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Autor Thema: OLG Koblenz, B. v. 09.02.2007, Az. W 50/07 Kart. zu § 102 EnWG  (Gelesen 3315 mal)

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Zitat
W 50/07 Kart.
 14 0 81/06 LG Koblenz
 
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ


BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

gegen
 

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Grünewald als Einzelrichter am 9. Februar 2007
beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen den Beschluss des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts
Koblenz vom 1. Dezember 2006 wird als unzulässig verworfen.
Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei; Kos¬ten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.

Gründe:
Die Kläger werden von der Beklagten mit Erdgas beliefert.
Mit der bislang noch nicht zugestellten Klage begehren sie die Feststellung der Unwirksamkeit und Unbilligkeit der von der Beklagten vorgenommenen Preisbestimmung und Preisberechnung.

Die Kläger haben den Streitwert in der Klageschrift vorläufig mit 7.671,98 € angegeben. Das Landgericht hat den Streitwert abweichend hiervon mit Beschluss vom 1. Dezember 2006 auf 3.798,91 € festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die „ sofortige Beschwerde\" der Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der vorsorglich die Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen beim Landgericht Koblenz beantragt wird, weil eine Sonderzuweisung nach § 102 EnWG gegeben sei.
Die Beklagte hat nach formloser Mitteilung der Klageschrift ebenfalls Verweisung an die Kammer für Handelssachen beantragt. Das Landgericht hat der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen.
 
Die mit dem Ziel der Streitwerterhöhung eingelegte und deshalb als eigene Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Kläger auszulegende „sofortige Beschwerde\" (§ 32 Abs. 2 RVG) ist als unzulässig zu verwerfen. Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um eine vorläufige Streitwertfestsetzung gegen die eine Beschwerde gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht statthaft ist.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Streitwert nur vorläufig festgesetzt. Dies ergibt sich aus den Umständen, auch wenn in der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich von einer vorläufigen Streitwertfestsetzung die Rede ist. Die Kläger selbst haben den Gegenstandswert mit vorläufig 7.671,98 € angegeben. Die Festsetzung erfolgte nach Eingang der das Verfahren erster Instanz einleitenden Klageschrift. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG sieht vor, dass das Gericht mit der Einreichung der Klageschrift ohne Anhörung der Parteien sogleich den Wert durch Beschluss vorläufig festsetzt, wenn, wie hier, Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in € ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist Dem hat das Landgericht Rechnung getragen. Dass vor erfolgter Zustellung der Klageschrift und Anhörung der Beklagten keine abschließende Streitwertfestsetzung gewollt war und möglich ist, liegt auf der Hand.

Gegen die vorläufige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG kann man Einwendungen zur Höhe nach dem klaren Wortlaut von § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG nur in dem hier nicht einschlägigen Verfahren nach § 67 GKG geltend machen (OLG Brandenburg MDR 2000, 174; OLG Hamm FamRZ 2005, 1767; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 63 GKG, Rdnr. 14). Eine Beschwerde darüber hinaus ist unzulässig. Anfechtbar ist erst die endgültige Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG. Die von Schneider vertretene Gegenauffassung (MDR 2000, 380,381), die § 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO (jetzt: § 33 Abs. 2 RVG) als lex spezialis gegenüber §§ 25 Abs_ 1 Satz 2, 6 GKG (jetzt: § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG) ansieht und ein Beschwerderecht des Rechtsanwalts auch gegen eine vorläufige Wertfestsetzung bejaht, ist mit dem Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG unvereinbar und deshalb abzulehnen.
 
Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Der Einzelrichter der Zivilkammer wird den Rechtsstreit auf den Antrag der Beklagten gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 GVG an die funktionell zuständige Kammer für Handelssachen zu verweisen haben, weil es sich vorliegend um eine Handelssache gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG i.V.m. § 102 Abs_ 2 EnWG handelt.

Die Parteien streiten über die Unbilligkeit und Unwirksamkeit der Preisbestimmung und Preisberechnung im Rahmen des zwischen ihnen geschlossenen Erdgasversor-gungsvertrages.

Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem EnWG ergeben, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes, die Landgerichte ausschließlich zuständig. Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG gilt Satz 1 auch, wenn die. Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Ent-scheidung abhängt, die nach diesem Gesetz zu treffen ist. Unerheblich ist es, wenn auch oder im Schwerpunkt andere Normen als die des EnWG zur Streitentscheidung heranzuziehen sind; (Salje, EnWG, § 102 Rdnr. 7).

Im Streitfall handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, die auch von einer Entscheidung abhängt, die zumindest teilweise nach dem EnWG zu treffen ist.

Die von den Klägern begehrte Feststellung wird damit begründet, dass Tarife von Unternehmern, die im Rahmen eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsver-hältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (ebenso für Gasanschlusskosten: BGH NJW 1987, 1828; für Stromtarife: BGH NJW-RR 1992, 183, 2003, 1449; für Abwasserentgelte: BGH NJW 1992, 172; a.A. Kunth/Tüngler, NJW 2005, 1313).
 
EnWG ist Zweck des Gesetzes eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leistungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. Damit ist auch für Gaslieferungsverträge und damit für die Entgeltbestimmung der Beklagten der das gesamte Energiewirtschafts-recht beherrschende Grundsatz der preisgünstigen Versorgung zu berücksichtigen. Die Entscheidung des Streitfalls hängt deshalb auch von Entscheidungen ab, die nach dem EnWG zu treffen sind. Damit ist die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen begründet, §102 Abs. 2 EnWG.


Wegen der örtlichen Zuständigkeit wird auf Folgendes hingewiesen:

Von der dem Vorbild des § 89 GWB nachempfundenen Regelung des § 103 EnWG, Rechtsstreitigkeiten auch für den Bereich des EnWG landesweit nur einem Landgericht zuzuweisen, um. die Sachkompetenz der mit der Entscheidung von bürgerlichen EnWG-Streitigkeiten befassten Gerichten noch stärker zu konzentrieren, hat die Landesregierung Rheinland-Pfalz bislang keinen Gebrauch gemacht. Ob auf die auf der Grundlage der Ermächtigung des § 89 Abs. 1 GWB erlassene Verordnung vom 22. November 1985 (GVBI. S. 267), zuletzt geändert durch Art.149 G. vom 12. Oktober 1999 (GVBI. S. 325), die das Landgericht Mainz für die OLG-Bezirke Koblenz und Zweibrücken als zuständiges Kartellgericht bestimmt, zurückgegriffen werden kann, weil wegen der Einschlägigkeit von §19 GWB auch eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit nach § 87 Abs_ 1 Satz 1 oder 2 GWB gegeben sein könnte, wird zu prüfen sein (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.06.2006 — 7 U 194/04 abgedruckt in RdE 2006, 356-358 mwN).

Der Senat sieht keine Veranlassung, im Rahmen der unzulässigen Streitwertbeschwerde hierzu und zum Konkurrenzverhältnis zwischen dem EnWG und dem GWB bei der gerichtlichen Kontrolle von Gaspreisen abschließend Stellung zu nehmen.

 

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