Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Können erhöhte Netzentgelte im Sondervertrag zu geänderten Arbeits-/Grundpreisen führen?

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Kampfzwerg:
Der örtliche Grundversorger hat sein eigenes Stromnetz an die RWE Rhein-Ruhr Verteilnetz GmbH verpachtet

Ende letzten Jahres haben wir mit dem örtlichen Grundversorger einen
„offener Liefervertrag -all inclusive-  mit Netznutzung“ geschlossen (Angebot/Annahme/Vertrag schriftlich)

Eine Klausel im Vertrag zw. Grundversorger und Letztverbraucher lautet wie folgt:
„Änderungen der Netzzugangsentgelte werden gegenüber dem Kunden mit dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie gegenüber dem Lieferanten wirksam werden.“

Zum unserem Erstaunen wurde direkt die erste Monatsabschlags-Rechnung des Grundversorgers mit anderen als den im Vertrag vereinbarten Preisen berechnet.
Arbeitspreis und Leistungspreis waren erhöht, der Grundpreis gesenkt.

Eine zwischenzeitliche Information über geänderte Preise ist nicht erfolgt.

Auf Nachfrage erhielten wir als Begründung für die geänderten Preise eine Erhöhung des Netznutzungsentgelts des örtlich zuständigen Netzbetreibers (also der RWE als VNB)
Dieses erhöhte Netzentgelt wäre durch die Bundesnetzagentur zum 01.01.09 neu genehmigt.
Die vertraglichen Preise wären entsprechend der Veränderung der Netznutzungsentgelte angepasst worden. (Rechtsgrundlage wäre somit die o. g. Klausel)


Mir stellen sich jetzt doch einige Fragen:

1. Soweit ich weiß, mussten entsprechende Anträge zur Genehmigung des Netzentgelts bei der Bundesnetzagentur 6 Monate vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens gestellt sein (§23a EnWG)
Das würde bedeuten, dass zum Zeitpunkt von Angebot und Vertragsschluss des Stromsondervertrags dem Grundversorger die Sachlage (Antragsstellung und gefordertes Netznutzungsentgelt) eigentlich hätte bekannt sein müssen?
Erstellt er Angebote auf einer Kalkulationsbasis, die kurze Zeit später schon Makulatur ist?

2. Der erhöhte Leistungspreis entspricht dem Preis, der auf dem Preisblatt ab 01.01.09 der RWE veröffentlicht ist.
http://www.rwe-rhein-ruhr-verteilnetz.com/web/cms/de/200404/rwe-rhein-ruhr-verteilnetz/netzzugang-strom/netzentgelte/download/
Wie kann aber eine Erhöhung des Netznutzungsentgelts eine Senkung des Grundpreises und eine Erhöhung des Arbeitspreises zur Folge haben?
 (Im Vergleich mit den Vertragspreisen ergibt eine Überschlagsberechnung anhand des kalkulierten Verbrauchs im Endergebnis natürlich ein Plus für den GV)
Ist eine Leistungspreiserhöhung überhaupt korrekt?

3. Seit dem 01.01.09 muss die Bundesnetzagentur keine Anträge auf Netzentgelte mehr genehmigen, es gilt die Verordnung über die Anreizregulierung
http://www.bundesrecht.juris.de/aregv/index.html

§ 1 Anwendungsbereich
Diese Rechtsverordnung regelt die Bestimmung der Entgelte für den Zugang zu den Energieversorgungsnetzen im Wege der Anreizregulierung. Netzentgelte werden ab dem 1. Januar 2009 im Wege der Anreizregulierung bestimmt.

RWE selbst informiert den interessierten Verbraucher wie folgt:
„Die Netzentgelte basieren auf der am 08.01.2009 von der Bundesnetzagentur genehmigten Erlösobergrenze für das Jahr 2009 und sind ab 01.01.2009 gültig.“
Nachzulesen http://www.rwe-rhein-ruhr-verteilnetz.com/web/cms/de/200466/netzzugang-strom/netzentgelte

Dazu passt nun allerdings die Begründung des Grundversorgers überhaupt nicht (siehe 1.)


Wir fühlen uns natürlich nun abgezockt.
Oder habe ich etwas missverstanden?
Was haltet Ihr davon?
Ist ein derartiges Vorgehen des GV korrekt?



P.S. Ich stelle das Ganze erst einmal hier ein, da die Thematik vielleicht grundsätzlich auch für andere interessant sein könnte.
Das Thema Anreizregulierung ist ja noch relativ neu
Später könnten wir vielleicht immer noch zum Thread RWE Rhein-Ruhr verschieben? ;)

Edit 17.03.
Ich habe die Frage im Titel einmal genauer formuliert.
Hat keiner eine Idee?

RR-E-ft:
@Kampfzwerg


Eine entsprechende Preisänderungsklausel in einem Sondervertrag verstößt gegen § 307 BGB. Der BGH hat entsprechende Klauseln in Energielieferungsverträgen für unwirksam erklärt, bei denen nur auf einen von mehreren preisbildenden Faktoren abgestellt wurde; dort Gestehungskosten bzw. Vorlieferantenpreise, hier Netzentgelte. Geänderte Netzentgelte könnten durch Änderungen bei anderen preisbildenden Faktoren vollständig kompensiert werden, so dass eine Weitergabe geänderter Netzentgelte zu einer nachträglichen Erhöhung der Gewinnspanne führen könnte. Der BGH hat mehrfach entschieden, welche Anforderungen an eine Preisänderungsklausel aufgrund und im Umfang nachträglich geänderter Kosten zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06 Rdn. 10). Diesen Anforderungen wird die Klausel nicht gerecht.

Damit sollte die Frage beantwortet sein. Wenn nicht, noch einmal die Entscheidungen des BGH vom 29.04.2008 - KZR 2/07 und vom 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 lesen.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@Kampfzwerg


Eine entsprechende Preisänderungsklausel in einem Sondervertrag verstößt gegen § 307 BGB. Der BGH hat entsprechende Klauseln in Energielieferungsverträgen für unwirksam erklärt, bei denen nur auf einen von mehreren preisbildenden Faktoren abgestellt wurde; dort Gestehungskosten bzw. Vorlieferantenpreise, hier Netzentgelte. Geänderte Netzentgelte könnten durch Änderungen bei anderen preisbildenden Faktoren vollständig kompensiert werden, so dass eine Weitergabe geänderter Netzentgelte zu einer nachträglichen Erhöhung der Gewinnspanne führen könnte. Der BGH hat mehrfach entschieden, welche Anforderungen an eine Preisänderungsklausel aufgrund und im Umfang nachträglich geänderter Kosten zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06 Rdn. 10)..
--- Ende Zitat ---

Die von Ihnen konkret zitierte BGH Rechtsprechung betrifft aber Preisanpassungsklauseln in Premiere-Abo Verträgen und nicht in Energielieferverträgen.  Ich verweise  dazu auf BGH VIII ZR 90/02 vom 22.12.2003, in der der BGH eine Preisanpassungsklausel, die die direkte Weiterwälzung von Steuern, Angaben und EEG/KWK Kosten als einzelne Preisbestandteil für wirksam erkannt hat.

Eine Klausel in Energielieferverträgen, die also für eine Preisänderung nur auf einen preisbildenenden Faktor (oder eine ausgewählte Gruppe dieser Faktoren) abstellt ist nicht zwangsläufig wegen Verstosses gegen § 307 BGB nichtig.

Wasserwaage:
@Kampfzwerg

\"Der örtliche Grundversorger hat sein eigenes Stromnetz an die RWE Rhein-Ruhr Verteilnetz GmbH verpachte\"

=> wohl eher der örtliche Netzbetreiber. Die Aussage ist aber m.E. auch nicht von Belang.

\"Ende letzten Jahres haben wir mit dem örtlichen Grundversorger einen
„offener Liefervertrag -all inclusive- mit Netznutzung“ geschlossen (Angebot/Annahme/Vertrag schriftlich)\"

=> Ob mit dem örtlichen Grundversorger oder dem Lieferanten xy ist wohl egal

\"„Änderungen der Netzzugangsentgelte werden gegenüber dem Kunden mit dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie gegenüber dem Lieferanten wirksam werden.“

=> eine durchaus übliche Klausel, gerade im Industriekundenbereich wo der Preis im Zweifel auch in den einzelnen Preisbestandteilen im Vertrag wiedergegeben ist.

Handelt es sich hierbei um einen Vertrag für Geschäftskunden?! Oder um Privatkunden?!

\"Arbeitspreis und Leistungspreis waren erhöht, der Grundpreis gesenkt.\"

Wie sich eine Änderung der Netzentgelte auf den Lieferpreis auswirkt hängt von der Änderung ab. Bei den Netzentgelten kann es auch durchaus vorkommen, dass der Leistungspreis steigt und gleichzeitig der Arbeitspreis sinkt.

Zu Ihren Fragen:

1. Zum Einen haben Sie doch selbst geschrieben, dass das Netz verpachtet wurde, der örtliche Netzbetreiber also nichts mehr damit zu tun hat. Zum Anderen dürfte weder dem Grundversorger noch einem anderen Lieferanten die Höhe des beantragten NNE bekannt gewesen sein, das wäre auch nicht Unbundlingkonform.

2. z.B. dadurch, dass sich der Arbeitspreis bei den NNE erhöht hat und der Leistungspreis und/oder die Verrechnungspreise, Messkosten gesunken sind.

\"Ist eine Leistungspreiserhöhung überhaupt korrekt?\"

Hier handelt es sich um eine Zusatzfrage die näher definiert werden müsste. >>> sind Sie leistungsgemessener Kunde?!

3. Ob die Netzentgelte nach altem Prozederre genehmigt oder sich durch eine Genehmigung nach der Anreizregulierung ergeben ist m.E. unrelevant.

Die Netzentgelte haben sich geändert und der Lieferant hat diese auf Grundlage der vereinbarten Klausel weitergegeben. Grundsätzlich ist die Klausel für Sie sogar begüßenswert, denn ich würde mittel- und langfristig eher von sinkenden NNE ausgehen.


In Bezug auf die Wirksamkeit der Klausel würde ich eher in Richtung von Black tendieren. Ich habe selbst auch schon Verträge mit ähnlichen Klauseln abgeschlossen, dabei aber die NNE als gesonderte Preise in ihren einzelnen Bestandteilen ausgewiesen und mit eigenem Preisblatt hinterlegt. Ähnlich als wenn der Kunde den Netznutzungsvertrag selbst mit dem Netzbetreiber abgschlossen hätte (Übrigens die übliche Vorgehensweise in anderen europäischen Ländern).

RR-E-ft:
@Black

Die Rechtsprechung zu Kostenelementeklauseln gilt generell- abstrakt, auch für Energielieferungsverträge (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.12.2006 - VIII ZR 25/06).

Die von Ihnen zitierte Entscheidung betrifft hingegen keine Preisänderungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern die ergänzende Auslegung einer sog. \"Steuer- und Abgabenklausel\", nach welcher vorgesehen war, dass der Kunde im Falle von gesetzlichen Neuregelungen von Steuern und Abgaben die daraus resultierenden Mehrkosten zu tragen hat. Es handelte sich um einen Stromlieferungsvertrag mit einem Industriekunden.

In dieser Entscheidung ging es schon überhaupt um keine Inhaltskontrolle gem. §§ 305 ff. BGB.

Der BGH kam dabei im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung wegen einer Lücke im Vertrag, die gerade nicht auf der Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung wegen Verstoß gegen die Inhaltsschranken gem. § 307 BGB beruhte, dahin, dass die Mehrbelastungen umlagefähig seien, auch wenn sie nicht auf geänderten Steuern und Abgaben beruhten und somit nicht unmittelbar unter die Klausel zu subsumieren waren.

@Wasserwaage

Wenn bereits im Ursprungsvertrag die Netzentgelte und deren Anteil am Vertragspreis gesondert ausgewiesen werden, dann könnte den Anforderungen, welche die Rechtsprechung an Kostenelementeklauseln stellt, eher entsprochen sein (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2007 - III ZR 63/07 Rn. 19)

Ob sich eine Besonderheit daraus ergeben kann, dass von Netzzugangsentgelten, statt von Netznutzungsentgelten die Rede ist, vermag ich nicht zu ersehen.

@Kampfzwerg

Wenn geänderte Netzzugangsentgelte umlagefähig wären, stellt sich die Frage, welche Netzzugangsentgelte vom Lieferanten an den Netzbetreiber im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu zahlen waren und welche  Entgelte nunmehr zu zahlen sind und welche Kosten davon konkret auf das einzelne Vertragsverhältnis entfallen, wie ggf. die Schlüsselung der Kosten erfolgt.

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