Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
Black:
--- Zitat ---Original von RA Lanters
@ reblaus: sie machen es sich zu einfach. der sockelpreis ist eine erfindung des bgh, kein gesetz und wurde für einen anderen fall entwickelt.
das gesetz sagt: Die Einrede des § 315 BGB kann der Verbraucher geltend machen (17 GasGVV)
im gesetz steht nicht, der verbraucher muss den sockelpreis akzeptieren und kann nur bei preiserhöhungen die einrede geltend machen.
auch aus der rechtsprechung des bgh, die besagt, dass man einen preissockel akzeptieren kann/muss wenn man ihn nicht von anfang an gerügt hat, ergibt sich der umkehrschluss, dass dieser preissockel auch angegriffen werden kann, wenn man ihn von anfang an nicht akzeptiert. preissockel = anfangspreis.
--- Ende Zitat ---
1. Der BGH \"erfindet\" nichts, sondern legt das geltende Recht aus.
2. Der BGH hat eben nicht gesagt, dass man einen Preissockel akzeptiert, wenn man ihn nicht rechtzeitig rügt. Der BGH hat gesagt, dass man die Anpassung des Sockels akzeptiert, wenn man sie nicht rechtzeitig rügt. Den Sockel selber hat man nach Ansicht des BGH vertraglich vereinbart. Eine Vereinbarung ist aber etwas anderes als eine unterlassene Rüge. Wenn Sie die Vereinbarung von Anfang an als unbillig rügen fehlt es nicht nur an der einvernehmlichen Vereinbarung des Sockels sondern an einer kompletten vertraglichen Einigung über die Belieferung zu Grundversorgungspreisen.
(3. Die GVV ist kein Gesetz sondern eine Rechtsverordnung, aber das nur als Formalismus am Rande.)
RR-E-ft:
@Black
Dann handelt es sich wohl formalistisch um kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht aus § 4 AVBV/ 5 GVV, sondern um ein verordnetes oder ergibt sich das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht doch eher unmittelbar aus § 10 EnWG 1998/ 36 Abs. 1 EnWG und somit aus einem Gesetz (so BGH KZR 29/06 Tz. 20)?
Welcher Sockel kann denn bei gesetzlicher Anpassungspflicht überhaupt gemeint sein?
--- Zitat ---Wenn Sie die Vereinbarung von Anfang an als unbillig rügen fehlt es nicht nur an der einvernehmlichen Vereinbarung des Sockels sondern an einer kompletten vertraglichen Einigung über die Belieferung zu Grundversorgungspreisen.
--- Ende Zitat ---
Dieser Schluss ist nicht zwingend (BGH VIII ZR 240/90, VIII ZR 279/02).
jroettges:
Nun scheint die Diskussion an den springenden Punkten angekommen zu sein.
Meine weiter oben gestellten Fragen sind nicht theoretischer Natur sondern die Sache ist, wohl nicht sehr überraschend, wie nachfolgend geschildert abgelaufen.
Der Versorger XYX hat fast nur Sonderverträge, allesamt ohne Preisanpassungsklauseln, sondern nur mit dem Versuch verseucht, sich durch Einbezug der ABVGasV ein einseitiges Preisbestimmungsrecht einzuräumen. Kommt er damit durch? WC!
Im ersten Quartal 2007 schickt der Versorger all seinen Kunden neue AGB, die die Position der Kunden gravierend schwächt (selbst eingeräumtes Recht, jederzeit die AGB zu ändern, Kündigung nur noch zu 2 Terminen im Jahr usw.), aber immer noch keine Preisanpassungsregeln enthält, die der damaligen und heutigen Rechtsprechung stand hielten.
Die Kunden, die diesen AGB widersprechen werden in die Grundversorgung II eingestuft und erhalten eine entsprechende Vertragsbestätigung, der postwendend widersprochen wird. Die Antwort auf diese Widersprüche lautet, man könne den alten Tarif nicht fortsetzen und daher werde die weitere Versorgung in der Grundversorgung erfolgen.
Die Kunden die nicht widersprochen haben, erhalten neue Verträge mit den neuen AGB. Haben sie diese mit ihrem Schweigen akzeptiert?
Das zuständige OLG zerreisst die AGB des Versorgers XYX im September 2008. Der Versorger geht in Revision beim BGH, die noch zur Verhandlung ansteht.
Wenn ich mir jetzt die Diskussion in diesem Faden anschaue, komme ich zu diesen Schlüssen und Fragen:
- bevor die Diskussion über Preisanpassungsregeln (ausgelöst durch die EnWG-Novelle 2005) aufkam, waren alle Proteste und Kürzungen auf den Unbilligkeitsparagraphen §315 gestützt.
- Die Einrede nach §315 hat also beim Preissockel 2003/2004 stattgefunden und wurde seither stets hilfsweise parallel zum Verlangen nach Preisanpassungsregeln gem §41 EnWG aufrecht erhalten.
- der Versorger XYX hat Sonderverträge gekündigt (möglicherweise mit Recht), ohne dass es in dem betreffenden Versorgungsgebiet andere Anbieter gegeben hätte. Es blieb damals nur die Grundversorgung.
- der Versorger hätte die widersprechenden Kunden nicht in die Grundversorgung schicken dürfen, sondern allenfalls in die Ersatzversorgung (@Black: richtig?) und nur noch längstens 3 Monate versorgen dürfen. Davon ist aber nie die Rede gewesen.
- da der Widerspruch nach §315 die gesamte Zeit über bestand, kann es nicht im Frühjahr 2007 zu einem Grundversorgungsvertrag gekommen sein, denn es hat keine Einigung auf einen solchen Vertrag stattgefunden (@Black: richtig?).
- da keine Einigung auf einen Grundversorgungsvertrag stattgefunden hat, ist auch kein neuer Preissockel akzeptiert worden (@Black: richtig?)
- hätte der Versorger XYX in 2007 die widersprechenden Kunden in die Ersatzversorgung gekündigt, wäre damit auch kein neuer Preissockel vereinbart gewesen (richtig?)
Man scheint also mit so locker aus der Hand geschüttelten Dogmen dem Kernproblem nicht entsprechen zu können.
Außerdem war und ist nun erneut, auch bei den Sondervertägen der §315 wieder in den Fokus gerückt.
Kommt also der Versorger XYX bei Gericht mit seiner Kündigung in die Grundversorgung (nun schon über 2 Jahre andauernd!) durch, sieht er sich automatisch wieder mit der Frage der Billigkeit konfrontiert. Auf welchem Preissockel denn?
Bei der Frage der Billigkeit sind aber die Bandagen sehr viel strammer geworden. Sie einfach mit Hinweis auf WP-Bescheinigungen oder Vergleichspreisen zu beweisen, das wird nicht durchgehen.
Auch die neuen Aspekte der Preisminderungspflicht aus den BGH-Urteilen und der gleichermaßen nach oben und unten anzulegenden sachlichen und zeitlichen Kriterien, werden den Versorger nicht schmecken.
Es wird nun erst richtig lustig!
Black:
@jroettges
Ich denke die verschiedenen Möglichkeiten, der Rechtsfolgen einer Unbilligkeitseinrede von Anfang an wurden hier bereits mehrfach benannt.
Konkrete Einzelfälle eines bestimmten Versorgers XYX werde ich dagegen nicht diskutieren.
RR-E-ft:
@jroettges
Zu einem konkreten Versorger XYX äußert sich Black freilich nicht, jedenfalls nicht hier.
--- Zitat ---Original von jroettges
- hätte der Versorger XYX in 2007 die widersprechenden Kunden in die Ersatzversorgung gekündigt, wäre damit auch kein neuer Preissockel vereinbart gewesen (richtig?)
--- Ende Zitat ---
Man kann Kunden nicht \"in etwas hinein\" kündigen, sondern allenfalls bestehende Sonderverträge form- und fristgerecht kündigen, wie Black zutreffend ausführte.
Wie es nach Wirksamwerden der Kündigung weitergeht, insbesondere bei vorsorglichem Widerspruch gegen die Allgemeinen Preise der Grundversorgung, ist fraglich und wird hier heftig diskutiert.
Alle sind sich darüber einig, dass § 315 BGB allenfalls dann auf Sonderverträge anwendbar ist, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss vereinbart haben, dass ein Vertragsteil die Leistung nach Vertragsabschluss bestimmen soll oder zumindest Preisänderungsklauseln eines ganz bestimmten Inhalts gem. Art. 226 § 5 EGBGB iVm. § 305 II BGB wirksam in solche Sonderverträge einbezogen wurden, bei denen sich die Parteien bei Vertragsabschluss auf einen besonderen Preis geeinigt hatten.
Bei dem zur Revision anstehenden Urteil des OLGOL ist schon fraglich, ob überhaupt eine wirksame Einbeziehung gem. § 305 Abs. 2 BGB gegeben war. Fehlte es an dieser, kommt es auf die weiteren Fragen wohl auch nicht mehr an. Wurden AGB schon nicht wirksam in Sonderverträge einbezogen, gibt es auch schon nichts zu zerreißen. Was nicht wirksam in einen Vertrag einbezogen wurde, muss nicht erst noch auf seinen Inhalt hin kontrolliert werden (Inhaltskontrolle).
Davon gedanklich fein zu trennen ist die Frage der Auswirkungen eines gesetzlichen Preisbestimmungsrechts, welches sich direkt aus dem EnWG ergibt (so BGH KZR 29/06 Tz. 20) bzw. aus dazu erlassenen Rechtsverordnungen (so BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07) bei einer Belieferung innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht und dabei wiederum insbesondere die Frage, ob ein Kunde, der einen gesetzlichen Anspruch auf Belieferung gem. §§ 36, 2, 1 EnWG hat, den Ausgangspreis erfolgreich als unbillig rügen kann.
Die unterschiedlichsten Auffassungen dazu liegen \"auf dem Tisch\", jeweils mit mehr oder minder nachvollziehbaren und überzeugenden Begründungen.
U. a. Black meint, ein Vertrag könne ohne Einigung auf einen Preis nicht wirksam zustande kommen.
Es gibt jedoch die Möglichkeit eines wirksamen Vertragsabschlusses ohne Preisvereinbarung, wenn die Parteien nur vertraglich vereinbaren, eine von ihnen solle nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen, was zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt (BGH VIII ZR 138/07 Tz. 16).
Ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, das zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt, kann sich aber auch aus einem Gesetz ergeben (BGH VIII ZR 36/06 Tz. 14/17).
Ich meine, das gesetzliche Preisbestimmungsrecht (und die damit verbundene gesetzliche Preisbestimmunsgpflicht) folge unmittelbar aus § 10 EnWG 1998/ § 36 EnWG (so auch BGH KZR 29/06 Tz. 20), auch wenn mir in BGH VIII ZR 36/06 noch anderes zugeschrieben wird.
Insoweit verfängt auch der Einwand von Black, dass es sich bei AVBV/ GVV um keine Gesetze, sondern nur um Verordnungen handelt. Selbst wenn die Verordnungen vollständig entfielen, bliebe immer noch das gesetzliche Preisbestimmungsrecht erhalten.
Aus diesem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht ergibt sich m. E. auch die gesetzliche Verpflichtung, die Allgemeinen Preise gegenüber allen innerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht belieferten Kunden einheitlich der Billigkeit entsprechend festzusetzen, was schon keinen Raum für individuelle Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden lässt, solche sogar zwingend ausschließt, a. A. [bedeutet anderer Ansicht] BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07. Individuelle Preisvereinbarungen liefen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 36 Abs. 1 EnWG zuwider, Allgemeine Preise festzusetzen, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind, und zu diesen aufgestellten Allgmeinen Preisen jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu beliefern.
Was der VIII.Zivilsenat des BGH teilweise auf den Kopf gestellt hat, gilt es nur wieder auf die Füße zu stellen:
Es gibt wirksame Verträge ohne Preisvereinbarung.
Ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht, das zur unmittelbaren Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt, kann individuelle Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden sogar zwingend ausschließen.
So verhält es sich m.E. bei der Energieversorgung, jedoch nur im Bereich der Belieferung innerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht, von welchem der Bereich der - der Vertragsfreihit unterliegenden - Sonderverträge ganz klar zu unterscheiden ist.
Soweit der Kartellsenat des BGH (in KZR 36/04 Tz. 9 ff.) zutreffend festgestellt hat, dass bei Preisen nach Art Allgemeiner Tarife eine künstliche Aufspaltung der einheitlichen Preisvereinbarung in einen vertraglich vereinbarten Anfangspreis einerseits und einen einseitig bestimmten Folgepreis andererseits zu willkürlichen Zufallsergebnissen führt und führen muss, lässt sich wohl schon sagen, dass der \"vereinbarte Preissockel\" eine Erfindung des VIII. Zivilsenats des BGH ist, auch wenn u. a. der Bankensenat des BGH früher ähnlichen Ideen anhing, von denen er aber wohl zwischenzeitlich abgerückt ist (vgl. XI ZR 78/08].
Der Gesetzgeber hat es zwingend ausgeschlossen, dass mit grundversorgten Kunden individuelle Preisvereinbarungen getroffen werden. Dem läuft die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH über getroffene Preisvereinbarungen ersichtlich zuwider, die auf individuelles Kundenverhalten (Widerspruch ja/ nein) abstellen möchte.
Der gesetzlichen Regelung der §§ 36, 2, 1 EnWG läuft es insbesondere zuwider, wenn einem gesetzlich versorgungspflichtigen EVU ein diesem besonders vorteilhafter (profitabler) Allgemeiner Preis erhalten bleiben soll.
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