Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen  (Gelesen 201122 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
@Black
Sie übersehen aber, dass wir es mit einer konkludenten Vertragsänderung zu tun haben.

Aus den Handlungen der Vertragsparteien muss sich ergeben, dass
1. die ursprüngliche (unwirksame) Preisänderungsklausel aufgehoben werden soll,
2. eine neue wirksame Preisänderungsklausel vereinbart werden soll, von der man noch gar nicht genau weiß, wie sie ausgestaltet werden muss, um wirksam zu sein,
3. diese Preisänderungsklausel rückwirkend bereits zum Zeitpunkt der letzten Preisfestsetzung die alte Klausel ersetzen soll, und
4. der zuletzt einseitig festgesetzte Preis solange der vertraglich geschuldete Preis sein soll, bis der Versorger nach der neuen Klausel wiederum den Preis in vereinbarter Weise einseitig festsetzt.

Da braucht es schon die Gebärdensprache, um ein solch umfassendes Vertragswerk konkludent vereinbaren zu können.

Wenn die Parteien für die Zukunft einen Preis X vereinbaren, dann verzichten Sie mit dieser Vereinbarung auf das dem Versorger zustehende einseitige Preisbestimmungsrecht. Das wäre konkludent ja noch zu vereinbaren. Aber dieses Preisbestimmungsrecht ist dann für die Zukunft weg. Wenn der Versorger das nächste Mal unterjährig seine Preise anheben wollte müsste er beim Verbraucher um Zustimmung ersuchen.

Abgesehen davon hat der BGH nicht entschieden, dass die Parteien für die Zukunft einfach einen Preis X vereinbart haben. Dann hätten sie nämlich einen Sondervertrag abgeschlossen, in dem kein einseitiges Preisanpassungsrecht vereinbart gewesen wäre, und dann wäre die nächste Preisanpassung ohne Rechtsgrund erfolgt.

So wie Sie das vorschlagen kann das nicht funktionieren.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Wenn man für die Zukunft einen (geänderten) Preis X neu vertraglich vereinbart (was Angebot und Annahme voraussetzt), so setzt eine solche Neuvereinbarung die bisherigen (ursprünglichen) vertraglichen Vereinbarungen für die Zukunft dergestalt außer Kraft, dass zukünftig  beide Vertragsteile an diesen neu vereinbarten Preis gleichermaßen gebunden sind, § 433 Abs. 2 BGB. Einseitig abändern lässt sich der so neu vereinbarte Preis jedenfalls zukünftig nicht mehr.

Ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB kann bei Energielieferungeverträgen gerade dann nicht angenommen werden, wenn sich die Parteien bereits bei Vertragsabschluss auf einen bestimmten Energiepreis geeinigt hatten, vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Tz. 32:

Zitat
Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags von dem Versorgungsunternehmen geforderte Preis für die Gaslieferung aus dem jeweiligen allgemeinen Tarif für die leitungsgebundene Versorgung mit Gas ergab (vgl. § 10 Abs. 1 EnWG 1998; § 4 Abs. 1 AVBGasV). Auch in diesem Fall ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 144/06, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, ZIP 2007, 912, unter II 1 a, zum Stromlieferungsvertrag).

Die Parteien können bei Vertragsabschluss nur entweder ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart oder sich bei Vertragsabschluss auf einen Preis geeinigt haben. Das eine schließt das andere denknotwendig aus, vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 KZR 24/04 Tz. 21. Demnach muss es als ausgeschlossen angesehen werden, dass die Parteien bei Abschluss eines Sondervertrages zugunsten des EVU ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart hatten, wenn bei Vertragsabschluss schon eine Einigung auf einen (besonders günstigen) Energiepreis erfolgt war. Sonst läge ein offener Dissens gem. § 154 Abs. 1 BGB vor, welcher die gesamte Vertragsnichtigkeit zur Folge hätte, vgl. BGH KZR 24/04, aaO.

Es fehlt jedoch schon regelmäßig an einer Preisneuvereinbarung durch Angebot und Annahme, vgl. nur BGH VIII ZR 199/04. Eine Neuvereinbarung durch Angebot und fristgerechte Annahme ist in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen. Eine Willenserklärung, mit welcher ein (vermeintliches) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, stellt regelmäßig keinen - auf Annahme gerichteten -  Antrag im Sinne von § 145 BGB dar. Fehlt es jedoch schon an einem solchen Antrag, kann ein solcher auch nicht (konkludent) angenommen werden....

Hier lesen.

Auch dort war einer Vertragspartei - wegen Gesetzesverstoß unwirksam - ein einseitiges Änderungsrecht hinsichtlich des vertraglich geschuldeten Entgelts eingeräumt worden, erhöhte diese die Entgelte - gestützt auf diese unwirksame Vertragsbestimmung -  über viele Jahre hinweg fortlaufend, erfolgten darauf vollständige, vorbehaltlose Zahlungen, die später  - soweit sie auf den einseitigen Erhöhungen beruhten - mit einer Rückforderungsklage - erfolgreich - zurückgeklagt wurden. Die Kläger hatten sich dabei erfolgreich auf den Standpunkt gestellt, dass keine einzige der vorgenommenen einseitigen Entgelterhöhungen nach Vertragsabschluss wirksam war. Der BGH hat dabei - umfassend begründet - erkannt, dass es zu keinen Entgeltneuvereinbarungen der Parteien nach Vertragsabschluss gekommen war.

Warum es bei einem Sondervertrag über Energielieferungen, in welchem eine vertragliche Entgelterhöhungsklausel wegen Verstoß gegen § 307 BGB unwirksam ist, anders sein könnte oder sollte als im dort entschiedenen Fall, ist nicht recht ersichtlich. Es bestehen keine besonderen gesetzlichen Regelungen über Sonderverträge mit Energieversorgungsunternehmen, so dass die selben - allgemeinen - Auslegungsregeln heranzuziehen sind wie bei BGH VIII ZR 199/04.

Eine erst danach zu stellende Frage ist die der etwaigen Verjährung solcher entstandenen Rückforderungsansprüche. Hinsichtlich solcher Rückforderungsansprüche, die in einen verjährten Zeitraum fallen, besteht ein erhöhtes Risiko bei der Durchsetzung wegen der zu erwartenden Einrede der Verjährung gem. § 214 BGB. Der Beginn der Verjährung und deren Ablauf richten sich nach §§ 199 ff. BGB.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Zitat
Original von reblaus
@Black
Sie übersehen aber, dass wir es mit einer konkludenten Vertragsänderung zu tun haben.

Aus den Handlungen der Vertragsparteien muss sich ergeben, dass
1. die ursprüngliche (unwirksame) Preisänderungsklausel aufgehoben werden soll,.

Nein, wenn diese unwirksam ist (also nichtig) muss es keine Vereinbarung zur Aufhebung geben.


Zitat
2. eine neue wirksame Preisänderungsklausel vereinbart werden soll, von der man noch gar nicht genau weiß, wie sie ausgestaltet werden muss, um wirksam zu sein,.

Nein, es wird nur einmalig ein neuer Preis vereinbart. Keine neue generelle Änderungsklausel. Das bedeutet künftige weitere Änderungen sind von der Vereinbarung nicht umfasst, sondern nur diese eine Änderung, die der Kunde akzeptiert hat.

Zitat
3. diese Preisänderungsklausel rückwirkend bereits zum Zeitpunkt der letzten Preisfestsetzung die alte Klausel ersetzen soll, und
4. der zuletzt einseitig festgesetzte Preis solange der vertraglich geschuldete Preis sein soll, bis der Versorger nach der neuen Klausel wiederum den Preis in vereinbarter Weise einseitig festsetzt.

Nein, siehe vorheriger Punkt.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
@Black
Das OLG Koblenz stützt sich bei seiner Entscheidung auf die ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB. Die Regelungslücke liegt in der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel. Hier kann entweder eine wirksame Klausel oder aber der Verzicht auf eine solche Klausel als nach Treu und Glauben vereinbart angenommen werden. Schon diese Alternative verhindert die ergänzende Vertragsauslegung, da aus den Handlungen der Parteien nicht erkennbar ist, für welche Alternative sie sich entschieden haben.

Die ergänzende Vertragsauslegung darf auch nicht dem tatsächlichen Parteiwillen widersprechen. Der Versorger erhöht danach weiterhin seine Preise und beruft sich auf die getroffene vertragliche Vereinbarung. Auch der Verbraucher beruft sich im Verfahren auf die Preisänderungsklausel, und greift deren Wirksamkeit an. Schon daraus muss geschlossen werden, dass die Parteien gar keinen Willen hatten, diese Klausel zu ersetzen oder auf sie zu verzichten.

Auch mit Ihrer Theorie, dass unabhängig von alten Vereinbarungen einfach ein neuer Preis vereinbart worden sei, kommen Sie nicht weiter. Das müsste  bedeuten, dass die Parteien den alten Vertrag einvernehmlich beendet und einen neuen Vertrag abgeschlossen hätten. Hier fehlt es schon an der Erklärungshandlung. Beide Parteien streiten sich über den ursprünglich vereinbarten Vertrag, gehen somit noch Jahre später davon aus, dass dieser Vertrag gültig sei. Wo soll denn da der Wille gewesen sein, diesen Vertrag zu beenden?

Das Gericht ist aber nicht befugt, im Rahmen der ergänzenden Vertragauslegung den Parteien seinen Willen aufzuzwingen, wenn diese übereinstimmend einen anderen Willen zum Ausdruck bringen.

Anders könnte es nur liegen, wenn der Verbraucher vortragen würde, er habe den alten Vertrag längst weggeschmissen und der Versorger diesen nicht vorlegen könnte, weil er bereits (unauffindbar) im Archiv abgelegt worden sei. Daraus könnte geschlossen werden, dass die Parteien an dem alten Vertrag das Interesse verloren hätten.

Zitat
Original von Black Nein, wenn diese unwirksam ist (also nichtig) muss es keine Vereinbarung zur Aufhebung geben.

Bei einer Willenserklärung kommt es auf den subjektiven Erklärungswillen an, und auf den subjektiven Empfängerhorizont. Es ist nicht entscheidend, ob die Klausel objektiv nichtig ist, sondern ob die Parteien diese Nichtigkeit kennen.

Zitat
Original von Black Nein, es wird nur einmalig ein neuer Preis vereinbart. Keine neue generelle Änderungsklausel. Das bedeutet künftige weitere Änderungen sind von der Vereinbarung nicht umfasst, sondern nur diese eine Änderung, die der Kunde akzeptiert hat.

Auch dieser Vorschlag funktioniert nicht. Zum einen wird damit keine Regelungslücke geschlossen, weil es sich nur um eine Einzelfallregelung handelt. Es fehlt auch an den erforderlichen Handlungen aus denen geschlossen werden könnte, dass die Parteien für das eine Mal auf die Anwendung der Preisbestimmungsklausel verzichten wollen.

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
@ reblaus

Im Rahmen von Tarifkundenverhältnissen ist eine unbillige Preisanpassung nichtig. Der BGH hat jedoch geurteilt, dass diese Nichtigkeit unbeachtlich ist, wenn der Kunde den veränderten Preis akzeptiert und beglichen hat. Der neue Preis wird zum \"vereinbarten Preis\". Ob dieser vereinbarte Preis tatsächlich hätte gefordert werden können wird dann vom Gericht nicht mehr geprüft.

Gleiches muss auch für Sonderverträge gelten. Wenn der Kunde den Preis akzeptiert, wird er zum neu vereinbarten Preis. Ob dieser vereinbarte Preis tatsächlich hätte gefordert werden können wird dann vom Gericht nicht mehr geprüft.

Wenn man dies ablehnen möchte, weil man hier Angebot, Annahme, ausreichend konkludente Handlungen etc. nicht erkennen kann, dann kann man das nicht nur beim Sonderkundenvertrag tun, sondern muss  das  auch insgesamt für Tarifkundenverträge ablehnen (so wie es RR-E-ft wohl tut). Dann stellt man sich aber gegen BGH Rechtsprechung.

Um einen Teilaspekt eines Vertrages - wie den Preis - vertraglich neu zu fassen, muss auch nicht der vorherige Vertrag zuerst beendet werden. Es genügt eine Einigung der Parteien über die Änderung (oder kündigt Ihnen Ihr Arbeitgeber zuerst, wenn er Ihren Lohn erhöhen möchte?)
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
@Black
Sie verkennen den entscheidenden Unterschied zwischen dem Tarifkunden- und dem Sondervertragsverhältnis. Beim Tarifkundenverhältnis ist die gesetzliche Grundlage aufgrund derer die Preiserhöhung erfolgt wirksam, bei dem vom OLG Koblenz entschiedenen Sondervertragsverhältnis war die vertragliche Grundlage der Preiserhöhung unwirksam.

Wäre die Vertragsgrundlage wirksam gewesen könnte in der Tat die BGH-Rechtsprechung auf das Sondervertragsverhältnis übertragen werden.
Grundvoraussetzung ist, dass der Versorger berechtigt war, den Preis unterjährig einseitig festzusetzen. Mit der Zahlung der Jahresabrechnung und dem Abwarten der angemessenen Frist erkennt der Kunde diese einseitige Preisfestsetzung zunächst nur für den Abrechnungszeitraum als in vertragsgemäßer (billiger) Weise vorgenommen an. Durch die weitere Entnahme von Gas aus dem Netz erkennt er schließlich auch den zuvor nur für die Jahresabrechnung anerkannten Preis auch als zukünftig gültigen Preis an.

Es wird damit nicht ein beliebiger Preis als Vertragspreis vereinbart, sondern der Kunde verzichtet verbindlich als deklaratorisches Schuldanerkenntnis auf den Einwand der Unbilligkeit der Preiserhöhung, und stimmt danach (jedenfalls mit unterschiedlicher Handlung) der Vereinbarung dieses Preises als zukünftigem Vertragspreis zu.

Dieser Verzicht auf den Unbilligkeitseinwand führt aber im Falle der unwirksamen Erhöhungsklausel ins Leere, weil ein Preisänderungsrecht nach billigem Ermessen überhaupt nicht bestand. Somit wurde mit Zahlung und Abwarten der angemessenen Frist überhaupt kein Preis anerkannt. Damit kann er auch nicht durch Entnahme von Gas als für die Zukunft vereinbart angesehen werden.

Wenn Sie annehmen, der BGH habe mit seiner Entscheidung gemeint, im Tarifkundenverhältnis sei einfach ein neuer Preis abstrakt vereinbart worden,
dann wäre die Kritik von RR-E-ft mehr als berechtigt. Da hätte der BGH einfach mal so den AT Schuldrecht vergessen müssen, wie Sie das so gerne ausdrücken.

Offline jofri46

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 171
  • Karma: +0/-0
Vielleicht  ist es, auch im Interesse der nichtjuristischen Forumsmitglieder, hilfreich, die rechtstheoretischen bzw. -dogmatischen Ausführungen hier einmal mit einem praktischen Beispiel, einem Sondervertragsverhältnis, zu unterlegen, dessen Verlauf typisch für eine Vielzahl gleichgelagerter Vertragsverhältnisse sein dürfte:

Mein Sondervertrag (mit - das sei unterstellt - unwirksamer Anpassungsklausel) datiert aus dem Jahre 1986. 18 Jahre lang habe ich die Preise des Versorgers vorbehalt- und widerspruchslos hingenommen und Zahlung geleistet. Widersprochen und gekürzt habe ich aufgrund exorbitanter Preissteigerungen ab dem Jahr 2004 und lege seitdem den davor zuletzt geltenden Preis zugrunde.

Will hier jemand ernsthaft den Versorger heute noch an den vor 23 Jahren vereinbarten Preis festhalten? Gar Rückforderungsansprüche für diesen Zeitraum (die Verjährungsfrage mal außer acht gelassen) geltend machen?

Die Begründung des OLG Koblenz unter Verweis auf die §§ 133, 157 BGB ist daher so abwegig nicht. Aus meiner Sicht kann man hier auch mit § 241 Abs. 2 BGB argumentieren.

Zweifel habe ich auch, ob sich das Mietrechtsurteil des BGH (VIII ZR 199/04) so ohne weiteres auf Energielieferungsverträge übertragen ließe. Anders als ein Vermieter hat der Energielieferant z. B. keine zuverlässige Kalkulationsgrundlage. Weit mehr als ein Vermieter ist der Energielieferant von der laufenden Preis- und Kostenentwicklung abhängig, die er nicht sicher vorhersehen und einschätzen kann. Der Vermieter dagegen wälzt dieses Risiko üblicherweise über die die Nebenkosten auf den Mieter ab. Typisch dafür sind gerade die laufenden Energiekosten.

Wollte man das genannte BGH-Mietrechtsurteil auf langjährige Energielieferverträge übertragen, mit dessen Verlauf beide Vertragsparteien über viele Jahre hinweg konform gingen, würde dies nach meiner Auffassung die nun einmal auch bestehenden berechtigten Interessen des Energielieferanten außer acht lassen.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
@jofri46

§ 241 Abs. 2 BGB ist kein schlechtes Stichwort.

Zitat
§ 241
Pflichten aus dem Schuldverhältnis(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.


Durch die Verwendung gesetzeswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen verletzt der Verwender nach hM schon vorvertragliche Pflichten gegen seinen Vertragspartner, so dass sich daraus auch schon ein Schadensersatzanspruch des Vertragspartners des Klauselverwenders aus culpa in contrahendo  jenseits von bereicherungsrechtlichen Ansprüchen ergeben kann (vgl. Palandt, BGB, 68.A. Vor § 307 Rn. 14 unter Verweis auf BGHZ 84, 2816 und BGHZ 94, 2754).

AGB- Klauseln sind ja gerade deshalb unwirksam, weil der Klauselverwender seinen Vertragspartner gegenüber einer gesetzlichen Regelung wie zB. § 433 Abs. 2 BGB unangemessen zu benachteiligen trachtet. Eine gesetzwidrige Klausel zu verwenden ist gegenüber dem Vertragsaprtner schon ausgesprochen rücksichtslos, sich auf eine solche (hartnäckig) zu berufen noch weit mehr. Wer sich so (langjährig!) verhält, kann sich schwerlich selbst als schutzbedürftig gerieren.  Schließlich realisiert sich nur ein selbst in die Welt gesetztes Risiko, welches man selbst zu verantworten hat. Kindermund: Wer anderen eine Grube gräbt...(ist nicht zwingend Angestellter der Friedhofsverwaltung).

Deshalb erscheint es wenig realistisch, wenn ein solcher Klauselverwender so gestellt werden soll, wie bei der Wirksamkeit der Klausel. Es ist doch vielmehr so, dass selbst eine sog. geltungserhaltende Reduktion unzulässig ist. Schwer vorstellbar, die Klausel einem gestzlichen Unwerturteil zu unterwerfen und zu sanktionieren, ihre Folgen jedoch unberührt zu lassen.

Zitat
BGH, VIII ZR 199/04 S. 9/10 UA zu 242 BGB
Eine Verwirkung kommt nur dann in Betracht, wenn - abgesehen vom bloßen Zeitablauf - Umstände vorliegen, die für den Schuldner (Vermieter) einen Vertrauenstatbestand schaffen und die spätere Geltendmachung des Rechts als treuwidrig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 230/91, NJW-RR 1992, 1240 unter II 1 b m.w.Nachw.). Die Klägerin und ihr Ehemann haben indes durch die vorbehaltlose Zahlung keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, welcher ein besonderes Vertrauen der Beklagten als Vermieterin darauf rechtfertigen konnte, daß keine Rückforderungsansprüche mehr geltend gemacht würden. Zu Unrecht meint die Revision, ihre Mieter hätten davon ausgehen müssen, daß ihr Verhalten nur als Einwilligung in eine einvernehmliche Mieterhöhung gedeutet werden könne. Wie oben (unter 2 b) bereits ausgeführt, mußten diese, für die Beklagte erkennbar, gerade nicht annehmen, daß ihrem Verhalten eine Erklärungswirkung beigemessen werden konnte. Es lag vielmehr im Risikobereich der Beklagten

Zweifelsohne birgt die Verwendung gesetzteswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen einige Risiken in sich, wie sie nun einmal jeder unternehmerichen Betätigung eigen sind. Niemand ist gezwungen, überhaupt AGB zu verwenden. Warum sollten Energielieferanten dabei aber besser gestellt sein können als andere Unternehmer, die sich am (freien) Markt beteiligen?

Macht der Grundversorger nur Grundversorgung nach Grundversorgungsverordnung, hat er so ein Problem nicht.

Möglicherweise sind auch einige Energielieferanten nur deshalb schon langjährig am Markt, weil sie gegenüber ihren Kunden unangemessen benachteiligende AGB verwenden und dies bisher nicht hinreichend sanktioniert wurde? Möglicherweise kann man sich ja Allgemeine Geschäftsbedingungen von Freshfields Bruckhaus Deringer, Clifford Chance oder Graf von Westpahlen, Becker Buettner Held usw. entwerfen lassen, um auch später noch die richtigen Ansprechpartner zu haben. Kostet eben ein wenig. Dafür weiß man aber, an wen man sich halten kann.

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
@jofri46
Ich kann mich da RR-E-ft nur anschließen. Die Gasversorger haben sich in Ihren AGB alle Freiheiten herausgenommen, den Kunden nach Belieben zu übervorteilen. Es stand Ihrem Versorger frei, den Sondervertrag mit Ihnen schon 2005 zu kündigen, und Ihnen ein neues rechtlich einwandfreies Vertragsangebot zu unterbreiten. Er hat es nicht getan, weil der dann seine anderen Kunden nicht weiter hätte übervorteilen können.

Ihr Einwand ist insoweit richtig, dass einem Versorger nicht zugemutet werden kann, grenzenlos Gelder zurückerstatten zu müssen, nur weil er sich bei der Formulierung einer Klausel einen Fehler erlaubt hat. Aber diesen Einwand hat der Gesetzgeber berücksichtigt. Früher verjährten solche Rückforderungsansprüche erst nach 30 Jahren. Mit der Schuldrechtsreform verjähren bereicherungsrechtliche Ansprüche in 3 Jahren nach Kenntnis der Umstände. Ich gehe davon aus, dass es dabei auf die Kenntnis der Klausel ankommt und nicht auf die Kenntnis der Nichtigkeit. Dann hat der Versorger ein maximal (knapp) vierjähriges Risiko, überzahlte Beträge zurückzahlen zu müssen. Jedem Bauunternehmer mutet man fünf Jahre Gewährleistung zu. Der Zeitraum hält sich daher im Rahmen dessen, was anderen Unternehmen auch zugemutet wird.

Sowohl bei BGH, Urt. v. 13.06.2007 Az. VIII ZR 36/06 als auch bei OLG Koblenz Urt. v. 12.02.2009 Az. U 781/08 Kart stand meiner Ansicht nach die Überlegung Pate, dass es dem Versorger nicht zugemutet werden könne, sich einer unkalkulierbaren Höhe an Rückforderungsansprüchen aussetzen zu müssen, nur weil ein paar hysterische Medien die Gaskunden in Aufruhr versetzt haben. Dabei hatte man sicherlich das Bild eines Gasversorgers vor Augen, dessen Arbeit dafür sorgt, dass es in Deutschlands Wohnstuben in harten Winternächten nicht kalt wird. Dessen Mitarbeiter Tag und Nacht bereitstehen, um bei leisestem Verdacht von Gasgeruch sofort auszurücken, um jeglichen Unbill von den Bürgern dieses Landes fern zu halten. Für diese Ansicht bin ich hier arg gescholten worden.

Wie wir aber heute wissen (und früher schon vermutet haben) muss der redliche Gasversorger nicht vor einem aufgehetzten Mob vor der Insolvenz geschützt werden. Die nationale Gaswirtschaft war nämlich gar nicht um das nationale Wohl besorgt, sondern trachtete mit Kartellstrukturen im Gaszwischenhandel danach, die Nation so rücksichtslos wie möglich auszupressen. Wenn sich bei den Gerichten erst einmal dieses Bild festsetzt, werden sich die oben zitierten Urteile von selbst erledigen. Ich glaube nämlich nicht, dass diese beiden Senate mit ihrer Rechtsprechung die Absicht verfolgten, Gaunern ihre Beute zu sichern.

Offline tangocharly

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.139
  • Karma: +5/-0
Zitat
.....Wenn sich bei den Gerichten erst einmal dieses Bild festsetzt, werden sich die oben zitierten Urteile von selbst erledigen. Ich glaube nämlich nicht, dass diese beiden Senate mit ihrer Rechtsprechung die Absicht verfolgten, Gaunern ihre Beute zu sichern. .....

..... und wovon träumen Sie, wenn Sie nicht an Energie denken ?

Der Ball hat sicher seine Vortragsreihen bei den Versorgern deshalb gehalten, weil er dort seinen warnenden Zeigefinger erheben wollte, dass nämlich hohe Gaspreise pfui und niedrige Gaspreise das seien, wofür man in diesem unseren Lande das Bundesverdienstkreuz mit Diamanten am Bande erhält.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Zitat
Original von Black
@ reblaus

Im Rahmen von Tarifkundenverhältnissen ist eine unbillige Preisanpassung nichtig. Der BGH hat jedoch geurteilt, dass diese Nichtigkeit unbeachtlich ist, wenn der Kunde den veränderten Preis akzeptiert und beglichen hat. Der neue Preis wird zum \"vereinbarten Preis\". Ob dieser vereinbarte Preis tatsächlich hätte gefordert werden können wird dann vom Gericht nicht mehr geprüft.

Gleiches muss auch für Sonderverträge gelten. Wenn der Kunde den Preis akzeptiert, wird er zum neu vereinbarten Preis. Ob dieser vereinbarte Preis tatsächlich hätte gefordert werden können wird dann vom Gericht nicht mehr geprüft.

Und wieder hat sich die Welt ein Stück weiter gedreht. Was die hier versammelten \"Experten\" bislang als abwegig ausgeschlossen hatten, die Rechtsprechung zu akzeptierten Tarifkunden-Preisanpassungen ist auf Sonderkunden übertragbar:

Zitat
Insoweit ist bereits obergerichtlich entschiede, dass wenn durch Sondervertragskunden nach Preiserhöhungen weiterhin Gas bezogen und die nachfolgenden Rechnungen ohne Beanstandung bezahlt werden, der einseitig erhöhte Preis zu einem zwischen den Parteien vereinbarten Preis wird und zwar unabhängig von der Befugnis der Beklagten zu einer Preisanpassung (vergl. OLG Oldenburg a.a.O. , Anlage K36...)

LG Hof, 01.04.2009, 1 HK O 44/08
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
@black
Das wird aber wohl nicht überall in der Republik so gesehen.
Wir sollten deshalb der Vollständigkeit halber aber an dieser Stelle auch erwähnen, dass das OLG Hamm festgestellt hat, dass auf unwirksame Preisänderungsklauseln gestützte Preiserhöhungen unwirksam sind und auch bei unterlassenem Widerspruch und vorbehaltlosen Zahlungen Rückforderungsansprüche begründen , was ja wohl soviel heisst, wie eine konkludente Vertragsanpassung wird bei fehlerhafter Preisanpassungsklausel bei Sondervertragskunden durch Zahlung und Nichtwiderspruch eben nicht vorgenommen.

wie hier im Beitrag von RR-E-ft zum Urteil des OLG Hamm vom 29.05.2009 zu lesen ist.

Aber wie alles, wird sicher auch das erst zum BGH gehen müssen, um endgültig entschieden zu werden.
Bis dahin werden wohl leider eine Reihe Forderungen der Verbraucher verjährt sein, wenn diese nämlich noch keine Widerspruch eingelegt haben und/oder Rückforderungsansprüche gestellt haben.  :(

Offline reblaus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.055
  • Karma: +0/-0
@Black

Ich kann keinen Eintrag finden, in dem irgend jemand behauptet, dass die von Ihnen vertretene Auffassung nicht auch von deutschen Gerichten vertreten wird. Im Gegenteil ist hinlänglich auf OLG Koblenz Urt. v.  12. Februar 2009 - Az. U 781/08 (Kart) hingewiesen worden. Im Gegensatz zu dem von Ihnen zitierten Urteil des LG Hof und zu OLG Oldenburg Urteil vom 5. September 2008 - Az 12 U 49/07 macht sich das OLG Koblenz zumindest die Mühe eine eigenständige Begründung für diese Auffassung zu liefern. Die anderen Gerichte halten den Verweis auf die vom 8. Zivilsenat gegebene Rechtsauffassung für ausreichend und ersparen sich eigenständige Überlegungen wie denn diese Vereinbarung im Detail zustande gekommen sein soll.

Das tun im übrigen auch Sie. Meine Bitten, zu erklären aus welchen Handlungen Ihrer Auffassung nach welche Erklärung zu entnehmen sein soll, haben Sie bisher nicht erfüllt. Solange Sie gemeinsam mit dem OLG Oldenburg und dem LG Hof nicht bereit sind zu erklären, wieso es unerheblich sein soll, ob wie im vom BGH entschiedenen Fall ein einseitiges Preisbestimmungsrecht besteht, oder wie in allen anderen Fällen ein solches Recht nicht besteht, sehe ich nicht den geringsten Grund von meiner Auffassung abzuweichen, dass die Vereinbarung eines Preissockels nur dann konkludent (durch Zahlung) vereinbart werden kann, wenn der bezahlten Abrechnung eine subjektive Ungewissheit innewohnt. Und diese kann sich nur aus einem wirksamen einseitigen Preisbestimmungsrecht ergeben.

Meiner Auffassung liegt die Überzeugung zu Grunde, dass Verträge nur durch freiwillige Vereinbarungen geschlossen und nicht aus Gründen der Denkfaulheit gerichtlich angeordnet werden können.

Dem Versorger steht schließlich die Einrede der Entreicherung  zu, so dass er die unmittelbar durch den Verbrauch des Kunden aufgrund von Bezugskostensteigerungen verursachten Zahlungen an den Vorlieferanten nicht zurückzuerstatten braucht. Für die Entreicherung ist er aber beweispflichtig.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
@Black

Das vom LG Hof am 13.05.2009 verkündete Urteil ist hier bereits gewürdigt worden. Die Welt dreht sich ständig weiter und deshalb gilt es eben auch, die Rechtsprechung des OLG Hamm in der genannten Entscheidung vom 29.05.2009 zu würdigen. Das OLG Hamm befasst sich nämlich - im Gegensatz zu den OLG Oldenburg v. 05.09.2008, Kammergericht vom 28.10.2008 und OLG Koblenz vom 12.02.2009  - explizit mit bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen von Sondervertragskunden nach vorbehaltlosen Überzahlungen und hat solche Rückforderungsansprüche bestätigt. Bereits die Begründung des Landgerichts Dortmund im Urteil vom 18.01.2008 (vgl. dort Tz. 94 ff) war in diesem Punkt überzeugend. Es folgt der Rechtsprechung des BGH in den Entscheidungen vom 20.07.2005 (VIII ZR 199/04) und vom 28.03.2007 (VIII ZR 144/06 Tz. 20).

Offline Black

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 1.754
  • Karma: +1/-0
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Das vom LG Hof am 13.05.2009 verkündete Urteil ist hier bereits gewürdigt worden.

Wobei dieses \"hier\" einen Forenbereich meint, in dem Sie sich die Deutungshoheit vorbehalten. Was die Würdigung immer etwas..nunja einseitig erscheinen läßt.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz