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Autor Thema: AG Göppingen, Urt. v. 20.05.09, Az. 2 C 2052/08 \"Kunde muss wegen § 315 BGB kurzfristig klagen\"  (Gelesen 4674 mal)

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Offline RR-E-ft

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AG Göppingen, Urt. v. 20.05.09, Az. 2 C 2052/08

Ein Gaskunde hatte den einseitigen Preisänderungen wie auch den Verbrauchsabrechnungen jeweils umgehend schriftlich widersprochen und sich auf Unbilligkeit berufen, Rechnungsbeträge entsprechend gekürzt.

Der Versorger klagte die Differenzbeträge aus den einzelnen Jahresverbrauchsabrechnungen ein. Das Amtsgericht Göppingen gab der Klage statt mit der Begründung, dem beklagten Kunden stünde die Unbilligkeitseinrede nicht mehr zu, weil die einseitig erhöhten Preise mangels innerhalb von drei Monaten erhobener Feststellungsklage des Kunden (fiktiv) jeweils zu den vereinbarten Preisen geworden wären. Das Gericht ist der Auffassung, der von einer einseitigen Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB betroffene Kunde behalte seine Einrede aus § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nur, wenn er sich innerhalb von drei Monaten in die Klägerrolle begebe, wohl um die Unbilligkeit feststellen zu lassen.

Diese Auffassung findet im Gesetz keinerlei Stütze.  

Das Berufungsverfahren ist am Landgericht Ulm unter dem Az. 1 S 107/09 anhängig. Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.11.2009.


Der VIII.Zivilsenat des BGH hatte am 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) und am 19.11.2008 (VIII ZR 138/07) für Tarifkunden entschieden, dass der einseitig erhöhte Preis dann zum neu vereinbarten Preis werde, wenn der Kunde der Preisänderung nicht widerspreche und der Jahresverbrauchsabrechnung, die auf den erhöhten Preisen beruht, ohne Widerspruch vorbehaltlos leistet, ohne dieser in angemesser Frist widersprochen zu haben.


Zitat
BGH, Urt. v. 19.11.08 VIII ZR 138/07 Tz. 16

Soweit die Beklagte in der Folgezeit auf der Grundlage von § 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV vom 21. Juni 1979, BGBl. I S. 676), die auf den Streitfall noch Anwendung findet, einseitig Preiserhöhungen vorgenommen hat, hat der Kläger bis zum Ende des Jahres 2004 die auf diesen (erhöhten) Tarifen basierenden Jahresrechnungen unbeanstandet hingenommen. Indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne in angemessener Zeit eine Überprüfung der Billigkeit etwaiger Preiserhöhungen nach § 315 BGB zu verlangen, ist auch über von der Beklagten bis zum 31. Dezember 2004 geforderte - gegenüber dem bei Vertragsschluss geltenden allgemeinen Tarif erhöhte - Preise konkludent (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AVBGasV) eine vertragliche Einigung der Parteien zustande gekommen (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 36).
So lag der Fall, welcher der Entscheidung des AG Göppingen zu Grunde lag,  indes offensichtlich nicht. Preisneuvereinbarungen lagen auch nach dieser Rechtsprechung nicht vor.

Zitat
BGH, Urt. v. 19.11.08 VIII ZR 138/07 Tz. 27

Eine Vereinbarung der Parteien über die von der Beklagten für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 geforderten Preise, die die Billigkeitskontrolle ausschließen würde (siehe oben unter 1), ist nicht zustande gekommen. Denn der Kläger hat die Preiserhöhung der Beklagten zum 1. Januar 2005 bereits im Laufe des Jahres 2005 beanstandet und durch seine Weigerung, die Jahresrechnung 2005 auszugleichen und die für 2006 von der Beklagten geforderten Abschlagszahlungen zu leisten, soweit diese die bis zum 31. Januar 2004 vereinbarten Preise einschließlich eines Aufschlags von 2 % überschreiten, deutlich gemacht, dass er ungeachtet des weiteren Gasbezugs die erhöhten Preise ab dem 1. Januar 2005 nicht akzeptiert.

Siehe auch LG Köln, Urt.v. 14.08.09

Offline tangocharly

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Die einfache, wie unzutreffende, Argumentation des Amtsgerichts Göppingen in dem betreffenden Urteil an der betreffenden Stelle lautet:

Zitat
Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, dass der Beklagte, so er Einwendungen gegen die Erhöhung der Preise durch die Klägerin hat dies in angemessener Zeit nicht nur - wie geschehen schriftlich oder verbal beanstanden muss, sondern dass er (und nicht die Klägerin) eine gerichtliche Überprüfung durch Urteil herbeizuführen hat. Mit Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie lediglich außergerichtliche Berufung auf die Unbilligkeit einer einseitigen Leistungsbestimmung nicht ausreichend ist.

Entgegen
BGH,05.07.2005, Az.: X ZR 60/04
BGH,05.07.2005, Az.: X ZR 99/04
BGH,30.04.2003, Az.: VIII ZR 279/02



Das LG Ulm hat die Rechtsauffassung des AG Göppingen in der Berufung zutreffend revidiert.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

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