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Autor Thema: BGH, Urt. v. 20.07.05- VIII ZR 199/04Vereinbarung erhöhtes Entgelt bei unwirksamer Änderungsklausel?  (Gelesen 4773 mal)

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BGH, Urt. v. 20.07.2005 -VIII ZR 199/04

Zitat
Hat sich der Vermieter im Mietvertrag eine einseitige Neufestsetzung der Miete vorbehalten und hat er in seinen an die Mieter gerichteten Mieterhöhungsschreiben erkennbar auf der Grundlage dieser - nach § 557 Abs. 4 BGB - unwirksamen vertraglichen Regelung sein einseitiges Bestimmungsrecht ausüben wollen, liegt darin, vom Empfängerhorizont der Mieter ausgehend, kein Angebot zum Abschluß einer Mieterhöhungsvereinbarung.

Schon deshalb kann in der Zahlung der erhöhten Miete seitens der Mieter eine stillschweigende Zustimmung zu der Mieterhöhung nicht gesehen werden (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 29. Juni 2005 - VIII ZR 182/04, zur Veröffentlichung bestimmt).

Zitat
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß nach den vorliegenden Umständen die vorbehaltlose Zahlung des von der Beklagten einseitig verlangten Mieterhöhungsbetrages nach dem objektiven Empfängerhorizont schon deshalb nicht als stillschweigende Zustimmung der Mieter zu einer Mieterhöhung angesehen werden kann, weil die einseitige Neufestlegung der Miete durch die Beklagte kein Angebot auf Abschluß einer Mieterhöhungsvereinbarung darstellte.


Zitat
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß die Schreiben der Beklagten nicht als Angebot zum Abschluß einer Änderungsvereinbarung zu werten sind, weil in ihnen - aufgrund des in § 3 Ziff. 4 des Mietvertrags enthaltenen Erhöhungsrechts des Vermieters (vgl. oben 1.) - die Miete einseitig festgelegt wurde.

Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Aus der Sicht eines verständigen Mieters hat die Beklagte durch ihre Schreiben, in denen sie die zukünftig zu zahlende Miete festlegte, erkennbar auf der Grundlage der - unwirksamen -vertraglichen Regelung ihr einseitiges Bestimmungsrecht ausüben wollen. Hierin lag daher, vom Empfängerhorizont der Mieter ausgehend, kein Angebot zum Abschluß einer Mieterhöhungsvereinbarung. Es war für sie bereits nicht ersichtlich, daß es ihnen frei stand, der Mieterhöhung zuzustimmen oder es auf ein etwaiges Mieterhöhungsverfahren ankommen zu lassen.

Die Rechtslage mußte sich ihnen vielmehr so darstellen, als seien sie schon aufgrund der einseitigen Erklärung der Beklagten zur Zahlung verpflichtet. Deshalb durfte die Beklagte auch der Zahlung der erhöhten Miete keine Erklärungsbedeutung beimessen, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum rechtsfehlerfrei angenommen hat (vgl. OLG Karlsruhe WuM 1986, 166, 168; OLG Hamburg WuM 1986, 82; LG Hamburg WuM 1989, 580; LG München I WuM 1992, 490; LG Aachen WuM 1995, 545; LG Mannheim WuM 2000, 308; LG Bautzen WuM 2002, 497; LG Berlin GE 2003, 807; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 557 Rdnr. 4; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III Rdnr. 422; Staudinger/Weitemeyer, BGB (2003), § 557 Rdnr. 33 f.; MünchKommBGB/Artz, 4. Aufl., § 557 Rdnr. 39; Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 2 MHG Rdnr. 123; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 10 MHG Rdnr. 8; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Aufl., § 557 Rdnr. 22 f.).

Rechtsfehlerfrei hat es das Berufungsgericht abgelehnt, die einseitige Erhöhung der Miete durch die Beklagte in ein Angebot auf Abschluß einer Mieterhöhungsvereinbarung umzudeuten (§ 140 BGB). Die Umdeutung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist Aufgabe des Tatrichters und in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar.

Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall die Grenzen einer Umdeutung nicht verkannt. Nach § 140 BGB kann ein nichtiges
Rechtsgeschäft in ein anderes Rechtsgeschäft umgedeutet werden, wenn es dessen Erfordernissen entspricht und angenommen werden kann, daß es bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Die Umdeutung einer einseitigen rechtsgestaltenden Willenserklärung in ein annahmebedürftiges Vertragsangebot ist nur dann zulässig, wenn sich der Erklärende bei Abgabe der Willenserklärung bewußt gewesen ist, daß sie als einseitige nicht wirksam werden könnte und es für diesen Fall zur Herbeiführung des rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolges hilfsweise der Zustimmung des Erklärungsempfängers bedürfe (vgl. für die Umdeutung einer Kündigung Senatsurteil vom 24. September 1980 - VIII ZR
299/79, NJW 1981, 43, unter II 2 b).

Bereits diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil die Beklagte sich - gestützt auf § 3 Ziff. 4 des Mietvertrags - für berechtigt hielt, die Miete durch einseitige Erklärung zu erhöhen, und dies in ihren Schreiben auch klar zum Ausdruck brachte.

Dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin steht, anders als die Revision meint, die Vorschrift des § 814 BGB nicht entgegen. Die Rückforderung des zum Zwecke einer Verbindlichkeit Geleisteten ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Leistende im Zeitpunkt der Leistung positive Kenntnis von der Rechtslage hatte (st.Rspr.; BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 - IV ZR 35/96, NJW 1997, 2381 unter II 4 a m.w.Nachw.).

Das hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht vorgetragen. Soweit sie in der Revisionsbegründung auf ihr Vorbringen in den Tatsacheninstanzen verweist, daß die Mieter seit 1999 anwaltlich beraten gewesen seien, reicht dies zur Darlegung einer Kenntnis von der Nichtschuld nicht aus, weil die Beklagte nicht behauptet hat, daß sich die anwaltliche Beratung gerade auf die Unwirksamkeit der Mieterhöhungen bezogen hat.


Entgegen der Auffassung der Revision ist der Rückforderungsanspruch der Klägerin nicht verwirkt (§ 242 BGB).

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über längere Zeit nicht geltend gemacht hat und sich der Verpflichtete darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, daß dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, wobei der Verstoß gegen Treu und Glauben in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung liegt (st.Rspr.; BGHZ 105, 290, 298; BGH, Urteil vom 14. November 2002 - VII ZR 23/02, NJW 2003, 824, jew. m.w.Nachw.).

Eine Verwirkung kommt nur dann in Betracht, wenn - abgesehen vom bloßen Zeitablauf - Umstände vorliegen, die für den Schuldner (Vermieter) einen Vertrauenstatbestand schaffen und die spätere Geltendmachung des Rechts als treuwidrig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 230/91, NJW-RR 1992, 1240 unter II 1 b m.w.Nachw.).

Die Klägerin und ihr Ehemann haben indes durch die vorbehaltlose Zahlung keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, welcher ein besonderes Vertrauen der Beklagten als Vermieterin darauf rechtfertigen konnte, daß keine Rückforderungsansprüche mehr geltend gemacht würden. Zu Unrecht meint die Revision, ihre Mieter hätten davon ausgehen müssen, daß ihr Verhalten nur als Einwilligung in eine einvernehmliche Mieterhöhung gedeutet werden könne.

Wie oben (unter 2 b) bereits ausgeführt, mußten diese, für die Beklagte erkennbar, gerade nicht annehmen, daß ihrem Verhalten eine Erklärungswirkung beigemessen werden konnte. Es lag vielmehr im Risikobereich der Beklagten, wenn sie von einer wirksamen Mieterhöhung gemäß §§ 2 ff. MHG (§§ 557 ff. BGB) absah.

Dem Anspruch der Klägerin kann die Beklagte nicht den Einwand der Entreicherung entgegenhalten (§ 818 Abs. 3 BGB).

Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten hat sie sich durch die Investition der erhaltenen Mieten in das Hausgrundstück einen in ihrem Vermögen noch vorhandenen Ersatzwert verschafft. Soweit die Revision vorträgt, der Beklagten sei ein Vermögensnachteil dadurch entstanden, daß sie im Vertrauen auf den Rechtsbestand der Mietzahlung wirksame Mieterhöhungen gemäß § 3 MHG aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen unterlassen habe, greift dies nicht durch.

Die Beklagte kann das Risiko, das sich aus der Rechtsunwirksamkeit der Mieterhöhungen für sie ergab, nicht über § 818 Abs. 3 BGB auf die Klägerin abwälzen. Unterläßt sie im Vertrauen auf die von ihr - unwirksam - erklärten Mieterhöhungen wirksame Mieterhöhungserklärungen, so entfällt damit nicht ihre Bereicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB (Ricker ZMR 1999, 740, 741 f.; Börstinghaus, jurisPR, MietR 5/2005 Anm. 1; a.A. LG Essen ZMR 1999, 557, 558 zu § 10 WoBindG; vgl. auch Derckx/Wolbers ZMR 1999, 733, 736 f.).

Soweit die Revision meint, die Höhe des Anspruchs habe sich jedenfalls auf die Differenz zwischen der im Januar 1999 gezahlten Miete und der ab Juni 1999 beziehungsweise Januar 2002 gezahlten erhöhten Miete zu beschränken, weil die vorhergehenden Mieterhöhungserklärungen unangegriffen geblieben seien, läßt sie außer Acht, daß sich die Klägerin nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils, auf das das Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO zulässigerweise Bezug genommen hat, darauf berufen hat, daß die Miete zu keinem Zeitpunkt wirksam erhöht worden sei.



Nicht anders verhält es sich, wenn in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energielieferungevertrages ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wegen Verstoß gegen. § 307 BGB unwirksam ist und der Energieversorger in Ausübung des vermeintlich bestehenden Leistungsbestimmungsrechts die Entgelte erhöht und erhöhte Entgelte zur Abrechnung stellt.

Der weite Spielraum der Billigkeit genügt nicht den Anforderungen an Konkretisierung und Begrenzung, die nach § 307 BGB an eine ABG- Preisänderungsklausel zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2004 - KZR 10/03 unter II.6).

Schon aus der Sicht des Energieversorgers handelt es sich bei der Erhöhung um kein auf Annahme gerichtetes Angebot gem. § 145 BGB, welches der andere Vertragsteil fristgerecht annehmen könnte, sondern um eine einseitige unwiderrufliche Willenserklärung gem. § 315 Abs. 2 BGB.

Auch aus der Sicht des Energiekunden liegt darin kein Angebot des Energielieferanten  auf Preisneuvereinbarung, sondern eine (unzulässige) einseitige Leistungsbestimmung.  

Die Versorger selbst haben regelmäßig  darauf verwiesen, dass sie berechtigt seien, die Entgelte einseitig zu erhöhen und die Kunden auch dann zur Zahlung verpflichtet seien, wenn sie mit den erhöhten Entgelten nicht einverstanden sind.

Auch die vorbehaltslose Zahlung des erhöhten Entgelts stellt kein Angebot auf vertragliche Neuvereinbarung dar, sondern begründet einen bereicherungsrechtslichen Rückerstattungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 BGB.

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Die Grundsätze müssen freilich auch dann gelten, wenn die einseitige Entgelterhöhung wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam ist. Auf die Frage, aus welchem Grund die einseitige Erhöhung des Vertragsentgelts unwirksam war, kann es dabei nicht ankommen. Entscheidend ist vielmehr, dass eine einseitige Entgelterhöhungserklärung gem. § 315 Abs. 2 BGB vom maßgeblichen Empfängerhorizont ausgehend kein auf Annahme gerichtetes Angebot gem. § 145 BGB zur vertraglichen Entgeltneuvereinbarung  darstellt, durch  eine vorbehaltslose Zahlung des erhöhten Entgelts keine neue Entgelthöhe vertraglich vereinbart wird (a.A. ohne überzeugende Begründung BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07).

Auch die vorbehaltlose Zahlung auf  unbillige einseitige Entgeltfestsetzungen eines Energieversorgungsunternehmens begründen einen bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.2003 - VIII ZR 111/02; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2008 - VI- 2- U (Kart) 12/07).

 

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