Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Kartellrecht
RR-E-ft:
@reblaus
BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 spricht eindeutig von einer gesetzlichen Verpflichtung zur Preisabsenkung bei gesunkenen Kosten. Diese Verpflichtung ergibt sich gerade aus dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht, wo ein solches besteht.
Die Sache mit der \"Richter- Skala\" sollte nochmals durchdacht werden. Ich halte die Ausführungen von Gabriele Braband in deren Jenaer Dissertationsschrift für überzeugend.
Im Übrigen sehr interessant, wie es wohl gelingen könnte, ggf. die Sittenwidrigkeit aller einseitigen Preisneufestsetzungen nach dem 29.04.1998 [Außerkrafttreten des § 103 GWB a.F.] nachzuweisen. Leider wird eine Sittenwidrigkeit den Rechnungen wohl nicht als offensichtlicher Fehler auf die Stirn geschrieben gewesen sein, wie es § 30 AVBGasV und § 17 Abs. 1 GasGVV zur Zahlungsverweigerung regelmäßig erfordern, so dass man deshalb allenfalls an Rückforderungsprozesse denken könnte... Die Unbilligkeitseinrede greift besser, wie § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV zu entnehmen ist.
reblaus:
Was soll der Richter aber tun, wenn der Verbraucher partout keinen Unbilligkeitseinwand gegen den nicht veränderten Preis erhebt? Soll das Gericht dann von Amts wegen tätig werden?
Vernünftigerweise wird man sowohl den Unbilligkeitseinwand erheben und sich auf die Nichtigkeit der Preisbestimmung berufen.
Die Nachweisschwierigkeiten dürften sich bei der Kausalität ergeben. Soweit die Beweislast hier beim Verbraucher liegen sollte, kann der Beweis nur dadurch erbracht werden, dass man alte Schreiben vorlegt, in denen der Grund für die Preiserhöhung genannt wird. Über die Jahresabschlüsse könnte möglicherweise der Nachweis gelingen, dass andere Kostensteigerungen nicht oder nur in weit geringerem Umfang vorlagen. Teilweise werden sich im Jahresabschluss auch Erklärungen finden lassen, dass die Preiserhöhungen auf gestiegenen Bezugskosten erfolgt.
Um der Preisfestsetzung auf null zu entgehen, wird der Versorger gezwungen werden können, seinen Bezugsvertrag vorzulegen. Aus diesem ergibt sich dann auch die Laufzeit.
Ihre Richter-Skala ist ja nichts anderes als die Anwendung des § 140 BGB. Dieser ist aber bei sittenwidrigen Rechtsgeschäften ausgeschlossen, da das Gesetz in diesen Fällen eine besonders scharfe Sanktion zulässt, wie Sie aus § 817 BGB entnehmen können.
RR-E-ft:
@reblaus
Den Gedankengang kann ich nicht nachvollziehen.
--- Zitat ---Was soll der Richter aber tun, wenn der Verbraucher partout keinen Unbilligkeitseinwand gegen den nicht veränderten Preis erhebt? Soll das Gericht dann von Amts wegen tätig werden?
--- Ende Zitat ---
Vielleicht dem Kunden einen Brief mit Einschreiben/ Rückschein schicken, dass er endlich die Unbilligkeitseinrede erheben, klagen oder sich innerhalb einer betreits anhängigen Klage tunlichst unverzüglich auf die Unbilligkeit und Nichtigkeit der Preisbestimmung berufen und etwaig benötigte Beweismittel auf der Geschäftsstelle des Gerichts abholen soll, wo sie schon vor Wochen für derlei Fälle bereit gelegt wurden ?!
Nichts. Der Richter darf nichts tun. Gerichte werden nur auf Anträge hin tätig und sind gem. § 308 ZPO an die Anträge gebunden. Klagt schon niemand oder werden gegen eine Klage keine Einwendungen/ Einreden erhoben, kann und darf über solche auch nicht entschieden werden. Das betrifft eine Unbilligkeitseinrede ebenso wie die Einrede einer angeblich endgültigen Nichtigkeit der Preisbestimmung.
Wobei sich die Frage stellt, was für einen Vertrag man nach geltendem Kaufrecht, das auf Energielieferungsverträge entsprechend angewendet wird, noch haben könnte, wenn die gesamte Preisbestimmung nichtig sein sollte?
In der Situation der Zahlungsklage des Versorgers ist regelmäßig § 17 GVV beachtlich. Und im Rückforderungsprozess trägt regelmäßig der Kunde die Darlegungs- und Beweislast, insbesondere hinsichtlich der Umstände, welche die behauptete Nichtigkeit einer Preisbestimmung zur Folge haben sollen. Die Rückforderungsklage ist regelmäßig nur zulässig, wenn der Rückforderungsanspruch beziffert ist.
--- Zitat ---Original von reblaus
Die Nachweisschwierigkeiten dürften sich bei der Kausalität ergeben. Soweit die Beweislast hier beim Verbraucher liegen sollte, kann der Beweis nur dadurch erbracht werden, dass man alte Schreiben vorlegt, in denen der Grund für die Preiserhöhung genannt wird. Über die Jahresabschlüsse könnte möglicherweise der Nachweis gelingen, dass andere Kostensteigerungen nicht oder nur in weit geringerem Umfang vorlagen. Teilweise werden sich im Jahresabschluss auch Erklärungen finden lassen, dass die Preiserhöhungen auf gestiegenen Bezugskosten erfolgt.
Um der Preisfestsetzung auf null zu entgehen, wird der Versorger gezwungen werden können, seinen Bezugsvertrag vorzulegen. Aus diesem ergibt sich dann auch die Laufzeit.
Ihre Richter-Skala ist ja nichts anderes als die Anwendung des § 140 BGB. Dieser ist aber bei sittenwidrigen Rechtsgeschäften ausgeschlossen, da das Gesetz in diesen Fällen eine besonders scharfe Sanktion zulässt, wie Sie aus § 817 BGB entnehmen können.
--- Ende Zitat ---
Verstehe ich nicht. Möglicherweise trägt man sich mit falschen Hoffnungen.
Sie möchten als Kunde auf Rückzahlung klagen und meinen dafür noch viel Zeit zu haben, der Versorger soll dabei solche Angst vor einer gerichtlichen Preisfestsetzung auf null bekommen (worauf eine solche im Rückforderungsprozess gründen sollte, ist schon nicht ersichtlich), dass er einen Bezugsvertrag kartellrechtswidrigen Inhalts vorlegt, auf dass der Kunde sodann seinen benötigten Beweis dafür hat, dass die einseitigen Preisfestsetzungen alle nichtig waren... Ernsthaft?
Zur endgültigen Nichtigkeit der Preisbestimmung ist mir nicht ersichtlich, ob es etwa schon sittenwidrig sein soll, dass der zur einseitigen Leistungsbestimmung ebenso berechtigte wie verpflichtete Vertragsteil eine Bestimmung trifft oder überhaupt für erfolgte Energielieferungen noch Abrechnungen erstellt. Was sich im Vertragsverhältnis EVU- Letztverbraucher etwaig unter § 817 BGB subsumieren lassen könnte, vermag ich nicht zu erkennen. Ist der Vertrag EVU- Letzverbraucher insgesamt sittenwidrig/ ein sittenwidriges Rechtsgeschäft?
ESG-Rebell:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@reblaus
Den Gedankengang kann ich nicht nachvollziehen.
--- Ende Zitat ---
Ich auch nicht.
Wenn ein Amtsgericht für seinen Prozess zuständig sein sollte, dann kann er immerhin einem Amtsrichter einen lustigen Nachmittag bereiten, ohne einem Anwalt in seiner Nähe seine Überlegungen begreiflich machen zu müssen ;)
Gruss,
ESG-Rebell.
reblaus:
@ESG-Rebell
Dass dieser Beitrag (von reblaus 27.10.2007) im Forum nicht verstanden wurde, weiß ich bereits seit diesem Beitrag (von RR-E-ft 4.03.2009; 16.04 Uhr).
Zugegebenermaßen ist Wettbewerbsrecht spezielles Recht und gehört nicht zu den Pflichtvorlesungen eines Jurastudiums. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber hierfür spezielle Kartellgerichte eingerichtet, bei denen alle Verfahren, in denen es um Wettbewerbsrecht geht, verhandelt werden. Dies ist vergleichbar einem Augenleiden, bei dem Sie zum Augenarzt und nicht zum Hausarzt gehen. Falls Sie dem von Ihnen vorgeschlagenen Amüsement beiwohnen wollen, weil Sie auch mal wieder herzhaft lachen wollten, werden Sie beim Amtsgericht vergeblich auf eine Vorstellung warten.
Wenn Sie aber der Meinung sind, dass auch in diesem Verfahren ein Lustspiel zur Aufführung kam, in dem ein überaus engagierter aber im speziellen Recht völlig ahnungsloser Anwalt den Richter damit amüsierte, dass erseitenweise über die Gewinnverhältnisse einer Ferngasgesellschaft Ausführungen (II, Nr. 2) machte, und dabei völlig überzogene Gewinnspannen darlegte, die den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung geradezu ins Auge springen ließen, irren Sie sich. Der Richter fegte diese ganzen mit viel Mühe zusammengestellten Fakten mit dem lapidaren Hinweis vom Tisch, dass diese Ferngasgesellschaft nicht die Klägerin sei, und es auf deren Verhältnisse ankomme. Es ist ein Trauerspiel.
Eine vermeidbare Tragödie, denn seit Jahr und Tag gibt es nach § 325 HGB die Veröffentlichungspflicht von Jahresabschlüssen für Kapitalgesellschaften. Da Handelsrecht eine Pflichtvorlesung ist, hätte daher durchaus die Möglichkeit bestanden, statt über die Verhältnisse eines Lieferanten über die finanziellen Verhältnisse der Klägerin vorzutragen. Ganz zu schweigen davon wenn man die Brisanz des bereits am 27.10 2007 hier veröffentlichten Beschlusses des Bundeskartellamtes erkannt hätte. Dort ist nämlich die Ferngasgesellschaft, der man ihre missbräuchliche Preisgestaltung verzweifelt nachzuweisen versuchte, namentlich als Teilnehmerin des zerschlagenen Kartells genannt. Direkt daneben hat das Bundeskartellamt einen Beschluss veröffentlicht, in dem genau dieser Ferngasgesellschaft ebenfalls verboten wurde, weiterhin irgendwelche Rechte aus dem Liefervertrag mit dem klagenden Gasversorger geltend zu machen, da dieser Vertrag gegen Kartellrecht verstößt.
Die Grenzen des Dramas und damit der Unterhaltung überschreitet aber, was danach kam.
Statt sich einzugestehen, dass niemand allwissend sein kann, versteift sich jener Anwalt, der dieser Angelegenheit schon vor anderthalb Jahren eine völlig neue Wendung hätte geben können, darauf, dass er Energierechtsexperte sei, und es um Energie gehe, und daher aus Rechtsgründen auch nur solche Normen zur Anwendung kommen dürfen, von denen er als Energierechtsexperte etwas verstehe. Geradezu zwanghaft wird die Anwendbarkeit anderer Normen geleugnet
--- Zitat ---Original von RR-E-ft Die Kartellrechtswidrigkeit eines langfristigen Vorlieferantenvertrages lässt die Wirksamkeit des Vertrages zwischen Energieversorgungsunternehmen und Letztverbraucher und darin enthaltener Preisänderungsklauseln grundsätzlich unberührt. Letztere sind wirksam oder unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 und Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06).
--- Ende Zitat ---
oder zumindest auf Orchideenansprüche reduziert.
--- Zitat ---Original von RR-E-ft Möglicherweise besteht daraus ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 33, 20, 19 GWB, Kausalität vorausgesetzt.
--- Ende Zitat ---
ESG-Rebell, wenn Sie das alles nicht verstehen ist das keine Bildungslücke. Sie sollten sich dann aber fachlichen Rat bei jemandem suchen, der etwas davon verstehen will. Jeder Jurist hat die Ausbildung sich selbständig in das Wettbewerbsrecht einzuarbeiten, um es danach verstehen zu können. Bei Juristen ist das keine Frage des Könnens sondern des Wollens.
Wenn sich Juristen von Ihren Mandanten bezahlen lassen, dass sie deren Rechte vertreten, ist es sogar eine Frage des Müssens.
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