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Autor Thema: Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.  (Gelesen 21178 mal)

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Offline RR-E-ft

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« am: 09. März 2009, 17:04:48 »
Versorger behaupten oft, ihr Jahresergebnis sei infolge der Preiserhöhungen nicht gestiegen, weshalb die Billigkeit nachgewiesen sei.

Ein Schnellschuss.

So kann man nicht herangehen, weil es nicht um die Entwicklung des Jahresergebnisses, sondern um die Entwicklung des Deckungsbeitrages im konkreten Vertragspreis geht, für dessen Beurteilung die Entwicklung der übrigen Kostenbestandteile des konkreten Preissockels berücksichtigt werden m u s s (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Rn. 39).  

Dieser maßgebliche Deckungsbeitrag kann auch bei rückläüfigen Jahresergebnis gestiegen sein, z.B.  wenn der Versorger Preiserhöhungen an Groß- und Industriekunden nicht oder nicht im selben Maße weitergegeben hat, rückläufige Ergebnisse in diesem Marktsegement mit höheren Ergebnissen im Marktsegment der Belieferung von HuK- Kunden bzw. Standardlastprofilkunden teilweise kompensiert hat.

So fallen seit Jahresbeginn zB. die Strompreise für Industriekunden, wohingegen die Strompreise für HuK- Kunden drastisch erhöht werden.
Ein Beschuss sondersgleichen.

Zudem haben die Versorger aus Gründen kaufmännischer Vorsicht wegen möglicher Rückforderungsansprüche ihrer Kunden infolge unwirksamer Preiserhöhungen Rückstellungen in Millionenhöhe in ihren Bilanzen gebildet.

Diese Rückstellungsbildung allein verringert das Jahresergebnis entsprechend. Sollten die betreffenden Versorger später diese gebildeten Rückstellungen wieder auflösen können, erhöht sich dadurch ihr Jahresergebnis entsprechend, nur in einer vollkommen anderen Periode.

Zu fragen wäre deshalb, wie sich das Jahresergebnis ohne die vorgenommene Rückstellungsbildung dargestellt hätte. Fakt ist, dass der Jahresüberschuss dann entsprechend höher ausgefallen wäre. Wurden solche Rückstellungen in Millionenhöhe gebildet, so wäre das Jahresergebnis entsprechend höher ausgefallen mit der möglichen Folge, dass eine Unbilligkeit der Preiserhöhungen offensichtlich gewesen wäre.

So soll allein die Heilbronner HVG infolge des Waldeyer- Verfahrens Rückstellungen in Höhe von 600.000 € gebildet haben, die nach dem BGH- Urteil vom 13.06.2007 wieder aufgelöst werden konnten, ergebniserhöhend in einer Nachperiode.

Mit einer entsprechenden Rückstellungsbildung ließe sich jede unzulässige Gewinnerhöhung in einer bestimmten Periode verschleiern. Werden Rückstellungen gebildet, erhöht sich dadurch die Bilanzsumme.

Wo also die Rückstellungen in Millionenhöhe gestiegen sind, muss es nicht verwundern, wenn der Jahresüberschuss infolge der Preiserhöhungen etwaig nicht gestiegen ist. Ausgewiesenen Jahresüberschuss plus Veränderung der gebildeten Rückstellungen gilt es in den Blick zu nehmen.

Offline enerveto

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« Antwort #1 am: 13. März 2009, 22:27:30 »
Rechnungsabgrenzung (aktiv und passiv) und Rückstellungen dienen der richtigen Periodenabgrenzung zu Aufwand und Ertrag.
Bei der Rechnungsabgrenzung sind Grund, Höhe und Fälligkeit bekannt;
Bei der Rückstellung ist der Grund bekannt, Höhe und Fälligkeit jedoch ungewiss.

Zitat
@RR-E-ft
Gewinne nicht gestiegen? – Der erste Blick trügt oft.
Ausgewiesener Jahresüberschuss plus Veränderung der gebildeten Rückstellungen gilt es in den Blick zu nehmen.

Zitat
Elektronischer Bundesanzeiger
Herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz
Rechnungslegung / Finanzberichte

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Wirtschaftsbetriebe Lingen (Ems) GmbH, Lingen (Ems)
Des Weiteren teilen wir mit, dass der Jahresabschluss der Stadtwerke Lingen GmbH in den Konzernabschluss der Wirtschaftsbetriebe Lingen GmbH einbezogen wurde.
Konzernabschluss zum Geschäftsjahr vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2007

IV. Erläuterungen zur Konzernbilanz
Die sonstigen Rückstellungen berücksichtigen alle erkennbaren Risiken und ungewissen Verpflichtungen. Sie setzen sich wie folgt zusammen:
sonstige Rückstellungen:
- Drohverluste durch die „take or pay“- Verpflichtung im Gasliefervertrag 2007/2008,1.000.000 €
- EEG-Endabrechnung 2006 und 2007, 894.000 €
- Periodenübergreifende Saldierung Netzentgelte/Netzkosten Strom. 172.000 €
- KWK-Endabrechnung 2006 und 2007, 41.000 €
- Bescheide BNA Netzentgelte Strom/Gas, 30.000 €

Der passive Rechnungsabgrenzungsposten enthält den auf das Jahr 2008 entfallenden Anteil der pauschal mit dem Gaslieferanten vereinbarten Bezugspreisreduzierung für das Gaswirtschaftsjahr 2007/2008 (750 T€).

V. Erläuterungen zur Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung
Die Umsatzerlöse wurden ausschließlich im Inland erzielt und gliedern sich nach Tätigkeitsbereichen wie folgt:
Stromversorgung (T€) 2007: 30.783; 2006: 26.866
Erdgasversorgung (T€) 2007: 24.714; 2006: 29.218

Konzernlagebericht
Im Berichtsjahr sind die Veränderungen der Energiebeschaffungskosten wiederum an die Kunden weitergegeben worden. Witterungsbedingt ist die Nachfrage nach Energie insbesondere in der ersten Jahreshälfte gesunken, verstärkt wurde dieser Effekt auch weiterhin durch Energieeinsparmaßnahmen. Ein weiterer Absatzrückgang, der sich insbesondere 2008 weiter fortsetzen wird, ergibt sich aus dem bestehenden Wettbewerb im Stromsektor und dem beginnenden Gaswettbewerb und den damit eingetretenen Kundenverlusten. Diese Entwicklung hat sich auch auf das Jahresergebnis ausgewirkt. Die Ergebnisabführung an die Wirtschaftsbetriebe betrug im Geschäftsjahr 2.919 T€ (Vorjahr 3.189 T€).

Absatzmengen
- Strom (kWh) 2007: 257.945.570; 2006: 268.130.294
- Gas (kWh) 2007: 554.197.741; 2006: 590.761.940
>>>>>O<<<<<

Offline RR-E-ft

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« Antwort #2 am: 13. März 2009, 22:53:35 »
@enerveto

Wir sind hier im Bereich Grundsatzfragen. Hier geht es folglich nicht um konkrete Versorger oder Veröffentlichungen zu diesen im elektronischen Bundesanzeiger o.ä.

Danke, dass sie Rückstellungen und Rechnungsabgrenzung erklärt haben.

Aus der von Ihnen zitierten Veröffentlichung im  Bundesanzeiger lassen sich die Umsatzerlöse der Sparten Strom und Gas und die Absatzmengen dieser Sparten für zwei bestimmte Geschäftsjahre eines EVU herauslesen.

Daraus lässt sich ableiten, welcher durchschnittliche  Umsatzerlös etwa mit dem Absatz einer Kilowattstunde Gas bzw. Strom erzielt wurde.

Diesen Durchschnittserlös kann man mit dem Preis vergleichen, den man selbst an das Unternehmen zu zahlen hatte bzw. welcher von diesem einem selbst gegenüber einseitig festgesetzt und abgerechnet wurde. Beabsichtigt das EVU bei einem selbst weit mehr Umsatz durch den Absatz einer Kilowattstunde zu erlösen als seinen durchschnittlichen Umsatzerlös, dann kann da was nicht stimmen, weil andere Kunden dann offensichtlich für die gleiche Leistung weit weniger zu zahlen haben. Auch kann man ableiten, wie sich die durchschnittlichen Umsatzerlöse und damit die durchschnittlichen Abgabepreise von Jahr zu Jahr entwickelt haben. Sind die von einem selbst abverlangten Preise stärker gestiegen als der durchschnittliche Umsatzerlös von einem Jahr zum anderen, dann wurden andere Kunden weit weniger an Preissteigerungen beteiligt.

Das sind alles Ansatzpunkte, mit denen man eine unbillige Preisgestaltung aufdecken kann.


Aus dem Jahresabschluss 2006 des Erdgasimporteurs Verbundnetz Gas AG Leipzig:


Zitat
Für das Geschäftsjahr 2006 weist die VNG einen Jahresüberschuss von 154,8 Mio. € aus, der sich gegenüber dem Vorjahr (93,7 Mio. €) deutlich erhöhte. Die Ertragslage hat sich insbesondere im Kerngeschäft signifikant verbessert. Die Umsatzerlöse wuchsen gegenüber dem Vorjahr um rund 31 Prozent auf 5,0 Mrd. €. Der Anstieg resultiert insbesondere aus der vertragsgemäßen Anpassung der Verkaufspreise an die Entwicklung der Ölproduktpreise und aus einem Mehrabsatz.

Die infolge der Ölpreisentwicklung ebenfalls gestiegenen Bezugspreise konnten durch die Optimierung des Gaseinkaufs teilweise kompensiert werden. Darüber hinaus wurde der Mehrabsatz des ersten Quartals 2006 überwiegend aus Speichervorräten gedeckt, die in der Vergangenheit zu günstigeren Einkaufspreisen angelegt wurden.

Offline reblaus

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« Antwort #3 am: 14. März 2009, 07:45:08 »
Periodenfremde Erträge und Aufwendungen tauchen auch in der Gewinn- und Verlustrechnung unter \"außerordentliche Erträge und Aufwendungen\" auf. Sie sind im Anhang zu erläutern und betragsmäßig auszuweisen (§ 277 Abs. 4 HGB).

Hier werden gerne Gutschriften aus Gasgeschäft, Gasboni, Gasrabatte und andere schöne Rückerstattungen ausgewiesen. Wenn diese Erstattungen bei der Berechnung der Gasbezugskosten vergessen werden, geschieht dies natürlich nur aus Versehen, alles andere wäre ja Betrug.

Zitat
Diesen Durchschnittserlös kann man mit dem Preis vergleichen, den man selbst an das Unternehmen zu zahlen hatte bzw. welcher von diesem einem selbst gegenüber einseitig festgesetzt und abgerechnet wurde. Beabsichtigt das EVU bei einem selbst weit mehr Umsatz durch den Absatz einer Kilowattstunde zu erlösen als seinen durchschnittlichen Umsatzerlös, dann kann da was nicht stimmen, weil andere Kunden dann offensichtlich für die gleiche Leistung weit weniger zu zahlen haben.

Mit dieser Alternative können Sie die Unbilligkeit des eigenen Preises nicht darlegen, da der Preisunterschied sachlich gerechtfertigt sein könnte. Bei Industriekunden, die Gas als Prozessenergie benötigen, kann dieser Grund in der sehr hohen Abnahmemenge liegen, die dem Gasversorger gestatten, selbst weit bessere Konditionen zu vereinbaren. Auch die Infrastruktur ist für die Belieferung vieler Einfamilienhäuser wesentlich teurer zu erstellen, als bei der Belieferung eines Großkunden.

Die Chance liegt in Ihrer zweiten Alternative. Der sachlich gerechtfertigte Grund verändert sich nämlich nicht wesentlich im Laufe mehrerer Jahre. Verändert hat sich aber, dass seit 2006 der Wettbewerb um Großkunden ausgebrochen ist, was zu massiven Veränderungen bei den Preisunterschieden führt.

Offline nomos

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« Antwort #4 am: 14. März 2009, 08:36:37 »
Zitat
Original von reblaus
Periodenfremde Erträge und Aufwendungen tauchen auch in der Gewinn- und Verlustrechnung unter \"sonstige Erträge und Aufwendungen\" auf. Sie sind im Anhang zu erläutern und betragsmäßig auszuweisen (§ 277 Abs. 4 HGB).
    @reblaus, da ist in den \"Sonstigen\" noch erheblich mehr zu finden. Die \"Erläuterungen\" suchen Sie in aller Regel vergebens. da sollten Sie weiter lesen \"die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfallen\".

    Was so alles nicht erläutert wird können Sie an diesem
Beispiel sehen. [/list]

Offline reblaus

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« Antwort #5 am: 14. März 2009, 09:03:18 »
Aber an diesem Beispiel erkennen Sie doch wunderbar, dass die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen Ertragszuschüsse von ihrem Vorlieferanten erhalten. In Höhe von 1,7 Mio wurden hierfür in der Vorjahresperiode eingestellte Rückstellungen aufgelöst.

Was zusätzlich innerhalb des gleichen Geschäftsjahres zurückgeflossen ist, wird natürlich sofort mit dem Materialaufwand verrechnet. Das erfahren Sie aus dem Jahresabschluss so nicht. Da müssen Sie die Veränderung in der Positon Materialaufwand über mehrere Jahre vergleichen, und prüfen, ob die Veränderung mit den behaupteten Steigerungen der Bezugskosten übereinstimmen.

Im Falle von Bietigheim-Bissingen ist das schwierig, da dort neben Gas auch in großem Umfang Strom, Wasser und Wärme abgesetzt wird. Einen Versuch ist es aber allemal wert. Und für einen substantiierten Vortrag sollte es auch genügen.

Unter \"sonstige Aufwendungen\" dürfen Kosten und Rückerstattungen aus Gasbezügen nicht eingestellt werden. Hier dürfen nur Positonen aufgeführt werden, die nach § 275 HGB nicht in anderen Posten aufzuführen sind. Anderenfalls handelt es sich um Bilanzfälschung.

Offline nomos

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« Antwort #6 am: 14. März 2009, 11:17:30 »
Zitat
Original von reblaus
Aber an diesem Beispiel erkennen Sie doch wunderbar, dass die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen Ertragszuschüsse von ihrem Vorlieferanten erhalten. In Höhe von 1,7 Mio wurden hierfür in der Vorjahresperiode eingestellte Rückstellungen aufgelöst.
    Wunderbar-wirklich? Mir wäre es lieber, wenn der von Ihnen genannte § 275 HGB wirklich zu einer ausführliche Erläuterung führen würde.  Sonstige betriebliche Aufwendungen von 10.886.445,03 EUR und die Veränderung (8.634.930,57 EUR im Vorjahr) sind ja bei einem kleinen Stadtwerk immerhin bemerkenswert.

Offline AKW NEE

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« Antwort #7 am: 14. März 2009, 11:27:24 »
Die Trennung von Netz und Vertrieb eröffnet dem Versorger auch Möglichkeiten den einen oder anderen Bereich schlecht zu rechnen. E.ON Avacon hat damit 2007 belegen können, dass der Netzbetrieb ein Minus macht.

siehe auch hier:
Geschäftsbericht

Offline reblaus

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« Antwort #8 am: 14. März 2009, 11:45:29 »
Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen müssen nicht umfangreicher aufgeschlüsselt werden. Hierbei handelt es sich aber um Kosten wie Porto, Telefon, Blumenschmuck etc.

Noch nicht einmal die Kosten für die Strapsen der Chefsekretärin dürfen hier aufgenommen werden. Die sind unter Personalaufwand zu verbuchen.

Die interessanten außerperiodischen Kosten und Erträge finden Sie unter außerordentlichen Erträgen und Aufwendungen § 275 Abs. 2 Nr. 15, 16 HGB (von mir zuvor versehentlich als \"sonstige Kosten und Erträge\" bezeichnet, was korrigiert wurde).

Diese Beträge wurden von den Stadtwerken in einer nach dem HGB ausreichenden Weise erläutert. Lesen Sie bitte die wenigen Zahlen unterhalb der eigentlichen Gewinn- und Verlustrechnung. Das ist der Anhang. Im HGB steht nicht, dass man den Anhang auch als \"Anhang\" betiteln muss, oder dass er eine Mindestanzahl an Silben auszuweisen hat.

Sie müssen wissen, dass die Veröffentlichung des Jahresabschlusses für Kapitalgesellschaften eine sehr lästige Pflicht ist. Diese Zahlen würde man viel lieber für sich behalten. Daher verwenden die Bilanzbuchhalter der Firmen viel Zeit und Energie die wahren Verhältnisse des Unternehmens möglichst zu vertuschen und so kompliziert darzustellen, dass nur noch Spezialisten durchblicken.

Wenn die Stadtwerke diese Intention gehabt haben, haben sie eindeutig an der falschen Stelle gespart. Viel geeigneter wäre gewesen über fünf Seiten völlig überflüssige Zahlen aneinanderzureihen um irgendwo dazwischen den Betrag von 1,7 Mio. unauffällig zu platzieren. Man hätte sich auch über dreißig Seiten in undurchschaubaren Schachtelsätzen über Nichtigkeiten auslassen können, um die veröffentlichungspflichtigen Informationen in irgendwelchen Halbsätzen auf Seite 23 zu verstecken.

Für Sie ist aber besonders wichtig, sich die Kosten für den Materialaufwand genau zu betrachten, und hier vor allem die Aufwendungen für bezogene Waren. Die GuV muss immer in der gleichen Reihenfolge wie in § 275 HGB aufgebaut werden. Diese Position finden Sie daher immer an gleicher Stelle.

@AKW-nee
Da kommen wir jetzt in das Feld der Konzernbilanz. Zwischen unterschiedlichen Konzerntöchtern können Sie fast beliebig Verrechnungspreise ansetzen, so dass Gewinne völlig unproblematisch dorthin verschoben werden können, wo man sie gerne hätte. Da blickt dann kein Außenstehender mehr durch.

Offline AKW NEE

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« Antwort #9 am: 14. März 2009, 14:45:32 »
Richtig

Nur bei der E.ON Avacon war es leicht zu finden!

Offline nomos

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« Antwort #10 am: 14. März 2009, 20:29:38 »
Zitat
Original von reblaus
Im Falle von Bietigheim-Bissingen ist das schwierig, da dort neben Gas auch in großem Umfang Strom, Wasser und Wärme abgesetzt wird.
--------------
Aber an diesem Beispiel erkennen Sie doch wunderbar, dass die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen Ertragszuschüsse von ihrem Vorlieferanten erhalten. In Höhe von 1,7 Mio wurden hierfür in der Vorjahresperiode eingestellte Rückstellungen aufgelöst.
    @reblaus, wo sehen Sie da einen Unterschied? Bei den Ertragszuschüssen ist da genauso \"schwierig\", da sie ja nicht nach Kostenträgern aufgegliedert sind. Viel wurde da nicht preisgegeben bzw. erläutert, trotz oder wegen dem HGB.  
Zitat
Original von reblaus
Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen müssen nicht umfangreicher aufgeschlüsselt werden. Hierbei handelt es sich aber um Kosten wie Porto, Telefon, Blumenschmuck etc.

Noch nicht einmal die Kosten für die Strapsen der Chefsekretärin dürfen hier aufgenommen werden. Die sind unter Personalaufwand zu verbuchen.
    @reblaus, für meinen Geschmack sind 10.886.445,03 € etwa viel für Porto, Telefon und Blumenschmuck etc.. Der gesamte Personalaufwand (evtl. einschließlich dort verbuchter Strapsen der Chefsekretärin  :D  ) beträgt gerade mal die Hälfte. Hinter den \"sonstigen Aufwendungen\" steckt viel mehr!

    Aber nochmal konkret, im Posten \"sonstige betriebliche Aufwendungen\" dürfte auch  die sogenannte Konzernumlage versteckt sein. Die Holding wird als Einheit besteuert und die Konzernumlage wird so berechnet, als würde das Einzelunternehmen \"Stadtwerke\" separat besteuert. Tatsächlich fallen bei der Holding geringere Steuern an. Es wird so quasi ein zusätzlicher Gewinn an die Holding transferiert der dort verbleibt.

    In § 277 HGB (3) findet sich z.B. der Satz \"Erträge und Aufwendungen aus Verlustübernahme und auf Grund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder eines Teilgewinnabführungsvertrags erhaltene oder abgeführte Gewinne sind jeweils gesondert unter entsprechender Bezeichnung auszuweisen.
    Jetzt kann man darüber wieder trefflich streiten. Aber unabhängig von HGB & Co, nochmal meine Meinung dazu:

  • Da ist keine Information zur der an die Städtische Holding abgeführten Konzernumlage (Enthalten im Posten \"Sonstige betriebliche Aufwendungen\"!).
  • Da ist keine Information über die über die Preise kassierten, an die Stadt direkt abgeführten Konzessionsabgabe. (Holding 100% im Eigentum der Stadt! Stadtwerke 100% im Eigentum der Holding).
  • Da ist keine Erläuterungen zu den wesentlichen Einzelposten und Veränderungen.
  • Da ist keine Verflechtungsberichterstattung; z.B. wie hoch sind die auf die Stadtwerke tatsächlich entfallenden Steuern bei der Holding usw. .
  • Kein Bericht über die Erfüllung der Anforderungen des EnWG oder der Vorgaben des kommunalen Wirtschaftsrechts!
  • Woher rühren die Steigerungen der Umsatzerlöse? Aus dem Mehrverkauf von Energie (kWh) oder nur aus Preissteigerungen?
    Ob diese Pflichtveröffentlichung den Anforderungen genügt? Eine offene und gute Information der Bürger sieht anders aus. Die Stadtwerke stehen im öffentlich-rechtlichen Eigentum und gehören quasi den Bürgern. Nicht nur Aktionäre, auch Bürger haben einen Anspruch auf eine hinreichende Information!

Offline Pedro

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« Antwort #11 am: 14. März 2009, 20:41:24 »
@reblaus:
Zitat
Die GuV muss immer in der gleichen Reihenfolge wie in § 275 HGB aufgebaut werden. Diese Position finden Sie daher immer an gleicher Stelle

Allerdings sollte man auch folgende Regelung beachten:

HGB § 276 Größenabhängige Erleichterungen
Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1, 2) dürfen die Posten § 275 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 oder Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 6 zu einem Posten unter der Bezeichnung \"Rohergebnis\" zusammenfassen. Kleine Kapitalgesellschaften brauchen außerdem die in § 277 Abs. 4 Satz 2 und 3 verlangten Erläuterungen zu den Posten \"außerordentliche Erträge\" und \"außerordentliche Aufwendungen\" nicht zu machen.

___________
Stadtwerke, die eine Nachvollziehbarkeit des Geschäftsberichtes (hier G+V) möglichst schwer machen wollen, nutzen diese Ausnahme.
Noch ein Tipp:
Schaut doch mal in den Geschäftsberichten nach, was für die \'\'Aufsichtsräte\'\' an Vergütungen genannt werden und vergleicht diese durch Eingabe des Firmennamens im Bundesanzeiger (Pflichtangabe gem. § 285 HGB). Sehr interessant!

Offline reblaus

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« Antwort #12 am: 15. März 2009, 08:13:36 »
@nomos
Die Veröffentlichungspflicht für Jahresabschlüsse besteht, um den Handelpartnern einer Kapitalgesellschaft Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu geben und die Bonität einschätzen zu können. Damit ist nicht beabsichtigt gewesen, dem Verbraucher den Nachweis der Unbilligkeit einer Preisfestsetzung oder dem Bürger den Überblick über die ordnungsgemäße Bewirtschaftung kommunaler Einrichtungen zu gewähren. Diese Veröffentlichungspflicht wird durch das Grundrecht auf freie Gewerbeausübung eingeschränkt, so dass die Kapitalgesellschaft keine detaillierten Einblicke in ihre Geschäftsbücher gewähren muss.

In dieser Diskussion soll es aber nicht darum gehen, was Sie mit dem Jahresabschluss alles immer noch nicht herausfinden können, sondern welche zusätzlichen Erkenntnisse Sie gewinnen können.

Wie ich bereits ausgeführt habe ist es für Außenstehende fast unmöglich die Verschiebung von Gewinnen durch überhöhte Verrechnungspreise innerhalb eines Konzerns zu kontrollieren. Wenn die Holding zentrale Dienstleistungen für alle Konzerntöchter übernimmt, müssen die Töchter für diese Dienstleistungen Entgelt (Konzernumlage) entrichten. Wenn die Firmenimmobilien im Eigentum der Holding stehen, müssen die Töchter Miete bezahlen. Solche Kosten werden unter \"sonstige betriebliche Aufwendungen\" gebucht. Unter diese Position fallen alle Kosten, die nicht unter die anderen Positionen des § 275 HGB gehören.

Um einen Jahresabschluss überhaupt beurteilen zu können, benötigen Sie die Abschlüsse für mehrere Jahre. Erst die Entwicklung einzelner Positionen im Verlauf der Jahre lässt wirkliche Rückschlüsse zu, was in dem Unternehmen eigentlich passiert.

Z. B. könnte in einem Jahr eine große Reparatur an Gasleitungen angestanden haben. Dann wäre die Position \"sonstige betriebliche Aufwendungen\" in diesem Jahr völlig verzerrt. Solche Ausnahmen erkennen Sie aber nur, wenn Sie die Entwicklung vieler Jahre betrachten.

Die Jahresabschlüsse müssen beim Handelsregister hinterlegt werden. Das zuständige Handelsregister muss das Unternehmen mitteilen. Dort finden Sie dann auch betagtere Abschlüsse, die im Internet nicht veröffentlicht wurden. Sollte ein Jahresabschluss nicht veröffentlicht worden sein, genügt ein Hinweis an den Rechtspfleger. Der verfügt über Möglichkeiten, die Veröffentlichung zu erzwingen.

Die Darlegung \"unbilliger Preise\" ist ein Puzzlespiel. Aus dem Jahresabschluss können Sie einige Puzzleteile entnehmen. Um ein Gesamtbild zu bekommen, benötigen Sie weitere Teile, die Sie vielleicht aus dem Gemeindehaushalt (Konzessionsabgabe) oder der Presse, Internet (Abgesetzte Gesamtmenge an Gas) etc. entnehmen können.

@Pedro
Die Größenerleichterungen betreffen nur sehr kleine kommunale Versorger. Die meisten Unternehmen in dieser Branche überschreiten die Anforderungen bei weitem. Vorstands- und Aufsichtsratsbezüge erzeugen zwar mitunter blankes Entsetzen fallen aber in der Gewichtung der Kosten praktisch nicht ins Gewicht.

Offline Pedro

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« Antwort #13 am: 15. März 2009, 08:42:02 »
@Reblaus:
Zitat
Die Größenerleichterungen betreffen nur sehr kleine kommunale Versorger. Die meisten Unternehmen in dieser Branche überschreiten die Anforderungen bei weitem. Vorstands- und Aufsichtsratsbezüge erzeugen zwar mitunter blankes Entsetzen fallen aber in der Gewichtung der Kosten praktisch nicht ins Gewicht.

Wir sind hier umgeben von \'\'normalen Versorgern\'\'. Darunter fallen eben viele (noch) kommunale Betriebe. Diese müssen aber nicht Gebrauch von der \'\'Erleichterungsausnahme\'\' machen und machen es zum Teil auch nicht. Versorger, die mit geringerer Verschleierungstaktik fahren, weisen die Posten trotzdem aus.
Die Bezüge der sog. Aufsichtsgremien erzeugen nicht nur manchmal \'\'blankes Entsetzen\'\' (es gibt auch Ausnahmen!), sie machen auch deutlich warum der Drang bei kommunalen \'\'Würdenträgern\'\' nach diesen Ämtern so groß ist. Verbunden damit ist das Streben, die Geschäftsabläufe vor der Öffentlichkeit (= oft mehrheitlich oder ganz Eigentümer der Stadtwerke!) möglichst geheim zu halten. Und die bisher erstaunlich wenig interessierte Öffentlichkeit lässt sie dann auch machen.

Offline nomos

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Gewinne nicht gestiegen? - Der erste Blick trügt oft.
« Antwort #14 am: 15. März 2009, 10:33:28 »
Zitat
Original von reblaus
Die Veröffentlichungspflicht für Jahresabschlüsse besteht, um den Handelpartnern einer Kapitalgesellschaft Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu geben .........
    @reblaus, es braucht hier keinen Exkurs über die Intention des HGB. Das Handelsregister und die Aufgaben und Befugnisse eines Rechtspflegers sind auch keine Unbekannten.   Die tatsächliche Erfüllung und Prüfung der Pflichtveröffentlichungen würde ich mir aber schon mal ansehen. Wieviel Jahresabschlüsse aus dem Jahr 2007 fehlen denn z.B. noch? Erkenntnisse gewinnt man am einfachsten aus offengelegten Zahlen. Dass man mehrere Perioden einbeziehen sollte, inbesondere bei periodenübergreifenden Vorgängen ist eine Binsenweisheit.

    Es geht hier nicht um die freie Gewerbeausübung und um klassische Kapitalgesellschaften. Es geht um Stadtwerke, die sich im öffentlich-rechtlichen Eigentum befinden. Stadtwerke haben kommunale Aufgaben zu erfüllen (Daseinsvorsorge), sie sind Mittel zum Zweck für die Kommunen. Es kann nicht sein, dass man sich als Kommune für die Erfüllung kommunaler Aufgaben privater Rechtsformen bedient und dann glaubt alle kommunalen Bindungen und Verpflichtungen ablegen zu können.  

    Hier reicht mir die Offenlegung und Information der Bürger nicht. Bei näherer Betrachtung erfüllen sie nicht einmal die Anforderungen des Handelsrechts. Da zeigen \"echte\" Kapitalgesellschaften oft weit mehr.

    Der Themenkomplex wurde im Forum schon mehrfach diskutiert z.B. hier:

Sinn der Konzessionsabgabe

[/list]

 

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