Energiepreis-Protest > Stadtwerke Lingen
Gas, Tarifkunden, Landgericht Osnabrück Urteil vom 19.11.2008 – 2 S 67/08
(1/1)
enerveto:
Stadtwerke Lingen GmbH, Gas, Tarifkunden, Urteil LG Osnabrück vom 19.11.2008 – 2 S 67/08
--- Zitat ---Landgericht Osnabrück
Geschäfts-Nr. :
2 S 67/08
12 C 468/07 (X) Amtsgericht Lingen
Verkündet am: 19.11.2008
als Urkundsbeamtin/beamter der Geschäftsstelle
Urteil
Im Namen des Volkes!
In dem Rechtsstreit
Stadtwerke Lingen GmbH vertreten durch die Geschäftsführer Arno Ester und Ulrich Boss, Waldstraße 31, 403808 Lingen,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Rosken und Kollegen. Am Pulverturm 23, 49808 Lingen,
gegen
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Bauer & Kollegen, Georgstraße 34, 49809 Lingen,
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück auf die mündliche Verhandlung vom 29.10.2008
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Schneider,
den Richter Stolle und
die Richterin am Landgericht Lichte
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Lingen (Ems) vom 6. 2. 2008 (12 C 468/07) aufgehoben und wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9,26 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz trägt der Kläger zu 79 %, die Beklagte zu 21 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 70 %, die Beklagte zu 30 %.
2
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: Bis zu 600,-- €: bis zum 29.10.2008, danach: Bis zu 300,--.
Gründe:
Wegen der Feststellungen im Tatsächlichen wird auf den Tatbestand der amtsgerichtlichen Entscheidung verwiesen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache begründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten nur einen Anspruch auf Rückerstattung Weise zuviel gezahlter Abschläge im Zeitraum zwischen dem 01.01.2006 bis zum 31.12. 2006, § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB in der ausgeurteilten Höhe.
Die Abrechnung der Beklagten vom 16. 1. 2007 (Blatt 28 Bd. I d. A.) ist weder tatsächlich, noch rechtlich zu beanstanden.
Unstreitig ist zwischen den Parteien zunächst, dass der Kläger im Kalenderjahr 2006 1041 cbm Gas verbraucht hat. Auch durfte die Beklagte einen Grundpreis in Höhe von 66,-- € netto (5,50 € pro Monat) abrechnen. Dies wird vom Kläger im Übrigen auch nicht beanstandet. .
Rechtlich nicht zu beanstanden sind aber auch nicht die von der Klägerin im Jahr 2006 verlangten, erhöhten Arbeitspreise, und zwar 49,5 Cent/cbm Gas im Zeitraum zwischen dem 1.1. bis zum 31.3.2006, auf 47,3 Cent/cbm Gas im Zeitraum zwischen dem 1.4. und dem 30.9.2006 und auf 52 Cent/cbm Gas im Zeitraum vom 1.10. bis zum 31.12. 2006. Die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen halten insbesondere auch einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB stand. Die Beklagte war gemäß § 4 AVB-GasV bzw. ab dem 8.1.2006 gemäß § 5 GasGVV berechtigt, den Gaspreis zum 1.10.2005, zum 1.1.2006 und zum 1.10.2006 zu erhöhen. Die Beklagte hat bewiesen, dass Bezugkostenpreissteigerungen im relevanten Zeitraum vorgelegen haben, die nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen werden konnten. Damit hat sie als Versorgungsunternehmen ihr berechtigtes Interesse
3
wahrgenommen, Kostensteigerungen wegen gestiegener Bezugskosten während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben. was rechtlich zulässig ist.
Im Einzelnen:
Zu Recht geht das Amtsgericht zwar im Ansatz davon aus, dass das Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten als Versorgungsunternehmen gemäß § 315 Abs. 1 BGB der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt, somit auch die streitigen Preiserhöhungen. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.6.2007 (VIII ZR 36/06) ist eine Preiserhöhung dann als billig anzusehen, wenn das Versorgungsunternehmen seine Bezugskostensteigerung an den Verbraucher weitergegeben hat und die Steigerung der Bezugskosten gleichzeitig nicht durch Ersparnis in anderen Bereichen ausgeglichen wurde. Dies hat die Beklagte bewiesen.
Der Zeuge Rosemann der bei der Beklagten zuständige Mitarbeiter für die Erstellung von Jahresabschlüssen und die Übermittlung des relevanten Datenmaterials an das beauftragte Wirtschaftsprüfungsbüro hat unter Vorhalt der Tabelle Blatt 96 der Akte ausgesagt, für jedes Quartal werde eine neue Gaspreiskalkulation vorgenommen. Auf der Grundlage einer im damaligen Vertrag mit dem Lieferanten vereinbarten Formel (Blatt 153 - 173 Bd. I d. A.) werde alle drei Monate eine neue Berechnung durchgeführt. Bis auf einen stünden dabei alle relevanten Parameter fest. Vertraglich vereinbart sei die Bindung des Gaspreises an die Ölpreisentwicklung, die jeweils quartalsweise vom Statistischen Bundesamt herausgegeben werde. Auf Grundlage dieser Variablen müsse deshalb alle drei Monate eine Neukalkulation vorgenommen werden. Daraus errechne sich der jeweils zu erbringende Arbeitspreis. Maßgebliche Einsparungen in anderen Bereichen habe es im relevanten Zeitraum zwischen 2004 und 2006 nicht gegeben. Insgesamt könne das Geschäftsjahr 2004 noch als gut bezeichnet werden. Danach habe sich der Betriebsgewinn der Gassparte der Beklagten im Geschäftsjahr 2005 um 1.306.000.-- € gegenüber dem Geschäftsjahr 2004 gemindert. Dies sei damit zu begründen, dass die Beklagte trotz sonst konstant bleibender Kosten gestiegene Einkaufspreise in diesem Jahr nicht an den Kunden weitergegeben habe. Erst im Jahr 2006 habe man \"wieder aufgeholt\". Der Betriebsgewinn der Gassparte habe sich gegenüber dem Geschäftsjahr 2005 um 1.438.000,-- € erhöht, ohne jedoch den Wert aus 2004 zu erreichen. Rückläufige Kosten in anderen Bereichen habe es nicht gegeben. Zu berücksichtigen in der Bilanz seien vor allem die Positionen Personalkosten, Kosten für Abschreibung und die sog. Konzessionsabgaben, also
4
Kosten, die der Versorgungsunternehmer für die Nutzung öffentlichen Straßenraumes zahlen müsse. Weil es weder relevante Entlassungen gegeben habe, noch Einsparungen in den beiden anderen, kostenintensiven Bereichen, hätte die gestiegenen Einkaufpreise nicht anders als durch Preiserhöhungen abgefangen werden können.
Der Zeuge Kampen, der bis zum 31.12.2005 der Abschlussprüfer der Beklagten war, hat ausgesagt, er habe bei der Erstellung seines Testats im April 2006 insbesondere auch die Verträge der (damaligen) Lieferantin, der Erdgas Vertriebsgesellschaft Münster, die entsprechenden Rechnungen für den Bezug von Erdgas im Original sowie die relevanten Preismitteilungen (quartalsweise) überprüft. Seine Überprüfung habe ergeben, dass die Beklagte die Bezugskostenerhöhung in diesem Zeitraum lediglich zu 89 % an den Kunden weitergegeben habe. Der Gewinn insbesondere der Gassparte habe sich im Hinblick zwischen dem Kalenderjahr 2004 bis 2005 deutlich verringert (halbiert). Relevante Einsparungen in übrigen Bereichen habe es nicht gegeben.
Der Zeuge Pencereci, der Abschlussprüfer der Beklagten seit dem Kalenderjahr 2006, hat ausgesagt, die für die Erstellung seines Testats relevanten Nebenkosten hätten sich
auch ab 2006 nicht verändert. Zur Kostenermittlung habe er die Verträge sowie die Abrechnungen der Vorlieferantin geprüft. Außer bei den Beschaffungskosten hätten sich keine relevanten Veränderungen ergeben.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts konnte das Gericht zur Frage der Erhöhung der Gasbezugskosten im Zeitraum zwischen dem 1.10.2005 bis zum 31.12.2006 und die Entwicklung der sonstigen, im Rahmen der Kalkulation des Gaspreises zu berücksichtigen Kosten (Einsparung in den anderen Bereichen) Beweis durch Zeugenvernehmung erheben. Insbesondere war die Beklagte rechtlich nicht zu verpflichtet, die absolute Höhe der jeweils von ihr gezahlten Gaseinkaufspreise offen zu legen. Denn - wie bereits der Bundesgerichtshof in der vorzitierten Entscheidung vom 13. 6. 2007, VIII ZR 36/06, - entschieden hat, brauchte die Bezugskostenhöhe im Einzelnen durch das Gericht nicht hinterfragt zu werden. Relevant ist nur die absolute Preiserhöhung im streitigen Zeitraum.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bedarf es auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Billigkeit der von der Beklagten vorgenommenen
Preiserhöhurigen. Denn in seinen Entscheidungsgründen in der angefochtenen
5
Entscheidung lässt das Amtsgericht selbst die Frage offen, worüber überhaupt Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben ist. Denn bevor nicht die relevanten Eckdaten geklärt sind, kann auch ein etwaiger Sachverständiger keinerlei Angaben zum Beweisthema machen. Diese Eckdaten sind nach Einschätzung der Kammer allerdings durch die Angaben der von ihr vernommenen Zeugen bewiesen worden.
Entgegen der Einschätzung des Amtsgerichts kommt es auch nicht darauf an, ob zwischen den Parteien streitig oder unstreitig geblieben ist, dass es im relevanten Zeitraum überhaupt Bezugskostensteigerungen gegeben hat. Denn dass der Ölpreis im fraglichen Zeitraum gestiegen ist, ist allgemein bekannt. Darüber hinaus hat die Beklagte (wie in den Medien häufig kritisiert wird), die Höhe ihres Einkaufspreises im Vertrag mit ihrer Lieferantin an den Ölpreis gekoppelt. Zudem haben die von der Kammer vernommenen Zeugen diese Tatsache übereinstimmend bekundet. Weil schließlich lediglich die relevante Gaspreissteigerung (und nicht die absolute Steigerung) Streitgegenstand und Beweisthema ist, so bedarf es deshalb keiner Entscheidung darüber, ob der ursprüngliche Grundpreis an sich der Billigkeit entsprach oder nicht.
Die Abrechnung der Beklagten wird darüber hinaus auch nicht dadurch unplausibel wie das Amtsgericht vermutet -, dass dort eine Umrechnung von Kilowattstunde in Kubikmetern vorgenommen wird. Denn es ist allgemein bekannt, dass Gas ein Naturprodukt ist. Deshalb muss der unterschiedliche Brennwert/die unterschiedliche Qualität des Produkts, dessen Verbrauch natürlich nur metrisch durch Zählwerke ermittelt werden kann bei der Kalkulation der Preise berücksichtigt werden. Aus der Aufstellung im Gutachten des Wirtschaftsprüfers Pencereci vom 28.3.2008 (Blatt 96 B d. II d. A.) folgt, dass der Umrechnungsfaktor im Jahre. 2004 9,7 kWh/cbm und im Jahr 2005 9,65 kWh/cbm war; der Unterschied also nur minimal.
Vor diesem Hintergrund ist die Abrechnung der Beklagten vom 16. 1. 2007 (Blatt 28 Bd. I d. A.) nicht zu beanstanden. Bei einem Jahresgrundpreis in Höhe von 66,-- € netto, einem unstreitigen Verbrauch von 1.041 cbm und einem ebenfalls zwischen den Parteien unstreitigen Abrechnungsrückstand in Höhe von 137,38 € für das Jahr 2005 ergibt sich dann die folgende Berechnung:
Bei einem Arbeitpreis in Höhe von 49,5 Cent pro c m (1.1. bis 31.3.2006), 47,3 Cent pro cbm (1.4. bis 30.9.2006) bzw. 52 Cent pro cbm (1.10. bis 31.12.2006) errechnet
6
sich für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2006 und einem unstreitigen Verbrauch von 538 cbm ein Rechnungsbetrag von 266,31 €, in der Zeit vom 1.4. bis 30.9.2006 und einem Verbrauch von 215 cbm einer in Höhe von 101,70 € und in der Zeit vom 1.10. bis zum 31.12.2006 und einem Verbrauch von 288 cbm einer in Höhe von 149,56 €. Zuzüglich des Grundpreises (12 x 5,5 €) und des damals gültigen Mehrwertsteuersatzes in Höhe von 16 % (93,40 €) hat der Beklagte für das Kalenderjahr 2006 deshalb einen Betrag in Höhe von 677,17 € zu zahlen. Abzüglich unstreitiger Vorauszahlungen in Höhe von 1.071,44 € errechnet sich für ihn dann ein Überschuss in Höhe von 394,27 €. Abzüglich der Restforderung aus dem Jahre 2005 in Höhe 137,98 €, die von der Beklagten behauptet wurde und vom Kläger nicht bestritten, verbleibt deshalb ein Guthaben in Höhe von 256,29 €. Eine Erstattung erfolgte in zwei Teilzahlungen a 235,29 € und einer in Höhe von 12,56 € (Blatt 44 Bd. I d. A.), mithin 247,03 €, so dass ein restlicher Erstattungsbetrag i.H.v. 9,26 €.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 516 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Schneider Schneider Lichte
(für den zwischenzeitlich
zum AG Osnabrück abgeordneten Richter Stolle)
>>>>>O
O
O
Black:
Soll es jetzt die Lingener Tagespost richten? :rolleyes:
enerveto:
@Black
Journalismus - nicht \"Hofberichterstattung\".
Berichten - nicht \"richten\".
Navigation
[0] Themen-Index
Zur normalen Ansicht wechseln