Im Anschluss an BGH, Urt. v. 03.04.2008 - KZR 29/06 Tz. 20 und BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26 ergibt sich das einseitige Preisbestimmungsrecht des Grundersorgers gegenüber grundversorgten Kunden m. E. bereits aus § 36 Abs. 1 EnWG, wonach Grundversorger Allgemeine Preise zu bilden und zu diesen Allgemeinen Preisen Haushaltskunden zu beliefern haben, wie schon zuvor § 10 Abs. 1 EnWG 1998. Ich glaube, daran dass die Allgemeinen Preise entsprechend der Kostensituation des Versorgungsunternehmens unter Beachtung energiewirtschaftsrechtlicher Bestimmungen zu bilden sind, bestehen nun auch keine ernsthaften Zweifel mehr.
Auf Kunden, die außerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht beliefert werden, findet ein solches Preisbestimmungs- und -änderungsrecht weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung, vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 29.
Markant finde ich dabei den Hinweis, dass das einseitige Tarifbestimmungs- und änderungsrecht auf vereinbarte Preise keine Anwendung findet.
kein Preisänderungsrecht entsprechend § 4 AVBGasV. Die Verordnung gibt dem Versorger kein allgemeines Preisanpassungsrecht, sondern das Recht zur Bestimmung (und Änderung) derjenigen allgemeinen Tarife und Bedingungen, zu denen der Versorger nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes [1998] jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen hat (§ 1 Abs. 1 AVBGasV). Die Kläger sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch keine Tarif-, sondern Sondervertragskunden. Der Preis, den sie zu zahlen haben, ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für jedermann geltenden Tarif der Beklagten, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung in § 2 Abs. 1 des Gasbezugsvertrages. Auf einen solchen vereinbarten Preis findet das Tarifbestimmungsrecht des Versorgers weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.
Daran, dass es § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (1935) bzw. § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes [1998] heißen müsste, wollen wir uns nicht weiter stören.
Da wird jedenfalls deutlich ein Unterschied zwischen einem allgemeinen Tarif, der dem einseitigen Tarifbestimmungsrecht des Versorgers unterliegt, und einem mit dem Gasversorger vertraglich vereinbarten Preis aufgezeigt, woraus ich im Umkehrschluss hergeleitet hätte, dass der dem einseitigen Tarifbestimmungsrecht unterliegende allgemeine Tarifpreis bei Vertragsabschluss nicht vertraglich vereinbart wird (a.A. BGH, Urt. v. 13.07.2006 - VIII ZR 36/06 und BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07).
Auch dabei legte der Kartellsenat des BGH nochmals eine Betonung auf
das Recht zur Bestimmung (und Änderung) derjenigen allgemeinen Tarife und Bedingungen... Es handelt sich eben nicht nur um ein Tarifänderungsrecht, sondern auch um ein Tarifbestimmungsrecht, schließt also zugleich das Recht und die Pflicht ein, den allgemeinen Tarif der Billigkeit entsprechend zu bestimmen und zu ändern.
Wer nur von einem Recht, den Allgemeinen Tarif bzw. Allgemeinen Preis zu ändern, die Rede führt, verkennt m.E. die gesetzliche Regelung, die daneben auch ein Recht zur Bestimmung des Allgemeinen Tarifs bzw. Allgemeinen Preises mit umfasst
Mag ein einzelnes Recht zur Tarifänderung noch der Wahrung eines Äquivalenzverhältnisses dienen können, so dient ein davon zu unterscheidendes
Tarifbestimmungsrecht doch auch dazu, ein Äquivalzenverhältnis erst nachträglich noch der Billigkeit entsprechend zu begründen bzw. anzupassen.
Die gesetzliche Regelung umfasst aber nicht nur ein Recht zur Änderung, sondern auch ein Recht (und die Pflicht!) zur Bestimmung der allgemeinen Tarife/ allgemeinen Preise, undzwar unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG (vgl. BGH, Urt. v.18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 13).
Es wäre wohl auch
zu komisch, wenn Grundversorger, die noch kartellrechtswidrig missbräuchlich überhöhte Preise fordern (von deren Existenz der Gesetzgeber wohl bei Schaffung des § 29 GWB irgendwie ausging) verpflichtet wären, das Äquivalenzverhältnis zu wahren und überhöhte Gewinnanteile beizubehalten anstatt durch Preisreduzierungen abzuschmelzen. Eine stattliche Preissenkung war bei den Stadtwerken Uelzen im zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung des BGH vom 10.12.2008 - KVR 2/08 schließlich doch zu beobachten. Offensichtlich bestand ein Spielraum bei der Preisgestaltung, der zugunsten der Kunden bis dahin noch nicht ausgeschöpft worden war.
Schließlich haben Grundversorger mit der Aufstellung und Bildung iherer Allgemeinen Preise zugleich auch ihre gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu erfüllen.
In diesem Zusammenhang erscheint BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 25 fast wie ein Fauxpas
Die Billigkeitskontrolle einer Preiserhöhung darf nicht dazu benutzt werden, in das bisher bestehende Preisgefüge einzugreifen und einen ursprünglich für den Lieferanten besonders vorteilhaften Vertrag in einen Vertrag mit einem anderen Interessenausgleich zu verwandeln (Dreher, ZNER 2007, 103, 107).
Die gesetzliche Versorgungspflicht mit Energie - um die es bei Tarifkunden und grundversorgten Kunden immer geht - kennt keine freie Preisbildung, sondern es sind vielmehr immanente Preisbildungsschranken zu beachten.
BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 13:
Zum anderen muss sich die Preisbildung daran orientieren, dass die Bedingungen guter fachlicher Praxis nach § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG a.F. einer möglichst sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 EnWG a.F.) und darüber hinaus der Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs dienen sollen.
Bereits BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90 S. 10 f. UA:
Die möglichst sichere und preiswürdige Lieferung elektrischer Energie ist demnach Zweck auch des zwischen den Prozeßparteien herrschenden Interimsverhältnisses und entspricht dem rechtlich anerkannten Interesse der Beklagten. Dieser Gesichtspunkt muß in die Ermessensentscheidung der Klägerin eingehen. Er bedeutet in materiell-rechtlicher Hinsicht, daß sich. der von ihr geforderte Strompreis an den Kosten der Belieferung mit elektrischer Energie ausrichtet. Über die Deckung der Kosten für die Erzeugung und Leitung der elektrischen Energie sowie der Vorhaltung der dazu notwendigen Anlagen hinaus steht der Klägerin allerdings auch ein Gewinn zu, aus dem sie die erforderlichen Rücklagen bilden und Investitionen tätigen kann. Weiterhin ist ihr eine angemessene Verzinsung zuzugestehen, ohne die sie Fremdkapital nicht aufnehmen und Anlagekapital nicht gewinnen kann (Büdenbender aa0 Rdnr. 72 ff; Lukes aaO; Köhler aaO). Auf diesem Weg wird auch den Belangen der Klägerin Rechnung getragen.
@Black
Mich würde persönlich mal Ihre Meinung dazu interessieren, wie anders als hier ausgeführt Energieversorgungsunternehmen ihre gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG erfüllen sollen. Die gesetzliche Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung lässt sich nun schließlich nicht auch noch wegdiskutieren.