Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Vertragsänderung Sondervertrag /Grundversorgungstarif  (Gelesen 2552 mal)

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Offline bolli

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Hallo zusammen,

nachdem ich vor einiger Zeit schon mal einen entsprechenden ähnlichen Thread gestartet hatte, wo es um eine Vertragsumstellung eines  laufenden Sondervertrags ging, gibt es nun einen neuen Sachstand, der bei entsprechendem Nachforschen hier im Forum einen sehr breit gefächerten Informationsstand gibt, den ich gerne der Übersichtlichkeit mal hier zusammen fassen möchte, auch mit dem Hintergrund, dass sich in dem einen oder anderen Beitrag, die teilweise ja schon 2 Jahre alt sind, aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung was geändert haben kann, was dann möglicherweise aus einem anderen Thread hervorgeht. Aber selbst beim Durchlesen aller Grundsatzthreads ist die Informationsvielfalt gewaltig, gar nicht zu reden von den Gerichtsurteilen, die teilweise gegensätzlich sind:

Fakt ist ja derzeit, dass viele EVU die Situation mit dem BGH-Urteil und der fehlerhaften Preisgleitklausel benutzen, um zu versuchen, den Verbrauchern neue (Sonder-)Verträge \'unterzujubeln\' (für die Pro-EVU eingestellten Leser = anzubieten :) ). Im ersten Ansatz geschieht dieser Versuch häufig auf die Art und Weise, dass das EVU mitteilt, dass erfreulicherweise die Gaspreise gesenkt werden und außerdem (so nebenbei) erklärt wird, dass man die alten (Sonder-)Verträge auf eine neue, der aktuellen Rechtssprechung angepasste Version umstellt (so oder ähnlich formuliert). Dabei werden dann natürlich direkt die neuen Gaspreise (Preissockel) mitgeteilt. Außerdem wird einem manchmal noch mitgeteilt, dass man ein Sonderkündigungsrecht habe (und sonst der Vertrag umgestellt wird).

Jetzt kommt der Fall, dass man dieser Vertragsumstellung widersprochen hat und mittlerweile kapieren einige EVU, dass sie für eine wirksame Vertragsbeendigung des Altvertrages dann diesen fristgerecht kündigen müssen. So auch gerade bei mir geschehen.
Gleichzeitig wird einem der Abschluss eines neuen Sondervertrages angeboten (den man unterschreiben muss und in dem auch neue Preise (Preissockel) festgesetzt sind) und es wird einem bei Nichtannahme dieses neuen Vertrages \'angedroht\', dass man im Falle der Nichtannahme des neuen Sondervertrages in die Grundversorgung/Ersatzversorgung umgestuft wird, die ungünstigere Tarife hat. Es handelt sich wohlgemerkt um den für das Gebiet zuständigen Grundversorger.

Soweit zum Sachverhalt.

Nun habe ich aus verschiedenen Threads entnommen, dass derzeit die Annahme bzw. der Abschluss eines neuen Sondervertrages die Akzeptanz des zu diesem Zeitpunkt (also derzeit) geltenden Preissockels beinhaltet und dieser später nicht mehr wegen Unbilligkeit angefochten werden kann (weil ich mich ja freiwillig entschieden habe, den mir angebotenen Vertrag mit diesem Preissockel anzunehmen). Nur Preisänderungen unterliegen der Billigkeitskontrolle nach §315 (auch bei Sonderverträgen mit gültiger Preisgleitklausel ?).
Ausnahme: Direkt nach Vertragsabschluß wird eine Preiskorrektur nach unten (Preissenkung nach unten wegen gesunkener Marktpreise) nicht an den Kunden weitergegeben. Denn auch dabei würde der Preissockel ja unterschritten. Aber hier ist dann die fehlerhafte Preissenkung und nicht der fehlerhafte Preissockel Anfechtungsgrund.

Aber eine generelle (nachträgliche) Überprüfung des Preissockels durchzusetzen, ist derzeit nach herrschender Meinung bei Sonderverträgen im Rahmen des Unbilligkeitseinwandes wohl nicht möglich.

Fraglich wäre noch, inwieweit eine Kündigung des alten Sondervertrages bei Vorliegen eines Unbilligkeitseinwandes/Preiseinwandes überhaupt zulässig ist, da diese Vorgehensweise ja wohl 2006 mal von Herrn Boege vom Bundeskartellamt als unzulässig eingestuft wurde. Ob dieser Sachverhalt auch heute in der derzeitigen Situation noch gilt, erschließt sich mir derzeit leider nicht (schließlich kann ich mir schon vorstellen, dass die EVU auch bei widersprechenden (Gas-)kunden ihre Alt-Verträge rechtssicher gestalten können müssen).

Daher dürfte der Abschluß eines neuen Sondervertrages (egal ob beim Grundversorger oder einem alternativen Anbieter) wohl nur für diejenigen in Betracht kommen, die mit dem derzeitigen Preissockel auch für die Zukunft einverstanden sind. Auch bei einer fehlerhaften Preisgleitklausel in den neuen Verträgen käme man ja unter diesen neuen Sockel nicht mehr drunter (Ausnahme siehe oben-Preissenkung).

Daher stellt sich für mich die Frage, ob es aus diesen Gründen nicht eher ratsam ist, sich vom EVU als Grundversorger in dem Gebiet in den Grundversorgungstarif einstufen zu lassen un diesen dann mittels Unbilligkeitseinwand ingesamt als zu hoch zu rügen.

Ich hab jetzt hier bewusst mal eine einfachere Sprache gewählt um den Beitrag verständlich zu halten und aus diesem Grund auch mal auf einzelne Verlinkungen verzichtet, eben weil diese teilweise älteren Datums sind und ich nicht weiss, inwieweit diese noch Gültigkeit haben.

Vielleicht kann man ja auf diese Weise mal den aktuellen Sachstand zusammenfassend darstellen.

Gruß
bolli

Offline Opa Ete

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Vertragsänderung Sondervertrag /Grundversorgungstarif
« Antwort #1 am: 26. Mai 2009, 11:36:51 »
@bolli

alles sehr schön zusammengefasst, aber es gibt für diese Fälle, egal ob Strom- oder Gassonderkunde keine pauschal gültige Lösung! Die Frage ist doch die: darf ein EVU Sonderverträge mit ungültigen Klauseln einfach kündigen und den Kunden, der sich weigert einen neuen Sondervertrag mit jetzt gültigen Klauseln zu unterschreiben, einfach in die Grundversorgung einordnen. Das ein EVU Verträge (auch die mit ungültigen Preisänderungsklauseln) fristgerecht kündigen darf, ist glaube ich hier im Forum unbestritten. Die Frage, die sich mir stellt: ist es rechtens, dass man automatisch in die Grundversorgung kommt, wenn man nichts neues unterschreibt und hat man diesen in der Grundversorgung gültigen Preisen
damit stillschweigend zugestimmt?  Kann ich diesen erstmals für mich geltenden Grundversorgungspreis nach §315 überprüfen lassen?
Theoretisch kann der für mich persönlich ja dann doppelt so hoch sein wie vorher, das wäre für mich persönlich klar unbillig. Ich kenne zu diesen Fällen keine höchst richterliche Rechtsprechung.

Gruß Opa Ete

Offline bolli

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Vertragsänderung Sondervertrag /Grundversorgungstarif
« Antwort #2 am: 26. Mai 2009, 12:23:31 »
Zitat
Original von Opa Ete
@bolli

alles sehr schön zusammengefasst, aber es gibt für diese Fälle, egal ob Strom- oder Gassonderkunde keine pauschal gültige Lösung!
Das ist mir schon klar, aber es sollte doch eine Grundrichtung geben. Individuell muss ich mich im Einzelnen mit bestimmten Einzelheiten noch auseinandersetzen (Kündigungsfristen, Vertragsstatus Sondervertrag/Grundvertrag etc.).

Zitat
Original von Opa Ete
Das ein EVU Verträge (auch die mit ungültigen Preisänderungsklauseln) fristgerecht kündigen darf, ist glaube ich hier im Forum unbestritten. Die Frage, die sich mir stellt: ist es rechtens, dass man automatisch in die Grundversorgung kommt, wenn man nichts neues unterschreibt ...

Ich denke schon, siehe auch HIER . Wohin willst du sonst ?

Zitat
Original von Opa Ete
...und hat man diesen in der Grundversorgung gültigen Preisen
damit stillschweigend zugestimmt?
Ich hoffe, eben nicht, da ich ansonsten keine andere Wahl habe, als irgendwelchen \"unbilligen\" Preisen zuzustimmen.

Von daher sollte dann in der Grundversorgung eben auch eine Überprüfung gem. § 315 BGB möglich sein.

Aber natürlich sind laufende Sonderverträge mit falschen Preisänderungsklauseln (wahrscheinlich) noch lukrativer für uns Verbraucher als \"billige\" Preise im Grundtarif.

Gruß bolli

Offline RR-E-ft

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Vertragsänderung Sondervertrag /Grundversorgungstarif
« Antwort #3 am: 26. Mai 2009, 13:24:40 »
Im Gegensatz zur Grundversorgung (vgl. nur § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV) können Sonderverträge - unter Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Form und Frist- durch das Versorgungsunternehmen ordnungsgemäß gekündigt werden. Eine inhaltliche Umgestaltung eines bestehenden Sondervertrages ist nur durch eine Neuvereinbarung vermittels Angebot und fristgerechter Annahme gem. §§ 145 ff. BGB möglich, so dass nichts einseitig \"untergejubelt\" werden kann. Teilweise ist in bestehenden Sonderverträgen vorgesehen, dass Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Vertragsinhalt, wenn sie der andere Vertragsteil vor Vertragsabschluss kannte und bei Vertragsabschluss mit deren Einbeziehung einverstanden war, Art. 229 § 5 Satz 2, § 305 BGB.

Erkenntnisreich: LG Gera, Urt. v. 07.11.2008 - 2 HK.O 95/08 (Lesen!)

Nicht möglich ist es, einen Sondervertragskunden ohne wirksame Vertragskündigung zu den Allgemeinen Preisen der Grundversorgung weiterzubeliefern (Vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 166/04 Tz. 20).

Bei einer Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht unterliegt der Allgemeine Tarif nach Auffassung des Kartellsenats des BGH nach der gesetzlichen Regelung dem Maßstab der Billigkeit, bei Sonderverträgen hingegen sei ein Anfangspreis vertraglich vereinbart (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26/29). Der 8.Zivilsenat des BGH sieht hingegen auch bei der Belieferung innerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht zum veröffentlichten Allgemeinen Tarif einen Anfangspreis als vertraglich vereinbart und deshalb keiner Billigkeitskontrolle unterliegend an (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06; Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06; Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07). Beide Auffassungen widersprechen sich ersichtlich.

Ich halte die Auffassung des Kartellsenats für zutreffend, weil sie von Anfang an mit der gesetzlichen Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung gem. §§ 2, 1 EnWG im Einklang steht, welche auch eine gesetzliche Verpflichtung zur nachträglichen Preissenkung erfordert, wenn dies die Kostensituation des EVU zulässt und dies den im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht belieferten Kunden günstig ist.

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