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Autor Thema: Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?  (Gelesen 186842 mal)

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Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #315 am: 01. September 2009, 16:06:30 »
@Münsteraner
Wenn wir im Energiemarkt einen freien Markt gehabt hätten, wären die Probleme überhaupt nie entstanden. Wenn in einem freien Markt die Gewinnspannen zu groß werden, finden sich mehr und mehr Unternehmer, die an dem Kuchen teilhaben wollen. Die drücken sich über die Preise in den Markt, das diszipliniert sehr.

Tatsächlich hat unser Land 10 Jahre gestattet, dass ein Monopol, das abgeschafft wurde, faktisch munter weiter bestanden hat, weil keine Regulierung die überkommenen Strukturen beseitigt, und neuen Marktteilnehmer eine faire Chance am Markt gegeben hat. Man braucht sich eigentlich nicht zu wundern, dass sich die Versorger den Ranzen vollgestopft haben, bis sie platzen. Man hat sie machen lassen.

Offline Münsteraner

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #316 am: 01. September 2009, 16:13:54 »
@ Reblaus

Diesbezüglich gebe ich Ihnen vollumfänglich recht. Ändert aber nichts an dem oben Gesagten.

Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #317 am: 01. September 2009, 16:19:41 »
Zitat
Original von Münsteraner
Fakt ist: es gibt sicher nicht wenige Versorger, die ihren gesetzlichen Auftrag, einen möglichst günstigen Preis zu bieten, nicht allzu ernst nehmen, sondern sich aufführen wie Unternehmen der freien Marktwirtschaft mit Gewinnmaximierungsinteresse.
.

Ist Ihnen einmal in den Sinnn gekommen, dass es genau das ist, was der Gesetzgeber wollte? Die EVU sollen sich als Unternehmen der freien Marktwirtschaft (wozu Wettbewerb gehört) entfalten.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Münsteraner

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #318 am: 01. September 2009, 16:27:28 »
Zitat
Original von Black

Ist Ihnen einmal in den Sinnn gekommen, dass es genau das ist, was der Gesetzgeber wollte? Die EVU sollen sich als Unternehmen der freien Marktwirtschaft (wozu Wettbewerb gehört) entfalten.

Scherzkeks. Es geht darum, günstigere Verbraucherpreise zu bekommen. Ein Mittel dazu ist mehr Wettbewerb. Sicher aber nicht, den EVU jedwede Freiheit in der Preisbestimmung zu lassen. Sonst hätte man in § 315 BGB ja gleich hineinschreiben können: \"nach freiem Ermessen\".

Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #319 am: 01. September 2009, 16:40:48 »
@Münsteraner
In einem Wettbewerbsmarkt gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen, die dem Unternehmer seine Freiheit nimmt, die Preise nach seinen Vorstellungen zu gestalten. In einem Wettbewerbsmarkt übernimmt diese Aufgabe die liebe Konkurrenz.

Warten Sie nur ab, bis Aldi und Konsorten Strom- und Gastarife anbieten.

Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #320 am: 01. September 2009, 16:43:36 »
Da der § 315 BGB sehr viel älter ist, als die Liberalisierung der Energiewirtschaft, lassen sich aus seinem Wortlaut keine Herleitungen zum Willen des Gesetzgebers in der Liberalisierung herleiten.

Ich empfehle daher mal das Studium der amtlichen Begründungen zum EnWG 1998 und EnWG 2005.

Der Gesetzgeber ging 1998 davon aus:

Zitat
amtliche Begründung zu EnWG 1998
§ 1 bezeichnet den Gesetzeszweck (...) Diese Ziele lassen sich am besten in einem wettbewerblichen System erreichen, wie es jetzt mit der Gesamtreform des Ordnungsrahmens für Strom und Gas eingeführt wird.

Speziell zur Preisgünstigeit sagte der Gesetzgeber:

Zitat
amtliche Begründung zu EnWG 1998
Preisgünstigkeit verlangt eine Versorgung mit Strom und Gas zu Wettbewerbspreisen.

Der Preis sollte also ausdrücklich im marktwirtschaftlichen Wettbewerb zustande kommen und nicht als \"so billig wie möglich\" vom Staat vorgegeben werden.

Interessant auch die Begründung zum EnWG 2005:

Zitat
amtliche Begründung zu EnWG 2005
Ziel des Gesetzes ist es, durch Entflechtung und regulierung des Netzes die Voraussetzungen für funktionierenden Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten bei Elektrizität und Gas zu schaffen. Der Umfang möglicher Veränderung der Einzelpreise kann infolge der Neuregelung nicht quantifiziert werden. Unmittelbare Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreiseniveau, sind aber nicht zu erwarten.[/i]
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #321 am: 01. September 2009, 16:51:48 »
Weil das EnWG 1998 sein Ziel offensichtlich nicht erreichte, kam es zur Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes 2005. In § 2 Abs. 1 EnWG 2005 wurde eine klare gesetzliche Verpflichtung aufgenommen, die sich inbesondere an Grundversorger richtet, welche gem. § 36 Abs. 1 EnWG Allgemeine Tarife (Preise) der Grundversorgung zu bilden und öffentlich bekannt zu geben haben. Der BGH hat wiederholt festgestellt, dass die Allgemeinen Tarife (Preise) gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind (BGH KZR 2/07, VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08], was eine freie Preisgestaltung im Rahmen der Vertragsfreiheit ausschließt. Der Vertragsfreiheit unterliegen nur Preise für Sonderverträge bei Lieferungen außerhalb der Grundversorgung.

Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #322 am: 01. September 2009, 16:53:24 »
@Black
Gibt es für die Amtliche Begründung eine Internetfundstelle? Am liebstens natürlich für die 2005er Version.

Offline Black

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« Antwort #323 am: 01. September 2009, 16:58:57 »
@ RR-E-ft

Wenn Sie sich die amtliche Begründung des 2005er EnWG zu § 1, 2 ansehen, wird dort nur auf die bestehende Regelung von 1998 verwiesen. Zur Grundauffassung des Gesetzgebers 2005 habe ich oben im übrigen noch ergänzt.

Was Sie eine \"klare Verpflichtung\" nennen beschreibt der Gesetzgeber so:

Zitat
Amtliche Begründung zu § 2 EnWG 2005

Absatz 1 betont die wirtschaftliche Eigenverantwortung der Unternehmen und ergänzt die Zweckbestimmung des Gesetzes nach § 1 um eine Klarstellung, dass die Eigenverantwortung eine grundsätzliche Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen umfasst, im Rahmen der Vorschriften zu einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden leitungsgebundenen Energieversorgung beizutragen.

\"Eigenverantwortung\", \"grundsätzliche Verpflichtung ... im Rahmen der Vorschriften ......beizutragen\"

Als geübter Leser juristischer Formulierungen sollten Sie erkennen, dass eine konkrete beinharte Anspruchsgrundlage anders aussieht.


@reblaus

EnWG 2005
http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2004/0613-04.pdf
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Offline Münsteraner

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« Antwort #324 am: 01. September 2009, 17:22:57 »
Zitat
Original von Black
Der Preis sollte also ausdrücklich im marktwirtschaftlichen Wettbewerb zustande kommen und nicht als \"so billig wie möglich\" vom Staat vorgegeben werden.

Ach, und wieso lautet dann nach der Entwurfsbegründung die letztlich doch formulierte Endfassung \"möglichst preisgünstige\"??

Zitat
amtliche Begründung zu EnWG 2005
Ziel des Gesetzes ist es, durch Entflechtung und regulierung des Netzes die Voraussetzungen für funktionierenden Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten bei Elektrizität und Gas zu schaffen. Der Umfang möglicher Veränderung der Einzelpreise kann infolge der Neuregelung nicht quantifiziert werden. Unmittelbare Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreiseniveau, sind aber nicht zu erwarten.[/i]

Was soll das aussagen?

Offline reblaus

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« Antwort #325 am: 01. September 2009, 17:36:39 »
@Münsteraner
Zitat
§ 1 Zweck des Gesetzes

(1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.

Das Gesetz schreibt nicht vor, dass die Energieversorgung möglichst billig zu erfolgen hat. Neben der Preisgünstigkeit sind gleichrangige Ziele vorgeschrieben, die Auswirkungen auf den Preis haben. Preisgünstig ist auch nicht mit billig gleichzusetzen. Ein möglichst billiger Preis ist dann nicht mehr preisgünstig, wenn er ein Wirtschaften zu auskömmlichen Margen für eine Vielzahl von Versorgern nicht mehr gewährleistet. Dadurch wird der Wettbewerb durch Marktaustritt solcher Versorger eingeschränkt, was später überhöhten Preisen Vorschub leistet.

@Black
Vielen Dank.

Offline Münsteraner

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« Antwort #326 am: 01. September 2009, 17:49:57 »
Zitat
Original von reblaus
@Münsteraner
Neben der Preisgünstigkeit sind gleichrangige Ziele vorgeschrieben, die Auswirkungen auf den Preis haben. Preisgünstig ist auch nicht mit billig gleichzusetzen.

Das bestreite ich nicht. Und ich weiß auch billig von preisgünstig zu unterscheiden. Gleichwohl ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass mit \"möglichst preisgünstig\" nur gemeint sein kann, dass der Versorger alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen hat, dem Verbraucher einen auch möglichst niedrigen Preis zu bieten.

Offline Black

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« Antwort #327 am: 01. September 2009, 18:18:05 »
Zitat
Original von Münsteraner
Das bestreite ich nicht. Und ich weiß auch billig von preisgünstig zu unterscheiden. Gleichwohl ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass mit \"möglichst preisgünstig\" nur gemeint sein kann, dass der Versorger alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen hat, dem Verbraucher einen auch möglichst niedrigen Preis zu bieten.

Schön wenn es so simpel wäre, aber wenn Sie in Absolutheit \"die Ausschöpfung aller Möglichkeiten\" fordern, könnte man ja auch sagen, dass der Verzicht auf Gewinn (Ergebnis +/- Null) auch eine objektiv bestehende Möglichkeit ist. Man kann sogar noch weitergehen, bis zum Eintritt der Insolvenz ist es dem EVU praktisch möglich mit Verlust zu wirtschaften um noch preiswerter zu sein. Gesetzlich gewollt sein kann das aber nicht.

Insoweit wäre die Grenze zu weit gefasst, wenn man das EVU zu allem verpflichtet sehen will was \"möglich\" ist.
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Offline reblaus

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« Antwort #328 am: 01. September 2009, 18:25:25 »
@Münsteraner
Die Frage stellt sich, ob der einzelne Versorger diese Pflicht auferlegt bekommt, oder ob das System der Energiewirtschaft so organisiert werden soll, dass das Gewinnstreben des einzelnen Versorgers durch Wettbewerb soweit kontrolliert wird, dass das Ziel möglichst günstiger Preise erreicht werden kann.

Im ersteren Fall wäre § 1 EnWG als Schutzgesetz zu qualifizieren. Es würde dem Versorger eine individuelle Pflicht auferlegen und dem Verbraucher ein individuelles Recht einräumen. Bei Zuwiderhandlung könnte dies eingeklagt werden.

Hier stellt Black aber völlig zu Recht die Frage, wie denn ein möglichst günstiger Preis berechnet werden kann. Wenn Sie sich nur die Diskussion über die Eigenkapitalrendite ansehen, können Sie vielleicht ermessen, dass das ein völlig unberührtes Feld ist. Da bräuchte es Unmengen an Urteilen um überhaupt einen rechtlichen Rahmen für eine solche Prüfung zu schaffen.

Im zweiten Fall wäre § 1 EnWG nur als Auslegungsregel anzusehen. Die Gerichte hätten die Vorschriften des EnWG so auszulegen, dass das Ziel möglichst günstige Preise durch marktwirtschaftliche Strukturen in der Energiewirtschaft erreicht würden.

Der BGH hat schon bei der Billigkeitskontrolle abgelehnt, die Gerichte zu einer Oberpreisinstanz auszubauen. Und wenn ich mir die Ansichten so manches Dorfrichters genauer ansehe, ist das möglicherweise gar nicht so dumm gewesen. Ich gehe daher eher davon aus, dass sich die zweite Variante durchsetzen wird.

Schlussendlich glaube ich auch, dass wir alle damit besser fahren werden. Wettbewerb ist weit effizienter als Gerichtsverfahren.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #329 am: 01. September 2009, 18:27:50 »
@Black

Was sich aus der gesetzlichen Bindung eines Energiepreises an billiges Ermessen für dessen Höhe und dessen Kontrolle ergibt, ergibt sich aus BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90.

Dort ist auch ausgeführt, dass der vom Versorger zu bestimmende angemessene Preis einen angemessenen Gewinnanteil für diesen enthält, der der Billigkeit entsprechende Preis  mithin ein auskömmlicher Preis für den Energieversorger ist, der Gewinnanteil des Versorgers  jedoch - über das notwendige Maß hinaus- nicht zu hoch bemessen sein darf.

 

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