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Autor Thema: BGH, Urt. v. 11.11.2008 - VIII ZR 265/07, kein Anerkenntnis durch vorbehaltlose Zahlung der Rechnung  (Gelesen 5949 mal)

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Offline RR-E-ft

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BGH, Urt. v. 11.11.2008 - VIII ZR 265/07 - kein Anerkenntnis durch vorbehaltlose Zahlung

Zitat
Die vorbehaltlose Bezahlung einer Rechnung rechtfertigt für sich genommen weder die Annahme eines deklaratorischen noch eines \"tatsächlichen\" Anerkenntnisses der beglichenen Forderung (im Anschluss an BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - VII ZR 165/05, NJW-RR 2007, 530).

Zitat
Die Wertung einer rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung als Anerkenntnis setzt vielmehr in der Regel eine Interessenlage voraus, die zur Abgabe eines Anerkenntnisses Anlass gibt. Eine solche Interessenlage kann namentlich darin liegen, ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis einem Streit oder zumindest einer (subjektiven) Ungewissheit über den Bestand des Rechtsverhältnisses oder seine Rechtsfolgen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen zu entziehen (BGHZ 66, 250, 255; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 - VII ZR 215/93, WM 1995, 402, unter II 2 g; Urteil vom 11. Juli 1995, aaO; Urteil vom 11. Januar 2007, aaO). Dazu ist indessen nichts festgestellt.
Für die Bezahlung einer Rechnung ohne Erhebung von Einwendungen
ist hiervon keine Ausnahme zu machen.

Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält über seinen Charakter als Erfüllungshandlung (§ 363 BGB) hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen.

Das gilt auch für die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen Anspruchsmerkmale. Zwar wird es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als ausgeschlossen angesehen, der vorbehaltlosen Begleichung einer Rechnung zugleich eine Anerkenntniswirkung hinsichtlich der zu Grunde liegenden Forderung beizumessen. Dies erfordert aber stets ein Vorliegen weiterer Umstände, die geeignet sind, eine derartige Wertung zu tragen. Solche Umstände sind hier nicht festgestellt. Für sich genommen rechtfertigt die Bezahlung der Rechnung nicht die Annahme eines Anerkenntnisses (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007, aaO, Tz. 9).

Um so weniger nachvollziehbar, dass der gleiche Senat der vorbehaltlosen Zahlung einer Verbrauchsabrechnung durch einen Tarifkunden eine andere Bedeutung beimessen möchte als der Erfüllungshandlung auf eine Schuld (Verbindlichkeit) oder Nichtschuld (Unverbindlichkeit) gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Unzweifelhaft ist die Willenserklärung, mit welcher ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, kein auf Annahme gerichteter Antrag gem. § 145 BGB, welcher vom anderen Vertragsteil überhaupt nur (konkludent) angenommen werden könnte.

Siehe auch BGH, Urt. v. 11.01.2007 - VII ZR 165/05


Zitat
1. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, gelegentlich auch \"bestätigendes\" Schuldanerkenntnis genannt, ist ein vertragliches kausales Anerkenntnis (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 - VII ZR 215/93 - BauR 1995, 232, 234 = NJW 1995, 960). Ein solches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen (BGH aaO sowie Urteil vom 11. Juli 1995 - X ZR 42/93 - NJW 1995, 3311 = ZIP 1995, 1420; Urteil vom 29. April 1999 - VII ZR 248/98 - BauR 1999, 1021 = ZfBR 1999, 310; Urteil vom 6. Dezember 2001 - VII ZR 241/00 - BauR 2002, 613 = ZfBR 2002, 345 = NZBau 2002, 338; st. Rspr.).

Die erforderliche Einigung kann nur angenommen werden, wenn sich ein entsprechendes Angebot sowie dessen Annahme feststellen lassen.

Die Prüfung einer Rechnung, die Bezahlung einer Rechnung oder auch die Bezahlung nach Prüfung erlauben für sich genommen nicht, ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzunehmen (vgl. bereits BGH, Urteil vom 8. März 1979 - VII ZR 35/78 - BauR 1979, 249, 251).


2. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines deklaratorischen
Schuldanerkenntnisses durch die Beklagte nicht festgestellt. Dass die Beklagte die Rechnung vom 8. November 2001 geprüft und bezahlt hat, genügt nicht. Dafür, dass die Parteien sich im Sinne der Rechtsprechung zum deklaratorischen Schuldanerkenntnis geeinigt hätten, fehlen Anhaltspunkte.

Eine Zahlung auf eine Energieverbrauchsabrechnung nach konkludentem Vertragsabschluss spricht auch nur dafür, dass der Zahler Vertragspartner des Versorgers geworden ist, ein Rechnungsbetrag deshalb dem Grunde nach geschuldet ist;  jedoch nicht, dass bei Vertragsabschluss auch eine Preisvereinbarung getroffen wurde, der Rechnungsbetrag deshalb auch der Höhe nach geschuldet ist.

Zitat
Original von reblaus

OLG Köln, Urt. v. 11.04.2006 - Az. 22 U 204/05
Zitat
Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden (vgl. Staudinger-Marburger § 781 BGB, Rn. 9 und 22). Die Bezahlung einer Rechnung bzw. des ganz überwiegenden Rechnungsbetrages beinhaltet danach das Anerkenntnis, dem Grunde nach Vergütung für die in der Rechnung aufgeführten Leistungen zu schulden (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 98, 376, 377 li. Sp.). Wird wie hier Zahlung auf eine oder mehrere Abschlagsrechnungen geleistet, ist damit zugleich erklärt, dass ein Auftrag besteht, der über die in den Abschlagsrechnungen aufgeführten Leistungen hinausgeht, da Abschlagsrechnungen nur erteilt werden, wenn der Auftrag erst teilweise erfüllt ist, also noch Leistungen und die entsprechende Vergütung ausstehen.

 

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