reblaus schreibt:
Es ist nicht Aufgabe einer Aktiengesellschaft die Interessen von Verbrauchern zu wahren. Sie hat allenfalls die Interessen ihrer Kunden in dem Umfang zu wahren, wie sie sich ihnen gegenüber vertraglich verpflichtet hat oder gesetzlich verpflichtet ist.
Bei einer Aktiengesellschaft im Kommunalbesitz stimmt diese Aussage so pauschal nicht. Es gibt Unterschiede zwischen Unternehmen, die sich zu 100 % in Privateigentum befinden, und Unternehmen, die sich wie viele Stadtwerke in kommunaler Hand befinden. Der Zweck von Kommunalunternehmen ist definiert, die Transparenz muss höher sein, bestimmte Arten von Geschäften sind verboten und auch der Preispolitik sind Grenzen auferlegt, die für private Unternehmen nicht existieren. Das führe ich im folgenden näher aus.
öffentlicher Zweck von KommunalunternehmenKommunale Unternehmen müssen anders als 100 private Unternehmen einen öffentlichen Zweck erfüllen. Deshalb definiert z. B.
Artikel 87 der bayerischen Gemeindeordnung klare Grenzen für die Zulässigkeit von Unternehmen und Beteiligungen. Nach
Artikel 95 der bayerischen Gemeindeordnung sind Kommunalunternehmen „
unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Grundsätze und des Grundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird“. Im Würzburger WVV-Konzern, zu denen die Stadtwerke Würzburg gehören, werden nach meiner Auffassung kaufmännische Grundsätze offensichtlich nicht mehr beachtet und die Abschlussprüfung nach Artikel 107 der bayerischen Gemeindeordnung nur unzureichend durchgeführt. Von einer Prüfung, die den Vorgaben der § 53 und § 54 des
Haushaltsgrundsätzegesetzes genügt, kann überhaupt keine Rede sein.
Transparenz von GeschäftsvorgängenEnergieversorgungsunternehmen, die sich wie die Stadtwerke Würzburg weit überwiegend in öffentlicher Hand einer Gemeinde oder einer öffentlich- rechtlichen Gebietskörperschaft oder mehrerer solcher befinden, und im Interesse der Allgemeinheit Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen, sind als Teile des Staatswesens grundsätzlich nicht Träger von Grundrechten. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Ausgestaltung in der Form des Privatrechts nicht an, weil sich sonst der Staat immer in das Privatrecht flüchten könnte. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss 1 BvR 705/88 vom 16. Mai 1989 eine Verfassungsbeschwerde der Hamburgische Electricitäts-Werke AG (HEW) abgewiesen, deren Anteile zu etwa 72 % von der Stadt Hamburg gehalten wurden, siehe auch NJW 1990, Seite 1783. Die Betriebsgeheimnisse solcher öffentlicher Unternehmen erfahren daher auch keinen Grundrechtsschutz wie private Unternehmen ohne maßgebliche staatliche Beteiligung.
Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zuletzt im Urteil III ZR 294/04 vom 10.02.2005 bestätigt, und zwar insbesondere für gemischtwirtschaftliche Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge, welche die Energieversorgung der Gemeindebevölkerung mit Strom und Gas mitumfasst, siehe ZNER 2005, Seite 150 f. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil
BVerfG 1 BvR 1731/05 vom 18.05.2009 wieder bestätigt, dass kommunal beherrschte Energieversorgungsunternehmen wie die Stadtwerke Würzburg nicht grundrechtsfähig sind. Eine allgemeinverständliche Beschreibung des Falls, der vom Verfassungsgericht am 18.5.2009 entschieden wurde, findet sich unter
http://www.business-wissen.de/nachrichten/artikel/karlsruhe-verwirft-kartellrechtliche-beschwerden-von-stromversorgern.html, es ging um die Mainova AG aus Frankfurt am Main.
Spekulative ZinsgeschäfteZ. B. haben die Stadtwerke Würzburg verlustreiche Zinsderivatgeschäfte getätigt, die eine 100 % private Aktiengesellschaft möglicherweise hätte tätigen dürfen. Für eine AG in Kommunalbesitz gibt es jedoch ein kommunalrechtliches Verbot spekulativer Zinsgeschäfte.
So verbietet in Bayern der Bayerische Derivaterlass als ein Erlass des Bayerischen Staatsministeriums des Innern (Nr. IB4-1513.1-2) vom 08.11.1995 jegliche Zinsspekulation in kommunalen Unternehmen wie bei den Stadtwerken Würzburg. Doch auch wenn der Derivaterlass nicht existieren würde, hätten die verantwortlichen Geschäftsleiter der Stadtwerke Würzburg AG die verlustreichen Zinsgeschäfte überhaupt nicht abschließen dürfen. Denn
Artikel 61 der bayerischen Gemeindeordnung über die allgemeinen Haushaltsgrundsätze verlangt in Absatz 2 „
Die Haushaltswirtschaft ist sparsam und wirtschaftlich zu planen und zu führen.“ und in Absatz 3 „
Bei der Führung der Haushaltswirtschaft hat die Gemeinde finanzielle Risiken zu minimieren. Ein erhöhtes Risiko liegt vor, wenn besondere Umstände, vor allem ein grobes Missverhältnis bei der Risikoverteilung zu Lasten der Gemeinde, die Gefahr eines erheblichen Vermögensschadens begründen.“
Mit dem allgemeinen Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Risikominimierung sind die verlustreichen Zinsswapgeschäfte der Stadtwerke völlig unvereinbar. Denn die Zinsderivate können zu erheblichen Vermögensschäden führen, sogar in unbegrenzter Höhe, wie sich im Rahmen der Zivilklage der Stadtwerke gegen die Deutsche Bank zeigte. Auch aus diesem Grund haben die Stadtwerke Würzburg den Zivilprozess um Schadenersatz von der Deutschen Bank auch in 2. Instanz zu 100 % verloren (Urteil 4 U 92/08 vom OLG Bamberg vom 11.05.2009, hochspekulative Swap-Geschäfte zwischen einer Bank und privatrechtlich organisierten Tochterunternehmen einer Kommune).
kommunalrechtliche Grenzen für die PreispolitikNach Artikel 87 Absatz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern entsprechen alle „
Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen“, keinem öffentlichen Zweck. Das bayerische Kommunalabgabengesetz sieht in
Artikel 8 zu den Benutzungsgebühren auch keine Gewinnerzielung vor. Vielmehr soll nach Absatz 2 von Artikel 8 des Kommunalabgabengesetzes das Gebührenaufkommen „
die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Anforderung von einrichtungsbezogenen Abgaben decken.“ Nach Absatz 3 von Artikel 8 des Kommunalabgabengesetzes gehören zu den Kosten „
insbesondere angemessene Abschreibungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten und eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals.“ Die bayerische Eigenbetriebsverordnung sieht in
§ 8 zu „Gewinn und Verlust“ vor, dass der Jahresgewinn des Eigenbetriebs so hoch sein soll, dass neben angemessenen Rücklagen „
mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird“.
Eine marktübliche Verzinsung dürften die Zinssätze für langfristige Kommunalkredite darstellen. Die Zinssätze für langfristige Kommunalkredite betragen bei der staatlichen KfW Mittelstands- und Förderbank ca. 3,3 % bis 4,5 % mit Stand 1.2.2008. Damit sind die Eigenkapitalrenditen von über 30 % wie z. B. bei den Stadtwerken Würzburg völlig überzogen. Die Gewinne verstoßen in eklatanter Weise gegen das Kostendeckungsprinzip. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 21.9.2005 unter Aktenzeichen VIII ZR 8/05 festgehalten: „
Das Kostendeckungsprinzip gehört zu den grundlegenden Prinzipien öffentlichen Finanzgebarens, die die öffentliche Hand auch dann zu beachten hat, wenn sie öffentliche Aufgaben in den Formen des Privatrechts wahrnimmt (BGHZ 115, 311, 318).“ Die Urteilsbegründung findet sich kostenlos im Internet z. B. unter
http://www.recht-in.de/urteile/urteilzeigen.php?u_id=123455. Noch deutlicher wird der Bundesgerichtshof in dem Urteil unter Aktenzeichen VIII ZR 7/05, das ebenfalls vom 21.9.2005 stammt und z. B. unter
http://lexetius.com/2005,2328 zu finden ist: „
Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass die öffentliche Hand, wenn sie sich entschließt, Leistungsverhältnisse im Rahmen der Daseinsvorsorge in privatrechtlicher Form zu regeln, bei der Festsetzung der Tarife und Entgelte auch öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten hat. Sie hat neben den Grundrechten jedenfalls die grundlegenden Prinzipien öffentlichen Finanzgebarens zu beachten (Urteil vom 5. Juli 2005, aaO, unter II 2 c bb (1); BGHZ 115, 311, 318; 91, 84, 96 f.). Entscheidend dafür ist die Schutzbedürftigkeit des einzelnen Bürgers gegenüber der Erschließung gesetzwidriger Finanzquellen durch die öffentliche Verwaltung, die dem Bürger nicht Entgelte für Leistungen abverlangen soll, für die bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses Abgaben nicht erhoben werden dürften (BGHZ 115, 311, 318; 91, 84, 97).“
Zum Thema Quersubventionierung verweise ich nochmals auf meinen Beitrag unter
http://www.cleanstate.de/Energiepreise.html.
Wer im Detail wissen will, in welch gesetzwidriger Weise bayerische Kommunalbehörden bis hin zum bayerischen Innenministerium ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen, kann sich gern an mich wenden. Dann schicke ich ihm einen umfangreichen Schriftwechsel vom März 2008 bis April 2009, in dem ein weiteres Versagen unseres sogenannten Rechtsstaates (oder besser Parteienoligarchie/Parteien-Tyrannei) dokumentiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Kontakt:
Lothar.Gutsche@arcor.de