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Autor Thema: Widerspruch gegen die Kündigung des Sonderliefervertrages  (Gelesen 23848 mal)

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Offline eon-rebell

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Widerspruch gegen die Kündigung des Sonderliefervertrages
« Antwort #30 am: 07. August 2010, 20:47:34 »
Nachstehend einige Ausführungen, die vielleicht in diesem Zusammenhang hilfreich sein können:

1) Fristgerechter Eingang (hier: Zugang gegenüber Abwesenden)

Eine empfangsbedürftige Willenserklärung (WE) [hier: Kündigung] wird nicht bereits mit ihrer Abgabe, sondern gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB erst dann wirksam, wenn sie dem (abwesenden) Erklärungsempfänger (Kunden des Versorgers) zugeht.

Zugegangen ist eine Erklärung, wenn sie so in den Machtbereich (Herrschaftsbereich) des Adressaten gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen damit rechnen kann, von ihr Kenntnis zu nehmen.

Aus dieser Def. folgt zunächst, dass zwischen einem räumlichen und zeitlichen Herrschaftsbereich zu unterscheiden ist. Weiterhin folgt aus ihr, dass es allein auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme ankommt, es also nicht erforderlich ist, dass die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen wird.


a) Räumlicher Herrschaftsbereich

Der Erklärende (Versorger) kann den Brief (die Kündigung) persönlich oder durch einen Boten in den Briefkasten des Empfängers (Kunden) einwerfen.

Zum räumlichen Herrschaftsbereich gehören nicht nur die Wohnung etc., sondern auch die vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gehaltenen Einrichtungen (z.B. Hausbriefkasten).

b) Zeitlicher Herrschaftsbereich (Kenntnisnahmemöglichkeit)

Für den Zugang einer WE genügt es nicht, dass diese schlicht in den räumlichen Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Erforderlich ist auch, dass der Empfänger unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.

Diese Einschränkung trägt dem Umstand Rechnung, dass es einem Teilnehmer am Rechtsverkehr nicht zumutbar ist, sich rund um die Uhr Klarheit darüber zu verschaffen, ob ihm eine WE zugegangen ist. Erst dann, wenn die Kenntnisnahme von ihm erwartet werden kann, darf die Erklärung als zugegangen angesehen werden.

Eine Privatperson ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den realen Briefkasten ständig bzw. am späten Abend nochmals auf eingeworfene Briefe zu überprüfen (beim \"traditionellen\" Hausbriefkasten wird man nur von der Überprüfungspflicht einmal pro Tag ausgehen müssen!).

Zu beachten ist, dass es auf die Kenntnis unter normalen Umständen ankommt. Wird ein Schreiben rechtzeitig in den Briefkasten geworfen, ändert dies nichts daran, dass von einer Kenntnisnahmemöglichkeit im Laufe des Tages auszugehen ist.

2) Formmangel [hier: (Original-)Unterschrift]

Nach dem BGB sind verschiedene Formerfordernisse zu unterscheiden (ich nenne hier nur zwei), und zwar:

a) Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB)

Ordnet das Gesetz die Schriftform an, muss eine Urkunde angefertigt werden, die vom Aussteller eigenhändig unterschrieben wird.

b) Textform (§ 126 b BGB)

§ 126 b BGB bestimmt, dass bei einer durch Gesetz vorgeschriebenen Textform (vgl. bspw. § 558 a BGB für das Mieterhöhungsverlangen) die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden muss.

Da es zur Wahrung der Textform genügt, dass die Erklärung auf einer beliebigen, zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben werden kann und insbes. keine Unterschrift geleistet werden muss, stellt das Textformerfordernis die schwächste aller Formvorschriften dar.

Eine z.B. eingescannte Unterschrift genügt somit dann dem Formerfordernis, wenn lediglich die schwächste Form aller Formvorschriften (die Textform) angeordnet ist.

Offline Kolja

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Widerspruch gegen die Kündigung des Sonderliefervertrages
« Antwort #31 am: 11. August 2010, 19:04:38 »
Habe das Urteil erhalten, es betrifft nicht meinen Fall. In diesem Urteil ist die Kündigung fristgerecht zugegangen.

@eon-rebell
Danke für die Ausführung! Was soll ich nun tun? Ich habe den Gasversorger schon zig mal gebeten mir die Zustellung nachzuweisen. Bislang nichts. Bekomme nur gesagt, es war eine Zustellung per Boten. Wir waren an dem Tag da und ich würde mich gewiss an soetwas erinnern. Wie entscheiden die Gerichte denn in solchen Fällen? Meine Meinung, wenn jemand eine Frist einzuhalten hat, steht im Zweifelsfall in der Beweispflicht. Aus Rechtssicherheit ist m.E Empfangsbestätigung erforderlich. Ich frage mich ebenfalls, weshalb die Kündigung nicht per Mail geschickt wurde. Habe damals doch extra ein Online-Sonderliefervertrag geschlossen.

Offline eon-rebell

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Widerspruch gegen die Kündigung des Sonderliefervertrages
« Antwort #32 am: 11. August 2010, 19:45:21 »
Die Zustellung am 29.6. um 21:10 h kann Sie somit frühestens am 30.6. (was war der 30.6. für ein Tag? Sonntag? Sonntag wäre gut für Sie, da Sie dann erst am 1.7. = Mo. den Briefkasten leeren mussten!) erreicht haben, da Sie nach 21:10 h am 29.6. nicht mehr den Briefkasten leeren mussten.

Der Versorger muss erst im Prozess den Beweis der Zustellung erbringen, und zwar wird er dies i.d.R. durch eine (eidesstattliche) Erklärung bzw. persönliche Zeugenaussage des Boten nachweisen.

Sie sollten auf alle Fälle in der Klageerwiderung die rechtzeitige Zustellung mit Nichtwissen bestreiten!

Offline Kolja

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Widerspruch gegen die Kündigung des Sonderliefervertrages
« Antwort #33 am: 11. August 2010, 22:29:12 »
Der 29.06.2010 war ein Montag.  Zustellung per Boten aber dann nicht persönliche Übergabe, obwohl wir an diesem Tag da waren.? Zustellung per Boten, obwohl dies per Mail auch geht?  

Doch welche Wirkung hat das bestreiten einer Zustellung bzw. das Nichtwissen über die Zustellung vor Gericht? Ich schätze. daß wenn ich micht vor Gericht  \"Ahnungslos\" stelle, man mir keinen Meineid unterstellen kann.

Offline eon-rebell

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Widerspruch gegen die Kündigung des Sonderliefervertrages
« Antwort #34 am: 11. August 2010, 23:02:59 »
Eine Zustellung per Boten in Ihren Hausbriefkasten ist ausreichend. Es muss also keine persönliche Übergabe erfolgt sein.

Der gegnerische Vortrag kann bestritten werden. Dabei ist zwischen einfachem und substantiiertem Bestreiten sowie dem Bestreiten mit Nichtwissen zu unterscheiden. Für ein einfaches Bestreiten reicht ein \"wird bestritten\" oder \"stimmt nicht\" aus. Für ein substantiiertes Bestreiten muss im Einzelnen vorgetragen werden, wie es sich denn wirklich verhalten haben soll. Bestreiten mit Nichtwissen kommt in Betracht, wenn der Bestreitende über die behauptete Tatsache keine Kenntnis hat und auch nicht haben kann bzw. zu haben braucht.

Einfacher Vortrag kann einfach bestritten werden. Aber - ganz wichtig! - eine Beweiserhebung kommt bei einfachem Vortrag nicht in Betracht. Der bestrittene Vortrag wird vom Gericht der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt. Deswegen sollte möglichst immer - es sei denn, es ist mit einem Bestreiten nicht zu rechnen - substantiiert vorgetragen werden!

Substantiierter Sachvortrag muss substantiiert bestritten werden. Das einfache Bestreiten eines substantiierten Sachvortrages ist unerheblich. Der bestrittene Sachverhalt wird dann ohne Beweiserhebung der Entscheidung zu Grunde gelegt. Wird substantiiert vorgetragen und substantiiert bestritten, kommt es zur Prüfung der Beweislast und ggf. Beweiserhebung.

Ein Vortrag einer Partei, der von der anderen Partei nicht ausdrücklich bestritten wird, gilt als zugestanden und muss der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Deshalb ist es sehr wichtig, sich mit den gegnerischen Schriftsätzen sehr detailliert auseinanderzusetzen und entsprechend zu erwidern.

Problematisch ist dies, wenn nicht bekannt ist, ob der gegnerische Vortrag wahr oder unwahr ist. Beispiel: Wenn eine Partei dem Gericht vorträgt, der Erblasser habe ihm in seiner Todesstunde noch etwas Bestimmtes ins Ohr geflüstert, kann die andere Partei nicht wissen, ob das stimmt. Da es möglicherweise richtig ist, darf sie es wegen ihrer prozessualen Wahrheitspflicht nicht einfach bestreiten. Wenn sie aber nicht bestreitet, wird dieser möglicherweise falsche Vortrag als wahr der Entscheidung zu Grunde gelegt. Also eine missliche Situation für den Gegner. Hierfür ist das Bestreiten mit Nichtwissen geschaffen worden und der Ausweg aus der Situation. Der Vortragende muss nun die Richtigkeit seiner Behauptung beweisen. Anderenfalls wird der Vortrag nicht der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Offline Kolja

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Widerspruch gegen die Kündigung des Sonderliefervertrages
« Antwort #35 am: 26. Oktober 2010, 21:07:55 »
Nachdem ich der Rhenag mitgeteilt habe, das ich micht von dem zitierten Urteil nicht betroffen fühle, kommt nichts mehr.

Nun habe ich heute dieses Urteil hier gefunden

Urteil Amtsgericht Siegburg vom 29. September 2010 - Az: 117 C 222/10

An alle Rechtsexperten, kann ich mich auf dieses Urteil berufen?

Nochmal zur Erinnerung: Eine fristgerechte Kündigung per Boten habe ich nicht bekommen. Nach Ablauf der Kündigungsfrist habe ich lediglich eine nicht unterschriebene Kopie der Kündigung zur Info erhalten.

 

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