Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB schließt Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB regelmäßig aus

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RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von reblaus
Das ist die Crux. Das Urteil vom 15.07.2009 wird nicht beachtet, weil nicht sein kann, was nach Ansicht von RR-E-ft nicht sein darf. Da läuft man gegen eine Wand, die sich hartnäckig gegen jedes Argument damit wehrt, dass es diese Rechtsprechung des BGH gar nicht gebe und nie geben werde.
--- Ende Zitat ---

@reblaus

Ich weiß nicht, gegen welche wehrhafte Wand Sie ggf. gelaufen sind. Ich hoffe, Sie sind nicht zu Schaden gekommen. ;)


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@Black

Den Preissockel bildet der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis.

Bei Vereinbarung einer Preisänderungsklausel, die das Äquivalenzverhältnis im konkreten Vertragsverhältnis anhand der Kostenentwicklung nach Vertragsabschluss sichern soll und  muss, müssen Kostenänderungen nach Vertragsabschluss - egal in welche Richtung - nach gleichen Maßstäben weitergegeben werden, was bei rückläufigen Kosten nach Vertragsabschluss auch eine Verpflichtung zur Preisabsenkung (Preisanpassung zugunsten des Kunden)  einschließt, zur Wirksamkeit der Klausel ausdrücklich einschließen muss (VIII ZR 56/08, VIII ZR 225/07).

Ohne wirksame Preisänderungsklausel ist der Preissockel in einem Sondervertrag hingegen einseitig  nicht veränderlich (KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07).
--- Ende Zitat ---

Eine Preisänderungsklausel gewährt ein Anpassungsrecht nur aufgrund der Kostenentwicklung während der Vertragslaufzeit, mithin nach Vertragsabschluss.


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 56/08 Tz. 29

Die Formulierung (\"darf\") lässt eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verweis auf § 5 Abs. 2 GasGVV und der anschließenden Formulierung: \"Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden.\" Daraus ergibt sich zwar, dass die Beklagte, wenn sie eine Preisänderung vornimmt, an die Regelung des § 5 Abs. 2 GasGVV und an den Maßstab billigen Ermessens gebunden sein soll. Der Formulierung ist aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass die Beklagte auch im Falle einer Absenkung der Gasbezugskosten verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung vorzunehmen. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Gasbezugskosten umgehend, niedrigeren Gasbezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen. Mit diesem Inhalt weicht die Klausel von dem gesetzlichen Leitbild des § 5 Abs. 2 GasGVV (§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV) zum Nachteil des Sonderkunden ab (BGHZ 176, 244, Tz. 20 f., 26).
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH, Urt. v.15.07.2009, VIII ZR 225/07 Tz. 22

Den Gasversorgungsunternehmen soll nach dem Willen des Verordnungsgebers der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden die Möglichkeit gegeben werden, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben, ohne die Verträge kündigen zu müssen (BR-Drs. 77/79, S. 34).
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07 Tz. 26

Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Preisanpassungsbefugnis das Äquivalenzverhältnis wahren muss und dem Berechtigten nicht die Möglichkeit geben darf, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen[/B] (BGH, Urteil vom 21. April 2009, aaO, Tz. 25; Urteil vom 17. Dezember 2008, aaO, Tz. 18; BGHZ 176, 244, Tz. 18; Urteil vom 13. Dezember 2006, aaO, Tz. 21; Urteil vom 21. September 2005, aaO, unter II 2).
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH, aaO, Tz. 27

Diesen Anforderungen wird die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel nicht gerecht. Sie sieht die uneingeschränkte Weitergabe von Bezugskostensteigerungen vor. Damit ermöglicht sie der Beklagten eine Preiserhöhung wegen gestiegener Gasbezugskosten auch dann, wenn sich ihre Kosten insgesamt nicht erhöht haben, und ermöglicht damit eine Verschiebung des vertraglich vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zum Nachteil der Kunden der Beklagten.
--- Ende Zitat ---



--- Zitat ---BGH , aaO. Tz. 28

Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, wie oben bereits ausgeführt, weiter, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. April 2009, aaO, Tz. 25).
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH, aaO, Tz. 29

Diese Formulierung lässt eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Etwas anderes folgt auch nicht aus der anschließenden Formulierung \"Die Preisänderungen schließen sowohl Erhöhung als auch Absenkung ein.\" Daraus ergibt sich zwar, dass auch Preissenkungen möglich sind. Der Formulierung ist aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass die Beklagte auch im Falle einer Absenkung der Gasbezugskosten verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung vorzunehmen. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Gasbezugskosten umgehend, niedrigeren Gasbezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 20 f.).
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH, aaO. Tz. 11

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die von der Beklagten dem Kläger gegenüber vorgenommenen Gaspreiserhöhungen zum 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 wirksam seien. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Preisanpassungsregelung in § 3 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Ein Recht zur einseitigen Änderung des Gaspreises steht der Beklagten daher nicht zu, sodass die streitigen Preiserhöhungen schon deshalb unwirksam sind. Auf die Frage, ob die Preiserhöhungen einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB standhielten, kommt es somit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.
--- Ende Zitat ---

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@Black

Den Preissockel bildet der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis.

Bei Vereinbarung einer Preisänderungsklausel, die das Äquivalenzverhältnis im konkreten Vertragsverhältnis anhand der Kostenentwicklung nach Vertragsabschluss sichern soll und  muss, müssen Kostenänderungen nach Vertragsabschluss - egal in welche Richtung - nach gleichen Maßstäben weitergegeben werden, was bei rückläufigen Kosten nach Vertragsabschluss auch eine Verpflichtung zur Preisabsenkung (Preisanpassung zugunsten des Kunden)  einschließt, zur Wirksamkeit der Klausel ausdrücklich einschließen muss (VIII ZR 56/08, VIII ZR 225/07).

Ohne wirksame Preisänderungsklausel ist der Preissockel in einem Sondervertrag hingegen einseitig  nicht veränderlich (KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07).
--- Ende Zitat ---

Soweit so unstreitig.

RR-E-ft:
@Black

Das war in Bezug auf Sonderverträge unstreitig.

In Bezug auf Tarifkunden sehe ich einen Widerspruch in einer angeblichen Preisvereinbarung einerseits und einer bestehenden  gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit andererseits. Ich meine, dass gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht sei nicht anders zu bewerten als ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, welches zur unmittelbaren Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt (a.A. BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16). Nur in jenem Punkt bestehen unterschiedliche Auffassungen.

Ich hatte auch noch nie etwas dagegen, bei Abschluss eines Sondervertrages ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten  zu vereinbaren, welches zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@Black

Das war in Bezug auf Sonderverträge unstreitig.

In Bezug auf Tarifkunden sehe ich einen Widerspruch in einer angeblichen Preisvereinbarung einerseits und einer bestehenden  gesetzlichen Bindung des Allgemneinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit andererseits.
--- Ende Zitat ---

Mag sein, dass Sie das so sehen. Allerdings vertreten Sie damit eine vom BGH abweichende Auffassung.

RR-E-ft:
@Black

Ich bin der Auffassung, ein Tarifkundenvertrag kam zumeist allein durch Entnahme von Energie aus dem Netz zustande, auch wenn der Kunde die Allgemeinen Tarife gar nicht kannte.

Der Kunde hat dabei auch keinen Preis vereinbart, sondern der Versorger stufte ihn in einen der parallel nebeneinander bestehenden Allgemeinen Tarife ein.

Das Recht, den Kunden in einen der parallel nebeneinander bestehenden Allgemeinen Tarife einzustufen, folgte m. E.  bereits aus dem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers, auch gesetzliches Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht genannt.

Möglicherweise ist der VIII. Zivilsenat des BGH der (rein tatsächlich wohl eher  irrigen) Annahme, der Tarifkunde wähle schon vor Vertragsabschluss einen bestimmten Allgemeinen Tarif aus den nebeneinander bestehenden aus und vereinbare diesen mit dem Versorger. Solche Fälle mag es auch geben. Es ist jedoch nicht der Regelfall.

Die Praxis ist - nach meiner Erfahrung jedenfalls in Neufünfland - eine andere.

Zudem führte die Vereinbarung eines bestimmten Tarifs zum 28.04. auch nicht zur Preisvereinbarung und zur Bildung eines zu wahrenden Äquivalenzverhältnisses, wenn der Versorger etwa aufgrund des bestehenden gesetzlichen Tarifbestimmungs- und - änderungsrechts am 30.04. neue Tarife öffentlich bekannt gab und diese ab 01.05. auch für diesen Tarifkunden galten, die vorherigen Tarife zugleich außer Kraft gesetzt wurden.  Kostenänderungen zwischen Vertragsabschluss und Tarifneubestimmung konnten in solchen Fällen wohl auch nicht eingetreten sein.

Ich meine deshalb, dass bei Traifkunden kein zu wahrendes Äquivalenzverhältnis vertraglich vereinbart wurde, sondern der Versorger von Anfang an und auch für die Zukunft das jeweilige Äquivalenzverhältnis bestimmen sollte und zu bestimmen verpflichtet war, auch und gerade wegen der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (vgl. auch BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 9 ff.).

Der Kartellsenat des BGH spricht im Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 m. E. demgemäß auch vom gesetzlichen Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht des Versorgers und der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit und unterscheidet davon deutlich einen bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis, auf welchen das gesetzliche Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht gerade keine Anwendung findet.

Widersprüchlich erscheint mir zudem, dass der VIII.Zivilsenat die Auffassung vertritt, die Gerichte sollten einerseits nicht die an den gesetzlichen Maßstab der Billigkeit gebundenen Allgemeinen Tarife bestimmen, die Gerichte jedoch andererseits jetzt unter bestimmten Konstellationen wohl sogar bei Sonderverträgen und somit in weit größerem tatsächlichen Umfange Ersatzbestimmungen gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB treffen sollen.  Widersprüchlich erscheint mir dabei weiter, dass eine gerichtliche Billigkeitskontrolle auch dann erfolgen soll, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nicht vereinbart haben, dass einer von ihnen nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen soll, was die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB ja gerade voraussetzt.  

Dass ich dabei eine vom VIII. Zivilsenat des BGH  in derzeitiger Besetzung abweichende Auffassung vertrete, habe ich nicht nur deutlich gemacht, sondern auch wiederholt begründet, so gut es mir eben möglich war. Wenn manche Zeitgenossen deshalb meinen, sie liefen permantent gegen eine Wand, so kann ich das nicht wirklich nachvollziehen. Ich hatte noch nie ein Problem damit, auch mal eine sog. abweichende Meinung zu vertreten. Mag sein, dass einige - aus welcher Motivation heraus auch immer -  meinen, sog. Abweichlertum bekämpfen zu müssen. Denen sei Gelassenheit anempfohlen.

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