Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen
reblaus:
@Black
Sie verkennen den entscheidenden Unterschied zwischen dem Tarifkunden- und dem Sondervertragsverhältnis. Beim Tarifkundenverhältnis ist die gesetzliche Grundlage aufgrund derer die Preiserhöhung erfolgt wirksam, bei dem vom OLG Koblenz entschiedenen Sondervertragsverhältnis war die vertragliche Grundlage der Preiserhöhung unwirksam.
Wäre die Vertragsgrundlage wirksam gewesen könnte in der Tat die BGH-Rechtsprechung auf das Sondervertragsverhältnis übertragen werden.
Grundvoraussetzung ist, dass der Versorger berechtigt war, den Preis unterjährig einseitig festzusetzen. Mit der Zahlung der Jahresabrechnung und dem Abwarten der angemessenen Frist erkennt der Kunde diese einseitige Preisfestsetzung zunächst nur für den Abrechnungszeitraum als in vertragsgemäßer (billiger) Weise vorgenommen an. Durch die weitere Entnahme von Gas aus dem Netz erkennt er schließlich auch den zuvor nur für die Jahresabrechnung anerkannten Preis auch als zukünftig gültigen Preis an.
Es wird damit nicht ein beliebiger Preis als Vertragspreis vereinbart, sondern der Kunde verzichtet verbindlich als deklaratorisches Schuldanerkenntnis auf den Einwand der Unbilligkeit der Preiserhöhung, und stimmt danach (jedenfalls mit unterschiedlicher Handlung) der Vereinbarung dieses Preises als zukünftigem Vertragspreis zu.
Dieser Verzicht auf den Unbilligkeitseinwand führt aber im Falle der unwirksamen Erhöhungsklausel ins Leere, weil ein Preisänderungsrecht nach billigem Ermessen überhaupt nicht bestand. Somit wurde mit Zahlung und Abwarten der angemessenen Frist überhaupt kein Preis anerkannt. Damit kann er auch nicht durch Entnahme von Gas als für die Zukunft vereinbart angesehen werden.
Wenn Sie annehmen, der BGH habe mit seiner Entscheidung gemeint, im Tarifkundenverhältnis sei einfach ein neuer Preis abstrakt vereinbart worden,
dann wäre die Kritik von RR-E-ft mehr als berechtigt. Da hätte der BGH einfach mal so den AT Schuldrecht vergessen müssen, wie Sie das so gerne ausdrücken.
jofri46:
Vielleicht ist es, auch im Interesse der nichtjuristischen Forumsmitglieder, hilfreich, die rechtstheoretischen bzw. -dogmatischen Ausführungen hier einmal mit einem praktischen Beispiel, einem Sondervertragsverhältnis, zu unterlegen, dessen Verlauf typisch für eine Vielzahl gleichgelagerter Vertragsverhältnisse sein dürfte:
Mein Sondervertrag (mit - das sei unterstellt - unwirksamer Anpassungsklausel) datiert aus dem Jahre 1986. 18 Jahre lang habe ich die Preise des Versorgers vorbehalt- und widerspruchslos hingenommen und Zahlung geleistet. Widersprochen und gekürzt habe ich aufgrund exorbitanter Preissteigerungen ab dem Jahr 2004 und lege seitdem den davor zuletzt geltenden Preis zugrunde.
Will hier jemand ernsthaft den Versorger heute noch an den vor 23 Jahren vereinbarten Preis festhalten? Gar Rückforderungsansprüche für diesen Zeitraum (die Verjährungsfrage mal außer acht gelassen) geltend machen?
Die Begründung des OLG Koblenz unter Verweis auf die §§ 133, 157 BGB ist daher so abwegig nicht. Aus meiner Sicht kann man hier auch mit § 241 Abs. 2 BGB argumentieren.
Zweifel habe ich auch, ob sich das Mietrechtsurteil des BGH (VIII ZR 199/04) so ohne weiteres auf Energielieferungsverträge übertragen ließe. Anders als ein Vermieter hat der Energielieferant z. B. keine zuverlässige Kalkulationsgrundlage. Weit mehr als ein Vermieter ist der Energielieferant von der laufenden Preis- und Kostenentwicklung abhängig, die er nicht sicher vorhersehen und einschätzen kann. Der Vermieter dagegen wälzt dieses Risiko üblicherweise über die die Nebenkosten auf den Mieter ab. Typisch dafür sind gerade die laufenden Energiekosten.
Wollte man das genannte BGH-Mietrechtsurteil auf langjährige Energielieferverträge übertragen, mit dessen Verlauf beide Vertragsparteien über viele Jahre hinweg konform gingen, würde dies nach meiner Auffassung die nun einmal auch bestehenden berechtigten Interessen des Energielieferanten außer acht lassen.
RR-E-ft:
@jofri46
§ 241 Abs. 2 BGB ist kein schlechtes Stichwort.
--- Zitat ---§ 241
Pflichten aus dem Schuldverhältnis(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
--- Ende Zitat ---
Durch die Verwendung gesetzeswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen verletzt der Verwender nach hM schon vorvertragliche Pflichten gegen seinen Vertragspartner, so dass sich daraus auch schon ein Schadensersatzanspruch des Vertragspartners des Klauselverwenders aus culpa in contrahendo jenseits von bereicherungsrechtlichen Ansprüchen ergeben kann (vgl. Palandt, BGB, 68.A. Vor § 307 Rn. 14 unter Verweis auf BGHZ 84, 2816 und BGHZ 94, 2754).
AGB- Klauseln sind ja gerade deshalb unwirksam, weil der Klauselverwender seinen Vertragspartner gegenüber einer gesetzlichen Regelung wie zB. § 433 Abs. 2 BGB unangemessen zu benachteiligen trachtet. Eine gesetzwidrige Klausel zu verwenden ist gegenüber dem Vertragsaprtner schon ausgesprochen rücksichtslos, sich auf eine solche (hartnäckig) zu berufen noch weit mehr. Wer sich so (langjährig!) verhält, kann sich schwerlich selbst als schutzbedürftig gerieren. Schließlich realisiert sich nur ein selbst in die Welt gesetztes Risiko, welches man selbst zu verantworten hat. Kindermund: Wer anderen eine Grube gräbt...(ist nicht zwingend Angestellter der Friedhofsverwaltung).
Deshalb erscheint es wenig realistisch, wenn ein solcher Klauselverwender so gestellt werden soll, wie bei der Wirksamkeit der Klausel. Es ist doch vielmehr so, dass selbst eine sog. geltungserhaltende Reduktion unzulässig ist. Schwer vorstellbar, die Klausel einem gestzlichen Unwerturteil zu unterwerfen und zu sanktionieren, ihre Folgen jedoch unberührt zu lassen.
--- Zitat --- BGH, VIII ZR 199/04 S. 9/10 UA zu 242 BGB
Eine Verwirkung kommt nur dann in Betracht, wenn - abgesehen vom bloßen Zeitablauf - Umstände vorliegen, die für den Schuldner (Vermieter) einen Vertrauenstatbestand schaffen und die spätere Geltendmachung des Rechts als treuwidrig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 230/91, NJW-RR 1992, 1240 unter II 1 b m.w.Nachw.). Die Klägerin und ihr Ehemann haben indes durch die vorbehaltlose Zahlung keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, welcher ein besonderes Vertrauen der Beklagten als Vermieterin darauf rechtfertigen konnte, daß keine Rückforderungsansprüche mehr geltend gemacht würden. Zu Unrecht meint die Revision, ihre Mieter hätten davon ausgehen müssen, daß ihr Verhalten nur als Einwilligung in eine einvernehmliche Mieterhöhung gedeutet werden könne. Wie oben (unter 2 b) bereits ausgeführt, mußten diese, für die Beklagte erkennbar, gerade nicht annehmen, daß ihrem Verhalten eine Erklärungswirkung beigemessen werden konnte. Es lag vielmehr im Risikobereich der Beklagten
--- Ende Zitat ---
Zweifelsohne birgt die Verwendung gesetzteswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen einige Risiken in sich, wie sie nun einmal jeder unternehmerichen Betätigung eigen sind. Niemand ist gezwungen, überhaupt AGB zu verwenden. Warum sollten Energielieferanten dabei aber besser gestellt sein können als andere Unternehmer, die sich am (freien) Markt beteiligen?
Macht der Grundversorger nur Grundversorgung nach Grundversorgungsverordnung, hat er so ein Problem nicht.
Möglicherweise sind auch einige Energielieferanten nur deshalb schon langjährig am Markt, weil sie gegenüber ihren Kunden unangemessen benachteiligende AGB verwenden und dies bisher nicht hinreichend sanktioniert wurde? Möglicherweise kann man sich ja Allgemeine Geschäftsbedingungen von Freshfields Bruckhaus Deringer, Clifford Chance oder Graf von Westpahlen, Becker Buettner Held usw. entwerfen lassen, um auch später noch die richtigen Ansprechpartner zu haben. Kostet eben ein wenig. Dafür weiß man aber, an wen man sich halten kann.
reblaus:
@jofri46
Ich kann mich da RR-E-ft nur anschließen. Die Gasversorger haben sich in Ihren AGB alle Freiheiten herausgenommen, den Kunden nach Belieben zu übervorteilen. Es stand Ihrem Versorger frei, den Sondervertrag mit Ihnen schon 2005 zu kündigen, und Ihnen ein neues rechtlich einwandfreies Vertragsangebot zu unterbreiten. Er hat es nicht getan, weil der dann seine anderen Kunden nicht weiter hätte übervorteilen können.
Ihr Einwand ist insoweit richtig, dass einem Versorger nicht zugemutet werden kann, grenzenlos Gelder zurückerstatten zu müssen, nur weil er sich bei der Formulierung einer Klausel einen Fehler erlaubt hat. Aber diesen Einwand hat der Gesetzgeber berücksichtigt. Früher verjährten solche Rückforderungsansprüche erst nach 30 Jahren. Mit der Schuldrechtsreform verjähren bereicherungsrechtliche Ansprüche in 3 Jahren nach Kenntnis der Umstände. Ich gehe davon aus, dass es dabei auf die Kenntnis der Klausel ankommt und nicht auf die Kenntnis der Nichtigkeit. Dann hat der Versorger ein maximal (knapp) vierjähriges Risiko, überzahlte Beträge zurückzahlen zu müssen. Jedem Bauunternehmer mutet man fünf Jahre Gewährleistung zu. Der Zeitraum hält sich daher im Rahmen dessen, was anderen Unternehmen auch zugemutet wird.
Sowohl bei BGH, Urt. v. 13.06.2007 Az. VIII ZR 36/06 als auch bei OLG Koblenz Urt. v. 12.02.2009 Az. U 781/08 Kart stand meiner Ansicht nach die Überlegung Pate, dass es dem Versorger nicht zugemutet werden könne, sich einer unkalkulierbaren Höhe an Rückforderungsansprüchen aussetzen zu müssen, nur weil ein paar hysterische Medien die Gaskunden in Aufruhr versetzt haben. Dabei hatte man sicherlich das Bild eines Gasversorgers vor Augen, dessen Arbeit dafür sorgt, dass es in Deutschlands Wohnstuben in harten Winternächten nicht kalt wird. Dessen Mitarbeiter Tag und Nacht bereitstehen, um bei leisestem Verdacht von Gasgeruch sofort auszurücken, um jeglichen Unbill von den Bürgern dieses Landes fern zu halten. Für diese Ansicht bin ich hier arg gescholten worden.
Wie wir aber heute wissen (und früher schon vermutet haben) muss der redliche Gasversorger nicht vor einem aufgehetzten Mob vor der Insolvenz geschützt werden. Die nationale Gaswirtschaft war nämlich gar nicht um das nationale Wohl besorgt, sondern trachtete mit Kartellstrukturen im Gaszwischenhandel danach, die Nation so rücksichtslos wie möglich auszupressen. Wenn sich bei den Gerichten erst einmal dieses Bild festsetzt, werden sich die oben zitierten Urteile von selbst erledigen. Ich glaube nämlich nicht, dass diese beiden Senate mit ihrer Rechtsprechung die Absicht verfolgten, Gaunern ihre Beute zu sichern.
tangocharly:
--- Zitat ---.....Wenn sich bei den Gerichten erst einmal dieses Bild festsetzt, werden sich die oben zitierten Urteile von selbst erledigen. Ich glaube nämlich nicht, dass diese beiden Senate mit ihrer Rechtsprechung die Absicht verfolgten, Gaunern ihre Beute zu sichern. .....
--- Ende Zitat ---
..... und wovon träumen Sie, wenn Sie nicht an Energie denken ?
Der Ball hat sicher seine Vortragsreihen bei den Versorgern deshalb gehalten, weil er dort seinen warnenden Zeigefinger erheben wollte, dass nämlich hohe Gaspreise pfui und niedrige Gaspreise das seien, wofür man in diesem unseren Lande das Bundesverdienstkreuz mit Diamanten am Bande erhält.
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