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Autor Thema: BVerfG: Grundrechtsschutz für Betriebsgeheimnisse  (Gelesen 7136 mal)

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Offline RR-E-ft

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BVerfG: Grundrechtsschutz für Betriebsgeheimnisse
« am: 11. April 2006, 18:43:37 »
[ III-ZR-294-04  10-02-2005 ; 1-BvR-2087-03 1-BvR-2111-03 14-03-2006 ]


Das Bundesverfassungegericht hat eine Entscheidung zugunsten der TELEKOM getroffen:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg06-027.html

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20060314_1bvr208703


Dort hatten Wettbewerber der Telekom Einsicht in Genehmigungsunterlagen der Regulierungsbehörde verlangt, aus denen Geschäftsgeheimnisse der Telekom hervorgehen sollen.


Diese Situation ist mit der bei der gerichtlichen  Billigkeitskontrolle von Energiepreisen m.E. nicht vergleichbar.

Denn die EVU werden nicht unmittelbar gezwungen, ihre Kalkulation offen zu legen, auch werden Geschäftsgeheimnisse Wettbewerbern nicht unmittelbar zugänglich.

Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu der v.g. Entscheidung, dort Textziffern 83 bis 85, wo es heißt:


83

Die Entgeltregelung des Telekommunikationsrechts und damit auch die Regelung über die gerichtliche Kontrolle der Entgeltfestsetzung gehen von einer wettbewerblichen Einbettung der unternehmerischen Tätigkeit derjenigen aus, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringen. Die Beschwerdeführerin befindet sich ungeachtet ihrer marktbeherrschenden Stellung in Wettbewerbsbeziehungen zu anderen Unternehmen, darunter auch solchen, die den Zugang zu ihrer Netzinfrastruktur begehren und gewerbliche Telekommunikationsdienstleistungen in Konkurrenz zu ihr anbieten. Diese Wettbewerbsbeziehungen werden durch die gesetzliche Regelung, nach der die Beschwerdeführerin ihren Konkurrenten den Netzzugang gewähren muss, dafür aber ein behördlich überprüftes Entgelt verlangen kann, gestaltet.

84

Werden im Rahmen der Entgeltkontrolle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Denn dadurch kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb im Rahmen beruflicher Betätigung am Telekommunikationsmarkt beeinträchtigt werden. Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme die Beschwerdeführerin in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar ( vgl. BVerfGE 86, 28 <37> ).

85

Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen.




Bei der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle gilt:

Es besteht schon kein einklagbarer Anspruch der Kunden auf Offenlegung der Preiskalkulation, mögen auch teilweise noch entsprechende Missverständnisse bestehen.

Das EVU hat im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung entsprechend seiner Darlegungs- und Beweislast die Kalkulation offen zu legen, um die Billigkeit seiner Preisforderungen nachzuweisen.

Daraus folgt lediglich eine entsprechende Obliegenheit.

Das Gericht kann und wird das EVU nicht zur Offenlegung zwingen.

Anders als im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten besteht kein Amtsermittlungsgrundsatz, sondern die Parteien entscheiden selbst darüber, welchen Sachverhalt sie dem Gericht unterbreiten und ggf. unter Beweis stellen.

Einen entsprechenden Druck mag das EVU allein aufgrund der prozessualen Lage verspüren.

Das EVU kann damit selbst frei darüber entscheiden, ob es der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast genügen möchte und dazu seine Kalkulation offen legt oder ob es zur Verfolgung anderer Interessen seiner Darlegungs- und Beweislast nicht genügen will und damit lediglich prozessuale Nachteile im Verfahren in Kauf nimmt.

Die Entscheidungskompetenz darüber, ob und wieweit Unterlagen offen gelegt werden, verbleibt somit vollständig beim EVU. Der Staat legt mithin keine Betriebsgeheimnisse offen noch erzwingt er dies.

Somit kann m.E. auch kein unmittelbarer Eingriff in die Grundrechte der EVU hinsichtlich Art. 12, 14 GG vorliegen.

Das EVU kann für sich selbst abwägen, welches Interesse ihm selbst höher wiegt: das Interesse an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder das Interesse an der gerichtlichen Durchsetzung einseitig bestimmter Preisforderungen.

Anders als im Fall, der vom Bundesverfassungsgericht entschieden wurde, hat nicht ein Gericht diese Abwägungsentscheidung zu treffen.

Bis vor kurzem hatten sich EVU ersichtlich immer zugunsten des Schutzes  ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinsichtlich ihrer Gewinnspannen entschieden.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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Offline alx

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BVerfG: Grundrechtsschutz für Betriebsgeheimnisse
« Antwort #1 am: 11. April 2006, 23:03:11 »
Ich denke, daß dies eine wichtige Sicht ist, wenn sie auch von den Gerichten geteilt wird. Stehen und Fallen wird dies mit dem Punkt der \"Verpflichtung\", oder?

Für die EVU wird es erstmal ein neuer Argumentationsansatz sein...

Danke jedenfalls für die Info & Gruß
Alex
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Offline RR-E-ft

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BVerfG: Grundrechtsschutz für Betriebsgeheimnisse
« Antwort #2 am: 04. Juli 2006, 20:16:44 »
Energieversorgungsunternehmen, die sich weit überwiegend in öffentlicher Hand einer Gemeinde oder einer öffentlich- rechtlichen Gebietskörperschaft oder mehrerer solcher befinden, und im Interesse der Allgemeinheit Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen, sind als Teile des Staatswesens grundsätzlich nicht Träger von Grundrechten.

Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Ausgestaltung in der Form des Privatrechts nicht an, weil sich sonst der Staat immer in das Privatrecht flüchten könnte.

Vgl. etwa die Fälle

Stadtwerke Hameln:

http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv045063.html
http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv045063.html#Rn050

Sparkassen:

http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv075192.html#Rn014

Vgl. auch BGH zum sog. Verwaltungsprivatrecht:

http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bz091084.html

Dann können jedoch auch  Betriebsgeheimnisse solcher Unternehmen  keinen Grundrechtsschutz erfahren.

Eine umfassende Darstellung findet sich in folgender Dissertation ab Seite 34 [42 ff.]:

http://w210.ub.uni-tuebingen.de/dbt/volltexte/2004/1351/pdf/complete.pdf

Maßgeblich im Bereich der Energieversorgung ist die Entscheidung BVerfG NJW 1990, 1783.

In dieser wird der über Gemeindegrenzen hinaus tätigen Hamburgische Electricitäts- Werke AG (HEW) bei einer Beteiligung der öffentlichen Hand in Höhe von 72 Prozent die Grundrechtsfähigkeit abgesprochen.

Siehe auch hier:

http://www.utzverlag.de/buecher/40492dbl.pdf

Der BGH hat diese Rechtsprechung im Urteil vom 10.02.2005 - III ZR 294/04 (ZNER 2005, 150 f.) insbesondere für gemischtwirtschaftliche Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge, welche die Energieversorgung der Gemeindebevölkerung mit Strom und Gas mitumfasst, bestätigt.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt


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BVerfG: Grundrechtsschutz für Betriebsgeheimnisse
« Antwort #4 am: 24. April 2009, 19:28:25 »
tangocharly verweist zutreffend darauf, dass zunächst zu prüfen ist, ob das betroffene Unternehmen überhaupt Grundrechtsträger bzw. grundrechtsfähig ist. Ist es schon kein Grundrechtsträger bzw. grundrechtsfähig, so kann es sich schon nicht auf einen entsprechenden Schutz berufen, vgl. schon hier. (Evitel2004 bitte ggf. Verlinkungen überarbeiten) Wenn das betroffene Unternehmen danach überhaupt Grundrechtsträger bzw. grundrechtsfähig ist, muss es geltend machen, welche für die Entscheidung erheblichen Daten weshalb Betriebsgeheimnisse sein sollen. Alle publizitätspflichtigen Daten etwa preisbildende Kostenfaktoren des sog. \"vereinbarten Preissockels\" (Konzessionsabgaben gem. § 4 KAV, Energiesteuer, Netzkosten gem. § 27 GasNEV, , Kosten der Messung und Abrechnung gem. § 40 EnWG) können demnachschon  keine Geschäftsgeheimnisse sein, ebenso wie Spartenabschlüsse gem. § 9a EnWG 1998 iVm. § 114 EnWG.

nomos liest am besten hier.

Zitat
TELEKOM Randnummer 72
Die Grundrechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin entfällt nicht deswegen, weil der Bund an dieser Anteile hält. Ein beherrschender Einfluss des Bundes auf die Unternehmensführung der Beschwerdeführerin, der die Beschwerdefähigkeit in Zweifel ziehen könnte, war schon auf Grund der Regelungen in § 3 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2325) und in § 32 der Satzung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2331) ausgeschlossen und ist nach der Privatisierung erst recht nicht begründet worden; er wird auch von keinem der Beteiligten geltend gemacht.

Hat hingegen der Staat oder eine Gebietskörperschaft einen Mehrheitsanteil und/ oder  einen beherrschenden Einfluss auf die Unternehmensführung, wie das oft bei Stadtwerken der Fall sein kann, ist die Grundrechtsfähigkeit zweifelhaft. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht das eigentliche Thema dieses Threads, Datenschutz erst recht nicht.

Zitat
Original von Black
In seiner Entscheidung vom 19.11.2008, VIII ZR 138/07 hat der BGH ein Schutzbedürfnis des dort betroffenen EVU in Bezug auf seine Geschäftsgeheimnisse bejaht, obwohl es sich beim EVU (Stadtwerke Dinslaken) kommunales Versorgungsunternehmen handelte.

@Black

Das stimmt so nicht. Der Schluss ist voreilig.

Der BGH hat nur gesagt, dass Berufungsurteil lasse eine Klärung der Frage vermissen, an welchen Daten ein nach Art. 12 GG geschütztes Geheimhaltungsinteresse bestehen könnte und dass ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung von vornherein ausgeschlossen angesehen werden könne.

Konjunktiv zu einer bisher ungeklärten und auch vom BGH offen gelassenen Frage, die der BGH selbst auch nicht geklärt hat.

Mit einer anderen Begründung als der vom Berufungsgericht bisher gegebenen lasse sich ein Geheimhaltungsinterresse dann aber vielleicht doch schon als ausgeschlossen ansehen, nämlich wenn die Beklagte selbst gar nicht grundrechtsfähig sein sollte.

Zu einer solchen Begründung hat der BGH noch gar nichts gesagt, hingegen das BVerfG in Sachen Hamburgische Electricitätswerke AG, welcher die Grundrechtsfähigkeit seinerzeit mit der Begründung abgesprochen wurde, dass es seich um ein EVU handelt, welches sich im Mehrheitsbesitz der freien und Hansestadt Hamburg befand.  Maßgeblich im Bereich der Energieversorgung ist die Entscheidung BVerfG NJW 1990, 1783. In dieser wird der über Gemeindegrenzen hinaus tätigen Hamburgische Electricitäts- Werke AG (HEW) bei einer Beteiligung der öffentlichen Hand in Höhe von 72 Prozent die Grundrechtsfähigkeit abgesprochen.


Noch einmal genau lesen:


Zitat
Original von tangocharly
Zitat
46
Sollte es im weiteren Verlauf des Rechtsstreits darauf ankommen, rügt die Revision allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht ohne Weiteres da-von ausgeht, die Beklagte müsse im Rechtsstreit uneingeschränkt ihre gesamte Kalkulation offen legen. Insofern lässt das angefochtene Urteil eine Klärung der Frage vermissen, bezüglich welcher Daten im Einzelnen ein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung dem Gericht, einem Sachverständigen, dem Kläger oder der Öffentlichkeit gegenüber besteht und inwiefern für die Beweisführung - auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der beantragten Zeugenvernehmung - gerade solche geschützten Daten einem Sachverständigen zugänglich gemacht werden müssten. Dafür bedarf es gegebenenfalls weiteren substantiierten Sachvortrags der Beklagten dazu, bei Offenlegung welcher konkreten Geheimnisse sie welche Nachteile zu befürchten hätte. Es ist jedoch rechtsfehlerhaft, jegliches Geheimhaltungsinteresse der Beklagten von vornherein mit der Begründung zu verneinen, dass eine vergleichbare umfassende Offenlegungspflicht alle Versorgungsunternehmen treffe. Eine etwaige Grundrechtsrelevanz des Verlangens nach Offenlegung der gesamten Kalkulation auf Seiten der Beklagten wird nicht dadurch beseitigt, dass alle Energieversorgungsunternehmen gleichermaßen zur Offenlegung grundrechtlich geschützter Daten verpflichtet werden, zumal diese Ver-pflichtung nur von solchen Versorgungsunternehmen zu erfüllen wäre, deren Kunden wie der Kläger eine gerichtliche Billigkeitskontrolle der Preise bzw. Preiserhöhungen nach § 315 BGB begehren.

47
Unterstellt, die Beklagte müsste im Rahmen der Beweiserhebung Daten offen legen, an denen sie ein verfassungsrechtlich geschütztes Geheimhal-tungsinteresse hat, bedürfte es sodann einer - auch im Rahmen einer Billig-keitskontrolle nach § 315 BGB erforderlichen - Abwägung zwischen dem Gebot effektiven Rechtsschutzes und dem verfassungsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (BVerfGE 101, 106, 128 ff.; 115, 205, 232 ff.; BVerfG, Beschluss vom 28. Dezember 1999 - 1 BvR 2203/98, VersR 2000, 214, 215; Senatsurteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 236/05, WM 2007, 1901, Tz. 28 ff.; BGHZ 116, 47, 58 ), die auf einen weitestgehenden Ausgleich zwischen den betroffenen Verfassungsgütern gerichtet sein muss. Dabei ist zunächst eine Inanspruchnahme der prozessualen Möglichkeiten des Aus-schlusses der Öffentlichkeit und der - strafbewehrten (§ 353d Nr. 2 StGB) - Ver-pflichtung der Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung nach § 172 Nr. 2, § 173 Abs. 2, § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG in Betracht zu ziehen. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein solches Vorgehen geeignet ist, den Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu gewährleisten, insbesondere, weil es sich bei der Gegenpartei nicht um einen Wettbewerber der Beklagten, son-dern um einen Kunden handelt und folglich nicht schon die Bekanntgabe der Geheimnisse selbst eine Geheimnisverletzung zur Folge hätte.

Welche Versorgungsunternehmen sich aber auf Art. 12 GG berufen können, ist aber noch zudem eine ganz andere Frage.

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BVerfG: Grundrechtsschutz für Betriebsgeheimnisse
« Antwort #5 am: 29. April 2009, 16:24:00 »
Die Klägerin kann vorliegend kein Geheimhaltungsinteresse für sich reklamieren.

Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des BGH vom 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, in der es in Tz. 46 heißt:

Sollte es im weiteren Verlauf des Rechtsstreits darauf ankommen, rügt die Revision allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht ohne Weiteres davon ausgeht, die Beklagte müsse im Rechtsstreit uneingeschränkt ihre gesamte Kalkulation offen legen. Insofern lässt das angefochtene Urteil eine Klärung der Frage vermissen, bezüglich welcher Daten im Einzelnen ein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung dem Gericht, einem Sachverständigen, dem Kläger oder der Öffentlichkeit gegenüber besteht und inwiefern für die Beweisführung - auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der beantragten Zeugenvernehmung - gerade solche geschützten Daten einem Sachverständigen zugänglich gemacht werden müssten. Dafür bedarf es gegebenenfalls weiteren substantiierten Sachvortrags der Beklagten dazu, bei Offenlegung welcher konkreten Geheimnisse sie welche Nachteile zu befürchten hätte. Es ist jedoch rechtsfehlerhaft, jegliches Geheimhaltungsinteresse der Beklagten von vornherein mit der Begründung zu verneinen, dass eine vergleichbare umfassende Offenlegungspflicht alle Versorgungsunternehmen treffe.

Vorliegend handelt es sich bei der Klägerin unstreitig  um ein kommunales Unternehmen der Stadt .... zum Zwecke der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge, welches von der Gemeinde beherrscht wird. Die kommunale Energieversorgung fällt unter den Bereich der kommunalen Selbtsverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG.

Die Klägerin kann sich für einen Schutz von Geschäftsgeheimnissen insbesondere nicht auf den Beschluss des BVerfG vom 14.03.2006 – 1 BvR 2087/03 (Telekom) berufen.

In dessen Absatz 72 heißt es ausdrücklich:

Die Grundrechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin entfällt nicht deswegen, weil der Bund an dieser Anteile hält. Ein beherrschender Einfluss des Bundes auf die Unternehmensführung der Beschwerdeführerin, der die Beschwerdefähigkeit in Zweifel ziehen könnte, war schon auf Grund der Regelungen in § 3 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2325) und in § 32 der Satzung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2331) ausgeschlossen und ist nach der Privatisierung erst recht nicht begründet worden; er wird auch von keinem der Beteiligten geltend gemacht.

Vorliegend liegt der Fall ersichtlich anders. Die Klägerin wird als kommunales Unternehmen von der Stadt... vollständig beherrscht. Bei dieser Sachlage ist die Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon nicht grundrechtsfähig. Ist die Klägerin demnach als kommunal beherrschtes Energieversorgungsunternehmen schon nicht grundrechtsfähig (BVerfG NJW 2000, 1783; BVerfGE 45, 63; BverfGE 95,172), so kann sie von vornherein nicht in einem Grundrecht aus Art. 12 GG betroffen sein.

Darüber hinaus lässt die Klägerin substantiierten Vortrag dazu vermissen, bezüglich welcher Daten im Einzelnen ein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Interesse an Geheimhaltung bestehen soll und bei Offenlegung welcher Daten sie welche Nachteile konkret zu befürchten hätte. Dabei ist auch beachtlich, dass es vorliegend um Daten aus der Vergangenheit geht, also nicht um aktuelle Daten.

 
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 19.11.2008 – VIII ZR 138/07 Tz. 47 aufgezeigt, wie einem berechtigten Interesse an grundrechtlich geschützten Daten vorrangig Rechnung zu tragen ist:

Dabei ist zunächst eine Inanspruchnahme der prozessualen Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit und der - strafbewehrten (§ 353d Nr. 2 StGB) - Verpflichtung der Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung nach § 172 Nr. 2, § 173 Abs. 2, § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG in Betracht zu ziehen. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein solches Vorgehen geeignet ist, den Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu gewährleisten, insbesondere, weil es sich bei der Gegenpartei nicht um einen Wettbewerber der Beklagten, sondern um einen Kunden handelt und folglich nicht schon die Bekanntgabe der Geheimnisse selbst eine Geheimnisverletzung zur Folge hätte.

Offline tangocharly

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BVerfG: Grundrechtsschutz für Betriebsgeheimnisse
« Antwort #6 am: 30. April 2009, 12:49:50 »
.... ja, so ist das halt; wer lesen kann, der ist im Vorteil:

Zitat
Original von RR-E-ft:
Zitat aus BGH, 19.11.2008, VIII ZR 138/07:
\"[...]Sollte es im weiteren Verlauf des Rechtsstreits darauf ankommen, [...]
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

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