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Autor Thema: 2 Mio EUR für Gasrebellen  (Gelesen 7190 mal)

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Offline RR-E-ft

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2 Mio EUR für Gasrebellen
« am: 19. August 2009, 18:19:21 »
Geld für Gasrebellen

Zitat
Der regionale Gasversorger Main-Kinzig-Gas zahlt an einen Teil seiner Kunden insgesamt über zwei Millionen Euro zurück und macht weitere Zugeständnisse. \"Ein Signal\", sagte Karlheinz Schreiber von der örtlichen Initiative Energieverbraucher Main-Kinzig, \"dass wir gegen die Energiekonzerne nicht machtlos sind.\"

Mit Rückendeckung der Initiative haben Gaskunden im Mai ein folgenreiches Urteil gegen das Unternehmen erstritten, das je zur Hälfte der Mainova und den Main-Kinzig-Kreiswerken gehört. Das (OLG) verwirft damit eine Klausel über Preisänderungen, die in den meisten Lieferverträgen für Haushaltskunden steht. Das sei nicht transparent genug, erkannten die Richter analog zu ähnlichen Wertungen des Bundesgerichtshofs.


Nach dem rechtskräftigen Entscheid basieren nunmehr sämtliche Preiserhöhungen der Main-Kinzig-Gas seit dem 1. November 2005 auf einer ungültigen Bestimmung. \"Bis Mai 2009 Gas zu Tarifen von 2005 zu verkaufen, als der Preis halb so hoch war \", dagegen sperrte sich Geschäftsführer Rudolf Benthele jedoch bislang vehement.


Die Klausel

Eine Bestimmung in vielen Gaslieferverträgen war der Hebel, mit dem die Gasrebellen juristisch Erfolg hatten.

Sie lautet: Main-Kinzig-Gas wird den Gaspreis unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung für die Bereitstellung von Erdgas und den jeweiligen Verhältnissen auf dem Haushaltswärmemarkt in der Regel zum 1. April und zum 1. Oktober eines Jahres festsetzen. Preisänderungen zu anderen Terminen bleiben vorbehalten.

Gleichartige Klauseln verwenden auch zahlreiche andere Versorger.

In Dreieich kämpft die Bürgerinitiative \"Runter mit dem Gaspreis \" seit Jahren gegen die Preise der lokalen Stadtwerke und gegen die Preisanpassungsklausel. Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied 2008, dass die Preisklausel unwirksam ist.

In Bad Homburg streiten die Stadtwerke noch in erster Instanz vor dem Frankfurter Landgericht mit etwa 30 \"Gasrebellen\", die seit 2004 die Erhöhungen der Gaspreise nicht bezahlen.

Die Forderung der Verbraucherinitiative, alle 26000 betroffenen Kunden rückwirkend schadlos zu halten, bedeute einen zweistelligen Millionenbetrag und somit das Ende des Unternehmens.


Zitat
Auch Widersacher Benthele räumt ein, dass die Aktionen der Initiative spürbare Resonanz zeitigen. Rund 2100 Kunden hätten opponiert.

Nur diese Gruppe der Aufmüpfigen soll nun auf Beschluss des Aufsichtsrates in den Genuss der Erstattungen kommen. Für einen Durchschnittshaushalt schätzt Benthele die Summe auf etwa 800 Euro, falls der entsprechende Sondervertrag gilt und 2005 bis 2006 schriftlich einer Preiserhöhung widersprochen wurde. Alles zu berechnen und umzusetzen, werde aber noch Monate dauern. Die übrigen Kunden soll eine Prämie von 85 Euro befrieden und zum Vertragswechsel motivieren.

Waren die Klauseln unwirksam, so waren es auch die darauf beruhenden Gaspreiserhöhungen (BGH VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07). Der Versorger kann dann wegen der Zahlungen seiner Kunden, die auf den unwirksamen Preiserhöhungen beruhten, ungerechtfertigt bereichert und gem. § 812 BGB  zur Rückzahlung verpflichtet sein (BGH VIII ZR 199/04).

Offline bolli

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2 Mio EUR für Gasrebellen
« Antwort #1 am: 20. August 2009, 08:36:55 »
Tja, da kann man nur ALLE Kunden der Main-Kinzig-Gas animieren, sich zur Gruppe der Aufmüpfigen zu gesellen, um ihr zu unrecht gezahltes Geld ebenfalls zurück zu bekommen.

Man muss sich heute damit abfinden, dass man nur dann etwas unberechtigt Gezahltes zurück bekommt, wenn man sich AKTIV darum kümmert. Die Zeiten der Beglückung ohne eigenes zutun sind endgültig vorbei. Moral gilt im Geschäftsleben nichts mehr und ist \"uncool\".

Vielleicht ist das ja Ansporn für einige Zurückhaltende, sich doch offen und schriftlich auf die Seite der Protestler zu schlagen und so die Argumentation der Versorger, dass der ganze Preisprotest ja nur Wenige betreffe (zwar mittlerweile deutlich mehr, aber prozentual immer noch gering) ad absurdum zu führen.

Offline RR-E-ft

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2 Mio EUR für Gasrebellen
« Antwort #2 am: 20. August 2009, 14:57:11 »
\"Schäbiges Angebot\"

Zitat
Aber Carsten Kettner, Sprecher der Energieverbraucher, nennt es \"schäbig\", von über 20.000 Betroffenen nur die 22 Kläger und weitere 2100 Kunden zu entschädigen, die Preiserhöhungen widersprochen haben.

Die Energieverbraucher wollen nun \"mit Nachdruck auf Gleichbehandlung aller Sondervertragskunden bestehen\". Sie drohen sowohl mit \"juristischen Mitteln als auch mit dem Druck der Kunden selbst\". Die avisierten Rückzahlungen von insgesamt rund zwei Millionen Euro versteht Rudolf Benthele, Geschäftsführer der Main-Kinzig-Gas, jedoch als ein Vergleichsangebot nur an diejenigen Kunden, die möglicherweise Erstattungen vor Gericht erstreiten könnten. Das seien nur die Preisstreiker. Der Aufsichtsrat dürfe nicht ohne Rechtsgrundlage handeln: \"Er würde sich wegen Veruntreuung strafbar machen.\"

Halbwegs unsinnig, die Kunden nach jahren mit einer Preissenkung abfinden zu wollen. Im Zweifel wollen die Kunden mit dem Lieferanten nach versorgerseitiger Kündigung nichts mehr zu tun haben. Kein Ausgleich ist es auch, wenn man Neukunden Begrüßungsgeld in die Hand drückt, das man zuvor mit unwirksamen Preisänderungen gegenüber Bestandskunden erwirtschaftet hatte.


Zitat
Benthele argumentiert, dass nun für alle 26.000 Kunden mit einem neuen Tarifsystem drastische Preissenkungen zum 1. September bevorständen, obwohl die Höhe der Preise an sich vom Gericht nicht kritisiert worden sei. \"Kunden sparen je nach Produkt und Verbrauch von 16 bis zu 35 Prozent im Vergleich zum vorigen Winter.\" Bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden spare ein Kunde mit dem Wechsel von \"MaxiVariabel\" zu \"MaxiSpar 2009\" knapp 510 Euro.

Zudem soll eine Starterprämie von 85 Euro zum Wechsel in die neuen Verträge \"mit eindeutiger Formulierung zu Preisänderungen\" motivieren. Auch wer bereits umgestellt hat oder Neukunde wird, erhält das Kopfgeld.

Knapp 510 € kann man allenfalls dann gegenüber dem Vorjahr sparen, wenn man zuvor die rechtswidrig erhöhten Preise gezahlt hatte, den selben Verbrauch wie im Vorjahr hat, nicht wechselt  und zudem die Preise nicht binnen Jahresfrist wieder erhöht werden, was schon keiner ausschließt, so dass es womöglich schon zum 01.11., 01.12., oder 01.01. dazu kommen könnte. Siehste hier.

Fraglich, wieviel die Kunden zuvor zuviel gezahlt hatten (ca. 800 €) und um welche Beträge die Preise sowieso wegen rückläufiger Kosten abgesenkt werden mussten.

Zitat
Nur diese Gruppe der Aufmüpfigen soll nun auf Beschluss des Aufsichtsrates in den Genuss der Erstattungen kommen. Für einen Durchschnittshaushalt schätzt Benthele die Summe auf etwa 800 Euro, falls der entsprechende Sondervertrag gilt und 2005 bis 2006 schriftlich einer Preiserhöhung widersprochen wurde.

Offline Kettner

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2 Mio EUR für Gasrebellen
« Antwort #3 am: 28. August 2009, 13:27:26 »
Nachdem zwei Verhandlungen am Starrsinn der Verhandlungsdelegation der Main-Kinzig-Gas gescheitert sind, werden nun etwas härtere Bandagen angelegt:
Die Kläger und Preisstreiker, die vom Unternehmen als rückforderungsberechtigt anerkannt wurden, werden nun zwei Beträge zurückfordern: zum einen auf der Basis des Arbeitspreises zu Beginn des Vertragsverhältnisses, mindestens jedoch auf der Basis des Arbeitspreises vom 1. Januar 2005. Hier ist ein Kundenkreis von 2100 Kunden betroffen. Der erste Rückforderungsbetrag verdoppelt ungefähr den zweiten Rückforderungsbetrag. Das würde die MKG ca. 4 bis 5 Mio EUR kosten. Ein Pappenstiel bei den angelegten Reserven.

Auch die restliche schweigende Masse der Sondervertragskunden wird aufgefordert Rückforderungsansprüche geltend zu machen und die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu beobachten.
Auf keinen Fall raten wir diesen Kunden, das Bestechungsgeld in Höhe von EUR 85 entgegen zunehmen und mit dem Unternehmen ein neues Vertragsverhältnis zu beginnen, das zumal nur eine Laufzeit bis 31.12.09 hat!

Es ist doch klar, daß die Starterprämie im Folgenden doppelt und dreifach wieder einkassiert wird.

Die Kunden sollten lieber dem Versorger, der ihnen so kräftig in den Allerwertesten getreten hat, die Rote Karte zeigen und den im Main-Kinzig-Kreis existierenden Markt nutzen. Es gibt eine Reihe von preisgünstigeren Anbietern.

Übrigens: Die Wechselkampagne der Energieverbraucher Main-Kinzig tat dem Gasversorger richtig weh. Nach eigenem Bekunden verlor die MKG doppelt so viele Kunden wie vergleichbare Gasversorger.

Der K(r)ampf geht also weiter.
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

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2 Mio EUR für Gasrebellen
« Antwort #4 am: 14. September 2009, 15:46:07 »

Offline Kettner

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2 Mio EUR für Gasrebellen
« Antwort #5 am: 28. Oktober 2009, 13:52:32 »
Herr Fricke verlinkte auf:

Zitat
Weiter politischer Hickhack

In der Tat glauben nun sogar einige Parteien im Kreistag populistisches Oberwasser zu haben, die in der Vergangenheit den Gasversorger verteidigt haben. Die Politik kann hier nun in großartiges Gemecker und Gezeter ausbrechen, weisungsbefugt ist sie hier gegenüber Main-Kinzig-Gas nicht.

Trotzdem, der Hickhack geht weiter; die Kunden müssen sich nun in Klagen ihre Ansprüche erstreiten. Nach wie vor beharrt MKG auf der Einschätzung, nur Kläger und Preisstreiker bedienen zu müssen. Juristisch stützt sich dies auf das OLG-Frankfurt-Urteil, wenngleich hier lediglich über die Wirksamkeit der Preisgleitklausel geurteilt wurde, nicht jedoch über die Rückzahlungsmodalitäten.

Ökonomisch und vom Standpunkt des Marketing ist diese Haltung jedoch verheerend; die Stimmungslage innerhalb der Kundschaft ist aufgeheizt, die Wechselbestrebungen höher als je zuvor. Nicht zuletzt auch dadurch, daß der Versorger die Kunden ein weiteres Mal über den Tisch zu ziehen versucht Verbraucherinitiative kritisiert neuen Gastarif.

Erst die Kunden über einen vergleichsweise günstigen Tarif anfixen, diesem jedoch nur eine Laufzeit von 3 Monaten zu geben und im Kleingedruckten die Preissteigerung um 16% zum 1. Januar unterzujublen - bei einem Vertrag, der die Kunden auf ein Jahr bindet. Die Preiserhöhung ist damit bereits bei Unterschrift vom Kunden akzeptiert.

So macht man sich Freunde.
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

 

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