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Autor Thema: Stadtwerke drohen 75.000 Kunden mit Vertragskündigung  (Gelesen 6458 mal)

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Offline RR-E-ft

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Stadtwerke drohen 75.000 Kunden mit Vertragskündigung
« am: 16. November 2009, 22:19:13 »
Stadtwerke drohen mit Vertragskündigung

Zitat
Viele Essener haben Angst, dass im Winter ihre Heizung nicht mehr läuft. Grund ist ein an 75 000 Gas-Kunden verschickter Brief der Stadtwerke Essen, der zur Änderung der Verträge auffordert. Wer bis zum 20. November nicht unterschreibt, riskiert die Kündigung des günstigen Tarifs.
....


Ernst gemeinte Drohung
Allerdings bestätigt Pomplun, dass die briefliche Drohung durchaus ernst gemeint ist: „Wir schreiben diejenigen, die nicht unterschreiben, noch einmal an, am Ende müssen wir aber den Vertrag kündigen.” Gas werde dann weiterhin geliefert, aber nicht mehr zum günstigen „Klaro”-Tarif, sondern zum deutlich höheren Grundversorgungstarif. „Man muss uns verstehen: Wir sind rechtlich dazu gezwungen, weil wir sonst künftig ohne Änderung der Geschäftsbedingungen keine Preiserhöhungen mehr vornehmen könnten”, sagt Pomplun.
Hintergrund sind die Klagen von Verbrauchern gegen mehrere Preiserhöhungen der Gaswirtschaft, auch der Stadtwerke Essen. 2007 entschied das Landgericht, die Preisanpassungsklauseln seien nicht transparent genug und daher rechtlich nicht haltbar. Wie eine rechtlich einwandfreie Klausel jedoch auszusehen habe, sei laut Stadtwerke lange Zeit unklar geblieben. Jetzt habe der Bundesgerichtshof aber die Preiserhöhungklausel des Gasgrundversorgungsvertrages als Vorbild erklärt - und dementsprechend wollten die Stadtwerke nun die Verträge von über 75 000 Kunden rechtlich einwandfrei ändern.

Unglückliche Formulierung
Mittlerweile leuchtet auch den Stadtwerken ein, dass vor allem die Formulierungen im Brief unglücklich waren. „Sie mussten rechtlich einwandfrei sein, da konnten sie nicht freundlicher und verständlicher sein”, rechtfertigt Pomplun den Stil des Schreibens. „Dass das kein Normalsterblicher versteht, war uns klar.”

Die Stadtwerke Essen gehen demnach wohl selbst davon aus, dass in den bisherigen Sonderverträgen mit 75.000 Kunden zum Sondertarif keine wirksamen Preisänderungsklauseln enthalten waren, folglich auch keine Preisänderungen darauf gestützt werden konnten (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.09 - VIII ZR 225/07).

Offline bolli

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Stadtwerke drohen 75.000 Kunden mit Vertragskündigung
« Antwort #1 am: 18. März 2010, 08:05:15 »
Da waren die Stadtwerke aber fleißig und die Kunden größtenteils willig. Allerdings scheinen die SW Essen auch tatsächlich nicht allzu teuer zu sein.

Stadtwerke verschicken 7.500 Mahnungen

Zitat
63000 von 75000 Haushaltskunden haben bislang der neuen Preisanpassungsklausel zugestimmt. In einem dritten Anlauf versuchen die Stadtwerke nun, die Kunden, die sich noch nicht zurückgemeldet haben, bei der Stange zu halten. Sie erhalten zwar eine Kündigung, die aber mit einem neuen Vertragsangebot verbunden ist. Die Kündigungsfrist wurde von einem Jahr auf vier Wochen verkürzt.
...
Von den jetzt angeschriebenen 7500 Gas-Kunden sind 2700 mit dem speziellen Klaro-Tarif und 4800 Sondervertragskunden.

Aber
Zitat
Die Begriffswahl ist verwirrend. Görgens: „Die Klaro-Kunden machen uns die Arbeit einfacher. Sie zahlen einen geringeren Preis, haben aber auch eine Einzugsermächtigung erteilt.“ Die sogenannten Sondervertragskunden sind nichts anderes als normale Tarifkunden.
Hm, ob die immer noch etwas nicht verstanden haben oder ob das  bewusste Irreführung ist ?

Offline fortunato

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Stadtwerke drohen 75.000 Kunden mit Vertragskündigung
« Antwort #2 am: 18. März 2010, 09:23:56 »
„Wer jetzt nicht reagiert, hat Nachteile“, sagt Görgens. Jeder Verbraucher habe drei Monate Zeit nach Erhalt des Kündigungsschreibens. Wer nicht antwortet und nicht zu einem anderen Gas-Lieferanten wechselt, wird anschließend noch drei Monate im Rahmen der sogenannten Ersatzversorgung versorgt.\"


Ist das rechtens ?

Offline bolli

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Stadtwerke drohen 75.000 Kunden mit Vertragskündigung
« Antwort #3 am: 18. März 2010, 12:49:35 »
Zitat
Original von fortunato
„Wer jetzt nicht reagiert, hat Nachteile“, sagt Görgens. Jeder Verbraucher habe drei Monate Zeit nach Erhalt des Kündigungsschreibens. Wer nicht antwortet und nicht zu einem anderen Gas-Lieferanten wechselt, wird anschließend noch drei Monate im Rahmen der sogenannten Ersatzversorgung versorgt.\"


Ist das rechtens ?
Ja, ist es (wenn die Kündigung wirksam ist), § 38 Abs. 2 EnWG.
Aber danach wird nicht der Gashahn zugedreht, sondern man wird im Rahmen der gesetzlichen Grundversorgung vom örtlichen Grundversorger (in Essen die SW Essen) beliefert. Die Preise in Ersatz- und Grundversorgung sind bei vielen Grundversorgern identisch.  Sie liegen jedoch fast immer über den Sondervertragspreisen. Das ist mit Herrn Görgens Aussage zu den Nachteilen gemeint.

Ob\'s hinterher auch tatsächlich so ist, wenn man den Preisen der Grundversorgung widerspricht, wird man sehen müssen.
Derzeit vertrittder VIII. Senat ja die Sockelpreistheorie, die bedeutet, dass man auch für den Fall, dass man einen Preis in der gesetzlichen Grundversorgung als unbillig rügt, den Preis zum Zeitpunkt der erstmaligen Abnahme quasi als vereinbarten Preis akzeptiert. Nur die dann folgenden Preiserhöhungen (oder zu niedrigen Preissenkungen) kann man dann anfechten.

 

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