender Anwendung der §§ 584, 624, 723 BGB ordentlich unter Einhaltung einer Frist zu kündigen (Senatsbeschluss vom 15. September 2009 - VIII ZR 241/08, juris Rn. 6 mwN). Das ist auch hier der Fall.

Bei den am 14.03.12 verkündeten Entscheidungen waren schließlich keine anderen Richter am Start.

Offline Blau Bär

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E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover
« Antwort #92 am: 15. März 2012, 17:10:28 »
Hallo RR-E-ft!

Zu ihrem Ersten Absatz
Ja bezogen auf den zu entscheiden Fall des BGH

Zitat RR-E-ft
Zitat
...indem unter bestimmten Umständen das Berufen auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preisstand ausgeschlosen sein soll.


Diese sind nun (für mich) interessant.

Zitat s. o.
Zitat
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt...


Bei dem hier in Rede stehenden Tarif Classic (Standard Sondervertrag) hätte E.ON Avacon kündigen können (was Sie/E.ON zum Schluß auch gemacht haben).
Urteil LG Hannover 01. Dezember 2009 - Az: 18 O 52/07

Ergänzung durch Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 19. Mai 2011
Az: 13 U 6/10 (Kart)


Viele Grüße
Blau Bär

Offline RR-E-ft

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E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover
« Antwort #93 am: 15. März 2012, 23:49:30 »
Das Zitat aus der Entscheidung BGH, Urt. v. 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11 Rn. 30 ff., juris wurde ja nicht umsonst gebracht.

Der BGH hat darin noch einmal klargestellt, dass jeder Sondervertrag durch den Versorger ordnungsgemäß gekündigt werden kann,
wenn das Recht zur ordentlichen Kündigung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

Es geht nicht um die (regelmäßig bestehende) Kündigungsmöglichkeit, sondern darum, ob der Versorger Veranlassung zur Kündigung hatte.

Entscheidend ist für den Senat wohl, dass in den Fällen, in denen  der betroffene Sonderkunde nicht widersprach und die Rechnungen vorbehaltlos vollständig zahlte, der Versorger keinen Anlass hatte, den Vertrag zwischenzeitlich ordnungsgemäß zu kündigen (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 52).

Um diese Fälle geht es in den Entscheidungen vom 14.03.12.

Zitat
BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 52, juris:

Offen bleiben kann, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat (vgl. dazu auch unten unter II 1) und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen (durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Rückzahlung geleisteter Entgelte) geltend macht. Sind in einem solchen Fall die Gestehungskosten des Gasversorgungsunternehmens erheblich gestiegen und ergibt sich daraus für die betroffenen Zeiträume ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert der von dem Unternehmen zu erbringenden Leistung und dem vereinbarten Preis, lässt sich die Annahme eines nicht mehr interessengerechten Ergebnisses jedenfalls hinsichtlich der länger zurück liegenden Zeitabschnitte nicht ohne weiteres mit der Begründung verneinen, dass eine Kündigungsmöglichkeit bestand. Denn für das Versorgungsunternehmen bestand in einem solchen Fall zunächst kein Anlass, eine Kündigung des Vertrages in Erwägung zu ziehen.

Offline Christian Guhl

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E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover
« Antwort #94 am: 16. März 2012, 09:29:47 »
In dem von Blaubär angeführten Fall gab es für Eon-Avacon seit 2006 allen Grund die Verträge Classic zu kündigen. Es gab massenweise Widersprüche und mehr als 60 Kunden reichten sogar eine Klage ein. In Presseartikeln wurde von dem Energieversorger versprochen, alle Preiserhöhungen zurückzuzahlen, wenn sie sich als unwirksam erweisen. Es gab also umgekehrt keinen Grund für die Kunden zu widersprechen. Ihre Rechte sollten ja lt. Eon-Avacon auch so gewahrt werden. Zudem hat das LG Hannover in seinem Urteil ausdrücklich gesagt, dass es auf einen Widerspruch nicht ankommt. Also auch hier hatte kein Kunde einen Anlass zu widersprechen. Es wäre interessant zu erfahren, ob denn rechtskräftige Urteile (wie das des LG Hannover) durch den BGH nunmehr aufgehoben sind oder ob sich Kunden bei Rückforderungen auf die Aussage verlassen können, dass es keines Widerspruchs bedarf.

Offline RR-E-ft

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E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover
« Antwort #95 am: 16. März 2012, 09:41:23 »
Deshalb kommt es ja bei der Frage, ob die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung in concreto überhaupt vorliegen, immer auf den Einzelfall und die Würdigung der Gesamtumstände an.
Die bisher ergangenen Urteile sind bestandskräftig immer nur im Verhältnis der daran beteiligten Parteien des Verfahrens zueinander.
Parallelverfahren anderer Kunden sind darauf ohne Einfluss.

Das bedeutet auch, dass sich nicht am Verfahren beteiligte Kunde nicht darauf verlassen können, was in bereits entschiedenen Fällen anderer Kunden (rechtskräftig) ausgeurteilt wurde.

Offline userD0003

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E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover
« Antwort #96 am: 16. März 2012, 12:24:20 »
Zitat
Original von Christian Guhl
... In Presseartikeln wurde von dem Energieversorger versprochen, alle Preiserhöhungen zurückzuzahlen, wenn sie sich als unwirksam erweisen. Es gab also umgekehrt keinen Grund für die Kunden zu widersprechen. Ihre Rechte sollten ja lt. Eon-Avacon auch so gewahrt werden.
Können sich die Kunden von Eon-Avacon nach wie vor, insbesondere im Hinblick auf das Widerspruchserfordernis gemäß BGH-Urteile vom 14.03.2012, auf diese Aussage des Versorgers beziehen und geltend machen, dass es keines Widerspruchs bedurfte?

Tatsächlich hat Eon-Avacon ja auch nach 2008 z.B. für den Strom-Sondervertrag Akzent im Rahmen von Vergleichsangeboten diverse Rückzahlungen geleistet und zwar auch an die Kunden, die niemals widersprochen hatten!

Offline RR-E-ft

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E.ON Avacon verliert Prozess um Gaspreiserhöhungen vor dem LG Hannover
« Antwort #97 am: 16. März 2012, 12:36:55 »
Zitat
Original von h\'berger

Können sich die Kunden von Eon-Avacon nach wie vor, insbesondere im Hinblick auf das Widerspruchserfordernis gemäß BGH-Urteile vom 14.03.2012, auf diese Aussage des Versorgers beziehen und geltend machen, dass es keines Widerspruchs bedurfte?

Können sie.
Ob mit Erfolg, muss sich im jeweiligen Einzelfall erweisen.

Vergelichen konnte sich der Versorger mit einzelnen Kunden wohl nach Lust und Laune.
Solche Vergleiche besagen jedenfalls grundsätzlich nichts über die Ansprüche anderer Kunden.

 

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