Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: In der Mahnung genannte Urteile liegen jetzt vor  (Gelesen 6855 mal)

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Offline BerndA

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In der Mahnung genannte Urteile liegen jetzt vor
« am: 09. September 2009, 21:29:49 »
Hallo RWE-Mahnungsgeschädigte,

auf eine Bitte meinerseits hin hat die RWE reagiert und mir tatsächlich die beiden Urteile des LG Osnabrück und des AG Halle (Westf.) als Kopien zugesandt.

Bei näherer Beschäftigung mit diesen beiden Urteilen fällt jedoch auf, dass die beklagten Verbraucher in beiden Verfahren eindeutig \"Verträge\" mit den RWE abgeschlossen hatten, bei denen eine direkte Anwendung des § 315 BGB , wie auch schon öfters im Forum angesprochen, natürlich ausscheidet.

Bei der Frage der so genannten \"analogen Anwendung\" des § 315 BGB haben beide Gerichte dann auf die schon bekannten und auch vom BGH für zulässig gehaltenen Argumente zu den Wechselmöglichkeiten und der fehlenden Monopolstellung hingewiesen.

Das war aber bei vorhandenen Verträgen immer schon so. Die meisten Kunden bei RWE sind aber \"Tarifkunden\" in der Grundversorgung und in diesen Fällen hat der BGH immer eine direkte Anwendung des § 315 BGB ausdrücklich zugelassen !!!

Auch in dem in den Urteilen angesprochen BGH-Urteil vom 28.03.2007 AZ VIII ZR 144/06 ging es gerade nicht um einseitige festgelegte Preise bei Tarifkunden, sondern ebenfalls um Sondervertragskunden, die sich bekannterweise per Vertrag auf einen Preis geeinigt hatten.

Insofern sind die Urteile für den Großteil der angemahnten Kunden überhaupt nicht maßgebend. Man vergleicht also hier auf sehr oberflächliche Art, oder ganz bewußt \"Äpfel\" mit \"Birnen\" !

Der \"normale\" Kunde kann dies jedoch nicht erkennen, bekommt es mit der Angst zu tun und zahlt. Das wäre aber ganu die falsche Reaktion.

Der informierte Verbraucher weis vielmehr, das die Argumente der RWE in diesem Fall nicht auf ihn zutreffen, und zahlt deshalb nicht.

Stattdessen heftet er die Mahnung einfach ab und freut sich auf sein kommendes Wochenende !

Mit freundlichen Grüßen

BerndA

BdEv Münsterland

Offline userD0010

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In der Mahnung genannte Urteile liegen jetzt vor
« Antwort #1 am: 10. September 2009, 10:16:37 »
BerndA:
Danke für die ausführliche Info.
Wie schon vermutet, waren die Mahnungen der RWE wieder eine Nebelkerze und garantiert sind einige \"Kunden\" wieder darauf hereingefallen.

Bei der gesamten Thematik und genaueren Betrachtung des Vertragswirrwarrs könnte man doch noch auf den Gedanken kommen, dass der vor (jweils vielen) Jahren dem Verbraucher präsentierte \"Vertrag\" der RWE nach wie vor auch hinsichtlich des vereinbarten Preises seine Gültigkeit hat und man in den Folgejahren im \"\"Vertrauen auf diesen ursprünglichen Vertrag\"\" immer nur den vertraglich vereinbarten Energiepreis gezahlt hat.
Und jetzt stellt man fest, dass in all den Jahren höhere Energiepreise in Rechnung gestellt wurden und man diese nun zu verrechnen beabsichtigt, weill all die Jahre die geforderten, aber nicht vereinbarten Preise, nicht dem ursprünglichen Vertrag entsprachen.
Zumindest bis 1999 zurück könnte man dann doch ggf. noch zurückrechnen, oder?

Offline Cremer

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In der Mahnung genannte Urteile liegen jetzt vor
« Antwort #2 am: 10. September 2009, 12:33:16 »
@BerndA,

mal die Urteile zum BdEV schicken zwecks Aufnahme in die Urteile-Bank
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline BerndA

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In der Mahnung genannte Urteile liegen jetzt vor
« Antwort #3 am: 10. September 2009, 21:08:21 »
Hallo Herr Terbeck,

wenn Sie bei einem Versorger einen Sondervertrag abgeschlossen haben, in dem Sie sich ausdrücklich per Unterschrift über einen Preis für die zu erbringende Versorgungsleistung geeinigt haben, gilt dieser Preis weiter, wenn die erfolgten Preiserhöhungen seit Vertragsabschluss wegen mangelhafter Preisanpassungsklauseln im Vertrag nichtig waren, selbst wenn der Vertrag von 1999 oder von 1962 war.

Denn dann gilt nur der einmal vereinbarte Preis !

Allerdings ist bei einer evtl. Aufrechnung von zuviel geleisteten Zahlungen auch die Verjährung zu beachten, und die lässt lediglich eine Rückforderung über max. 4 Jahre zu.

Dazu hat RA Fricke auch schon Einiges im Forum geschrieben, siehe hier:

http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=11611


Hallo, Herr Cremer,

ich werde diese Urteile in den nächsten Tagen der BdEv-Zentrale zur Verfügung stellen, damit man sie in die Urteilssammlung aufnimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Ahlers
BdEv Münsterland

Offline reblaus

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« Antwort #4 am: 10. September 2009, 21:18:50 »
@Bernd Ahlers

Die Frage, ob der anfängliche Vertragspreis bei unwirksamer Preisänderungsklausel weiter gilt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Es gibt verschiedene OLG-Urteile bei denen Gegenteiliges entschieden wurde. Allerdings hat die verbraucherfreundliche Auffassung meiner Ansicht nach die besseren Argumente auf ihrer Seite.

Die Frage der Verjährung hat kürzlich das AG Dannenberg dahingehend entschieden, dass solche Ansprüche erst nach 10 Jahren verjähren. Auch da wird man auf Rechtsicherheit noch warten müssen.

Offline bolli

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In der Mahnung genannte Urteile liegen jetzt vor
« Antwort #5 am: 11. September 2009, 08:07:02 »
Zitat
Original von reblaus
Die Frage der Verjährung hat kürzlich das AG Dannenberg dahingehend entschieden, dass solche Ansprüche erst nach 10 Jahren verjähren. Auch da wird man auf Rechtsicherheit noch warten müssen.

@BerndA
Und falls diese Linie sich nicht durchsetzt, beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre (§ 195 BGB). Je nach Abrechnungszeitraum können das zwar wegen § 199 (1) BGB fast 4 Jahre werden, ist aber vom Einzelfall abhängig, je nachdem, über welchen Abrechnungszeitraum sich die Rechnung erstreckt.
Ich weiss, dass Sie nichts anderes gesagt haben (\"...auch die Verjährung zu beachten, und die lässt lediglich eine Rückforderung über max. 4 Jahre zu\"), jedoch irritiert manchen Leser die Zahl 4, die so ja auch nicht im Gesetz steht sondern sich erst aus dem jeweiligen Einzelfall ergeben kann. Daher nochmal die Klarstellung auf Basis des Gesetzes.

Offline Opa Ete

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« Antwort #6 am: 11. September 2009, 08:48:23 »
@Reblaus

wenn alle Erhöhungen wegen ungültiger Preisklausel nicht rechtens sind, welcher andere Preis ausser dem Anfangspreis soll denn dann gelten? Kennen sie denn dann noch einen anderen Preis??

Offline reblaus

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« Antwort #7 am: 11. September 2009, 08:54:15 »
@Opa Ete
Die OLG Frankfurt, Oldenburg und Koblenz nehmen an, dass das Sockelpreisprinzip auch auf Sonderverträge mit unwirksamer Preisanpassungsklausel anzuwenden ist. Dann wäre der letzte unwidersprochen hingenommene Preis der Vertragspreis. Ich bin nicht dieser Auffassung.

Aber ich wollte hier auf die Gegenmeinung aufmerksam machen, die immerhin von der Überzahl der Oberlandesgerichte vertreten wird.

Offline userD0010

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« Antwort #8 am: 21. Oktober 2009, 14:24:20 »
@BerndA

einer meiner Mitstreiter, der ebenfalls die Unbilligkeit der Energiepreise seit zwei Jahren erklärt hat, erhielt gestern ein Schreiben seines freundl. Energieversorgers folgenden Inhalts:
\"Ihren Widerspruch weisen wir hiermit ausdrücklich zurück und fordern Sie auf, die Forderung in Höhe von xxx,xx zu überweisen. Wir verweisen auf die Urteile mit den folgenden Aktenzeichen:
-LG Osnabrück vom 02.04.2009
-AG Halle Westf. Urteil vom 09.06.2009

Wir hoffen sehr, dass die eindeutige Rechtslage eine Eskalation der Angelegenheit verhindert und würden uns freuen, die gute Geschäftsverbindung mit Ihnen auch in Zukunft fortzusetzen.\"

Wie solche Briefchen an den Nerven Mancher kitzeln, kann man wohl nachvollziehen, insbesondere, wenn der freundl. Energieversorger wider besseres Wissen z. B. das Urteil des AG Halle in seiner unverhohlenen Drohung zitiert.

Dem freudl. Energieversorger wird entsprechend geantwortet und Aufforderung gegeben, entweder nunmehr Klage vor dem zuständigen Karteillgericht unter Vorlage allen Schriftverkehrs einzureichen oder derartige unseriöse Belästigungen zu unterlassen.

Für wie blöd muss der freundl. Energieversorger seine Kunden halten, dass er Diesen gegenüber auf das Urteil des AG Halle verweist?

Offline Energist

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« Antwort #9 am: 14. November 2009, 04:37:24 »
@BerndA

Ich habe mir die Urteile durchgelesen.

Entnimmst Du Deine Schlußfolgerung, daß
\"eindeutig Verträge mit den RWE abgeschlossen hatten\" (Zitat)

dem Wortlaut der Urteile entsprechend?
- \"... nach Abschluß des Stromliefervertrages ...\" (Halle)
- \"... zwischen den Parteien Verträge ... zustande gekommen ...\" (Osnabrück)

Wird so eine Formulierung nur bei Sondervertragskunden angewandt?
Wie wäre der Wortlaut bei Tarifkunden?

Damit wäre dann auch klar, warum RWE sehr frühzeitig versucht(e) die Leute mit günstigeren Tarifen in Sonderverträge zu drängen.

Viele Grüße
Viele Grüße
Energist

Offline userD0010

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« Antwort #10 am: 14. November 2009, 09:33:34 »
@Energist

Das von RWE zitierte Urteil des AG Halle/W. hat doch absolut nichts mit unserem Energiepreisprotest zu tun. Der Betroffene hat all die Jahre die gestigenen Energiepreise ohne Enwand bezahlt und wollte doch nur mit Hinweis auf seine wirtschaftliche Situation nun plötzlich den geforderten Rechnungsbetrag nicht mehr zahlen.  In seiner dezugehörigen Begründung hat er mit keinem Wort einen Einwand gegen die Preiserhöhungen vorgetragem.
Wenn der Betroffene erstmals nach Erhalt des Mahnbescheides glaubte, die Preisgestaltung rügen zu müssen, lag er vollkommen daneben und mussste zwangsläufig zur Zahlung verdonnert werden.
Allerdings ist eis schon mehr als fragwürdig, dass seitens des EVU solche Urteile gegenüber Protestlern zitiert werden. Das zielt doch nur auf die Angst mancher Kunden und Nichtwissenden, die mit diesen Hinweisen unter Druck gesetzt und zur Zahlung \"animiert\" werden.

Offline Energist

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« Antwort #11 am: 15. November 2009, 15:52:56 »
@h.terbeck
Das war mir schon klar, war allerdings auch überhaupt nicht meine Frage!

@BerndA
Aber die Frage der Schlussfolgerung durch BerndA ist für mich (und wahrscheinlich auch für alle weiteren Tarifkunden) interessant , insofern bitte ich um Antwort.
Viele Grüße
Energist

Offline BerndA

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In der Mahnung genannte Urteile liegen jetzt vor
« Antwort #12 am: 16. November 2009, 10:51:38 »
Hallo Energist,

ja genau, wegen der Formulierungen glaube ich, dass hier Sonderverträge vorgelegen haben müssen.

Bei Tarifkunden spricht man eigentlich nicht so deutlich vom \"Vorliegen von Verträgen\". Tarifkunden erhalten meistens nur \"Begrüßungsschreiben\", sobald Sie sich beim EVU angemeldet haben.

Allerdings wäre hier notwendigerweise eine weitere Recherche zum entsprechenden Einzelfall erforderlich.


Gruß

Bernd A

 

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