Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen

<< < (83/88) > >>

Gas-Rebell:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Nein. Ich meinte, dass es wegen und im Umfange der gerichtlich angefochtenen Preisänderungen seit 2004 zu keinen Überzahlungen kam.
--- Ende Zitat ---

Ist mir noch nicht ganz klar. Ich vermute, dass die meisten der Kläger Einbehaltungen  seit 2004 eher auf der Grundlage von § 315 BGB vorgenommen haben und hinsichtlich § 307 BGB erst ab 2008. In welchem Umfang wurde denn dann gerichtlich angefochten?

RR-E-ft:
Die Kläger haben den einseitigen Preisänderungen seit 2004 widersprochen und ihre Zahlungen an E.ON (Abschläge/ Rechnungsbeträge) auf die vor der ersten Preiserhöhung 2004 verlangten Preise (Stand September 2004)  gekürzt. Den Klägern geht es um die seit 2004 von E.ON einseitig vorgenommenen Preisänderungen, die sie für unwirksam halten.

tangocharly:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die Kläger haben den einseitigen Preisänderungen seit 2004 widersprochen und ihre Zahlungen an E.ON (Abschläge/ Rechnungsbeträge) auf die vor der ersten Preiserhöhung 2004 verlangten Preise (Stand September 2004)  gekürzt. Den Klägern geht es um die seit 2004 von E.ON einseitig vorgenommenen Preisänderungen, die sie für unwirksam halten.
--- Ende Zitat ---

Das dürfte auch die aufgeworfene Frage beantwortet haben, ob hier irgendwelche Konkludenz eine Rolle spielt.

M.E. ist diese Problematik nur über § 814 BGB lösbar.

reblaus:
@Gas-Rebell
Ich würde das auch anderenfalls ganz entspannt sehen. Manchmal haben Sie eine sehr überraschende Detailkenntnis für einen Laien.

Es kommt beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis nicht darauf an, ob die Forderung die anerkannt wird, berechtigt ist. Darüber herrscht Streit oder Ungewissheit. Mit dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis wird dieser Streit beigelegt. Die anerkannte Forderung muss daher die Eigenschaft haben, eine solche Ungewissheit auslösen zu können, oder mit einem Streit behaftet zu sein. Denn der Sinn der Vereinbarung ist nicht eine beliebige Forderung anzuerkennen, sondern den Streit oder die Ungewissheit auszuräumen. Wäre die Zielrichtung eine beliebige Forderung anzuerkennen, würde jede Bezahlung einer Rechnung zu einem Anerkenntnis dieser Schuld führen. Dies ist nach ständiger Rechtssprechung aber gerade nicht der Fall.

Grundsätzlich hängt es nicht davon ab, ob der Rechtsgrund konkludent oder verbal vereinbart wurde, wenn dieser tatsächlich gar nicht besteht.

Bei einer konkludenten Vereinbarung sind die Fälle aber deutlich seltener, da Handlungen nur begrenzte Aussagekraft haben, und damit komplizierte Vereinbarungen, die weit eher unwirksam sein können, nur schwer abgeschlossen werden können.

Ein Schuldanerkenntnis kann mit Ausnahme des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses nur schriftlich vereinbart werden (§ 781 BGB).

RR-E-ft:
Zu den Rückforderungsansprüchen der Kunden und deren Verjährung siehe Büdenbender \"Die neue Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen\" NJW 2009, 3125, 3131 dort unter IV. 2 (Heft 43/2009)

Der ehemalige RWE- Vorstand weist dabei nochmals darauf hin, dass Zahlungen auf infolge unwirksamer Preisänderungsklauseln unwirksame Preiserhöhungen rechtsgrundlos erfolgten und gem. § 812 BGB zurückverlangt werden können.

Er hält zutreffend daran fest, dass eine einseitige Leistungbestimmung kein Angebot auf Neuvereinbarung ist und eine Verwirkung durch vorbehaltlose Zahlung des Kunden auch nur dort in Betracht kommt, wo tatsächlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, nicht aber, wo ein solches nicht besteht.

Für § 814 BGB sei kein Raum, da der Kunde keine sichere Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit im Zeitpunkt seiner Zahlung hatte. Im Ergebnis kommt es für die Rückforderungsansprüche nicht darauf an, ob der Kunde den unzulässigen Erhöhungen widersprochen oder Zahlungen nur unter Vorbehalt geleistet hatte.  



--- Zitat ---Für die Verjährung gelten die allgemeinen Vorgaben der §§ 195ff. BGB. Die Verwirkung nicht wirksam ausgeübter Leistungsbestimmungsrechte hat der BGH  in seiner Rechtsprechung zu § 315 BGB anerkannt, wenn ein Kunde nach Erhalt der Jahresschlussrechnung vorbehaltlos zahlt.

Dogmatisch sehr fragwürdig konstruiert der BGH eine konkludente Vertragsänderung an die erhöhten Preise, weil der Kunde durch Fortsetzung des Energiebezugs ohne Protest gegen die Preiserhöhung das in der Preiserhöhung liegende Angebot des EVU annehme. Auf  § 315 BGB gestützte Leistungsbestimmungsrechte sind jedoch einseitig wirkende (oder wirken sollende) Willenserklärungen, die nicht im Wege der Auslegung in Vertragsofferten geändert werden können. Daher ist das Rechtsinstitut der Verwirkung (§ 242 BGB) der dogmatisch zutreffende Ansatz für die nur im Ergebnis überzeugende Auffassung des BGH.

Dabei ist jedoch zu sehen, dass bei dieser Judikatur, ergangen für den Tarifkundenbereich (heute Grundversorgungsbereich) mit § 4 Absatz I und II AVBGasV/ AVBEltV (heute  § 5 Absatz II StromGVV, § 5 Absatz II GasGVV) eine normativ begründete Kompetenz zur Preiserhöhung bestand, die zur Vermeidung der Verwirkung nur zeitlich begrenzt eine Billigkeitskontrolle der Zivilgerichte  § 315 BGB eröffnet.

In den hier in Rede stehenden Fällen geht es jedoch um die Unwirksamkeit von als AGB ausgestalteten Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen wegen Verstoßes gegen § 307 BGB, so dass bereits die vertragsrechtliche Grundlage für die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts fehlte. Dies spricht dafür, dass die Anforderungen an eine Verwirkung kundenseitiger Rückforderungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung strenger sind als in den Fällen, in denen ein Leistungsbestimmungsrecht grundsätzlich (normativ oder vertragsrechtlich) gegeben ist, jedoch im Einzelfall unbillig ausgeübt wurde.

§ 814 BGB schließt eine Leistungskondiktion aus, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Nach den langjährig praktizierten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist insoweit jedoch eine gesicherte Kenntnis notwendig, die erst durch die neuen Grundsatzentscheidungen des BGH eingetreten ist. Allein eine – vielfach – divergierende vorinstanzliche Rechtsprechung oder auch die Hoffnung der Kunden, die Preisanpassungsklauseln könnten unwirksam sein, genügt für eine Anwendung des  § 814 BGB nicht. Daraus folgt zugleich, dass es für die Praxis weitestgehend bedeutungslos ist, ob der Kunde Preiserhöhungen mit oder ohne Vorbehalt der späteren gerichtlichen Überprüfung und gegebenenfalls Rückforderung bezahlt.
--- Ende Zitat ---

Das betrifft alle Sonderverträge, egal ob dabei eine Preisänderungsklausel gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wurde oder ob eine wirksam einbezogene Klausel sich gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 307 BGB als unwirksam erweist. In beiden Fällen bestand kein Recht zur einseitigen Preisänderung und kann die Ausübung eines (nur vermeintlich bestehenden) einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nicht in ein Angebot auf Entgeltneuvereinbarung umgedeutet werden (vgl. BGH VIII ZR 199/04).

Auch sei es ausgeschlossen, dass sich der Versorger infolge gestiegener eigener Bezugskosten erfolgreich auf Entreicherung berufen kann.



--- Zitat ---Für Bereicherungsansprüche ließe sich thematisieren, ob in dem Umstand ein Wegfall der Bereicherung der EVU nach  § 818 Absatz III BGB liegt, dass sie die Preiserhöhungen bei ihrem Vorlieferanten bezahlt haben (und bezahlen mussten), so dass ein Behalten der im Widerspruch zu § BGB § 307 BGB vereinnahmten Preiserhöhungen von den Endverbrauchern nur der Vermeidung einer Erlösschmälerung dient, nicht aber einer Bereicherung infolge einer vergrößerten Marge im Vergleich zu der Situation vor der Preiserhöhung. Ökonomisch ist eine solche Zusammenfassung beider Aspekte zutreffend. Die bereicherungsrechtliche Behandlung ist jedoch komplexer: Die Zahlung erhöhter Energiebezugspreise durch das EVU an seinen Vorlieferanten ist nicht die Folge der Preiserhöhung gegenüber seinen Kunden, wie es die Anwendung des § 818 Absatz III BGB im Sinne eines Wegfalls der Bereicherung als Folge der zuvor erlangten Bereicherung verlangt. Der Ablauf für die hier diskutierte Thematik ist jedoch genau umgekehrt: Erst die Preiserhöhung des Vorlieferanten veranlasst das EVU zur Preiserhöhung gegenüber seinen Kunden. Hinzu kommt, dass die EVU durch die Belieferung ihrer Endverbraucher ihren vertraglichen Lieferpflichten nachkommen, die rechtlich trotz eines wirtschaftlich damit zusammenhängenden Energiebezugs von ihren Vorlieferanten eigenständig zu würdigen und nicht mit den Bezugsverträgen zu verknüpfen sind (Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse). Aus diesem Grund sind für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von Kaufverträgen die Erwerbskosten, die der Bereicherungsschuldner an einen Dritten gezahlt hat, nicht abzugsfähig. Übertragen auf die hier diskutierte Thematik bedeutete dies die Irrelevanz der seitens der EVU an seinen Vorlieferanten (nach dessen Preiserhöhung) geleisteten Zahlungen für den Umfang seiner bereicherungsrechtlichen Schuld gegenüber seinen endverbrauchenden Kunden nach §§ 812, 818 BGB.
--- Ende Zitat ---

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln