Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.

<< < (3/12) > >>

nomos:

--- Zitat ---Original von reblaus
Im Falle von Bietigheim-Bissingen ist das schwierig, da dort neben Gas auch in großem Umfang Strom, Wasser und Wärme abgesetzt wird.
--------------
Aber an diesem Beispiel erkennen Sie doch wunderbar, dass die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen Ertragszuschüsse von ihrem Vorlieferanten erhalten. In Höhe von 1,7 Mio wurden hierfür in der Vorjahresperiode eingestellte Rückstellungen aufgelöst.
--- Ende Zitat ---
@reblaus, wo sehen Sie da einen Unterschied? Bei den Ertragszuschüssen ist da genauso \"schwierig\", da sie ja nicht nach Kostenträgern aufgegliedert sind. Viel wurde da nicht preisgegeben bzw. erläutert, trotz oder wegen dem HGB.  
--- Zitat ---Original von reblaus
Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen müssen nicht umfangreicher aufgeschlüsselt werden. Hierbei handelt es sich aber um Kosten wie Porto, Telefon, Blumenschmuck etc.

Noch nicht einmal die Kosten für die Strapsen der Chefsekretärin dürfen hier aufgenommen werden. Die sind unter Personalaufwand zu verbuchen.
--- Ende Zitat ---
@reblaus, für meinen Geschmack sind 10.886.445,03 € etwa viel für Porto, Telefon und Blumenschmuck etc.. Der gesamte Personalaufwand (evtl. einschließlich dort verbuchter Strapsen der Chefsekretärin  :D  ) beträgt gerade mal die Hälfte. Hinter den \"sonstigen Aufwendungen\" steckt viel mehr!

Aber nochmal konkret, im Posten \"sonstige betriebliche Aufwendungen\" dürfte auch  die sogenannte Konzernumlage versteckt sein. Die Holding wird als Einheit besteuert und die Konzernumlage wird so berechnet, als würde das Einzelunternehmen \"Stadtwerke\" separat besteuert. Tatsächlich fallen bei der Holding geringere Steuern an. Es wird so quasi ein zusätzlicher Gewinn an die Holding transferiert der dort verbleibt.

In § 277 HGB (3) findet sich z.B. der Satz \"Erträge und Aufwendungen aus Verlustübernahme und auf Grund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder eines Teilgewinnabführungsvertrags erhaltene oder abgeführte Gewinne sind jeweils gesondert unter entsprechender Bezeichnung auszuweisen.Jetzt kann man darüber wieder trefflich streiten. Aber unabhängig von HGB & Co, nochmal meine Meinung dazu:

[*]Da ist keine Information zur der an die Städtische Holding abgeführten Konzernumlage (Enthalten im Posten \"Sonstige betriebliche Aufwendungen\"!).
[*]Da ist keine Information über die über die Preise kassierten, an die Stadt direkt abgeführten Konzessionsabgabe. (Holding 100% im Eigentum der Stadt! Stadtwerke 100% im Eigentum der Holding).
[*]Da ist keine Erläuterungen zu den wesentlichen Einzelposten und Veränderungen.
[*]Da ist keine Verflechtungsberichterstattung; z.B. wie hoch sind die auf die Stadtwerke tatsächlich entfallenden Steuern bei der Holding usw. .
[*]Kein Bericht über die Erfüllung der Anforderungen des EnWG oder der Vorgaben des kommunalen Wirtschaftsrechts!
[*]Woher rühren die Steigerungen der Umsatzerlöse? Aus dem Mehrverkauf von Energie (kWh) oder nur aus Preissteigerungen?
[/list]Ob diese Pflichtveröffentlichung den Anforderungen genügt? Eine offene und gute Information der Bürger sieht anders aus. Die Stadtwerke stehen im öffentlich-rechtlichen Eigentum und gehören quasi den Bürgern. Nicht nur Aktionäre, auch Bürger haben einen Anspruch auf eine hinreichende Information!

Pedro:
@reblaus:

--- Zitat ---Die GuV muss immer in der gleichen Reihenfolge wie in § 275 HGB aufgebaut werden. Diese Position finden Sie daher immer an gleicher Stelle
--- Ende Zitat ---

Allerdings sollte man auch folgende Regelung beachten:

HGB § 276 Größenabhängige Erleichterungen
Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1, 2) dürfen die Posten § 275 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 oder Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 6 zu einem Posten unter der Bezeichnung \"Rohergebnis\" zusammenfassen. Kleine Kapitalgesellschaften brauchen außerdem die in § 277 Abs. 4 Satz 2 und 3 verlangten Erläuterungen zu den Posten \"außerordentliche Erträge\" und \"außerordentliche Aufwendungen\" nicht zu machen.
___________
Stadtwerke, die eine Nachvollziehbarkeit des Geschäftsberichtes (hier G+V) möglichst schwer machen wollen, nutzen diese Ausnahme.
Noch ein Tipp:
Schaut doch mal in den Geschäftsberichten nach, was für die \'\'Aufsichtsräte\'\' an Vergütungen genannt werden und vergleicht diese durch Eingabe des Firmennamens im Bundesanzeiger (Pflichtangabe gem. § 285 HGB). Sehr interessant!

reblaus:
@nomos
Die Veröffentlichungspflicht für Jahresabschlüsse besteht, um den Handelpartnern einer Kapitalgesellschaft Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu geben und die Bonität einschätzen zu können. Damit ist nicht beabsichtigt gewesen, dem Verbraucher den Nachweis der Unbilligkeit einer Preisfestsetzung oder dem Bürger den Überblick über die ordnungsgemäße Bewirtschaftung kommunaler Einrichtungen zu gewähren. Diese Veröffentlichungspflicht wird durch das Grundrecht auf freie Gewerbeausübung eingeschränkt, so dass die Kapitalgesellschaft keine detaillierten Einblicke in ihre Geschäftsbücher gewähren muss.

In dieser Diskussion soll es aber nicht darum gehen, was Sie mit dem Jahresabschluss alles immer noch nicht herausfinden können, sondern welche zusätzlichen Erkenntnisse Sie gewinnen können.

Wie ich bereits ausgeführt habe ist es für Außenstehende fast unmöglich die Verschiebung von Gewinnen durch überhöhte Verrechnungspreise innerhalb eines Konzerns zu kontrollieren. Wenn die Holding zentrale Dienstleistungen für alle Konzerntöchter übernimmt, müssen die Töchter für diese Dienstleistungen Entgelt (Konzernumlage) entrichten. Wenn die Firmenimmobilien im Eigentum der Holding stehen, müssen die Töchter Miete bezahlen. Solche Kosten werden unter \"sonstige betriebliche Aufwendungen\" gebucht. Unter diese Position fallen alle Kosten, die nicht unter die anderen Positionen des § 275 HGB gehören.

Um einen Jahresabschluss überhaupt beurteilen zu können, benötigen Sie die Abschlüsse für mehrere Jahre. Erst die Entwicklung einzelner Positionen im Verlauf der Jahre lässt wirkliche Rückschlüsse zu, was in dem Unternehmen eigentlich passiert.

Z. B. könnte in einem Jahr eine große Reparatur an Gasleitungen angestanden haben. Dann wäre die Position \"sonstige betriebliche Aufwendungen\" in diesem Jahr völlig verzerrt. Solche Ausnahmen erkennen Sie aber nur, wenn Sie die Entwicklung vieler Jahre betrachten.

Die Jahresabschlüsse müssen beim Handelsregister hinterlegt werden. Das zuständige Handelsregister muss das Unternehmen mitteilen. Dort finden Sie dann auch betagtere Abschlüsse, die im Internet nicht veröffentlicht wurden. Sollte ein Jahresabschluss nicht veröffentlicht worden sein, genügt ein Hinweis an den Rechtspfleger. Der verfügt über Möglichkeiten, die Veröffentlichung zu erzwingen.

Die Darlegung \"unbilliger Preise\" ist ein Puzzlespiel. Aus dem Jahresabschluss können Sie einige Puzzleteile entnehmen. Um ein Gesamtbild zu bekommen, benötigen Sie weitere Teile, die Sie vielleicht aus dem Gemeindehaushalt (Konzessionsabgabe) oder der Presse, Internet (Abgesetzte Gesamtmenge an Gas) etc. entnehmen können.

@Pedro
Die Größenerleichterungen betreffen nur sehr kleine kommunale Versorger. Die meisten Unternehmen in dieser Branche überschreiten die Anforderungen bei weitem. Vorstands- und Aufsichtsratsbezüge erzeugen zwar mitunter blankes Entsetzen fallen aber in der Gewichtung der Kosten praktisch nicht ins Gewicht.

Pedro:
@Reblaus:

--- Zitat ---Die Größenerleichterungen betreffen nur sehr kleine kommunale Versorger. Die meisten Unternehmen in dieser Branche überschreiten die Anforderungen bei weitem. Vorstands- und Aufsichtsratsbezüge erzeugen zwar mitunter blankes Entsetzen fallen aber in der Gewichtung der Kosten praktisch nicht ins Gewicht.
--- Ende Zitat ---

Wir sind hier umgeben von \'\'normalen Versorgern\'\'. Darunter fallen eben viele (noch) kommunale Betriebe. Diese müssen aber nicht Gebrauch von der \'\'Erleichterungsausnahme\'\' machen und machen es zum Teil auch nicht. Versorger, die mit geringerer Verschleierungstaktik fahren, weisen die Posten trotzdem aus.
Die Bezüge der sog. Aufsichtsgremien erzeugen nicht nur manchmal \'\'blankes Entsetzen\'\' (es gibt auch Ausnahmen!), sie machen auch deutlich warum der Drang bei kommunalen \'\'Würdenträgern\'\' nach diesen Ämtern so groß ist. Verbunden damit ist das Streben, die Geschäftsabläufe vor der Öffentlichkeit (= oft mehrheitlich oder ganz Eigentümer der Stadtwerke!) möglichst geheim zu halten. Und die bisher erstaunlich wenig interessierte Öffentlichkeit lässt sie dann auch machen.

nomos:

--- Zitat ---Original von reblaus
Die Veröffentlichungspflicht für Jahresabschlüsse besteht, um den Handelpartnern einer Kapitalgesellschaft Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu geben .........
--- Ende Zitat ---
@reblaus, es braucht hier keinen Exkurs über die Intention des HGB. Das Handelsregister und die Aufgaben und Befugnisse eines Rechtspflegers sind auch keine Unbekannten.   Die tatsächliche Erfüllung und Prüfung der Pflichtveröffentlichungen würde ich mir aber schon mal ansehen. Wieviel Jahresabschlüsse aus dem Jahr 2007 fehlen denn z.B. noch? Erkenntnisse gewinnt man am einfachsten aus offengelegten Zahlen. Dass man mehrere Perioden einbeziehen sollte, inbesondere bei periodenübergreifenden Vorgängen ist eine Binsenweisheit.

Es geht hier nicht um die freie Gewerbeausübung und um klassische Kapitalgesellschaften. Es geht um Stadtwerke, die sich im öffentlich-rechtlichen Eigentum befinden. Stadtwerke haben kommunale Aufgaben zu erfüllen (Daseinsvorsorge), sie sind Mittel zum Zweck für die Kommunen. Es kann nicht sein, dass man sich als Kommune für die Erfüllung kommunaler Aufgaben privater Rechtsformen bedient und dann glaubt alle kommunalen Bindungen und Verpflichtungen ablegen zu können.  

Hier reicht mir die Offenlegung und Information der Bürger nicht. Bei näherer Betrachtung erfüllen sie nicht einmal die Anforderungen des Handelsrechts. Da zeigen \"echte\" Kapitalgesellschaften oft weit mehr.

Der Themenkomplex wurde im Forum schon mehrfach diskutiert z.B. hier:

Sinn der Konzessionsabgabe

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