Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Wirksame Einbeziehung von AGB?
reblaus:
@Bolli
Sie müssen unbedingt unterscheiden, zwischen einem Sachverhalt bei dem die Parteien bereits einen Vertrag abgeschlossen haben, und der Situation, dass eine Seite zwar ein Vertragsangebot vorgelegt hat, dieses von der anderen Seite aber noch nicht angenommen wurde. In diesem Fall liegt noch kein Vertrag vor.
Das deklaratorische Schuldanerkenntnis spielt ausschließlich in den Fällen eine Rolle, in denen bereits ein Vertrag vereinbart wurde, und dieser durch eine Erfüllungshandlung ergänzt werden soll (wobei hiermit nur zurückliegende Sachverhalte geregelt werden können) Ohne vorhandenen Vertrag kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis.
Im von Wusel geschilderten Sachverhalt liegt es so, dass zwischen den Parteien noch kein Vertrag vereinbart wurde. Seine Variante, dass bereits in dem Telefonat der Vertrag vereinbart wurde, und die schriftliche Bestätigung nur deklaratorischen Charakter hatte, lasse ich außen vor, weil dann ein Vertrag abgeschlossen worden wäre, an dem die Bestätigung nichts mehr ändern würde. Es wäre dann keine in der Bestätigung aufgeführte Klausel vereinbart worden, auch die unwirksame Preisanpassungsklausel nicht (soweit diese nicht bereits in dem Telefonat vereinbart worden wäre). Die Sondervertragseigenschaft würde damit auf sehr wackeligen Füßen stehen.
Wenn es sich aber so verhielt, dass der Versorger am Telefon mitteilte, dass der Vertrag erst mit Zusendung der Bestätigung zustande käme, wird das telefonische Vertragsangebot von Wusel mit dem Schreiben vom Versorger angenommen. Da in dem Bestätigungsschreiben jedoch umfangreiche Vertragsbedingungen aufgenommen wurden, ist dies nur dann als Annahme des Angebots zu werten, wenn über diese Bedingungen schon in dem Telefonat gesprochen wurde, oder Wusel aus anderen Quellen bekannt war, dass dieser Vertrag nur zu diesen besonderen Bedingungen abgeschlossen würde.
War Wusel sich bei seinem telefonischen Angebot über diese Bedingungen jedoch nicht im Klaren, ist das Bestätigungsschreiben des Versorgers nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Angebots von Wusel und als neues Angebot des Versorgers zu werten, das diesmal von Wusel angenommen oder abgelehnt werden kann. Nur wenn in dem Bestätigungsschreiben stand, dass die ergänzenden Bedingungen Vertragsbestandteil werden, und man diese auf Wunsch gerne zusende, stellt sich überhaupt die Frage ob Wusel auf die Zusendung verzichten konnte.
Wusel hat nun folgende Möglichkeiten.
1. Er will das Angebot nicht annehmen, weil er diesen Knebelvertrag unverschämt findet. Er tut nichts. Da er keinen Liefervertrag hat, entnimmt er auch kein Gas. Es kommt kein Vertrag zustande.
2. Er will das Angebot nicht annehmen, weil er diesen Knebelvertrag unverschämt findet. Er ruft beim Versorger an, und teilt ihm dies mehr oder weniger freundlich mit. Damit lehnt er das Vertragsangebot ab. Danach entnimmt er Gas. Dadurch kommt ein Grundversorgungsvertrag nach § 2 Abs. 2 GasGVV zustande.
3. Er will das Angebot nur ohne Einbeziehung der ergänzenden Bedingungen annehmen. Er teilt dies dem Versorger mit. Dadurch lehnt er das Vertragsangebot ab, und bietet einen neuen Vertragsschluss ohne diese Bedingungen an. Nimmt der Versorger dieses Angebot an, kommt ein Vertrag zu Wusels Wunschkonditionen zustande. Sagt und tut der Versorger nichts, kommt kein Vertrag zustande. Entnimmt Wusel Gas ohne dass der Wunschvertrag zustande gekommen ist, kommt ein Grundversorgungsvertrag zustande.
4. Wusel will das Angebot des Versorgers annehmen und teilt dies fernmündlich oder schriftlich mit. Das Angebot des Versorgers, die ergänzenden Bedingungen vor Vertragsschluss zuzusenden, schlägt er in diesem Moment aus. Der Vertrag kommt einschließlich der ergänzenden Bedingungen zustande.
5. Wusel weiß nicht was er jetzt tun soll, da es kalt ist, muss er aber heizen und entnimmt erstmal Gas, obwohl nach seiner Ansicht noch kein Vertrag geschlossen wurde, der ihn dazu berechtigen würde. Der Versorger darf dies dahingehend verstehen, dass Wusel das ihm bekannte schriftliche Angebot wahrnehmen will, weil er nur mit einem Liefervertrag berechtigt ist, Gas zu entnehmen. Da ihm auch das Angebot die ergänzenden Bestimmungen zuzusenden bekannt ist, Wusel dieses Angebot aber nicht wahrgenommen hat, darf der Versorger dies dahingehend verstehen, dass Wusel auf die Zusendung verzichtet. Dass Wusel noch völlig unschlüssig war, wie er mit dem Vertragsangebot umgehen solle, spielt keine Rolle, da eine Erklärung immer so zu verstehen ist, wie sie beim Erklärungsempfänger ankommt. Kommt eine Erklärung anders an, als der Erklärende sie abgeben wollte, muss der Erklärende die Erklärung anfechten.
@ Wusel
Zu Ihrer neuesten Variante, dass möglicherweise bereits Gas entnommen wurde, bevor das Bestätigungsschreiben bei Ihnen ankam.
Das ändert nichts an der Situation, wenn der Vertrag bereits mit dem Telefonat zustande kam, dann hatten Sie einen Liefervertrag und durften zu diesen Konditionen Gas entnehmen.
Wenn der Vertrag in dem Telefonat noch nicht zustande kam, haben Sie mit der Gasentnahme einen Grundversorgungsvertrag abgeschlossen. Die Frage ist hier, ob dem Versorger jemals bekannt war, dass Sie vor Abschluss des Sondervertrages bereits Gas entnommen haben. War es ihm nicht bekannt, weil zu dem Zeitpunkt nicht abgelesen wurde und Sie nie etwas erwähnt haben, ist ihm die in der vorvertraglichen Gasentnahme liegende Willenserklärung nie zugegangen. Er durfte daher ihre spätere Gasentnahme als Annahme seines Angebots werten. Wenn Sie lieber in der Grundversorgung beliefert worden wären, hätten Sie diese Erklärung anfechten müssen, nachdem Sie z. B. durch die Abrechnung erfahren haben, dass Ihre Gasentnahme in einer Weise ausgelegt wurde, die nicht Ihrem tatsächlichen Willen entsprochen hat.
Was ich bei Ihnen nicht ganz verstehe, ist die Furcht die Ihnen die Einbeziehung der AVBGasV einflößt. Wenn Sie in dem Sonderabkommen eine eigenständige Preisänderungsklausel vereinbart haben, verdrängt diese das in der AVBGasV enthaltene Preisänderungsrecht. Dieses ist dann in keinem Fall Vertragsbestandteil geworden. In Ihrem Fall ist daher nur zu prüfen, ob die Sondervertragspreisanpassungsklausel wirksam oder unwirksam ist.
Wusel:
--- Zitat ---Original von reblaus
Was ich bei Ihnen nicht ganz verstehe, ist die Furcht die Ihnen die Einbeziehung der AVBGasV einflößt.
--- Ende Zitat ---
Der Grund dafür liegt u. a. in dem aktuellen Urteil des OLG Frankfurt vom 13.10.2009.
Denn in dem Urteil (in dem es eigentlich um die wirksame Einbindung der AGB ging) wird unter anderem das Preisänderungsrecht gemäß AvbGasV in einem Sondervertrag (mit wirksam einbezogener AvbGasV) eindeutig bejaht, weil die Preisänderungsklausel \"Preisänderungen... werden nach öffentlicher Bekanntgabe in der Presse wirksam\" keine Preisänderungsklausel im eigentlichen Sinne war, sondern lediglich die Art der Veröffentlichung regelt. Damit gilt das Preisänderungsrecht gemäß AvbGasV. Das sagt jedenfalls das OLG Frankfurt im o. g. Urteil im Punkt 48.
Habe ich das soweit richtig verstanden?
In meinem Fall habe ich eine sehr ähnliche Klausel \"...der Versorger ist berechtigt, die Preise nach öffentlicher Bekanntgabe in der örtlichen Presse zu ändern...\" (den exakten Wortlaut hab ich im Moment nicht im Kopf), ohne Nennung von Art/Weise/Voraussetzungen etwaiger Preisänderungen. Mit den gleichen negativen Folgen wie in obiger OLG-Entscheidung, also ein möglicherweise wirksames Preisänderungsrecht gemäß AvbGasV trotz Sondervertrag.
Die alles entscheidende Frage dürfte dabei sein:
Ist diese Klausel wirklich eine Preisänderungsklausel ? --> dann gilt diese bzw. ist ungültig und es gibt überhaupt keine Berechtigung zur Preisänderung
oder
Handelt es sich um eine Klausel, die leidglich die Art und Weise der Veröffentlichung regelt (ich befürchte es)? --> dann gilt die Preisänderungsberechtigung gemäß AvbGasV (sofern wirksam vereinbart, deswegen meine diesbezüglichen Nachfragen)
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von Wusel
In meinem Fall habe ich eine sehr ähnliche Klausel \"...der Versorger ist berechtigt, die Preise nach öffentlicher Bekanntgabe in der örtlichen Presse zu ändern...\" (den exakten Wortlaut hab ich im Moment nicht im Kopf), ohne Nennung von Art/Weise/Voraussetzungen etwaiger Preisänderungen.
--- Ende Zitat ---
Auf den exakten Wortlaut der Klausel kommt es schon an.
Die Klausel - wenn sie denn überhaupt so lautet - regelt wohl, dass der Versorger berechtigt, jedoch nicht verpflichtet ist, die Preise zu ändern, was gem. § 307 BGB die Unwirksamkeit der Klausel und darauf gestützter einseitiger Preisänderungen zur Folge hätte (BGH KZR 2/07, VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07).
Ärgerlich, dass hier mehrere Threads zum Thema wirksame Einbeziehung von AGB nebeneinander wuseln.
reblaus:
@Wusel
Wenn in der Klausel wirklich drin steht \"ist berechtigt\" oder auch \"kann die Preise erhöhen\" dann ist diese Formulierung der Todesstoß für diese Klausel. Wie RR-E-ft bereits deutlich gemacht hat, ist eine solche Klausel nach höchstrichterlicher zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung unwirksam, da sie dem Versorger erlaubt, die Preise zu erhöhen wenn seine Kosten gestiegen sind, ihn aber nicht im gleichen Umfang zwingt die Preise zu senken, wenn seine Kosten gefallen sind. Er ist nur berechtigt und nicht verpflichtet.
Wenn dies bei Ihrer Klausel so zutrifft, wäre es für Sie nachteilig, wenn der Vertrag schon am Telefon abgeschlossen worden wäre.
RR-E-ft:
Ein Vertragsabschluss (am Telefon) durch Einigung auf einen Erdgas- Sonderpreis ohne vertragliche Vereinbarung einer Preisänderungsklausel ist nicht nachteiliger als die wirksame Einbeziehung einer unwirksamen Klausel (vgl. AG Starnberg, Urt. v. 22.10.09). In beiden Fällen gilt der vertraglich vereinbarte Preis gem. § 433 BGB unverändert fort (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.08].
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