Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen
reblaus:
@Black
Sie übersehen aber, dass wir es mit einer konkludenten Vertragsänderung zu tun haben.
Aus den Handlungen der Vertragsparteien muss sich ergeben, dass
1. die ursprüngliche (unwirksame) Preisänderungsklausel aufgehoben werden soll,
2. eine neue wirksame Preisänderungsklausel vereinbart werden soll, von der man noch gar nicht genau weiß, wie sie ausgestaltet werden muss, um wirksam zu sein,
3. diese Preisänderungsklausel rückwirkend bereits zum Zeitpunkt der letzten Preisfestsetzung die alte Klausel ersetzen soll, und
4. der zuletzt einseitig festgesetzte Preis solange der vertraglich geschuldete Preis sein soll, bis der Versorger nach der neuen Klausel wiederum den Preis in vereinbarter Weise einseitig festsetzt.
Da braucht es schon die Gebärdensprache, um ein solch umfassendes Vertragswerk konkludent vereinbaren zu können.
Wenn die Parteien für die Zukunft einen Preis X vereinbaren, dann verzichten Sie mit dieser Vereinbarung auf das dem Versorger zustehende einseitige Preisbestimmungsrecht. Das wäre konkludent ja noch zu vereinbaren. Aber dieses Preisbestimmungsrecht ist dann für die Zukunft weg. Wenn der Versorger das nächste Mal unterjährig seine Preise anheben wollte müsste er beim Verbraucher um Zustimmung ersuchen.
Abgesehen davon hat der BGH nicht entschieden, dass die Parteien für die Zukunft einfach einen Preis X vereinbart haben. Dann hätten sie nämlich einen Sondervertrag abgeschlossen, in dem kein einseitiges Preisanpassungsrecht vereinbart gewesen wäre, und dann wäre die nächste Preisanpassung ohne Rechtsgrund erfolgt.
So wie Sie das vorschlagen kann das nicht funktionieren.
RR-E-ft:
Wenn man für die Zukunft einen (geänderten) Preis X neu vertraglich vereinbart (was Angebot und Annahme voraussetzt), so setzt eine solche Neuvereinbarung die bisherigen (ursprünglichen) vertraglichen Vereinbarungen für die Zukunft dergestalt außer Kraft, dass zukünftig beide Vertragsteile an diesen neu vereinbarten Preis gleichermaßen gebunden sind, § 433 Abs. 2 BGB. Einseitig abändern lässt sich der so neu vereinbarte Preis jedenfalls zukünftig nicht mehr.
Ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB kann bei Energielieferungeverträgen gerade dann nicht angenommen werden, wenn sich die Parteien bereits bei Vertragsabschluss auf einen bestimmten Energiepreis geeinigt hatten, vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Tz. 32:
--- Zitat ---Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags von dem Versorgungsunternehmen geforderte Preis für die Gaslieferung aus dem jeweiligen allgemeinen Tarif für die leitungsgebundene Versorgung mit Gas ergab (vgl. § 10 Abs. 1 EnWG 1998; § 4 Abs. 1 AVBGasV). Auch in diesem Fall ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 144/06, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, ZIP 2007, 912, unter II 1 a, zum Stromlieferungsvertrag).
--- Ende Zitat ---
Die Parteien können bei Vertragsabschluss nur entweder ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart oder sich bei Vertragsabschluss auf einen Preis geeinigt haben. Das eine schließt das andere denknotwendig aus, vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 KZR 24/04 Tz. 21. Demnach muss es als ausgeschlossen angesehen werden, dass die Parteien bei Abschluss eines Sondervertrages zugunsten des EVU ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart hatten, wenn bei Vertragsabschluss schon eine Einigung auf einen (besonders günstigen) Energiepreis erfolgt war. Sonst läge ein offener Dissens gem. § 154 Abs. 1 BGB vor, welcher die gesamte Vertragsnichtigkeit zur Folge hätte, vgl. BGH KZR 24/04, aaO.
Es fehlt jedoch schon regelmäßig an einer Preisneuvereinbarung durch Angebot und Annahme, vgl. nur BGH VIII ZR 199/04. Eine Neuvereinbarung durch Angebot und fristgerechte Annahme ist in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen. Eine Willenserklärung, mit welcher ein (vermeintliches) einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, stellt regelmäßig keinen - auf Annahme gerichteten - Antrag im Sinne von § 145 BGB dar. Fehlt es jedoch schon an einem solchen Antrag, kann ein solcher auch nicht (konkludent) angenommen werden....
Hier lesen.
Auch dort war einer Vertragspartei - wegen Gesetzesverstoß unwirksam - ein einseitiges Änderungsrecht hinsichtlich des vertraglich geschuldeten Entgelts eingeräumt worden, erhöhte diese die Entgelte - gestützt auf diese unwirksame Vertragsbestimmung - über viele Jahre hinweg fortlaufend, erfolgten darauf vollständige, vorbehaltlose Zahlungen, die später - soweit sie auf den einseitigen Erhöhungen beruhten - mit einer Rückforderungsklage - erfolgreich - zurückgeklagt wurden. Die Kläger hatten sich dabei erfolgreich auf den Standpunkt gestellt, dass keine einzige der vorgenommenen einseitigen Entgelterhöhungen nach Vertragsabschluss wirksam war. Der BGH hat dabei - umfassend begründet - erkannt, dass es zu keinen Entgeltneuvereinbarungen der Parteien nach Vertragsabschluss gekommen war.
Warum es bei einem Sondervertrag über Energielieferungen, in welchem eine vertragliche Entgelterhöhungsklausel wegen Verstoß gegen § 307 BGB unwirksam ist, anders sein könnte oder sollte als im dort entschiedenen Fall, ist nicht recht ersichtlich. Es bestehen keine besonderen gesetzlichen Regelungen über Sonderverträge mit Energieversorgungsunternehmen, so dass die selben - allgemeinen - Auslegungsregeln heranzuziehen sind wie bei BGH VIII ZR 199/04.
Eine erst danach zu stellende Frage ist die der etwaigen Verjährung solcher entstandenen Rückforderungsansprüche. Hinsichtlich solcher Rückforderungsansprüche, die in einen verjährten Zeitraum fallen, besteht ein erhöhtes Risiko bei der Durchsetzung wegen der zu erwartenden Einrede der Verjährung gem. § 214 BGB. Der Beginn der Verjährung und deren Ablauf richten sich nach §§ 199 ff. BGB.
Black:
--- Zitat ---Original von reblaus
@Black
Sie übersehen aber, dass wir es mit einer konkludenten Vertragsänderung zu tun haben.
Aus den Handlungen der Vertragsparteien muss sich ergeben, dass
1. die ursprüngliche (unwirksame) Preisänderungsklausel aufgehoben werden soll,.
--- Ende Zitat ---
Nein, wenn diese unwirksam ist (also nichtig) muss es keine Vereinbarung zur Aufhebung geben.
--- Zitat ---2. eine neue wirksame Preisänderungsklausel vereinbart werden soll, von der man noch gar nicht genau weiß, wie sie ausgestaltet werden muss, um wirksam zu sein,.
--- Ende Zitat ---
Nein, es wird nur einmalig ein neuer Preis vereinbart. Keine neue generelle Änderungsklausel. Das bedeutet künftige weitere Änderungen sind von der Vereinbarung nicht umfasst, sondern nur diese eine Änderung, die der Kunde akzeptiert hat.
--- Zitat ---3. diese Preisänderungsklausel rückwirkend bereits zum Zeitpunkt der letzten Preisfestsetzung die alte Klausel ersetzen soll, und
4. der zuletzt einseitig festgesetzte Preis solange der vertraglich geschuldete Preis sein soll, bis der Versorger nach der neuen Klausel wiederum den Preis in vereinbarter Weise einseitig festsetzt.
--- Ende Zitat ---
Nein, siehe vorheriger Punkt.
reblaus:
@Black
Das OLG Koblenz stützt sich bei seiner Entscheidung auf die ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB. Die Regelungslücke liegt in der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel. Hier kann entweder eine wirksame Klausel oder aber der Verzicht auf eine solche Klausel als nach Treu und Glauben vereinbart angenommen werden. Schon diese Alternative verhindert die ergänzende Vertragsauslegung, da aus den Handlungen der Parteien nicht erkennbar ist, für welche Alternative sie sich entschieden haben.
Die ergänzende Vertragsauslegung darf auch nicht dem tatsächlichen Parteiwillen widersprechen. Der Versorger erhöht danach weiterhin seine Preise und beruft sich auf die getroffene vertragliche Vereinbarung. Auch der Verbraucher beruft sich im Verfahren auf die Preisänderungsklausel, und greift deren Wirksamkeit an. Schon daraus muss geschlossen werden, dass die Parteien gar keinen Willen hatten, diese Klausel zu ersetzen oder auf sie zu verzichten.
Auch mit Ihrer Theorie, dass unabhängig von alten Vereinbarungen einfach ein neuer Preis vereinbart worden sei, kommen Sie nicht weiter. Das müsste bedeuten, dass die Parteien den alten Vertrag einvernehmlich beendet und einen neuen Vertrag abgeschlossen hätten. Hier fehlt es schon an der Erklärungshandlung. Beide Parteien streiten sich über den ursprünglich vereinbarten Vertrag, gehen somit noch Jahre später davon aus, dass dieser Vertrag gültig sei. Wo soll denn da der Wille gewesen sein, diesen Vertrag zu beenden?
Das Gericht ist aber nicht befugt, im Rahmen der ergänzenden Vertragauslegung den Parteien seinen Willen aufzuzwingen, wenn diese übereinstimmend einen anderen Willen zum Ausdruck bringen.
Anders könnte es nur liegen, wenn der Verbraucher vortragen würde, er habe den alten Vertrag längst weggeschmissen und der Versorger diesen nicht vorlegen könnte, weil er bereits (unauffindbar) im Archiv abgelegt worden sei. Daraus könnte geschlossen werden, dass die Parteien an dem alten Vertrag das Interesse verloren hätten.
--- Zitat ---Original von Black Nein, wenn diese unwirksam ist (also nichtig) muss es keine Vereinbarung zur Aufhebung geben.
--- Ende Zitat ---
Bei einer Willenserklärung kommt es auf den subjektiven Erklärungswillen an, und auf den subjektiven Empfängerhorizont. Es ist nicht entscheidend, ob die Klausel objektiv nichtig ist, sondern ob die Parteien diese Nichtigkeit kennen.
--- Zitat ---Original von Black Nein, es wird nur einmalig ein neuer Preis vereinbart. Keine neue generelle Änderungsklausel. Das bedeutet künftige weitere Änderungen sind von der Vereinbarung nicht umfasst, sondern nur diese eine Änderung, die der Kunde akzeptiert hat.
--- Ende Zitat ---
Auch dieser Vorschlag funktioniert nicht. Zum einen wird damit keine Regelungslücke geschlossen, weil es sich nur um eine Einzelfallregelung handelt. Es fehlt auch an den erforderlichen Handlungen aus denen geschlossen werden könnte, dass die Parteien für das eine Mal auf die Anwendung der Preisbestimmungsklausel verzichten wollen.
Black:
@ reblaus
Im Rahmen von Tarifkundenverhältnissen ist eine unbillige Preisanpassung nichtig. Der BGH hat jedoch geurteilt, dass diese Nichtigkeit unbeachtlich ist, wenn der Kunde den veränderten Preis akzeptiert und beglichen hat. Der neue Preis wird zum \"vereinbarten Preis\". Ob dieser vereinbarte Preis tatsächlich hätte gefordert werden können wird dann vom Gericht nicht mehr geprüft.
Gleiches muss auch für Sonderverträge gelten. Wenn der Kunde den Preis akzeptiert, wird er zum neu vereinbarten Preis. Ob dieser vereinbarte Preis tatsächlich hätte gefordert werden können wird dann vom Gericht nicht mehr geprüft.
Wenn man dies ablehnen möchte, weil man hier Angebot, Annahme, ausreichend konkludente Handlungen etc. nicht erkennen kann, dann kann man das nicht nur beim Sonderkundenvertrag tun, sondern muss das auch insgesamt für Tarifkundenverträge ablehnen (so wie es RR-E-ft wohl tut). Dann stellt man sich aber gegen BGH Rechtsprechung.
Um einen Teilaspekt eines Vertrages - wie den Preis - vertraglich neu zu fassen, muss auch nicht der vorherige Vertrag zuerst beendet werden. Es genügt eine Einigung der Parteien über die Änderung (oder kündigt Ihnen Ihr Arbeitgeber zuerst, wenn er Ihren Lohn erhöhen möchte?)
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln