Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen  (Gelesen 200833 mal)

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Offline RR-E-ft

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Man könnte meinen, dass LG Dresden habe nicht die BGH- Rechtsprechung beachtet, wonach ein Schreiben mit welchem ein (vermeintlich bestehendes) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt wird kein auf Annahme gerichtetes Angebot sein kann (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005, VIII ZR 199/04):

Zitat
Aus der Sicht eines verständigen Mieters hat die Beklagte durch ihre Schreiben, in denen sie die zukünftig zu zahlende Miete festlegte, erkennbar auf der Grundlage der - unwirksamen - vertraglichen Regelung ihr einseitiges Bestimmungsrecht ausüben wollen. Hierin lag daher, vom Empfängerhorizont der Mieter ausgehend, kein Angebot zum Abschluß einer Mieterhöhungsvereinbarung. Es war für sie bereits nicht ersichtlich, daß es ihnen frei stand, der Mieterhöhung zuzustimmen oder es auf ein etwaiges Mieterhöhungsverfahren ankommen zu lassen. Die Rechtslage mußte sich ihnen vielmehr so darstellen, als seien sie schon aufgrund der einseitigen Erklärung der Beklagten zur Zahlung verpflichtet. Deshalb durfte die Beklagte auch der Zahlung der erhöhten Miete keine Erklärungsbedeutung beimessen, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum rechtsfehlerfrei angenommen hat

Es ist gewiss rein gar nichts dafür ersichtlich, dass Sondervertragskunden von Energieversorgungsunternehmen eine andere verständige Sicht hätten als andere Vertragspartner von Dauerschuldverhältnissen, etwa Mieter. Dies gilt wohl umso mehr, wo der betroffene Kunde des Energieversorgers auch Mieter ist. Sollte dessen verständige Sicht nämlich insoweit auseinderfallen, hätte er wohl eine Bewusstseinsspaltung (Schizophrenie) zu besorgen.

Man könnte weiter meinen, dass LG Dresden habe nicht die Rechtsprechung des BGH beachtet, wonach dem Schweigen des Kunden und seinem unverändert fortgesetzten Energiebezug dann, wenn bereits ein Vertragsverhältnis besteht, kein Erklärungsgehalt beigmessen werden kann und darf.

BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Tz. 20:

Zitat
Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312;
BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an.

Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden.

Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.

Offline Black

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Zitat
Original von RR-E-ft
Man könnte meinen, dass LG Dresden habe nicht die BGH- Rechtsprechung beachtet, wonach ein Schreiben mit welchem ein (vermeintlich bestehendes) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt wird kein auf Annahme gerichtetes Angebot sein kann (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005, VIII ZR 199/04)

Das LG Dresden erklärt ausführlich, dass es die Rechtsprechung des BGH im Tarifkundenbereich (Hinnahme von Preisanpassungen = neue Preisvereinbarung) auf Sonderverträge übertragbar hält.

Zitat
Original von LG Dresden
Diese Ausführungen [des BGH] beruhen nicht auf den Besonderheiten eines Gaslieferungsvertrages zu den allgemeinen Tarifen, sondern auf den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung - konkludenter - Willenserklärungen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Vom Pferde aufzäumen:

Konkludent erfolgen konnte allenfalls eine Annahmeerklärung gem. § 151 BGB.

Voraussetzung für eine Annahme (auch konkludent) ist jedoch zunächst ein wirksames Angebot.

Und dazu sagt der BGH in der Entscheidung vom 20.07.2005 - VIII ZR 199/04 zutreffend, dass ein Schreiben, mit welchem ein (vermeintlich bestehendes) einseitiges Entgeltneufetsetzungsrecht ausgeübt wird, nicht als Antrag auf Entgeltneuvereinbarung angesehen werden kann und darf.

Eine Willenserklärung mit welcher ein (vermeintliches) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, kann denknotwendig kein Antrag auf Neuvereinbarung gem. § 145 BGB sein.   Wo es aber schon an einem solchen Antrag gem. § 145 BGB  fehlt, stellt sich nicht erst die Frage nach dessen (konkludenter) Annahme.

Offline Black

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Sie stellen ja bekanntermaßen die BGH Rechtsprechung zur Neuvereinbarung des Lieferpreises bei unbeanstandeter Hinnahme von Preisanpassungen in Frage.

Die zunehmende Zahl von unterinstanzlichen Gerichten, die diese BGH Entscheidung zu Tarifkundenverträgen ihrer eigenen ntscheidung zgrunde legt und auf Sonderkundenverträge überträgt tut dies nicht. Insoweit bleibt unverständlich warum Sie einerseits kritisieren, diese Gerichte würden die BGH Rechtsprechung zur Erhöhung des Wohnraummietzinses (!) ignorieren und andererseits die speziellere BGH Rechtsprechung zur Energiepreisanpassung selbst ablehnen.

Falls es Sie beruhigt, gibt es ja auch Gerichte, die eine Verwirkung statt eine vertragliche Vereinbarung annehmen (LG Hannover, Urteil vom 28.10.2008, Az: 21 O 104/06). Das Ergebnis - Ausschluss der Rückzahlung -ist freilich das Gleiche.

Dogmatisch gesehen habe ich auch kein Problem, die Ankündigung einer Preisanpassung als Erklärung des EVU mit dem Inhalt \"ab Datum XY wollen wir nur noch zu Preis XY liefern\" zu erkennen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Zitat
Original von Black
Dogmatisch gesehen habe ich auch kein Problem, die Ankündigung einer Preisanpassung als Erklärung des EVU mit dem Inhalt \"ab Datum XY wollen wir nur noch zu Preis XY liefern\" zu erkennen.

Sie scheinen sich wohl sowieso recht wenig durch rechtsdogmatische Skrupel auszuzeichnen.

Und dass soll dann ein Antrag auf einvernehmliche Entgeltneuvereinbarung sein?

Ein Lieferant, der sich mit einer solchen Absicht trägt, muss sich erst der bestehenden vertraglichen Verbindlichkeit entledigen, indem er den bestehenden Vertrag kündigt, wenn eine Kündigung durch ihn zulässig ist. Andernfalls ist er an den bestehenden Vertrag weiter gebunden. Es geht nicht darum, was der Lieferant will oder wünscht, sondern was er kraft vertraglicher Vereinbarung dem Kunden schuldet, nämlich die Belieferung zu dem vereinbarten Preis, der nicht einseitig abänderbar ist.

Oder soll der Kunde etwa selbst schreiben, \"Ab Datum XY wollen wir nur noch zu Preis XY Gas beziehen.\" und dieser vom Kunden genannte, für den Kunden sehr vorteilhafte  Wunsch-  Preis gilt dann als vereinbart, wenn der Lieferant ohne Widerspruch weiter Gas liefert, wenn nicht schon zuvor eine konkludente Annahme nach HGB erfolgte?

Bitte Urteilsbegründung OLG Hamm vom 29.05.2009 lesen!

Das OLG Hamm beantwortet die Fragen m. E. fundiert und zutreffend. Lediglich an der Stelle, wo es dazu neigt, eine Preisanpassungsklausel für zulässig zu halten, ist dem zu widersprechen, da auch die betroffene Klausel eine nachträgliche Erhöhung des Gewinnanteils am Vertragspreis ermöglichts und deshalb eine unangemessene Benachteiligung der Kunden darstellt.

Die Entscheidung des OLG Hamm zeichnet sich dadurch aus, dass sie der verständigen Sicht auch  des durchschnittlichen Verbrauchers die o. g. Schizophrenie erspart.

Offline reblaus

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@Black
Zitat
Original von Black Das LG Dresden erklärt ausführlich, dass es die Rechtsprechung des BGH im Tarifkundenbereich (Hinnahme von Preisanpassungen = neue Preisvereinbarung) auf Sonderverträge übertragbar hält.
Wenn das LG Dresden das so erklärt, dann muss es das so auch ausführen. Es hat jedoch nicht die Rechtsprechung des BGH übertragen, sondern nur das Ergebnis dieser Rechtsprechung. Der BGH hat nämlich folgendes entschieden.

Zitat
BGH Urt. v. 13.06.07 Az. VIII 36/06, Tz. 36 Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.
Unbestreitbar sieht der BGH in der Jahresabrechnung das Angebot zur Preisänderung. Das LG Dresden geht aber, wie von RR-E-ft detailliert dargelegt wurde, fehlerhaft davon aus, dass nicht die Jahresabrechnung das Angebot darstellt, sondern dieses bereits in der Bekanntgabe der einseitigen Preiserhöhung zu sehen sei. Dies widerspricht der Auffassung des BGH.

Offline RR-E-ft

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@reblaus

Zwar eine Nuance, aber auch diese Auffassung des VIII. Zivilsenats halte ich für äußerst fragwürdig, worauf Black zutreffend hinweist.
Lediglich der erstmalige Vertragsabschluss kann gem. § 2 Abs. 2 AVBV/ GVV konkludent zustande kommen.Das betrifft jedoch auch ausschließlich nur die Tarifkundenbelieferung/ Grundversorgung, nicht aber Sonderverträge.

Besteht bereits ein Vertragsverhältnis, so soll doch - zutreffend- selbst ein Schweigen des Kunden auf ein Versorgerschreiben und der Weiterbezug von Energie keinerlei Erklärungsgehalt beigemessen werden können (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Tz. 20).  Ich bin nach wie vor mit dem Kartellsenat des BGH davon überzeugt, dass § 4 AVBGasV ein Tarifbestimmungsrecht enthält und der Allgemeine Tarif gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist, nur bei Sonderverträgen ein vereinbarter Preis besteht, deshalb entgegen dem VIII.Zivilsenat des BGH  nicht allein die Änderung einer Billigkeitskontrolle unterliegt.

Besteht allerdings bereits ein Vertrag, führt eine Vertragsdurchführung nicht zur Änderung dieses Vertrages.

Bei Sonderverträgen gilt aufgrund fehlender anderweitiger gesetzlicher Regelungen (wie § 2 Abs. 2 AVBV/ GVV) das allgemeine Vertragsrecht, wonach  der Grundsatz gilt, dass Schweigen so wie die widerspruchslose Hinnahme und sogar Begleichung von Rechnungen kein darüber hinausgehender Erklärungswille zu entnehmen ist (BGH NJW-RR 2007, 530; OLG Hamm 29.05.2009).

Die gegenteile Auffassung (LG Dresden/ Black und andere Freunde des Gaswerks) verkennt, dass Sonderverträge außerhalb der Tarifkunden-/ Grundversorgung gesetzlich überhaupt nicht geregelt waren und geregelt sind, wenn man mal von § 41 EnWG absieht. Insbesondere aus § 310 Abs. 2 BGB ergibt sich nichts anderes, als diese Regelung sich allein auf die Inhaltskontrolle von AGB- Klauseln in Energielieferungeverträgen bezieht.

Offline reblaus

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@RR-E-ft
Im Ergebnis stimme ich mit Ihnen überein, dass der vom VIII Zivilsenat geschaffene Sockelpreis so einfach nicht umzusetzen ist, wie man sich das gedacht haben mag. Vielleicht ist dies der Grund warum der BGH nicht einfach klipp und klar erklärt hat, welche Tatbestandsvoraussetzungen wie zu subsumieren sind, damit ein solcher Sockelpreis vereinbart wurde.

In jedem Fall haben wir jetzt eine Flut von Urteilen, bei denen sich jedes Gericht in Ermangelung konkreter Handlungsanweisungen seinen eigenen Reim aus dem unergründlichen Ratschluss des BGH macht. Insoweit fühle ich mich mit meiner persönlichen Theorie mit dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis in diesem Umfeld durchaus wohl. Fälscher als der Blödsinn den das LG Dresden verzapft hat, kann meine Idee auch nicht sein. Es scheint wenigstens so, dass diese Frage demnächst höchstrichterlich entschieden wird.

Die Frage was eigentlich mit dem Sockelpreis passiert, wenn der Versorger innerhalb der \"angemessenen\" Widerspruchsfrist seine Preise erneut erhöht, und wie lange diese Frist überhaupt anzusetzen ist, wurde gerichtlicherseits noch überhaupt nicht thematisiert.

Wird die Idee mit dem Sockelpreis konsequent weiter gedacht, so zwingt sie den Versorger seine Kostensteigerungen unverzüglich weiterzugeben, weil eine verzögerte Weitergabe gegenüber nach der Erhöhung hinzu gekommenen Neukunden unbillig wäre. Eine Vorwegnahme bereits absehbarer aber später erfolgender Preiserhöhungen ist wegen der Benachteiligung abwandernder Kunden nicht möglich. Im Ergebnis enspricht nur die zeitgleiche Weitergabe von Bezugskosten an die Endkunden der Billigkeit.

Wenn der BGH gemeint hat, solange er seine Idee im Ungefähren lässt, würden die Verbraucher schon klein beigeben und die befürchtete Klageflut ausbleiben, so hat er sich gründlich getäuscht. Die schwammigen Ausführungen machen aus einer Flut einen Klagetsunami.

Offline RR-E-ft

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@reblaus

Fakt ist, dass eine vertragliche Preisvereinbarung einserseits und ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht andererseits als gleichberechtigte Alternativen für einen Vertragsabschluss zur Verfügung stehen und sich denknotwendig gegenseitig ausschließen (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04).

Eine künstliche Aufspaltung in einen vereinbarten Ausgangspreis und einen einseitig bestimmten Folgepreis führt - jedenfalls in Konstellationen Allgemeiner Tarife - nach zutreffender Feststellung des Kartellsenats des BGH  immer zu willkürlichen Zufallsergebnissen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Tz. 9 ff.). Für diesen zutreffenden  Befund ist es vollkommen ohne Belang, ob das einseitige Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB nun vertraglich vereinbart wurde oder sich aber aus einem Gesetz ergibt.

Der Fehler hat sich in der Entscheidung vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 \"eingeschlichen\", wo der Senat nicht sauber zwischen einem dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht unterliegenden Allgemeinen Tarifpreis und einem demgegenüber vertraglich vereinbarten Sondervertragspreis unterschieden hatte. Diese Rechtsprechung, wurde brachial konsequent fortgesetzt (Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 und Urt. v. 19.11.2008 VIII ZR 138/07), auch wenn es immer weiter  in eine falsche Richtung ging.

Spätestens bei der nun zu entscheidenden Frage der Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel wird dies offenbar.

Der Kartellsenat des BGH sieht - zutreffend - eine unangemessene Benachteiligung bereits dann, wenn im Sondervertrag eine AGB- Preisänderungsklausel keine Verpflichtung zur Preissenkung bei rückläufigen Kosten vorsieht, weil auch gegenüber Tarifkunden eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung besteht (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26).

In der mündlichen Verhandlung vor dem VIII. Senat am 17.06.2009 berief sich der Vertreter des Gasversorgungsunternehmens zur Rechtfertigung der inkriminierten Klausel, die keine solche Verpflichtung enthält, bezeichnenderweise darauf, dies hätte eine Besserstellung der Sondervertragskunden zur Folge, schließlich seien nach der Rechtsprechung dieses Senats doch mit den Tarifkunden die Preise zumeist (konkludent) vereinbart, so dass sie keiner Billigkeitskontrolle mehr unterlägen, folglich von Tarifkunden unter Berufung auf § 315 BGB auch keine nachträgliche Preissenkung verlangt werden könnten..., was freilich mit der Entscheidung des Kartellsenats des BGH vom 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26 unvereinbar erscheint.

Zitat
Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist,

So blind kann gar niemand sein, um diesen eklatanten Wertungswiderspruch nicht zu erkennen. Es scheint wohl so, als ließe die Branche nun  mit Chuzpe den Senat quasi am Nasenring durch die Arena führen.

Offline reblaus

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Zitat
AG Dannenberg Teil-Urt. v. 18.08.2009 Az. 31 C 202/09

III.
Der Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Maßgeblich abzustellen ist gem. § 199 I Nr. 2 BGB auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch die Klägerin. Diese erfolgte hier mit Veröffentlichung in der EJZ im Jahre 2008. In dem Jahr begann die 3-jährige Verjährungszeit zu laufen, die noch nicht abgelaufen ist. Die Klägerin musste nicht zu einem früheren Zeitpunkt subsumieren, dass die Abrechnungen fehlerhaft gewesen sind, da dies nicht ohne weiteres erkennbar war.

Interessant ist, dass das Gericht nicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung der unwirksamen Klausel sondern auf die Kenntniserlangung der fehlerhaften Abrechnungen abstellt. Dadurch hängt die Verjährung nicht von der Kenntnis des Wortlauts der Klausel sondern von der Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung ab. Das hat zur Folge, dass die Rückforderungsansprüche der letzten zehn Jahre nicht verjährt sind.

Offline Münsteraner

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So ist es. :)

Zur Vorbereitung einer entsprechenden Rückforderung sollte man auch seinen noch für die letzten 10 Jahre bestehenden Auskunftsanspruch beim Versorger geltend machen und sich eine Liste mit sämtlichen Preisänderungen dieser Zeit geben lassen, sofern diese nicht aus aufbewahrten Rechnungen erkennbar sind.

Erteilt der Versorger darauf innerhalb der gesetzten Frist nicht Auskunft, dürfte das Anlass für eine Stufenklage geben.

Offline reblaus

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@münsteraner
Um einen Anspruch auf Rückerstattung zuviel bezahlter Beträge wegen einer unwirksamen Preisänderungsklausel zu berechnen benötigen Sie den anfänglichen Vertragspreis und die einzelnen Jahresverbräuche. Daraus errechnen Sie den vertraglichen Anspruch des Versorgers. Ihre Zahlungen an den Versorger können Sie Ihren Kontoauszügen entnehmen. Sollten diese nicht mehr vorliegen, können Sie von der Bank Kopien anfordern. Auf Ihren Versorger sind Sie nur angewiesen, um den Zählerstand zu Beginn des vor 10 Jahren endenden Abrechnungszeitraumes zu erhalten.

Bei der Rechtslage bleibt abzuwarten, ob die Annahme des AG Dannenberg einer höchstrichterlichen Überprüfung standhält.

Offline Münsteraner

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Tja, wo Sie recht haben, haben Sie recht. ;)

Zitat
Original von reblaus
Auf Ihren Versorger sind Sie nur angewiesen, um den Zählerstand zu Beginn des vor 10 Jahren endenden Abrechnungszeitraumes zu erhalten.
Den Verbrauch der seinerzeitigen Abrechnungsperiode kann ich doch auch aus der entsprechenden Abrechnung ersehen, oder lieg ich da jetzt falsch?

Zitat
Bei der Rechtslage bleibt abzuwarten, ob die Annahme des AG Dannenberg einer höchstrichterlichen Überprüfung standhält.
Ist da schon was bekannt über eine Berufung? Und hat nicht auch das OLG Hamm bereits ähnlich entschieden?

Offline reblaus

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@münsteraner
Wenn Sie die erste Abrechnung noch haben, müsste dort der Anfangszählerstand vermerkt sein. Innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums liegt aber eine vollständige Eichfrist. Ihr Gaszähler wird daher zwischenzeitlich ausgetauscht worden sein. Darüber müssten Sie aber eine Mitteilung mit den Zählerständen erhalten haben.

Die Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung zum Sockelpreis auf Sonderverträge mit unwirksamer Preisänderungsklausel übertragen werden kann, ist von verschiedenen OLGs unterschiedlich entschieden worden. Das OLG Hamm sagt, nein. Die OLG Frankfurt, Oldenburg und Koblenz vertreten die Gegenauffassung. Allerdings verweisen sie lediglich auf das Urteil des BGH, ohne die Übertragbarkeit zu begründen. Näheres dazu finden Sie hier.

Das Neue beim AG Dannenberg ist, dass das Gericht an die Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung anknüpft. Dieser Aspekt wurde in der Diskussion hier im Thread bisher (soweit ich mich erinnere) nicht erwähnt.

Wenn diese Auffassung einer Revision standhält, wird es sehr sehr teuer für die Versorger. Dann können wir \"Bad Utilities\" gründen oder Utilitie-bailouts veranstalten  8o.

Es empfiehlt sich, Versorgeraktien leer zu verkaufen.

Offline Christian Guhl

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Zitat
Original von Münsteraner
Ist da schon was bekannt über eine Berufung?
Ich vermute doch ganz stark, dass Eon-Avacon in die Berufung geht. Nur - ob der Streitwert der Klage das hergibt, ist noch nicht klar. Der Kundin wurden 362,42 € als Ausgleichszahlung angeboten und von dieser abgelehnt. Und da es bei diesem Teil der Klage nur um den Auskunftsanspruch ging, dürfte der Wert noch niedriger sein. Aus Sicht von IGEL ist eine Berufung wünschenswert, um endgültige Klarheit zu erreichen.

 

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