Der VIII. Senat mausert sich zum Hüter der Daseinsvorsorge
PM - Nr. 217/2009
Unzulässige fristlose Kündigung des Vermieters
nach unpünktlichen Mietzahlungen durch das
Sozialamt
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zu
entscheiden, ob unpünktliche Zahlungen der Miete durch das Sozialamt, welches die Mietzahlungen eines
bedürftigen Mieters übernommen hat, den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen.
Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 11. Mai 2007 ein Reihenhaus des Klägers in W. Nach § 4 des
Mietvertrages ist die Miete jeweils bis zum 3. Werktag eines Monats im Voraus an den Vermieter zu zahlen.
Die Beklagten trennten sich noch im Jahr 2007; der Beklagte zu 2 zog aus dem Reihenhaus aus. Die
Mietzahlungen gingen beim Kläger für April 2008 am 11. April, für Mai 2008 am 7. Mai, für Juni 2008 am 6.
Juni und für Juli 2008 am 8. Juli ein. Mit Schreiben vom 7. April und 13. Mai 2008 mahnte der Kläger die
verspäteten Zahlungen ab. Die Mietzahlungen erfolgten seit April 2008 durch das Jobcenter. Dieses ist trotz
Vorlage der Abmahnungen des Klägers durch die Beklagte zu 1 nicht bereit, die Mietzahlungen früher
anzuweisen. Mit Schreiben vom 11. Juni 2008 kündigte der Kläger das Mietverhältnis unter Berufung auf
verspätete Mietzahlungen. Er begehrt die Räumung des Reihenhauses und die Erstattung vorgerichtlicher
Auslagen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers
zurückgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kläger nicht berechtigt war, das Mietverhältnis gemäß § 543
Abs. 1 BGB wegen der unpünktlichen Mietzahlungen fristlos zu kündigen.
Für die Beurteilung, ob ein Grund zur fristlosen Kündigung nach dieser Vorschrift gegeben ist, bedarf es der
Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Das Berufungsgericht hat zu Recht nicht isoliert auf die
unpünktlichen Zahlungen abgestellt, sondern bei der Interessenabwägung berücksichtigt, dass die Beklagten
seit April 2008 auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sind und dass die seither eingetretenen
Zahlungsverzögerungen von jeweils einigen Tagen darauf beruhen, dass das Jobcenter nicht zu einer früheren
Zahlungsanweisung bereit ist. Diese Würdigung weist keinen Rechtsfehler auf.
Die Mieter müssen sich im Rahmen der Abwägung nach § 543 Abs. 1 auch nicht ein etwaiges Verschulden des
Jobcenters zurechnen lassen. Das Jobcenter handelt bei der Übernahme der Mietzahlungen nicht als
Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) des Mieters, sondern nimmt ihm obliegende hoheitliche Aufgaben der
Daseinsvorsorge wahr. Der Mieter schaltet die Behörde nicht als Hilfsperson zur Erfüllung seiner
Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietverhältnis ein; vielmehr wendet er sich an die staatliche Stelle, um den
eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Jobcenter anschließend
die Kosten der Unterkunft an den Hilfebedürftigen selbst zahlt oder direkt an den Vermieter überweist.
Urteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09
....... vor bösen Vermietern müssen Mieter geschützt werden. Vor bösen Versorgern, die mit Verbrauchern durch Stillschweigen Vereinbarungen treffen, ohne davon etwas geahnt zu haben, nicht .......