Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?

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RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von reblaus

@RR-E-ft
Indem das EVU verpflichtet ist, gerichtlich bestimmte billige Preise allen Kunden zu offerieren.
--- Ende Zitat ---

Ich weiß nicht, worauf das ggf. eine Antwort sein soll.

Zunächst stellt sich die Frage, wer wann mit welcher Begründung den Antrag auf gerichtliche Neubestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB stellen soll. Die Entscheidung des LG Hannover vom 19.02.2007 zeigt, dass ein solcher Antrag klagender Kunden abgewiesen werden kann, wenn der Versorger am Verfahren nicht mitwirkt, notwendige Informationen nicht zur Verfügung stellt. Weiter stellt sich die Frage, wie die von Ihnen genannte Verpflichtung zur Offerte (?) konkret durch wen wann wie durchgesetzt werden soll.

reblaus:
@RR-E-ft
Sie denken da zu weit. Ich gehe nicht davon aus, dass der BGH den Sockelpreis wieder kippt, und wir doch noch zu einer anfänglichen Preisbestimmung kommen.

Wenn in einem normalen Widerspruchsverfahren der Versorger den Antrag auf gerichtliche Bestimmung des billigen Preises stellt, weil das Gericht die Preisfestsetzungen als unbillig gewertet hat, dann muss nach meiner Auffassung auch jeder Dritte, soweit er davon Kenntnis erhält, dem Versorger diesen gerichtlich bestimmten billigen Preis entgegen halten können, und verlangen können, dass er nach diesem Preis beliefert wird. Überzahlungen der Vergangenheit muss er herausverlangen können.

Ob der Versorger den Antrag auf gerichtliche Bestimmung überhaupt stellt, oder angesichts drohender Rückforderungen anderer Kunden nicht besser darauf verzichtet, ist eine andere Frage. Der ursprünglich klagende Kunde wird kaum ein Interesse an der Bestimmung haben, da er dann möglicherweise einen Teil der Preiserhöhungen bezahlen müsste.

@Black
Was sorgen Sie sich eigentlich so sehr um die ordentlich kalkulierenden Versorger? Wer seine Preise stets der Billigkeit entsprechend bestimmt hat, muss vor Gericht nichts fürchten, gleich welche Möglichkeiten die Verbraucher haben unrechtmäßig erhobene Beträge zurückzufordern. Die Verfahrenskosten sind stets das Problem dessen, der den Prozess verliert. Ich habe hier hoffentlich nicht den falschen Eindruck hinterlassen, dass eine Streitigkeit über 200 € ein Prozesskostenrisiko von 10.000 € rechtfertigt. Eine Streitigkeit über 200 € rechtfertigt übrigens auch kein Rückforderungsrisiko über mehrere Millionen.

Auch deshalb sind die Chancen und Risiken sehr gleichmäßig verteilt.

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von reblaus
@RR-E-ft
Sie denken da zu weit. Ich gehe nicht davon aus, dass der BGH den Sockelpreis wieder kippt, und wir doch noch zu einer anfänglichen Preisbestimmung kommen.

Wenn in einem normalen Widerspruchsverfahren der Versorger den Antrag auf gerichtliche Bestimmung des billigen Preises stellt, weil das Gericht die Preisfestsetzungen als unbillig gewertet hat, dann muss nach meiner Auffassung auch jeder Dritte, soweit er davon Kenntnis erhält, dem Versorger diesen gerichtlich bestimmten billigen Preis entgegen halten können, und verlangen können, dass er nach diesem Preis beliefert wird. Überzahlungen der Vergangenheit muss er herausverlangen können.
--- Ende Zitat ---

Das ist etwas unverständlich, erscheint in sich widersprüchlich.


--- Zitat ---Original von reblaus

@RR-E-ft
Indem das EVU verpflichtet ist, gerichtlich bestimmte billige Preise allen Kunden zu offerieren.
--- Ende Zitat ---

Erst soll ein Gericht einen billigen Preis bestimmen und dann sollen andere Kunden irgendwie durchsetzen, dass der Versorger auch verpflichtet ist, diesen einen entsprechenden Preis zu offerieren (wenn sie denn von der gerichtlichen Neubestimmung und deren Rechtskraft - die nur inter partes gilt - erfahren)? Andererseits soll das Gericht aber gar keinen billigen Preis bestimmen können, wegen eines (individuell vereinbarten) Preissockels, von dem man nicht wegkäme, weil er nicht kippbar sei? Klingt recht kompliziert.

bolli:

--- Zitat ---Original von Black
Wenn der BGH im Prozess bestimmte Preisanpassungen von einer Billigkeitsprüfung ausnimmt, weil der Kunde nicht (rechtzeitig) widersprochen hat, nimmt er in Kauf dass dieser Kunde ggf auch eine unbillige Preisanpassung zahlen muss.

Wenn es aber auf den Einzelkunden und seine kleinen Einzelvereinbarungen nicht ankäme (wegen der Pflicht zu einheitlichen Tarifen), hätte der BGH trotzdem die Billigkeit prüfen müssen. Hat er aber nicht.
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---Original von Black
Der BGH hätte bereits 2007 so nicht entscheiden können, wenn er der Einheitlichkeit der tarife den Vorzug gegeben hätte. Bereits damals hätte die Verbraucherjuristen-Seite die entsprechenden Argumente anbringen können.
Der \"große Fall\" kommt nicht erst noch. Er ist schon lange gelaufen.
--- Ende Zitat ---

Wenn ich das so lese, sind SIE der Meinung, dass Kunden in der gesetzlichen Grundversorgung nicht den billigen Preis, der für alle gilt, bezahlen müssen, sondern das es nur den für den einzelnen Kunden billigen Preis gibt, der je nach Kunde unterschiedlich sein kann.

Und das nur wegen der Tatsache, dass sie in der gesetzlichen Grundversorgung Gas entnommen haben, ohne das sie nun mal ihr Haus nicht heizen können und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass man von Anfang an der Meinung war, dass der Preis dieses unverzichtbaren Gutes nicht angemessen ist und der Versorger einem einen unbillgen Preis aufzwingen will.

Damit wären wir ja wieder auf der alten Linie des VIII. Senats, das Gas sich auf einem Substitutionsmarkt mit anderen Energieträgern befindet und der geneigte Verbraucher sich ja schließlich auch einen anderen Energieträger suchen kann, wo die Preise aus seiner Sicht angemessen sind.
Wenn mich nicht alles täuscht, ist diese Argumentation aber mittlerweile wieder vom Tisch und wie mir scheint, hat sich dieses in den Köpfen des VIII. Senats noch nicht abgesetzt.

Im übrigen hat der XI. Senat in seiner Entscheidung vom 18.10.2005 - KZR 36/04  Tz 9ff. zur Billigkeitsprüfung folgendes geäußert:

--- Zitat ---Die Parteien sind sich jedoch darüber einig, dass der ausgewiesene Preis derjenige gewesen ist, von dem die Beklagte behauptet, dass sie ihn nach den Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung Strom II plus ermittelt habe. Ein solcher Preis liegt jedoch nicht ein für allemal fest, sondern bedarf der regelmäßigen Neuermittlung unter Berücksichtigung der Entwicklung der preisbildenden Faktoren ... .
--- Ende Zitat ---

Wenn auch diese Entscheidung nicht in einem Endverbraucherverfahren ergangen ist, zeigt sie doch die Auffassung des XI. Senats, dass die Billigkeit des gesamten Preises regelmäßig neu überprüft werden kann (muss). Eine Unterscheidung in Sockelpreis und Preiserhöhung ist hier genausowenig ersichtlich wie in der Entscheidung KZR 29/06 vom 04.03.2008, die ja nach der Entscheidung des VIII. Senats lag.





--- Zitat ---Original von Black
@RR-E-ft
Ich hoffe Ihnen ist klar, dass Sie hier bei Ihren juristisch ungeschulten Verbrauchern ein scheinbar glasklares und gefestigtes Bild einer vermeintlichen Rechtslage aufbauen, die aber einzig auf einer von Ihnen vertretenen Mindermeinung beruht, die der BGHin mehrfacher Rechtsprechung nicht geteilt hat.
--- Ende Zitat ---


Im übrigen ist hier immer von dem BGH und dessen Entscheidung die Rede. Ich möchte nochmals darauf  hinweisen, dass derzeit wohl nur der VIII. Senat dieses Sockelpreisprinzip in der gesetzlichen Grundversorgung so sieht. Der XI. Senat hat dieses durchaus schon anders gesehen, (z.B. BGH, Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06 siehe hier) seine Begründung jedoch so konstruiert, dass sie nicht gegen die des VIII. Senats anläuft und daher noch nicht vom Großen Senat entschieden werden musste. Ich gehe aber davon aus, dass es in absehbarer Zeit zu einer solchen Entscheidung des Großen Senats kommen wird, bei der man dann sagen kann: Der BGH ist der Aufassung... .

@Black
Im Gegensatz zu Ihnen kann RR-E-ft seine Meinung aber mit, aus meiner Sicht, nachvollziehbaren Argumenten und Rechtsgrundlagen  unterlegen und widerholt nicht nur die Entscheidung des XI. Senats, was er ja auch könnte. SIE dagegen sagen lediglich: Der VIII. Senat hat entschieden das die Gasentnahme ein zustandekommen eines Vertrages mit Anerkenntnis des Sockelpreises ist und somit kein einseitiges Preisbestimmungsrecht vorliegt, weshalb § 315 BGB nicht greift. Etwaige absurde Rechtsfolgen, die eine solche Sichtweise nach sich zieht, können Sie nicht auflösen und ziehen sich wieder auf den VIII. Senat zurück. Das ist eher unbefriedigend.
Ob RR-E-ft\'s Meinung eine Mindermeinung ist, wird sich noch rausstellen. Der BGH ist es, wie oben erläutert auch nicht und leider steht Herr Ball (Vors. Richter des VIII. Senats) auch nicht für öffentliche Nachfragen zu diesem Thema zur Verfügung, um die aufgeführten Unklarheiten möglicherweise zu entkräften oder zumindest zu erkennen zu geben, dass man sie bei der seinerzeitigen Aussage bereits mit berücksichtigt hat. An diesem Punkt ist die Urteilsaussage für die gesetzliche Grundversorgung recht dünn, da es sich ja dem Grunde nach um einen anderen Fall handelte. Was da für weitere Fallkonstellationen mit einbezogen waren und welche nicht, ist so auf jeden Fall nicht zu erkennen.

Von daher ist, auch wenn der VIII. Senat bereits in anderen Fällen weiter Bezug auf diese Entscheidung genommen hat, diese \'Kuh noch nicht vom Eis\', wie man hier bei uns so schön sagt.
Wie reblaus an anderer Stelle schon mal sagte: Man wird auf den Fall warten müssen, der dem VIII. Senat die Absurdität seiner Entscheidung vor Augen führt oder darauf hoffen müssen, dass der XI. Senat in einem passenden Fall mal den Großen Senat anruft und dieser anders entscheidet als der VIII. Senat.

Beides ist nicht ausgeschlossen.  ;)

reblaus:
@RR-E-ft
Es kann pro Versorger und für vergleichbare Abnahmeverhältnisse nur einen billigen Preis geben. Dieser kommt zustande, wenn entweder der Versorger sein Leistungsbestimmungsrecht korrekt anwendet, und den billigen Preis bestimmt. Oder er kommt zustande, in dem gerichtlich festgestellt wird, dass der Versorger seine Leistungsbestimmung fehlerhaft vorgenommen hat, und der billige Preis durch Urteil bestimmt wird.

Sobald ein solcher Preis durch Urteil rechtskräftig bestimmt ist, verdrängt er wegen der Pflicht des Versorger, jedermann zu gleichen Tarifen zu beliefern, den höheren vom Versorger bestimmten Preis. Der Versorger muss einen solchen Preis mit Rechtskraft jedermann anbieten, ansonsten verstößt er gegen § 36 EnWG.

Damit nicht zahlreiche unterschiedliche billige Preise durch Urteil gebildet werden können, hat der Gesetzgeber die Zuständigkeit bei den Kammern für Handelssachen angesiedelt.

Auch die Problematik mit dem Preissockel ist lösbar.

Der billige Preis lässt sich in die Bestandteile der verschiedenen Preisänderungen aufteilen. Für jede Preisänderung kann eine eigenständige Billigkeitskontrolle vorgenommen werden. Wird der Gesamtpreis keiner Billigkeitskontrolle unterzogen, weil alle Kunden einen Preissockel vertraglich vereinbart haben, so ist der Versorger nur verpflichtet, die Preisanteile deren Billigkeit per Urteil bestimmt wurden, allen Kunden gegenüber anzupassen.

Selbst der Umstand, dass ein Gericht wegen unvollständiger Informationen des Versorgers einen zu günstigen billigen Preis festsetzt, halte ich für unproblematisch. Der Versorger hat einen Ermessensspielraum, den er auch zugunsten des Kunden anwenden kann. Er kann nach seinem Ermessen Informationen die zur korrekten Preisbestimmung erforderlich sind, vertraulich halten und auf daraus resultierende Ansprüche auf einen höheren Preis verzichten.

Immer da wo Mathematik ins Spiel kommt wird es kompliziert. Für manche zu kompliziert. Auch der Richter rechnet nicht. Aber dafür gibt es Sachverständige, die rechnen Ihnen alles aus, was Sie benötigen.

@Bolli
Der VIII Zivilsenat hat beim Sockelpreis den Allgemeinen Teil Schuldrecht beachtet, er wird beim billigen Preis für jedermann auch den § 36 EnWG berücksichtigen.

Nur Verbraucher und Versorger haben die Neigung, Gesetze die der eigenen Auffassung im Wege stehen, mal schnell beiseite zu legen. Was zur Folge hat, dass sie ganz entsetzt sind, wenn sie feststellen, dass der BGH ihrem (schlechten) Beispiel wieder einmal nicht gefolgt ist, und ganz anders entschieden hat.

Ich glaube nicht, dass der Sockelpreis nochmals aufgegeben wird. Er wird aber durch zahlreiche Rechtsinstrumente ergänzt werden müssen, um die Absurditäten, die er ansonsten erzeugen würde, zu beseitigen.

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