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Autor Thema: OLG München, Urt. v. 01.10.09, Az. U (K) 3772/08 (ESB)  (Gelesen 5277 mal)

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Offline RR-E-ft

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OLG München, Urt. v. 01.10.09, Az. U (K) 3772/08 (ESB)
« am: 14. Oktober 2009, 18:58:00 »
OLG München, Urt. v. 01.10.09, Az. U (K) 3772/08

Die klagenden Verbraucher unterlagen auch in der Berufung.

Das Gericht unterscheidet - wohl anders als das LG München I - innerhalb der Kläger Tarifkunden und Sondervertragskunden der ESB.

Für die Sondervertragstellung eines Kunden genüge die  Inanspruchnahme und Abrechnung nach Wahlleistungen (Wahltarifen)  anhand der Preisblätter und auf der Verbrauchsabrechnungen zu darin ausgewiesenen besonderen Preisen, so auch OLG München, Urt. v. 12.03.09..

Für die Billigkeitskontrolle hält sich das Gericht an die Vorgaben des VIII. Zivilsenats des BGH (VIII ZR 138/07).

Bei den entsprechenden  Tatsachenbehauptungen zur Kosten- und Erlösentwicklung  soll es wohl am notwendigen Bestreiten gefehlt haben, weshalb wohl auch eingeführte Wirtschaftsprüferbescheinigungen bei der Urteilsfindung Berücksichtigung finden konnten (bereits im Falle des Bestreitens mit Nichtwissen unzulässig, vgl. BGH Urt. v. 08.07.09 VIII ZR 314/07). Ohne entsprechendes Bestreiten bedurfte es auch keiner Beweisaufnahme.

Eine solche Billigkeitskontrolle finde auch bei Sondervertragskunden statt, wenn § 4 AVBGasV in den Vertrag einbezogen wurde, weil eine entsprechende Preisnebenabrede nach BGH VIII ZR 225/07 und VIII ZR 56/08 der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalte und auch diesen Kunden dann  - ebenso wie Tarifkunden -  die Billigkeitskontrolle zur Verfügung stehe.

Die Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV als Allgemeine Geschäftsbedingungen in einen Sondervertrag ist mithin möglich, ohne dass die Kunden dadurch Tarifkunden wären, auch wenn die besonderen Wahltarife einer unbestimmten Zahl von Kunden angeboten wurden und die Sonderpreise wie Allgemeine Tarife öffentlich bekannt gegeben/ veröffentlicht wurden.

Die Kammer handelt  indes § 307 BGB unter II 2. der Entscheidungsbegründung ab, ohne dass ersichtlich ist, dass eine notwendige  Einbeziehung dieser Bestimmungen in den betreffenden  - nach Überzeugung der Kammer wohl nachträglich begründeten - Sondervertrag des Klägers zu 25) gem. § 305 II BGB überhaupt festgestellt wurde.  

Denn übersendet worden sein sollen dem Kläger zu 25) die Bedingungen der AVBGasV laut I.2. der Urteilsgründe nur bei Abschluss eines zunächst begründeten Tarifvertrages und für diesen. Daraus würde sich jedoch gerade nicht ergeben, dass diese auch Bestandteil eines später abgeschlossenen Sondervertrages wurden, der betreffende Kläger sich beim nachträglichen  Abschluss des selben mit der Einbeziehung in den Sondervertrag einverstanden erklärte. Fehlte es jedoch an einer Einbeziehung entsprechender AGB beim nachträglichen  Abschluss des Sondervertrages, dann trüge die Entscheidung in diesem Punkt nicht.

Die Kammer führt dazu aus: \"Vorliegend hat die Beklagte hinsichtlich der Gasversorgung im Tarif \"ESB eco Plus\" einschließlich Partnerbonus mit dem Kläger zu 25) unstreitig keine vom Wortlaut der AVBGasV abweichenden Vereinbarungen getroffen. Angesichts dieser Feststellungen...\"

Zu bestreiten gewesen wäre ggf., dass bei Abschluss des Sondervertrages die Parteien die Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV vereinbart hatten, der entsprechende Kläger sich beim nachträglichen  Abschluss des Sondervertrages damit einverstanden erklärt hatte.

Dass es tatsächlich am Bestreiten gefehlt haben sollte, erscheint zweifelhaft.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

(Viele betroffene Kunden, die auch Sondervertragskunden der ESB sind und den einseitigen Preisänderungen und Rechnungen widersprochen hatten, haben deshalb zu prüfen, ob sie vor Abschluss des entsprechenden  (maßgeblichen) Sondervertrages darauf hingewiesen wurden, dass die Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV auf das neu abgeschlossene Vertragsverhältnis (Sondervertrag) Anwendung finden sollen, ihnen entsprechende Verordnungstexte vor Vertragsabschluss übersandt wurden und sie sich bei Vertragsabschluss mit der Einbeziehung einverstanden erklärt hatten, was dann auch in diesen Streitfällen zur Billigkeitskontrolle führen könnte, wobei es entsprechenden Bestreitens bedarf. Manche Kunden mögen dabei meherere Sonderverträge in Folge abgeschlossen haben, wobei es auf jeden einzelnen konkreten Vertragsabschluss ankäme. Wer es nicht mehr weiß, hätte es in einem Prozess mit Nicht(mehr)wissen zu bestreiten. Darlegungs- und beweisbelastet für die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in einen Vertrag ist der Klauselverwender, der sich auf eine vereinbarte Klausel beruft. Oft mag es geschehen sein, dass dem Kunden solche Bedingungen nicht vor Abschluss eines nichtschriftlichen Sondervertrages, sondern erst nach dessen Abschluss mit einem nachträglichen sog. Vertragsbestätigungsschreiben übersandt wurden.)

Offline tangocharly

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OLG München, Urt. v. 01.10.09, Az. U (K) 3772/08 (ESB)
« Antwort #1 am: 14. Oktober 2009, 23:13:10 »
Zitat
Zitat von @RR-E-ft
Zu bestreiten gewesen wäre ggf., dass bei Abschluss des Sondervertrages die Parteien die Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV vereinbart hatten, der entsprechende Kläger sich beim nachträglichen Abschluss des Sondervertrages damit einverstanden erklärt hatte.

Sicher doch, so steht es ja im Gesetz: Der Kunde muß mit der Geltung der AGB einverstanden sein.

Aber, bei der freifliegenden Rechtsfortbildungstechnik des VIII.Senats wird auch diese Frage sicherlich bald genau in dem Sinne beantwortet werden, wie die Frage nach der Vereinbarung von Preisen durch irgendein relevantes oder irrelevantes Schweigen des Kunden, was wohl nur im Fall von Gaskunden im Verhältnis zu Energieversorgern zur Geltung gebracht werden mußte.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

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