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Autor Thema: OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09 - VI - 2 U (Kart) 14/08 Tarifkunde oder Sonderkunde?  (Gelesen 6059 mal)

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Das  lesenswerte Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.06.2009, Az. VI- 2 U (Kart) 14/08 befasst sich mit der Abgrenzung zwischen Tarif- und Sonderkunden bzw. Allgemeinen Tarifen und Sondertarifen bei der leitungsgebundenen Gasversorgung. Diese Frage ist oft entscheidend, wenn es um Streitigkeiten über einseitige  Gaspreisänderungen geht.

Das OLG Düsseldorf wertet den Sachverhalt deutlich anders als die Vorinstanz LG Düsseldorf, Urt. v. 04.06.2008 und ändert die Entscheidung auf die  Berufung des Klägers folgerichtig ab.




Zitat
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

URTEIL

VI-2 U (Kart) 14/08 verkündet am 24.06.2009

[LG Düsseldorf 34 O (Kart) 207/07]

In dem Rechtstreit

- Klägers und Berufungsklägers -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Holling und Müller in Düsseldorf

gegen

Beklagte und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte: Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Düsseldorf

hat der 2. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 06. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dicks, den Richter am Oberlandesgericht Schüttpelz und die Richterin am Oberlandesgericht Dieck-Bogatzke
für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 04. Juni 2008 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten hinsichtlich des zwischen den Parteien bestehenden Gas-Lieferungsvertrages zur Vertragskontonummer XXXXXX zum 01. Oktober 2004, 01, Januar 2005, 01. Oktober 2005 sowie zum 01 Januar 2006 vorgenommenen Erhöhungen der Gastarife unwirksam sind.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, mit Ausnahme der durch die Anrufung des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn entstandenen Kosten, die der Kläger trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
vön 105 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 105 % des beizutreibenden Betrages leistet.
 
Gründe:

Das Grundstück des Klägers wird von der Beklagten leitungsgebunden mit Erdgas versorgt. In diesem Zusammenhang teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vorn 18,09.2002 u.a. Folgendes mit:

„. hiermit bestätigen wir den durch die Entnahme von Erdgas Ober ihren Erdgasanschluss zustande gekommenen Vertragsschluss.
Neben den Bedingungen aus diesem Vertrag gelten die „Allgemeine Versorgungsbedingungen (AVB)\", die wir Ihnen auf Wunsch gerne zusenden, sowie das jeweils gültige Preisblatt.
Die Abrechnung des Zählers ... beginnt am 18.09.2002 zum Tarif TK Besttabrechn. Midi — Maxi.\"


Ausweislich des Preisblattes stellte die Beklagte weitere Tarife zur Verfügung, u.a. den Tarif ErdgasMini. Ausweislich der - nur teilweise vorliegenden - Preisblätter war der Grundpreis je Monat bei den Tarifen ErdgasMidi und ErdgasMaxi höher als beim Tarif ErdgasMini, dafür der Arbeitspreis geringer; eine Bestpreisabrechnung innerhalb der Tarife Erdgas Midi und ErdgasMaxi setzte einen Verbrauch über einen Zeitraum von 12 Monaten voraus.

Den ursprünglichen Arbeitspreis von 3,35 Ct/kWh hob die Beklagte unter Berufung auf Bezugspreissteigerungen zum 01.10.2004 auf 3,70 Ct/kWh, zum 01.01.2005 auf 4,05 Ct/kWh, zum 01.10.2005 auf 4,55 Ct/kWh und zum 01.01.2006 auf 4,92 Ct/ kWh an. Diesen Erhöhungen widersprach der Kläger jeweils unverzüglich nach Ankündigung. Die Beklagte hat die erhöhten Preise in Rechnung gestellt.

Der Kläger hält die Preiserhöhungen für unbillig. Es sei von der Beklagten nicht dargetan, dass sie allein durch erhöhte Bezugspreise bedingt und nicht durch Kosteneinsparungen an anderer Stelle ausgeglichen seien.

Er hat daher beantragt,
festzustellen, dass die von der Beklagten hinsichtlich des zwischen den Parteien bestehenden Gaslieferungsvertrages zur Vertragskontnummer XXXXX zum 01. Oktober 2004, 01. Januar 2005, 01. Oktober 2005 sowie zum 01. Januar 2006 vorgenommenen Erhöhungen der Gastarife unbillig und damit unwirksam sind.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen,

Sie hat geltend gemacht, ihr Preiserhöhungsrecht ergebe sich aus § 4 AVBGasV. Sie habe lediglich die Bezugskostensteigerungen weitergegeben, und auch das nicht vollständig. Kosteneinsparungen an anderer Stelle habe es nicht gegeben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe gemäß dem für das Tarifkundenverhältnis maßgeblichen § 4 AVBGasV zu Recht eine Preiserhöhung vorgenommen. Es ist auf Grund des Vorbringens der Beklagten und der vorgelegten Wirtschaftsprüferbescheinigung von dem Nachweis dafür ausgegangen, dass die Preiserhöhungen nur durch Bezugspreissteigerungen bedingt gewesen seien. Zudem habe die Beklagte zu den besonders günstigen Gasversorgungsunternehmen gehört.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er beanstandet unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens, dass das Landgericht seiner Entscheidung das von ihm bestrittene Vorbringen der Beklagten zugrunde gelegt habe. Auch die Wirtschaftsprüferbescheinigung reiche zum Nachweis nicht aus, des Weiteren nicht die Stellung des, von der Beklagten verlangten Preises innerhalb des bundesweiten Preisgefüges. Nachdem der Senat darauf hingewiesen hat, dass der Kläger möglicherweise nicht als Tarifkunde; sondern als Sonderkunde einzustufen sei, hat der Kläger geltend gemacht, er sei in der Tat als Sonderkunde einzustufen; im Übrigen habe die Beklagte den Kläger ab 01.02.2008 zu „Sonderpreisen für die Versorgung mit Erdgas für Sonderkunden\" beliefert.

Der Kläger beantragt daher,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die von -der Beklagten hinsichtlich des zwischen den Parteien bestehenden Gas- Lieferungsvertrages zur Vertragskontonummer XXXXXX zum 01. Oktober 2004, 01. Januar 2005, 01. Oktober 2005 sowie zum 01. Januar 2006 vorgenommenen Erhöhungen der Gastarife unbillig und damit unwirksam sind, wobei er klargestellt hat, dass Gegenstand der Klage auch die Feststellung der Unwirksamkeit der Erhöhungen aus allgemeinen Gründen sei.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Im Übrigen hält sie daran fest, dass der Kläger als Tarifkunde anzusehen sei. Werde ein Kunde - wie hier - zu veröffentlichten standardisierten Tarifen versorgt, denen der Versorger die AVBGasV zugrunde gelegt habe, handele es sich um einen Tarifkundenvertrag. Die Abweichungen des berechneten Tarifs zu dem von ihr angebotenen allgemeinsten Tarif führe noch nicht zu einem Sonderkundenverhältnis. Selbst wenn dies anders sei, seien die AVBGasV als Allgemeine Geschäftsbedingungen und damit auch deren § 4 wirksam einbezogen worden. Äußerst hilfsweise sei eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend vorzunehmen, dass ihr ein Preisanpassungsrecht entsprechend § 4 AVBGasV zustehe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils sowie die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

1.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger.hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen unwirksam sind, § 256 Abs 1 ZPO (vgl. BGH WW 2009, 578 Rdnr. 11), Das stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.
 
Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die von der Beklagten zum 01. Oktober 2004, 01.Januar 2005, 01. Oktober 2005 sowie zum 01. Januar 2006 vorgenommenen Preiserhöhungen sind unwirksam.

Sie können weder unmittelbar auf § 4 Abs. 2 AVBGasV (dazu a)) noch auf Allgemeine Geschäftsbedingungen (dazu b)) noch auf eine ergänzende Vertragsauslegung (dazu c)) gestützt werden. Der Kläger hat sich mit ihnen auch nicht einverstanden erklärt (dazu d)).

a) Die AVBGasV ist nicht als Rechtsvorschrift auf den Gasversorgungsvertrag der Parteien anzuwenden. Der Kläger ist nämlich nicht Tarifkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 AVBGasV.

aa) Anders als die Beklagte im Termin vom 06. Mai 2009 geltend gemacht hat, ist nicht unstreitig im Sinne der § 288, § 138 Abs. 3 ZPO, dass der Kläger Tarifkunde ist. Allerdings sind beide Parteien bis zur Verfügung des Senats vom 16. April 2009 von einem Tarifkundenvertrag ausgegangen. Diese Einordnung hat auch das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Sie bindet den Senat aber deswegen nicht, weil es sich dabei nicht um eine - allein einem Geständnis zugängliche - Tatsachenbehauptung, sondern um eine rechtliche Wertung handelt (vgl. BGH NJW 2006, 684 Rdnr. 18 - Stromnetznutzungsentgelt). Ob ein Endverbraucher Tarifkunde ist oder nicht, ist - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen unter bb) ergibt - eine komplexe - und damit auch unter dem Gesichtspunkt einfacher Rechtsbegriffe nicht geständnisfähige (vgl. Greger, in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 288 Rdnr. la) - Wertungsfrage. Zudem ergaben sich bereits aus den der Klageschrift und der Klageerwiderung beigefügten Unterlagen erhebliche Bedenken dagegen, dass die Parteien das Vertragsverhältnis richtig eingeordnet hatten.

bb) Der Kläger war im fraglichen Zeitraum nicht Tarifkunde, sondern Sondervertragskunde.

(1) Weder das hier aus zeitlichen Gründen anwendbare EnWG 1998 noch das EnWG 2005 enthalten Definitionen des Tarifkunden oder des Sondervertragskunden. Im Ansatz besteht zwar Einigkeit darin, dass es sich um einen Tarifkunden handelt, wenn der Vertrag im Rahmen der Grundversorgung abgeschlossen worden ist, während Sondervertragskunden zu anderen, im Allgemeinen günstigeren Bedingungen versorgt werden. Die genaue Abgrenzung zwischen ihnen ist jedoch streitig, insbesondere dann, wenn der Kunde zu allgemeinen veröffentlichten Tarifen, die gegenüber dem „Grundtarif` Vergünstigungen, insbesondere Mengenrabatte, enthalten, beliefert wird (vgl. KG, Urteil vom 28.10.2008 — 21 U 160/06 — juris m.w.N.).

(2) Die Abgrenzung hat nach generellen, objektiven Kriterien stattzufinden. Soweit die Beklagte — so seine Argumentation in der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2008 - in zweifelhaften Fallkonstellationen eine Einordnung unter anderem danach vornehmen möchte, ob das Versorgungsunternehmen den Versorgungsvertrag den AVBGasV unterstellt hat oder nicht, ist dem nicht zu folgen (vgl. auch KG, a.a.O., Rdnr. 61 m.w.N., zitiert nach juris). Wie sie selbst nicht verkennt, kann dann das Versorgungsunternehmen bestimmen, ob es sich beim Vertragspartner um einen Tarifkunden oder um einen Sonderkunden handelt. Ob die AVBGasV als Rechtsvorschrift gilt oder nicht, kann nicht von dem Willen des Versorgungsunternehmens abhängen. Zu welch ungereimten Ergebnissen die Auffassung der Beklagten führt, zeigt sich an ihrer unterschiedlichen Einordnung des Versorgungsvertrages mit dem Kläger. Während es sich nach ihrer Auffassung — jedenfalls zunächst — um einen Tarifkundenvertrag handelt, hat sie den Kläger — später als Sonderkunden — ohne jede Transparenz - behandelt, wie sich aus dem Preisblatt und den angebotenen Preisen ergibt. Aus dem gleichen Grunde kann eine Einordnung nach der von dem Versorgungsunternehmen selbst gewählten Bezeichnung des Tarifs nicht erfolgen.

(3) Der Begriff \"Sonderkunde\" kann ebenso wenig auf Kunden beschränkt werden, mit denen individuell die Bedingungen und/oder Preise ausgehandelt worden sind (so aber LG Berlin, Urteil vom 28.06.2007 — 51 S 16/07; wohl auch LG Augsburg, Urteil vom 27.01.2009, 2 HK 0 1154/08]. Diese Auffassung ist mit dem Willen des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren.

Bereits im Entwurf des EnWG 1998 war ausgeführt (BT-Drs. 13/7274 S. 17):
 
Die Bundestarifordnung Gas ist in der Praxis nahezu bedeutungslos geworden, nachdem sich bei der Heizgas- und der Gasvollversorgung (Kochen, Heizen und Warmwässer) Preisvereinbarungen im Rahmen von Sonderverträgen — also außerhalb der Bundestarifordnung Gas — durchgesetzt haben und der Anteil des Gases im Haushalt- und Kleinabnehmerbereich nur zu Koch- und Warmwasserbereitungszwecken immer weiter zurückgegangen ist. Gleichwohl bleiben die Gasversorgungsunternehmen für diesen letztgenannten Bereich verpflichtet, jedermann zu Allgemeinen Tarifen zu versorgen und diese Tarife auch öffentlich bekanntzumachen\".

Auf diese Entwicklung hat auch der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes verwiesen (BT-Drs. 14/6040; s. dazu von Westphalen, ZIP 2008, 669, 670):

Der Anwendungsbereich dieser Ausnahme (§ 310 Abs 2 BGB - bezogen auf Normsonderkunden/Sonderabnehmer) ist durch die zunehmende Liberalisierung auf dem Energieversorgungsmarkt gestiegen. Daraus folgt nämlich, dass zunehmend auch Verbraucher mit Versorgungsunternehmen Verträge abschließen, die nicht von vornherein den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität, Gas usw. unterliegen und insoweit zu „Sonderabnehmern\" werden.

Der Gesetzgeber ist mithin davon ausgegangen, dass jedenfalls im Gasbereich zunehmend Sonderverträge auch mit Verbrauchern geschlossen werden, und zwar typischerweise zu standardisierten Tarifen:

Diese Entwicklung hat der Gesetzgeber schließlich beim EnWG 2005 derart nachvollzogen, dass er in § 115 zwischen Verträgen mit „Letztverbrauchern im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht\" (Abs. 2) und mit „Haushaltskunden ... außerhalb der .., allgemeinen Versorgungspflicht\" (Abs. 3) unterschieden hat. Die Vorschrift des § 115 Abs. 3 EnWG wäre überflüssig, wenn es mit Haushaltskunden, mit denen praktisch nur Verträge nach standardisierten Tarifen geschlossen werden, keine Sonderverträge geschlossen würden.

Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass bereits zuvor die Rechtsprechung Versorgungsverträge nicht allein deswegen als Tarifkundenverträge eingeordnet hat, weil ihnen standardisierte und veröffentlichte Tarife zugrunde lagen (vgl. BFH, NVwZ 1991, 1215).


(4) Darauf, dass nur die Versorgung zu dem „allgemeinsten\" Tarif als Tarifkundenvertrag anzusehen ist, deutet schließlich die Vorschrift des § 10 EnWG 1998, § 36 EnWG 2005 hin. Danach trifft den Grundversorger die Pflicht, alle Interessierten bis zur Grenze der Unzumutbarkeit anzuschließen. Der für die Grundversorgung maßgebliche Tarif muss daher auch diesen Fallkonstellationen Rechnung tragen und daher im Verhältnis zu anderen Tarifen — besonders hoch kalkuliert sein (vgl. KG, a.a.O., Rdnr. 66, zitiert nach juris).

(5) Es kann auch nicht eingewandt werden, der mit dem Kläger vereinbarte Tarif erschöpfe sich gegenüber dem allgemeinen Tarif nur in durch höheren Gasbezug bedingten Rabatten, so aber LG Augsburg (a.a.O.). Nach welchen objektiven Kriterien eine Abgrenzung zwischen Tarif- und Sonderkundenvertrag durchgeführt werden kann anders als danach, ob der Kunde zu dem „allgemeinsten\" oder zu besonderen Tarifen versorgt wird, kann auch das LG Augsburg nicht beantworten. Insbesondere bleibt offen, durch welche Abweichungen sich denn sonst ein Sonderkundenvertrag vom Tarifkundenvertrag unterscheiden soll. Soweit in § 10 EnWG 1998, § 36 EnWG 2005 im Plural von Tarifen bzw. Preisen die Rede ist, bezieht sich dies auf die Möglichkeit unterschiedlicher Tarife und Preise in unterschiedlichen Gebieten. Der Senat ist daher mit dem KG (a.a.O.) der Auffassung, dass eine objektive, willkürfreie Abgrenzung nur dahingehend möglich ist, dass alle über den Grundtarif hinausgehenden Tarife als Sondertarife anzusehen sind.

cc) Der Kläger ist nicht deswegen als Tarifkunde einzuordnen, weil das Vertragsverhältnis bereits durch die Aufnahme des Gasbezuges - und damit als Tarifkundenvertrag - zustande gekommen ist, § 2 Abs. 2 AVBGasV.

Ob dies der Fall war, kann offen bleiben. Jedenfalls ist ein etwaiger Tarifkundenvertrag durch das Schreiben der Beklagten vom 18. September 2002 (Anlage B 1) und dessen stillschweigende Annahme durch den Kläger im Wege der jahrelangen unwidersprochenen Praktizierung gegebenenfalls rückwirkend, was hier nicht zu entscheiden ist - in ein Sonderkundenverhältnis umgewandelt worden.

b) Die AVBGasV (und damit auch dessen § 4 Abs. 2) sind nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen Bestandteil des Sondervertrages geworden.

Mangels Sondervorschriften (etwa § 305a, § 310 Abs. 2 BGB) konnte eine Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen lediglich unter den Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB erfolgen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 68 Aufl., § 310 Rdnr. 6). Das bedeutet, dass die Beklagte bei Vertragsschluss auf die Geltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen hinzuweisen (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB) sowie dem Kläger die Möglichkeit zu verschaffen hatte, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Beides war nicht der Fall.

Soweit die Beklagte darauf verweist, dabei sei zu berücksichtigen, dass der Vertrag vielfach schlüssig durch eine Gasentnahme durch den Kunden zustande komme (§ 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 AVBGasV), wodurch naturgemäß das Versorgungsunternehmen die Voraussetzungen für die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss nicht erfüllen könne, und aus diesem Grunde müsse der Hinweis in der schriftlichen Vertragsbestätigung sowie das Anerbieten einer Aushändigung ausreichen (§ 2 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 AVBGasV), trifft dies bereits im Ansatzpunkt nicht zu. Infolge eines bloßen Gasbezuges durch den Kunden kann lediglich (jedenfalls zunächst) ein Tarifkundenvertrag zustande kommen, § 1 Abs. 2 AVBGasV. Für sie galten die AVBGasV als Rechtsvorschrift unmittelbaf, § 1 Abs. 1 AVBGasV. Ob etwaige ergänzende Allgemeine Geschäftsbedingungen des Versorgungsunternehmen - insoweit in Abweichung von § 305 Abs. 2 BGB - bei Vertragskundenverträgen durch bloßen Hinweis im Vertragsbestätigungsschreiben Vertragsbestandteil werden, bedarf keiner Entscheidung. Es mag auch sein, dass mit Aufnahme des Gasbezuges durch den Kläger zunächst ein Tarifkundenvertrag zustande gekommen ist. Dieser ist jedoch durch das Schreiben der Beklagten vom 18.. September 2002 (Anlage B 1) und dessen stillschweigende Annahme durch den Kläger im Wege der jahrelangen unwidersprochenen Praktizierung - gegebenenfalls rückwirkend, was hier nicht zu entscheiden ist - in ein Sonderkundenverhältnis umgewandelt worden. Bei Vereinbarung eines Sonderkundenvertrages bestehen keinerlei praktische Schwierigkeiten, die ein Abweichen von § 305 Abs. 2 BGB oder eine von den Normalfällen abweichende Auslegung rechtfertigen könnten.

aa) Die Beklagte hat nicht auf die Geltung der AVBGasV hingewiesen. In ihrem Schreiben vom 18. September 2002 verweist sie lediglich auf die „Allgemeine Versorgungsbedingungen (AVB)\".
 
Geschäftsbedingungen von Versorgungsunternehmen verstanden. Dass sich dahinter die — anders bezeichneten — AVBGasV verbergen sollen, kann der Kunde (und konnte der Kläger) nicht erkennen.

Soweit die Beklagte im Termin vom 06. Mai 2009 geltend gemacht hat, es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass mit diesem Begriff die AVBGasV gemeint gewesen sei, trifft das nicht zu. Zwar hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung (Bl. 4 = BI. 59 GA) geltend gemacht, „ausweislich des Vertrages B 1 [seien] Grundlage der Belieferung die .... AVBGasV\". Dies hat der Kläger jedoch mit Schriftsatz vom 06. März 2008 (BI. 218 GA) bestritten, woraufhin die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 04. April 2008 (BI. 1 BI. 223 GA) nur darauf verwiesen hat, die AVBGasV gelte kraft Gesetzes.

bb) Die Beklagte hat dem Kläger zudem nicht die zumutbare Möglichkeit verschafft, von dem Inhalt der „Allgemeinen Versorgungsbedingungen\" Kenntnis zu nehmen. Das bloße Anerbieten einer Zusendung reicht nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn die Bedingungen anderweit der Öffentlichkeit zur Verfügung ste-hen (vgl. Palandt/Grüneberg, a_a.0., § 305 Rdnrn. 33, 34). Da — wie bereits ausgeführt — der Vertrag nicht durch einen bloßen Gasbezug zustande gekommen ist, spielen die von der Beklagten hervorgehobenen besonderen Umstände des Vertragsschlusses keine Rolle.

cc) Weitere wirksamen Klauseln, die der Beklagten eine Preisanhebung erlaubt hätten, bestehen nicht.

Insbesondere kann die Beklagte Preiserhöhungen nicht auf die Bemerkung in ihrem Schreiben vom 27. September 2004 stützen, wonach u.a. „das jeweils gültige Preisblatt\" gelten sollte. Diese Klausel, die die Beklagte selbst im Übrigen nicht für das von ihr in Anspruch genommene Preiserhöhungsrecht herangezogen hat, ist nämlich gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Auf die Frage, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam wären, denen zufolge das Versorgungsunternehmen Preiserhöhungen entsprechend § 4 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV vornehmen kann (vgl. OLG Gelle RdE 2008, 141, n.rk., s. BGH, VIII ZR 56/08], kommt es nicht an.

Nach der - auch im Individualprozess zunächst geltenden (BGH NJW 2008, 2172 Rdnr. 19) - „kundenfeindlichsten Auslegung\" kann danach eine Preiserhöhung auch ohne eine nach § 4 Abs. 2 AVBGasV geforderte „öffentlichen Bekanntgabe\", nur durch bloße Auswechslung des Preisblattes erfolgen (wobei dem Text zufolge nicht einmal seine individuelle Bekanntgabe an den Kunden erforderlich ist). Darüber hinaus behält sich die Beklagte (selbst wenn man das Maß von Preiserhöhungen an die bei § 4 Abs. 2 AVBGasV anerkannten Grundsätze knüpft) dadurch das Recht vor, die Tarifstruktur abzuändern, bestimmte Tarife aufzugeben oder Vorteile bestimmter Tarife gegenüber dem allgemeinsten Tarif zu verringern oder vollständig abzuschaffen. Dass die Beklagte sich dazu berechtigt sieht, ergibt sich bereits daraus, dass sie den Tarif ErdgasMaxi ebenso wie die Bestpreisabrechnung zwischen ErdgasMidi und ErdgasMaxi abgeschafft hat.

Dadurch wurde der Kunde wider Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Zwar könnte die Beklagte die beabsichtigten Preisanhebungen und Strukturände-rungen auch durch eine - mangels vereinbarter Vertragsdauer jederzeit mögliche - Kündigung, gegebenenfalls verbunden mit einem Angebot auf Abschluss eines abgeänderten Vertrages, erreichen.

Sollte die Beklagte damals in einem Wettbewerb mit anderen Gasversorgungsun-ternehmen gestanden haben, wäre sie bei einer derartigen (Änderungs-)Kün¬digung Gefahr gelaufen, dass das Versorgungsverhältnis mit dem Kunden endgültig beendet wurde. Durch den Ausspruch einer Kündigung wäre dem Kunden klar geworden, dass er nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr an die Beklagte vertraglich gebunden war, und er sich einen anderen Versorger suchen konnte. Ob der Kunde sowieso nach allgemeinen gesetzlichen Regelungen oder nach § 32 Abs. 2 AVBGasVV hätte kündigen können, blieb dem Kunden wegen der unklaren vertraglichen Situation verborgen (vgl. auch BGH, NJW 2009, 578 Rdnr. 22).

Aber auch dann, wenn wegen der Marktmacht der Beklagten dem Kunden keine Alternative geblieben wäre als mit ihr erneut ein Versorgungsverhältnis einzugehen, kann die Klausel nicht durch das dem Versorgungsunternehmen alternativ mögliche Vorgehen gerechtfertigt werden, Zum einen kann es nur als intransparent (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) bezeichnet werden, wenn das Versorgungsunternehmen im Gewande einer (einseitigen) bloßen Vertragsanpassung das Vertragsverhältnis materiell umgestaltet, statt zu dem dafür vorgesehenen Instrument eines Änderungsvertrages oder einer Änderungskündigung zu greifen. Zum anderen hat der Kunde bei einer Vertragskündigung Anlass, im Rahmen des ihm Möglichen nach Alternativen (anderen Tarife, gegebenenfalls Verbrauchsveränderungen nach technischen Änderungen) zu suchen, statt dass er einseitig durch das Versorgungsunternehmen in einen anderen Tarif eingruppiert wird.

c) Eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass der Beklagten dennoch ein Preiserhöhungsrecht zustehe, ist nicht möglich (vgl. BGH NJW 2009, 578 Rdnr. 26 m.w.N.). Eine derartige Vertragsergänzung ist bereits deswegen nicht geboten, weil die Beklagte den Vertrag jederzeit — unter Berücksichtigung angemessener Kündigungsfristen — kündigen kann. Soweit die Beklagte darauf verweist, bis zu einer Kündigung erhalte der Kläger durch das Fehlen der Möglichkeit zu einer Preisanpassung ungerechtfertigte Vorteile, insbesondere für die Vergangenheit, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung.

Abgesehen davon, dass die Beklagte daraus folgende unzumutbare Härten nicht näher dargelegt hat, ist dies Folge ihrer falschen rechtlichen Einordnung des Gasversorgungsverhältnisses mit dem Kläger sowie ihres Unvermögens, den Erfordernissen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Genüge zu tun. Da eine wirksame Preisvereinbarung besteht, wird der Kläger auch nicht „ungerechtfertigt\" bereichert.

Auch der unter Hinweis auf eine Entscheidung des Xl. Zivilsenats des BGH (NJW 2008, 3422) verfolgte Einwand der Beklagten, die zitierte Rechtsprechung trage dem Charakter eines variablen Preises nicht hinreichend Rechnung, greift nicht durch. Zwar hat die Beklagte auf das ‚jeweils gültige Preisblatt\" Bezug genommen und damit zu erkennen gegeben, dass der genannte Preis nicht auf Dauer gelten solle. Dies reicht aber nicht aus. Es ist weiter erforderlich, dass der Wegfall der Preisanpassungsmöglichkeit eine Partei unzumutbar belasten würde. Wenn der XI. Senat - anders als der VIII. Zivilsenat und der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs - zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine ergänzende Vertragsauslegung über eine Vertragsanpassung möglich sei, so ist dies dadurch begründet, \'dass eine Kündigung des Vertrages durch die betreffende Partei nicht möglich war, während in den Fallgestaltungen, die den Entscheidungen des VIII. Zivilsenat und dem Kartellsenats zugrunde lagen, eine Kündigung in zumutbaren Zeiträumen zulässig war (vgl. BGH NJW 2007, 2172 Rdnr. 33; BGH NJW 2009, 578 Rdnr. 26).

d) Der Kläger hat sich auch nicht mit den von der Beklagten erklärten Preiserhöhungen einverstanden erklärt. Es kann offen bleiben, ob dies der Fall wäre, wenn der Kunde den Versorgungsvertrag nach Preiserhöhung des Versorgers ohne dessen Beanstandung über längere Zeit fortgesetzt hat (so BGH NJW 2007, 2540 Rdnr.36). Denn der Kläger hat die streitgegenständlibhen Preiserhöhungen der Beklagten unstreitig zeitnah als unbillig gerügt.

3.   
Auf die Frage, ob die Beklagte die Billigkeit ihrer Preiserhöhungen hinreichend dargetan hat, kommt es danach nicht an.

4.   
Der Senat hat die Revision aus den Gründen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Beklagte zugelassen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 281 Abs. 3 S. 2, § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eines Ausspruchs zur Zulassung einer Bürgschaft als Sicherheitsleistung bedarf es im Hinblick auf § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht
Streitwert für die Berufungsinstanz und Wert der Beschwer der Beklagten: 2.500,00 Euro

Bemerkenswert:

Der obsigende Kläger (Kunde) hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit diese darauf beruhen, dass  er seine Klage zunächst beim sachlich unzuständigen Amtsgericht angebracht hatte.

Erfreulich, wenn sich eine gem. §§ 108, 102 EnWG spezialzuständige Kammer fundiert mit den Gesetzesmaterialien, ausgehend von der BTOGas über EnWG 1998 und EnWG 2005 auseinandersetzt.

Der BGH hatte bereits in seiner Entscheidung vom 06.05.1997 - KVR 9/96 (BGHZ 135, 323; NJW 1997, 3173; ZIP 1997, 1434; BB 1997, 2016; GRUR 1997, 784) darauf verwiesen, dass die Gasversorgungsunternehmen nach der BTOGas zwingend als Pflichttarife Allgemeine Tarife zu bilden hatten, nämlich einen Kleinverbrauchstarif K und einen Grundpreistarif G und dass sie daneben - freiwillig - sog. Wahltarife anbieten konnten.

Die freiwilligen Wahltarife können deshalb keine zwingenden Tarife zur Erfüllung einer bestehenden gesetzlichen Versorgungspflicht gewesen sein.

Der VIII. Zivilsenat des BGH hat in der mündlichen Verhandlung am 17.06.2009 zum Verfahren VIII ZR 255/07 zu erkennen gegegeben, dass er der vom LG Berlin (Az. 51 S 16/07) aufsgestlleten Abgrenzung zwischen Tarifkunden und Sondervertragskunden nicht folgen wird, der betroffene Kläger mit dem Tarif\"Gasag Aktiv\" vielmehr ein Sondervertragskunde ist, so dass es für die Wirksamkeit der Gaspreiserhöhungen auf die Inhaltskontrolle einer Preisänderungsklausel nach § 307 BGB ankommt.

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Jede sog. Bestabrechnung ist m. E. ein Sondervertrag:

Die verschiedenen Allgemeinen Tarife werden für bestimmte Abnahmefälle im Voraus kalkuliert.

Die Tarife unterscheiden sich maßgeblich wegen der unterschiedlichen Höhe der Netzentgelte einschließlich Konzessionsabgaben und setzen sich zumeist aus einem verbrauchsunabhängigen Grundpreis und einem verbrauchsabhängigen Arbeitspreis zusammen.

Nur wenn der Kunde einen feststehenden Tarif ohne Bestpreisabrechnung vereinbart hat, steht das Äquivalenzverhältnis fest und der Kunde kann deshalb  insbesondere wissen, welchen verbrauchsunabhängigen Grundpreis er nur zu zahlen hat, wenn er im maßgeblichen Verbrauchszeitraum gar kein Gas entnimmt/ bezieht.

Bei einer sog. Bestabrechnung steht eben dieses Äquivalnzverhältnis gerade nicht fest, da der Kunde nicht vorher wissen kann, welcher verbrauchsunabhängige Grundpreis im Falle eines Nichtbezuges von Gas geschuldet sein soll, wenn sich die verbrauchsunabhängigen Grundpreise verschiedener Tarife - wie üblich und kostenkalkulatorisch notwendig -voneinander unterscheiden.

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- mit einer Anmerkung von Rechtsanwältin Leonora Holling, Düsseldorf -


Zum Sachverhalt: Der Kläger wird seit dem Jahre 2002 durch die Beklagte mit Erdgas beliefert. Mit Schreiben vom 18.09.2002 bestätigte die Beklagte erstmals das Bestehen eines Versorgungsverhältnisses durch die Entnahme von Erdgas aus ihrem Netz und teilte dem Kläger zugleich mit, für den Vertrag gelten die \"Allgemeinen Versorgungsbedingungen (AVB)\", die durch die Beklagte auf Wunsch zugesandt würden. In der Folgezeit wurde der Gasverbrauch des Klägers nach dem Tarif \"TK Bestabrechnung Midi-Maxi\" abgerechnet, der sich nach den Verbrauchsmengen staffelt. Der Kläger widersprach den ab dem 01.10.2004 steigenden Endkundenpreisen gemäß § 315 BGB, welche die Beklagte mit Bezugskostensteigerungen begründet hatte.

Das Landgericht Düsseldorf wies die durch den Kläger erhobene Klage auf Feststellung der Unbilligkeit der Gaspreise der Beklagten mit Urteil vom 04. Juni 2008 - 34 O (Kart) 14/08 - ab. Hierbei hatte das Landgericht der Beklagten gegenüber dem Kläger in seiner Eigenschaft als Tarifkunde gemäß § 4 AVBGasV ein Recht zur Preisanhebung zugebilligt. Eine Billigkeit der verlangten Endkundenpreise hat es zugleich aufgrund einer vorgelegten Wirtschaftsprüferbescheinigung und der Rangstelle der Beklagten in der Preisstatistik des Bundeskartellamtes bejaht.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom 24.06.2009 hat das Oberlandesgericht auf die Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil aufgehoben. Dabei wurde seitens des Oberlandesgerichtes festgestellt, dass der Kläger nicht Tarif - sondern tatsächlich Sondervertragskunde ist. Aufgrund der durch die Beklagte vorgenommenen \"Bestabrechnung\" ist nicht von einem \"Allgemeinen Tarif\" auszugehen. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das Versorgungsverhältnis durch Entnahme von Gas aus dem Netz der Beklagten zu Stande gekommen ist. Eine Einbeziehung der AVBGasV als Preisänderungsrecht erfolgte nicht, da bereits nicht klar ist, ob die durch die Beklagte angegebenen \"Allgemeinen Versorgungsbedingungen\" überhaupt die AVBGasV meinen.
Jedenfalls wurde die AVBGasV dem Kläger nicht zur Verfügung gestellt, so dass diese auch nicht wirksam einbezogen wurde. Ein Preisänderungsrecht lag daher zu Gunsten der Beklagten nicht vor, ein Hinweis auf Preisblätter reicht nicht aus.

Die Revision wurde zugelassen.

Anm.: Das Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf ist in mehrerer Hinsicht richtungsweisend. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Landgericht war sowohl Verbraucher -, als auch Versorgerseite übereinstimmend von einem Tarifkundenverhältnis ausgegangen. Das Oberlandesgericht wies jedoch von sich aus unter dem 16.04.2009 darauf hin, eine \"Bestabrechnung\" (die Einstufung eines Verbrauchers in einen Tarif erfolgt nach Abnahmemenge und in den insoweit für ihn günstigsten Tarif) begründe ein Sondervertragsverhältnis.

Selbst wenn zunächst ein Tarifkundenverhältnis durch blosse Entnahme von Energie aus dem Netz des Versorgers anfänglich geschlossen worden sein sollte, hätte das Abrechnungsverhalten des Energiewirtschaftsunternehmens letztlich zu einer Sonderkundeneigenschaft des klagenden Verbrauchers geführt.

Bisher hatte einige Berufungsgerichte, insbesondere in Süddeutschland, es abgelehnt, die Einstufung des Verbrauchers als Tarif - oder Sondervertragskunden durch das erstinstanzliche Gericht nochmals zu überprüfen. Nicht nur von Amts wegen, sondern selbst dann, wenn in der ersten Instanz die Frage des Vorliegens eines Sondervertrages geprüft, aber schließlich durch das Gericht abgelehnt worden war. Hierdurch waren einige, aus Verbrauchersicht, völlig unhaltbare erstinstanzliche Urteile rechtskräftig geworden.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf urteilt auch mit erfreulicher Klarheit, selbst eine Bestabrechnung benachteilige den Verbraucher \"wider Treu und Glauben\".

Diesem würden nämlich einseitig Preise vorgegeben, deren Billigkeit er mangels Tarifkundeneigenschaft nicht gemäß § 315 BGB überprüfen lassen kann.

Ein Preisänderungsrecht in Sondervertrag habe vielmehr den Erfordernissen der §§ 305, 307 BGB zu genügen.

Bei der Bestabrechnung fehlt es jedoch mangels schriftlichem Sondervertrages an einer Preisänderungsklausel. Ein Hinweis auf ein veröffentlichtes Preisblatt, selbst wenn mit Vertragsschluss erfolgt, reicht nicht aus.

Auf den Einwand des Versorgers im Rahmen des vorliegenden Berufungsverfahrens, eine Versagung eines Preisänderungsrechtes mangels
Änderungsklausel müsse durch eine ergänzende Vertragsauslegung kompensiert werden, hat das Oberlandesgericht ebenfalls eine entschiedene Absage erteilt.

Die durch das Energieversorgungsunternehmen angeführte \"unzumutbare Härte\" (gemeint sind steigende Beschaffungskosten und angeblicher Gewinnverlust), beruhe nämlich auf dem \"Unvermögen\" des Versorgers, \"den
Erfordernissen des Rechtes der Allgemeinen Geschäftbedingungen Genüge zu
tun\". Deshalb sei der Verbraucher, der gekürzt habe oder Geld zurück verlangt, auch nicht \"ungerechtfertigt bereichert\", sondern berechtigt.

Es wäre wünschenswert, wenn auch der Bundesgerichtshof ab und zu im Verbraucherinteresse so klare Worte finden würde.

 

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