Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Kündigungswelle bei Sonderverträgen?  (Gelesen 5574 mal)

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Offline userD0010

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« am: 29. Oktober 2009, 19:00:48 »
Nach dem BGH Urteil ist zu vermuten, dass auf uns Protestler, aber auch alle anderen Sondervertragskunden, eine Welle von Vertragskündigungen zukommt, damit die Versorger uns mit neu gefassten und urteilsbeachtenden Verträgen \"beglücken\" können.
Auf was sollen/müssen wir uns vorbereiten und wie ist dem ggf. zu entgegnen?

Offline bolli

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #1 am: 30. Oktober 2009, 09:04:29 »
Ich weiss ja nicht, wo Sie wohnen, aber im Rest der Republik sind solche Kündigungen schon spätestens seit dem BGH-Urteil vom 17.12.2008 unterwegs. Die letzte Welle kam dann mit den neuen Urteilen vom 15.07.2009.
Insofern gibt\'s da nichts neues, einfach mal umschauen im Forum.
Frau Holling hat da auch schon mal was zu geschrieben. Siehe hier: Unfreiwilliger Abschied

Offline userD0010

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #2 am: 30. Oktober 2009, 09:22:53 »
@bolli
hier wo ich wohne, hat es in den vergangenen 12 Monaten keinen Kündigungsversuch gegenüber einer nicht unbedeutenden Zahl von \"Portestlern\" gegeben.
Aber man sollte auch bedenken, dass neben den kundigen Forums-Teilnehmern auch eine weit größere Zahl von sog. Unwissenden in vielen Teilen unserer Republik lebt, die u.U. unter Ausnutzen dieser Unwissenheit mit KÜndigungen der EVU und damit einhergehend Umleitung in die Grundversorgung \"beglückt\" werden. Und um diese Gruppe geht es bei meiner Fragestellung.
Nicht jeder ist so gut informiert wie manche Teilnehmer des Forums.

Offline reblaus

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #3 am: 30. Oktober 2009, 10:50:19 »
Man wird sich als Verbraucher damit abzufinden haben, dass die EVU ihre Sonderverträge kündigen können. Wer diesem Recht entgegen treten möchte, sollte die einschlägigen Urteile über die Unwirksamkeit diverser Preisanpassungsklauseln nochmals zur Hand nehmen. Dort wird die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung vom BGH ausschließlich deshalb verneint, weil dem Versorger ein Kündigungsrecht zusteht.

Wer seinem Versorger einen flotten Brief schreiben möchte, dass die ausgesprochene Kündigung generell nicht zulässig sei, möge sich daher über eine überaus freundliche Antwort dahingehend nicht wundern, dass dann mittels ergänzender Vertragsauslegung ein der Billigkeit entsprechendes einseitiges Preisänderungsrecht im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung bestehe.

In einem Vertragsverhältnis sollte keine Seite versuchen, die eigenen Maximalforderungen gegen vitale Interesse des Vertragspartners durchzusetzen. Auf Dauer muss eine solche Strategie scheitern.

Ideal wäre es, wenn die ausgesprochenen Kündigungen von möglichst vielen Verbrauchern dazu genutzt würden, den vielen neuen Wettbewerbern eine Chance zu geben. Vielleicht beherrschen die das Geschäft deutlich besser als der Platzhirsch.

Offline Christian Guhl

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #4 am: 30. Oktober 2009, 12:00:27 »
Zitat
Original von reblaus
Ideal wäre es, wenn die ausgesprochenen Kündigungen von möglichst vielen Verbrauchern dazu genutzt würden, den vielen neuen Wettbewerbern eine Chance zu geben.
Und was, wenn der Versorger eine Monopolstellung hat ? Es werden reihenweise Nachtstromverträge gekündigt, ohne das der Kunde eine Möglichkeit zum Wechseln hat. Die werden dann in Sonderverträge mit dem Namen \"Grundversorgung\" gesteckt, wobei der Haushaltsstrom noch einmal erheblich teurer ist, als in der \"normalen\" Grundversorgung.

Offline bolli

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #5 am: 30. Oktober 2009, 12:52:44 »
Zitat
Original von reblaus
Man wird sich als Verbraucher damit abzufinden haben, dass die EVU ihre Sonderverträge kündigen können. Wer diesem Recht entgegen treten möchte, sollte die einschlägigen Urteile über die Unwirksamkeit diverser Preisanpassungsklauseln nochmals zur Hand nehmen. Dort wird die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung vom BGH ausschließlich deshalb verneint, weil dem Versorger ein Kündigungsrecht zusteht.
Nun, wir sind hier sicher wieder an dem Knackpunkt der Auslegung von Frau Holling, nämlich ob es sich beim Gasbezug um einen \'einfachen\' Vertrag handelt, den man jederzeit kündigen kann oder ob es ein besonderes Dauerschuldverhältnis ist, für dessen Beendigung bestimmte Bedigungen erfüllt sein müssen.
Sicher kann man kündigen, die Frage ist nur, zu welchen Bedigungen.

Zitat
Original von reblaus
In einem Vertragsverhältnis sollte keine Seite versuchen, die eigenen Maximalforderungen gegen vitale Interesse des Vertragspartners durchzusetzen. Auf Dauer muss eine solche Strategie scheitern.
Tja, das ist so eine Sache mit den Partnern, wenn die ihre Partnerschaft eher darin sehen, mir die Bürde des Geldverwahrens abzunehmen um es anschließend ungeniert in die eigene Tasche zu stecken. Und auf dem (Gas)Markt ist doch derzeit die Wahl eher zwischen \'Pest\' und \'Cholera\' als zwischen \'Prima\' und \'Schlecht\'.

Ich weiss, ich weiss: Wir müssen daran arbeiten, dass es sich ändert. Aber nur mit Preishopping wird das nichts werden. Siehe Benzinpreisentwicklung/Mineralölkonzerne. Die lachen sich doch über unser wechselndes Tankverhalten kaputt und erhöhen/senken ihre Preise halt wechselweise. So verdient jeder genug, nur wir Verbraucher nicht.

Offline reblaus

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #6 am: 30. Oktober 2009, 13:21:12 »
@Christian Guhl
Bei Nachtstromverträgen liegt durch das faktische Monopol eine Sondersituation vor. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Versorger aufgrund der Monopolsituation nicht Einschränkungen in seinem Kündigungsrecht unterliegt.

Beim normalen Strom- oder Gasliefervertrag ist diese Monopolsituation nicht mehr vorhanden.

Das Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen wird durch die analoge Anwendung der gesetzlich geregelten Kündigungsrechte in Miet-, Arbeits- und Gesellschaftsvertrag geregelt. Ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen haben Vorrang. Frau Holling bezieht sich bei Ihrer Ansicht eines eingeschränkten Kündigungsrechts auf die Einschränkungen des Kündigungsrechts bei Wohnraummietverhältnissen. Hierbei berücksichtigt sie nicht, dass dem Vermieter als Korrektiv für sein eingeschränktes Kündigungsrecht ein Mieterhöhungsrecht auf die ortsübliche Vergleichsmiete zusteht. Der Mieter ist verpflichtet solchen Mieterhöhungsverlangen zuzustimmen. Weiterhin bleibt unberücksichtigt, dass der Gesetzgeber zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit die Grundversorgung vorgesehen hat, die ebenfalls ein einseitiges Preiserhöhungsrecht kennt.

Es ist für mich daher nicht erkennbar, aus welchem Grund ein Kunde der einen Sondervertrag abgeschlossen hat, einer besonderen gesetzlichen Fürsorge bedürfte, dass auch solche Sonderverträge nur mit besonderen Gründen gekündigt werden dürfen.

Wer einen besonderen Schutz in Anspruch nehmen will, darf meiner Ansicht nach keinen Sondervertrag abschließen, sondern muss seine Energie mittels des dafür vorgesehenen Grundversorgungsvertrages beziehen.

Mit dem Slogan \"alle Rechte mir und alle Pflichten der Gegenseite\" werden weder die Versorger noch die Verbraucher vor Gericht Erfolg haben. Das ist gut so.

Offline Thomas S.

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #7 am: 02. November 2009, 16:12:00 »
@reblaus

Ganz so simpel ist es dann doch nicht.

Man kann Sondervertragskunde sein, ohne das überhaupt irgendwelche AGB WIRKSAM in den Vertrag einbezogen wurden. Wenn dann (z.B. auch ein Protestkunde) einfach mit dem Argument gekündigt wird, die gesetzlichen Bedingungen haben sich geändert, nun bitte mal eben schnell einen neuen Vertrag abschließen - DAS GEHT SO NICHT.

Wenn die Geschäftsgrundlage wegfällt, weil ein solcher Vertrag nicht angepaßt werden KANN - dann muß die Kündigung auch schon so AUSDRÜCKLICH begründet werden, eine andere Begründung kann es ja gar nicht geben (eben wegen keinen wirksamen AGB).

Schließlich KANN der Versorger ja auch versuchen, sich GÜTLICH mit dem Kunden zu einigen - was steht dem entgegen? Diktieren lassen muß man sich gar nichts.

Also: immer vorsichtig mit vorschnellen Schlußfolgerungen. Der Einzelfall läßt grüßen...

Offline jofri46

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #8 am: 02. November 2009, 17:39:02 »
Hier muß zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung unterschieden werden.

Eine außerordentliche Kündigung bedarf eines wichtigen Grundes, muß also begründet werden. Gesetzliche Grundlage hierfür sind die §§ 313, 314 BGB.

Anders bei einer ordentlichen Kündigung. Hierfür braucht der Versorger weder einen wichtigen Grund noch sonst eine Begründung. Welche Frist dabei einzuhalten ist, ergibt sich entweder aus dem Vertrag und wenn dort nicht geregelt, aus analoger Anwendung von Kündigungsfristen wie sie für die von Reblaus erwähnten Verträge gesetzlich geregelt sind.

Ich stelle mich jedenfalls darauf ein, dass mein Versorger den bestehenden Sondervertrag ordentlich kündigen wird, evtl. verbunden mit dem Angebot einen neuen Vertrag abzuschließen. Und dann werde ich schauen, ob ich darauf eingehe oder sich ein Wechsel lohnt.

Offline Cremer

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #9 am: 02. November 2009, 18:21:25 »
@Thomas S.,

Zitat
Man kann Sondervertragskunde sein, ohne das überhaupt irgendwelche AGB WIRKSAM in den Vertrag einbezogen wurden.

das sagen die Protestler.

Der Versorger steht auf dem Standpunkt, dass die AGB\'s in dem alten vertrag wirksam einbezogen waren; deshalb legt er neue Verträge vor.  :evil:
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline reblaus

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Kündigungswelle bei Sonderverträgen?
« Antwort #10 am: 05. November 2009, 10:50:45 »
@Thomas S.
Wie Jofri46 ganz richtig erklärt hat, kommt es bei der ordentlichen Kündigung nur dann auf die AGB an, wenn diese abweichende Bestimmungen von der analog anzuwendenden gesetzlichen Regelung aufweisen. Sollten solche AGB nicht einbezogen worden sein, so gilt das gesetzliche Kündigungsrecht.

Hier gehe ich im Gegensatz zu RAin Holling davon aus, dass der Versorger lediglich die Fristen einzuhalten hat, und er keinen besonderen Kündigungsgrund benötigt.

Soweit dem Versorger ein ordentliches Kündigungsrecht zusteht, besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht bei den üblichen Fallgestaltungen nicht.

 

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