Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?

<< < (13/99) > >>

reblaus:
@hby
Ich räume ein, dass ich mich hier geirrt habe. An meiner Analyse halte ich nach wie vor fest. Es macht für die Versorgerwirtschaft keinen Sinn, die Verbraucher beständig auf ihre Rechtsirrtümer hinzuweisen. Im Gegenteil wäre die Strategie weit erfolgversprechender, wenn die Kunden in falschen Ansichten bestärkt würden, damit könnte man dazu beitragen, dass die Gegenseite vor Gericht.entscheidende Fehler begeht.

Das Wirken von Black und Ronny nutzt daher auch den Verbrauchern. Dienen sie doch als Sparringspartner.

Vielleicht sind die beiden es einfach leid, in den Versorgerinformationszirkeln die immer gleichen Versorgerargumente nach links und rechts zu wenden. Das ist ebenso spannend wie RR-E-ft zuzujubeln, wenn er den 8. Zivilsenat ein ums andere Mal kritisiert.

Ich für meinen Teil habe meine Konflikte in der Vergangenheit stets nur deshalb gewonnen, weil ich mich in die Gegenseite hineinversetzt habe. Die Figur des advocatus diaboli halte ich deshalb für das beste, was man haben kann. Wenn die Versorger das selber übernehmen, umso besser.

Vielleicht haben die beiden einfach nur die Einsicht gewonnen, dass die Versorger auch in Zukunft auf Kunden angewiesen sein werden, und es auf Dauer keinen Sinn macht, diesen Konflikt immer weiter zu spinnen. Ich für meinen Teil weiß, dass ich auch in Zukunft jemanden benötige, der mir Gas liefert.

bolli:

--- Zitat ---Original von reblaus
Das Wirken von Black und Ronny nutzt daher auch den Verbrauchern. Dienen sie doch als Sparringspartner.
--- Ende Zitat ---
Umgekehrt genauso. Zum einen hat die Vergangenheit gezeigt, dass die ganze Materie doch sehr komplex ist und daher selbst von einem Fachanwalt nicht ganz leicht zu bewältigen ist (mal abgesehen davon, dass wir Verbraucher nicht immer direkt erkennen können, ob ein \"sogenannter\" Fachanwalt auch tatsächlich einer ist. Da ist es schon besser, dass man auch selbst ein wenig weiss, worum es geht und welche Stichworte ich dem Anwelt nennen muss) und zum anderen ist der Austausch der verschiedenen Argumente und ein mögliches abwägen, wie erfolgversprechend sie sein könnten, doch auch sehr hilfreich.

Dieses trotz der Tatsache, dass man der Gegenseite damit pauschal natürlich schon mal einige Argumente liefert, zu denen sie sich eine Strategie überlegen kann. Aber einige Dinge sind halt zumindest mal rückwirkend auch bei denen nicht mehr zu ändern. Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass auch die Versorger manchmal sehr behäbig in ihrer Umsetzung neuer Erkenntnisse sind. Das wäre dann halt unsere Chance.


--- Zitat ---Original von reblaus
 Ich für meinen Teil weiß, dass ich auch in Zukunft jemanden benötige, der mir Gas liefert.
--- Ende Zitat ---
Das gilt auch für mich. Aber da ich weiss, dass auch der Versorger das weiss, möchte ich vermeiden, dass er sich aus seiner Monopolstellung eine übermäßige ungerechtigtigte Bereicherung zieht. Zumindest solange, wie kein funktionierender Wettbewerb da ist.
Aus diesen Grund ist für mich das Sockelpreisprinzip bei der gesetzlichen Grundversorgung unter Berücksichtigung des Billigkeitsgrundsatzes auch nicht akzeptabel.
Aber Sie haben natürlich recht, dass man einen passenden Fall haben muss. Dazu müssen aber erstmal die Argumente ausgetauscht werden, welche Merkmale da zugehören.

Da die EVUs derzeit ja gerade reichlich Verbraucher aus den Sonderverträgen schmeißen, da diese den neuen Verträgen nicht zustimmen, haben wir sicher eine gute Möglichkeit, einige passende Fälle zu bekommen, wenn wir die notwendigen Maßstäbe (er)kennen.

RA Lanters:
es gibt keinen fachanwalt für energierecht. einen solchen sieht die fachanwaltsordnung nicht vor...

letztendlich zeigt die diskussion aber, dass sich der bgh in eine situation reinmanöveriert, deren ausgang unabsehbar ist.

bin mal gespannt, wie sich die rechtsprechung auf andere rechtsgebiete, z.B. das Mietrecht auswirkt...

jofri46:
Nun nicht gleich den laienhaft gebrauchten Begriff \"Fachanwalt\" strapazieren. Ein Anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt \"Energierecht\" tuts auch. Leider gibts die für Verbraucherinteressen noch nicht flächendeckend.

courage:
Um diese interessante Diskussion nachvollziehen zu können, sollte man die vom 8. Senat des BGH zur Freude der Versorger entworfene \"Theorie des Preissockels\" kennen; sie wurde zwar bereits unter verschiedenen Themen erörtert, trotzdem hier nochmal deren Kern zum besseren Verständnis für Nicht-Juristen anhand eines einfachen Beispiels:

Kunde 1 schloss zum 01.01. einen Grundversorgungsvertrag zum Preis von 5 Cent je kWh Gas ab. Zum 01.04., also 3 Monate später, erhöhte der Versorger den Preis von 5 auf 6 Cent. Gleichzeitig rügte Kunde 1 zurecht die Unbilligkeit der Preiserhöhung.
Die Theorie des Preissockels besagt nun, dass der Anfangspreis von 5 Cent wie in Stein gemeißelt feststehe und nicht mehr angreifbar sei, denn Kunde 1 und der Versorger hätten sich auf 5 Cent Preissockel geeinigt. Nur die gerügte Preiserhöhung von 1 Cent unterliege der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.

Jetzt kommt Kunde 2 ins Spiel: dieser schloss beim gleichen Versorger ebenfalls zum 01.01. einen Grundversorgungsvertrag zum gleichen Preis ab. Im Gegensatz zu Kunde 1 hat Kunde 2 die Preiserhöhung zum 01.04. jedoch nicht zeitnah als unbillig gerügt.
Die Theorie des Preissockels besagt nun, dass aus dem anfänglichen Sockelpreis von 5 Cent zuzüglich der akzeptierten Preiserhöhung von 1 Cent ein neuer Preissockel von 6 Cent erwachsen sei, der ebenso wie in Stein gemeißelt feststehe.

Fazit:
Nach der Preissockel-Theorie gab es zum Zeitpunkt 01.04. bei diesem Versorger zwei Preissockel, nämlich einen von 5 Cent (Kunde 1) und einen von 6 Cent (Kunde 2).

Wer die Preissockel-Theorie verstanden hat, kann folgende kleine Denksportaufgabe lösen:
Wie viele verschiedene Preissockel kann es danach bei ein- und demselben Grundversorger geben?

Und weiter die Preissockel-Theorie auf dem Prüfstand der Lebenswirklichkeit:
Zum 01.07., also wiederum 3 Monate später, senkte der Versorger den Preis von 6 auf 4 Cent.  Kunde 1 rügte die Preissenkung als unzureichend und deshalb als unbillig. Kunde 2 äußerte sich nicht.
Die Theorie des Preissockels besagt, dass es nun auch einen dritten Preissockel von 4 Cent gibt.

Fragen:
1. Wie hoch war der Preissockel zum 01.07. für Kunde 1, wie hoch war er für Kunde 2?
2. Wie viele verschiedene Preissockel sind aus rechtlicher Sicht bei ein- und demselben Grundversorger erlaubt?

Die Frage, welcher Preissockel denn korrekterweise anzusetzen wäre, wird u.a. dann relevant, wenn der Versorger einen Sondervertrag kündigt und den widerspenstigen Kunden gegen seinen erklärten Willen in die Grundversorgung einsortiert.

Siehe auch:
 
--- Zitat ---Original von bolli
... Da die EVUs derzeit ja gerade reichlich Verbraucher aus den Sonderverträgen schmeißen, da diese den neuen Verträgen nicht zustimmen, haben wir sicher eine gute Möglichkeit, einige passende Fälle zu bekommen, wenn wir die notwendigen Maßstäbe (er)kennen.
--- Ende Zitat ---

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